Weiß Ferdl
Die kreutzfidele Harfe
Weiß Ferdl

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»d'Mari«.

Die Geschichte eines Münchner Madels.

1.
              Eine Lebensgeschichte
      Ich euch heut berichte
Von 'nem Münchner Madl gar schlau,
Geboren da draußt in der Au.
      Sie war a kloans Teuferl,
      Hat trag'n allweil Schleiferl
Im Zöpferl, bald rosa, bald blau,
Hat putzt sich und draht wie a Pfau.
      Übers Strickerl tat's springen,
      Manch Liedl sie singen,.
      Doch ein' Fehler hatte auch sie,
      Ach Gott, die kleine Marie.
Am Köpferl der Kleinen, das war gar nicht fein,
Da krabbelten Tierchen herum ganz klein,
Und weil sich das Madl gekampelt fast nie,
Drum hieß man sie stets nur die Laus-Marie.
2.
      Doch die Kleine tat lachen,
      Sich nichts daraus machen, 67
Was andre über sie da geschwatzt,
Sie hat sich nur manchmal gekratzt.
      Sie wuchs und gedeihte,
      Daß jeder sich freute,
Heran zu 'ner zücht'gen Jungfrau,
Wie 's so viele gibt draußt in der Au.
      Als solche da kam sie,
      Die gute Laus-Marie,
      Als Wassermädl in ein Café,
      O Unschuld, leb wohl, ade.
Der Kleinen gefiel's dort, sie wurd' bald verehrt,
Und fühlte sich dadurch gar hoch geehrt.
Am besten gefiel ihr jedoch ganz gewiß,
Weil jeder sie dort Freilein Mizzi hieß.
3.
      Ja die Mizzi war helle,
      Sie lernte gar schnelle,
Wie man mit den Männern das macht,
Das hat sie gelernt über Nacht.
      Bald hat sie erobert
      Einen, der hieß Robert,
Z'Pfaffenhofen da war er zu Haus,
Und 's Geld, das ging ihm gar nie aus.
      Beim teuersten Schneider
      Da kauft er ihr Kleider,
      Und richtet a Wohnung ihr ein
      In Schwabing drunt, ach Gott, wie fein. 68
Und gnädiges Fräulein wurd' sie tituliert,
Drum hat sie die Nägl sich jetzt poliert,
Sie hielt sich a Dienstmädl und an Foxtieri,
Und nannte wie nobl sich jetzt »Merri«.
4.
      Und so lebten die beiden
      In Wonne und Freuden,
Bis der Robert – o welches Malheur –
Auf einmal kein Geld hatte mehr.
      Die Merri fast weinte,
      Der Robert, der meinte:
Machst halt wieder a Wassermädl,
Da warf sie a Tass' ihm an'n Schädl.
      Die Merri, die schmollte,
      Der Robert, der grollte,
      Fuhr heim nach Pfaffenhofen an der Ilm,
      Und sie – na sie ging zum Film.
Sie hatte Gard'roben, a schicke Figur,
Das ist's, was zum Filmen man braucht ja nur.
Sie wurd' bald ein Filmstern, sie hat's durchgesetzt,
Und nannte statt »Merri« sich »Mia« jetzt.
5.
      Fleißig filmte und flirte,
      Die Mia poussierte,
Gab aus ungeheuer viel Geld,
Sie war eine Dame von Welt. 69
      Doch ach, sie wurd' älter,
      Die Freunde dann kälter.
Wie's ging, weiß ich nicht mehr genau,
Jetzt ist's wieder draußt in der Au.
      Auf der Leinwand, da schreitet
      Von Dienern begleitet
      Die »Mia« als Fürstin noch rum,
      Sie selbst fahrt mit'n Obstkarr'n herum.
Nicht »Mia«, nicht »Merri«, nicht »Mizzi« genannt,
Als solche ist sie dort ja nicht bekannt,
Nein, weil sie wie früher sich kampelt fast nie,
Drum heißt sie wie einst wieder »Laus-Marie«. 70

 

Fahrendes Volk.

Umherziehende Komödianten erleben allerhand, viel Unangenehmes, aber auch oft recht Lustiges. Wir kamen nach Bad Reichenhall, in der Hoffnung, ein glänzendes Geschäft zu machen. Auf der Fahrt erzählte uns schon ein Herr, daß die Kurgäste direkt »lechzen« nach etwas Zerstreuung. Vierzehn Tage regnet es schon ununterbrochen, die Leute wissen nicht, was sie vor Langeweile anfangen sollen. Unsere Augen glänzten vor Freude, den armen Kurgästen wollen wir helfen, es ist ja auch niemand da, der sich besser eignen würde, als wir, »Die Münchner Meistersänger«. So nannten wir uns unter der bekannten Direktion Max Neumeier; wir sangen hauptsächlich humoristische Quartette, vier Sänger und ein Pianist. In Freilassing kauften wir uns in Anbetracht der auf uns schon wartenden guten Geschäfte leichtsinnigerweise noch warme Würstchen und einige Glas Bier.

Als wir in den Reichenhaller Zug einstiegen, regnete es nicht mehr. Der Koch Maxl, ein grimmiger Pessimist, fing an: »Paßt's auf, jetzt weil wir nach Reichenhall kommen, wird's schön Wetter!« Er wurde niedergeschrien. Ausgeschlossen! Schau nur, wie tief die Wolken lieg'n, morgen regnet's, was runterfall'n kann! Unser Direktor, ein rührender Optimist, erklärte, daß er diese Gegend ganz genau kenne. Wenn es auf der ganzen weiten Welt schön Wetter sei, in Salzburg und in Reichenhall, wenn es einmal 71 regnet, hört es unter 4 bis 6 Wochen nicht mehr auf. – Als wir in Reichenhall angekommen, lachte ein schöner blauer Himmel spöttisch auf uns »Meistersänger« herunter. Die Wolken waren mit fabelhafter Schnelligkeit verschwunden, nur der Hohenstaufen hatte noch ein dunstiges Wolkenhäubchen auf, aber auch das wurde immer kleiner. Am nächsten Tag war ein herrliches Wetter, kein Mensch las die Plakate der »Münchner Meistersänger«, die heute im Ludwigsbad ein Konzert geben – – wollten. Es kam, wie zu erwarten war, keine Seele, obwohl wir uns, das soll ein Sympathiemittel sein, schon um ½8 Uhr angezogen hatten und im Frack und weißer Weste warteten! – Auch dieses Mittel war erfolglos. Doch nein, nicht ganz! Ein Herr, der am Saaleingang – vorbeiging, frug mich, für den Ober haltend, nach einen gewissen Ort, worauf ich aus Bosheit – ich hätte ihm die gewünschte Auskunft schon geben können – von oben herab antwortete: »Bedaure, bin hier fremd!« –

So ging es uns eine Woche hindurch, ein Tag war schöner und strahlender wie der andere. Die Leute machten Ausflüge, Touren, gingen zum Schwimmen. Wie gern hätten wir auch dies alles gemacht, aber da bekommt man noch mehr Hunger. In den Gasthof, in welchem wir im 3. Stock wohnten, schlichen wir uns immer einzeln abends hinein und morgens fort, denn wir hatten alle fünf nicht soviel Geld, um für einen die Hotelrechnung bezahlen zu können. Es regnete nicht und es regnete nicht!

Nachmittags gingen viele Reichenhaller Kurgäste über die Grenze nach Großgmain zum Kaffee. Wir hofften dort 72 ein Nachmittagskonzert arrangieren zu können. Der Wirt wollte aber nichts wissen und fertigte unsern Herrn Direktor sehr ungnädig ab; dabei hatten wir unsere letzten Pfennige bei ihm verzehrt. Was tun? Der Garten füllte sich und wehmütig berechneten wir, was das für eine schöne Summe geben würde, wenn jedes nur 50 Pfennige Eintritt bezahlt hätte. In der Verzweiflung faßten wir den Entschluß, unsern Sängerspruch zu singen und so die Aufmerksamkeit der Gäste auf uns zu lenken. Schnell übten wir draußen an einem Ort, der zwar nicht als Probelokal gebaut, aber infolge seiner kahlen Wände sehr akustisch ist, unsern Sängerspruch piano, pianissimo! Kommst so hoch nauf? »Ja, ja,« beteuerte ich, »wenn der Magen nicht überladen, singt man sich bekanntlich leichter!« An dem Tag hab ich mich sehr leicht gesungen. Zurückgekehrt an unseren Tisch, stimmten wir unseren Sängerspruch an:

»Es grüßen euch mit Herz und Hand
Die Sänger, die Sänger von dem Isarstrand!«

Bravo!! Allgemeines Händeklatschen. Zwei Liter Rotwein wurden auf unsern Tisch gestellt. Ein österreichischer Hauptmann kam an unsern Tisch: »Das woar jo wunderboar! Dö Herrn müassen no an's singa, jo??« Auf das hat unser Direktor gewartet. Er sagte: »Wir hätten gern ein Konzert gegeben, aber der Wirt ist dagegen.« »Jo war jo glei recht, mir san jo so froh, wann si bei uns was rührt; das wer'n ma gleich hob'n. Freilein, sog'ns der Herr Wirt möcht an klan Aug'nblick herkummen! Jo!« Der Wirt kam etwas verlegen schmunzelnd; sofort bestürmte ihn der Hauptmann: »Sö, Herr Wirt, warum woll'n sö dö liab'n Leut aus 73 München, dö so schön singen, net auftreten lass'n, alle Leut freu'n sich doch, wann's so was hör'n können!« Der Wirt sagte, er habe nichts dagegen, er hat uns nicht gekannt usw. Wenn seine Gäste das wollen, habe er nichts dagegen. »Aber jo, woll'n ma das,« sagte der liebe, gute, fesche, schneidige Hauptmann, ein feiner, gebildeter Mann, und wir waren gerettet. Am nächsten Tag nachmittag gaben wir dort ein Konzert, Eintritt wurde auf Anraten des Herrn Hauptmann nicht verlangt, sondern auf jedem Tisch ein Teller mit Serviette gestellt, in welches die Gäste ihren Obolus versenkten. Der Hauptmann meinte, das mache einen sehr guten Eindruck, unser Direktor behauptete, er sei auf diese Weise einmal ganz elend hineingefallen. Das liebe Publikum war aber sehr anständig und wir gingen befriedigt und erleichterten Herzens nach Reichenhall zurück. Abends hatten die Kellner irgendeine Zusammenkunft, wir sangen auch hier einige Quartette und verdienten ebenfalls noch etwas. Unser Pianist Neumeier jun. mußte einem zehnmal nach einander das schöne Lied »Schönau, mei Paradies« vorspielen. Dabei wurde der gute Mann so gerührt, daß er weinte wie ein kleines Kind. So oft er aufhören wollte, rief er wieder: »Amol no, bitte!« Dann weinte er wieder weiter.

Am nächsten Tag spielten wir in St. Zenno und machten auch hier ganz gute Geschäfte. Wir brauchten uns in unser Hotel nicht mehr hineinschleichen. Wir bezahlten und reisten ab; als wir im Zug saßen, fing es zu regnen an. Wir kehrten nicht mehr um, die Reichenhaller sollten beim Regenwetter nach uns lechzen, wie wir nach ihnen gelechzt haben. 74


 

Auf »Tournee«.

Mit dem Quartett »Die Münchner Meistersänger« zog ich 1½ Jahr in Deutschlands Gauen umher. Wir beglückten auch oft Orte, die abseits der Bahn lagen, damit auch die armen Menschen, die abseits der großen Verkehrsstraßen wohnten, auf diesen Kunstgenuß, uns singen zu hören, nicht verzichten mußten. Merkwürdigerweise dankten die bösen Mitmenschen unser Entgegenkommen, sie in ihren abgelegenen Wohnstätten mit unserer heiteren Kunst beglücken zu wollen, sehr schlecht. Sie kamen überhaupt nicht, nahmen gar keine Notiz von uns. Die teueren Plakate waren umsonst verpappt, das Geld für das Inserat im dortigen Wochenblatt umsonst im voraus bezahlt, ebenso die ortspolizeiliche Erlaubnis. Wir »Münchner Meistersänger« standen allein auf weiter Flur, es kam niemand. – »Abgebrannt« lautet der Fachausdruck. Mit allerhand Verwünschungen gegen die jeder Kunstbegeisterung bare Bevölkerung wandten wir solchen Orten grollend den Rücken. Sehr oft passierte uns dies oben im Frankenlande. Die edlen Franken – der Koch Maxl nannte sie in seinem Ärger die »ölendigen Franken« – sind sehr mißtrauisch. In »Haßfurt« kam an einem Sonntag nachmittags und abends keine Seele. In »Zeil« waren um 8 Uhr nur 18 Personen anwesend, die andern standen drunten auf der Straße, sie wollten zuerst mal hören, was eigentlich los ist; erst nachdem wir einige Quartette gesungen, kamen noch welche. »Zeil« bleibt mir unvergeßlich, da gab es zum Abendessen nichts wie Essiggurken. Traute uns der Wirt nicht bei dem schlechten Geschäftsgang, oder hatte er wirklich nichts als nur 75 Essiggurken? Kein Wunder, wenn wir da sauere Gesichter machten. – In Treuchtlingen kamen wir wenige Stunden vor Beginn der Vorstellung an und fanden in dem Saal, in welchem das Konzert stattfinden sollte, kein Podium vor. Auf die Frage, wo denn das Podium sei, antwortete der Wirt naiv: »I hab g'meint, das bringt ihr selber mit!«

Ein Kapitel für sich sind die Klaviere, die man auf Reisen antrifft. Ganze Bände könnte man da über die Vervollkommnung der Klaviere schreiben. Wir lernten alle kennen; durchschnittlich sind sie alle zu tief, was mir als Tenor gar nicht unangenehm war – aber der Baß, der schimpfte. Einen Ton zu tief ließ er sich noch gefallen, aber wenn es mehr als eine kleine Terz war, wurde er grob, der gute Jobst. Unter seinen Baßliedern hatte er zwei Schlager, die er sehr gern sang. Das war das herzergreifende Lied: »Sei still mein Kind, der Vater schläft« und als zweites ein heiteres Liedl: »Das Rindvieh«. Ein Halloh gab es immer, wenn bei dem ersten Lied die Zuhörer ganz ergriffen lauschten auf die letzten Worte: »Sei still mein Kind, der Vater schläft« und er unmittelbar darauf ankündigte »Das Rindvieh!«

Noch eine lustige Klavierepisode. In einem einsamen Sommerhotel hatte unser Direktor ein Nachmittagskonzert angesetzt. Es ist alles sehr nett dort, sagte er, sehr vornehme Leute wohnen dort, sogar ein Flügel ist da, ich glaub' es ist ein Pechstein-Flügel. Ja, »Pech« war dabei. Wir trafen pünktlich um 3 Uhr nachmittags dort ein, die Kellnerin versicherte uns, daß sich die Leute schon recht freuen auf uns, was uns auch freute. Wir schlüpften in unsere Fräcke hinein 76 (das bekannte Sympathiemittel) und gingen frohgelaunt in den Konzertsaal. Der »Flügel« stand noch im Hausflur. Der junge Neumeier, unser Pianist, meinte: »Daß die den Flügel im Hausflur stehen haben, ist doch schad um so ein Instrument, sicher wird er recht verstimmt sein!« Er ging zum Flügel, öffnete, schlug einen Akkord an – kein Ton kam heraus – um Gottes willen! Ich hob den Deckel hoch – »heilige Cäcilia!« – da konnte freilich kein Ton herauskommen – das war einmal ein Klavier – jetzt war's ein Besteckkasten! Die »Meistersänger« sangen damals ohne Klavier!


 

Das verdammte »as«

In Chemnitz Abschiedsvorstellung, unzählige Runden von den Stammgästen gewidmet bekommen, nach dem Konzert nochmals eine Abschiedssauferei, dann 4. Klasse bis Hof, Personenzug bis München, und abends um 8 Uhr Vorstellung in der »Monachia«. Als ich um ½8 Uhr todmüde, an Leib und Seele kaput, zur »Monachia« kam, fiel mir ein Riesenplakat in die Augen. Darauf stand unter anderem: Ernst Weiß, Balladensänger. Aha, dachte ich, ein Namensvetter! In der Garderobe erfuhr ich dann, daß ich der Balladensänger sei. Ich wehrte mich mit Händ und Füaß dagegen, bekräftigte mit vielen Schwüren, daß ich miserabel bei Stimme sei, alles umsonst, es hieß, ich stehe am Programm und muß singen. Ich trat mit zitternden Knien vor das Publikum und ahnte schon das kommende Unheil. Es herrschte eine unheimliche Ruhe im 77 Zuschauerraum. Gewöhnlich ist der Sänger furchtbar erbost, wenn das Publikum nicht ruhig ist, an diesem Tag wünschte ich von Herzen einen Radau, am liebsten wäre es mir gewesen, sie hätten Salven abgegeben während meinem Gesang. Aber nein, eine solche Ruhe habe ich nie mehr gehört, wie damals. Ich sang das Lied von der »Frauentreue«, es bewegte sich ziemlich in der Mittellage – aber zum Schluß kam auf die Silbe »Frau« das hohe »as«. Darauf hatte ich schrecklich Angst, nachdem ich bei den ersten beiden Strophen das »f« nur mühselig herausbrachte. Schon war ich bei der dritten Strophe, der Angstschweiß stand mir auf der Stirne, die Stelle kam immer näher, ich sang immer langsamer, um die Katastrophe möglichst weit hinaus zu schieben. Der Direktor Karl, der am Klavier saß, arbeitete mit dem ganzen Oberkörper, um mich zu einem flotteren Tempo zu bewegen; umsonst, ich hatte ein riesiges »ritardando« eingeschaltet. Trotzdem war die Stelle, das gefürchtete »as«, auf einmal da. Ich holte noch einmal Luft, öffnete den Mund so weit wie möglich, alle Muskeln waren gespannt, alle Fasern an mir bebten, und stieß mit aller Wucht das »Frau«entreu hinaus. Haben Sie schon einmal bei Nacht schwere Artillerie über einen steilen Berg hinunterfahren hören? So ähnlich war damals mein hohes »as«. Ich hatte das »as« angesetzt. die Stimme überschlug, klomm infolge der kräftigen Lungenanstrengung noch einmal in die Nähe des »as«, überschlug sich nochmals und gurgelte wie ein falsch eingesetztes Grammophon. Mit blutrotem Kopf rannte ich hinter die Kulissen und schämte mich, daß ich am liebsten in den Erdboden gesunken wäre. Das Publikum aber, die boshafte Kanaille, 78 klatschte wie besessen, hatte eine Riesenfreude über das, was mir passiert. Ein alter Herr lachte, daß ihm die Tränen herunterliefen; ich kenne ihn zwar nicht, aber vergessen kann ich es ihm auch nicht. Den ganzen Abend, beim Komiker und bei der Posse, lachte er nicht so wie bei mir, dem Balladensänger. Sie gaben keine Ruhe, ich mußte noch etwas singen. Beim zweiten Lied war aber kein »as« zu singen und ich wurde ohne »Gickser« fertig, was das Publikum anscheinend sehr ärgerte, denn der Applaus war schwach. Ich werde dieses fürchterliche »as« und den alten Herrn, der sich darüber so königlich freute, nie vergessen.


 

Die ersten Blumen!

Was ist das für eine schöne, reine Freude, wenn man auf der Bühne zum erstenmal Blumen überreicht bekommt. Dieses selige, stolze Gefühl, für die eben gebotene Kunst vor aller Augen sichtbar belobt zu werden, kann man nicht mit Worten ausdrücken. Selbst Personen, die bisher auf deinen Gesang nicht achteten, werden nun überzeugt, es muß doch etwas daran sein an dem seinen Sang, sonst würde er keine Blumen bekommen. Die ersten Blumen erhielt ich in Regensburg von einer Dame eigenhändig überreicht. Meine zwei Lieder hatte ich gesungen, verbeugte mich vor dem nicht gerade rasenden Publikum – da trippelte eine, wenn auch nicht mehr ganz junge und hübsche, mir aber doch holdselig erscheinende Gestalt, in der rechten Hand ein Blumensträußchen haltend, auf mich zu und überreichte mir das Sträußchen mit den Worten: »Weil's so schön g'sunga 79 hab'n!« – Die Worte des Dankes blieben mir vor Rührung in der Kehle stecken. Ich blickte sie an, fest, durchdringend. Sie erschauerte unter dem Blick meiner Glutaugen, dann stürzte ich in die Garderobe mit meinen Blumen, meinen ersten Blumen, steckte mein Näschen hinein – aber kein holder Duft schlug mir entgegen, denn es waren künstliche Papierblumen. Die freundliche Geberin hatte sie selbst verfertigt! – Diese Blumen haben den Vorzug, daß sie nie verwelken, sie sind sehr haltbar!! –


 

Der pedantische Pianist.

Mein Direktor Neumeier hatte früher einen Pianisten, sehr tüchtig, gewissenhaft, aber auch ein wenig Pedant. Die Kollegen, die seine Schwäche erkannt, machten sich oft ihren Spaß damit. Mit Vorliebe borgten sie von ihm ganz kleine Beträge – 2 oder 5 Pfennig – und blieben die selben monatelang schuldig. Es verging kein Tag, an welchem sie der gewissenhafte Mensch nicht an die Schuld erinnert hätte. »Du, von dir bekomme ich noch zwei Pfennig!« – »Ach ja, richtig, ich hab' aber jetzt grad kein Kleingeld!« – »Schon gut, ich erinnere dich nur, damit es nicht in Vergessenheit gerät!« – Auf diese Weise forderte er monatelang jeden Tag seine zwei Pfennig, bis der Schuldner sich endlich bequemte und zahlte. Auf Tournee in irgendeinem kleinen Städtchen vor dem Konzert saßen die Herren beisammen und frugen die Kellnerin, was es zu essen gäbe. »Einen recht schönen Schweinsbraten mit Kartoffelsalat gibt's!« – »Gut, bringen Sie mir einen!« – 80 »Mir auch! Mir auch!« Alles bestellte Schweinsbraten, zum Schluß der Pianist: »Fräulein, bringen Sie mir auch einen Schweinsbraten – aber – ohne Kartoffelsalat!« Der Schweinsbraten kam, jeder ließ sich seine Portion gut schmecken, dann begann das Konzert. Nach dem Konzert – es ging schon gegen 12 Uhr – bezahlte jeder seine Zeche. Die Kellnerin rechnete bei jedem: »Einen Schweinsbraten mit Kartoffelsalat 70, drei Bier 36, macht eine Mark sechs.« Als letzter bezahlte der Pianist. »Fräulein, ich hab' einen Schweinsbraten gehabt – aber ohne Kartoffelsalat!« – »Macht siebzig, und wieviel Bier?« – »Fräulein – ohne Kartoffelsalat!!!« – »Das macht nix, das kost grad so viel!« – »Soo – dann bringen Sie mir jetzt den Kartoffelsalat!!« – Der gewissenhafte Pianist, der seinen Schweinsbraten um 7 Uhr abends gegessen, aß seinen Kartoffelsalat um ¾12 Uhr – denn: Ordnung muß sein! – 81


 

Münchner Kellnerin.

        Viel Schönes gibt's in München hier,
Was wir nur hab'n allein.
Nirgends gibt's so a gutes Bier,
Das schmeckt so mild und fein.
Und wie wird das hier fein serviert,
Mit einem duft'gen Schaum,
Es treibt, es quirlt und moussiert,
Zu bänd'gen ist es kaum.
Und wer stellt's hin und lächelt süß,
Sagt: »Wohl bekomm's, mein Herr!«
Kein Kellner, überspannt und mieß,
Ein Engel schwebt daher.
      Das ist die Münchner Kellnerin,
      In ihrem Reich a Königin,
      Gar flink und aufmerksam,
      Auch brav und tugendsam.
      Und wer sich ihrer Gunst erfreut,
      Dem geht es gut wohl jederzeit,
      Weh dem, der sie verlor'n,
      Denn was er b'stellt, is g'strich'n wor'n.

Kommt sie ins G'schäft, is fein frisiert,
D'Friseuse, die kommt ins Haus,
Der Schurz gestärkt und schön plissiert,
Gar sauber schaut sie aus,
Wie sie serviert so graziös,
Und lächelt noch charmant, 82
Sechs Teller tragt's, wird nicht nervös,
Zehn Glas in einer Hand.
Und schrei'n die Gäste noch so wild,
Ist der Trub'l noch so groß,
Das macht ihr nichts, bleibt ruhig mild,
Und ruft nur freundlich: »Sooß!«
Das ist die Münchner Kellnerin,
      In ihrem Reich a Königin,
      Gar flink und arbeitsam,
      Auch brav und tugendsam.
      Der Bleistift steckt da drob'n im Schopf,
      Doch schneller rechnet sie im Kopf,
      Wenn sie auch kokettiert –
      Die Rechnung stimmt – sie nie sich irrt.

Ein gutes Herz hat's jederzeit,
B'sonders für junge Herrn,
Zu pumpen ist sie auch bereit,
Vergißt's, wenn's will, oft gern,
Und manch Student mit leichtem Sinn
Hätt nie sein Doktor g'macht,
Wenn nicht a Münchner Kellnerin
Ihm oft was z'ess'n bracht.
Und hat er dann sein Ziel erreicht,
Zog sie sich still zurück.
Und war's für sie auch oft nicht leicht,
Sie wollt' nicht stör'n sein Glück.
      Das ist die Münchner Kellnerin,
      Manch hohem Herrn einst Förderin, 83
      Die's möglich ihm gemacht,
      Daß er's zu was gebracht.
      Wenn einer hier gar nichts erreicht,
      Geh zu 'ra Kellnerin, dann geht's leicht.
      Legt sie ein Wörtlein ein,
      Dann rutscht du überall hinein.

Hat ihr auch mal das Herzerl klein
Gespielt an bösen Streich,
Und sie mal »Ja« gesagt statt »Nein«,
Verdammt sie nicht sogleich.
Was weiß so'n Bürgerstöchterlein,
Die stets betreut, bewacht,
Was auf a Kellnerin all's stürmt ein,
Wie's Bravsein schwer ihr g'macht.
Hat sie gefehlt, werf't keinen Stein,
Wir alle Sünder sind,
Denn sie ernährt und sorgt allein,
Muß sein, auch für ihr Kind.
      Das ist die Münchner Kellnerin,
      Ein gutes Herz, an frohen Sinn,
      Gar flink und arbeitssam,
      Gewachsen rund und stramm.
      Wer sie heimführt als Frauerl klein,
      Der wird fürwahr stets glücklich sein,
      Sie bleibt ihm treu gewiß,
      Weil s' weiß, wie schlecht jed's Mannsbild is! 84


 

Lied des alten Postillon.

Aus dem Liederspiel »Bayerische Postillone«.

        Früher, wie's halt noch koa Eisenbahn hat geb'n,
Lang, lang is her, lang, lang is her,
Da war auf der Landstraß'n no a lustig's Leb'n,
Lang, lang is her, lang is her.
Da war a Postillon noch hochgeehrt,
Und weg'n Schnellfahr'n hab'ns g'wiß koan eing'sperrt.
Die Zeiten san vorbei jetzt, die kommen nimmermehr
Lang, lang is her, lang is her.

's Reserl kenn i scho, wia's auf d'Welt kumma is,
Lang, lang is her, lang, lang is her,
Da war's a so a kloan's Putzerl, dös woaß i no ganz g'wiß,
Lang, lang is her, lang is her.
Na is größer wor'n, hat in d'Schul müaß'n gehn,
Bald drauf sah ich sie schon als Jungfer vor mir stehn.
Jetzt is das Reserl scho lang koa Jungfer mehr,
O lang, lang is her, lang is her.

Bin als junger Bursch i stolz auf meinen Bock drob'n g'hockt,
Lang, lang is her, lang, lang is her,
Da hab i mit mein Liedl manches schöne Kind rausg'lockt,
Lang, lang is her, lang is her. 85
Die Fenster gingen auf, die Ohr'n, die hab'ns da g'spitzt,
Und Augen blaue, schwarze, die hab'n mich angeblitzt.
Da hat mein junges Herzerl dann oft g'schlegelt hin und her.
Lang, lang is her, lang is her.

Amol da hab i ei'gspannt g'habt vier schöne schneid'ge Füchs,
Lang, lang is her, lang, lang is her,
In Gala bin i drob'n g'sess'n in meiner schönsten Wichs,
Lang, lang is her, lang is her.
Und den, den i g'fahr'n hab, 's war a gar hoher Herr,
's war unser König Ludwig, der mir hat g'schenkt die Ehr,
Das war die schönste Fahrt in meinem ganz'n Leb'n.
Lang, lang is her, lang is her. 86


 

Wam–pu–pi–bam–ba!

Aus der Operette »Mamsell Carmen« v. M. Zeder u. Curt Wanger.

        Einst lebt' in einem Kafferngral
Ein schönes Mägdelein: Ah!
Verehrer hat's in großer Zahl,
Wie könnt's auch anders sein. Ah!
Wenn schwarz die Nacht wie ihre Haut,
Da schleicht sich's rings heran,
Von allen Seiten es miaut,
Wie's eben jeder kann.
Uau! Uau! Uau! Uau! Uau! Uau!
Wam–pu–pi–bam–ba ouh!
Wie bist du schön!
Wam–pu–pi–bam–ba ouh!
Erhör mein Flehn!
Wam–pu–pi–bam–ba ouh!
O liebe mich!
Wenn du nicht schnell kommst auf der Stell',
Ich freß dich!

Die Eifersucht brennt glühend heiß
In der Verehrer Brust! – Ah!
Sie raufen um den Siegespreis
In grauser Mohrenluft! – Ah! 87
Doch da der Kampf viel Hunger macht,
So fressen's ungeniert
Den Schwächsten auf sie jede Nacht,
Worauf gesungen wird:
Uau! Uau! Uau! Uau! Uau! Uau!
Wam–pu–pi–bam–ba ouh! usw.

Du liebes blondes Kind am Rhein,
So klang's einst sehnsuchtsbang.
    (Zwischenspiel: Statt Ah! »Kling klang goldner Wein« 4 Takt.)
Der deutsche Bursche blond und fein
Sang's oft bei Becherklang.
    (Zwischenspiel: »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten« 4 Takt.)
Jetzt tönt am schönen deutschen Rhein
Ein andrer Minnesang,
Dem deutschen Mädchen lieb und rein
Dem wird dabei gar bang!
Uau! Uau! Uau! Uau! Uau! Uau!
Wam–pu–pi–bam–ba ouh
Ich bring dir nur!
Wam–pu–pi–bam–ba ouh
Bei die Kultur!
Wam–pu–pi–bam–ba ouh
O glaub mir bloß!
Bin kein Barbar, das ist nicht wahr,
Bin Franzos! 88


 

Kling, klang gloribus!

Aus der humoristischen Gesangsszene »Im Klosterkeller«.

1.
                        Der fromme Frater Emeran,
                Er war ein Franziskaner,
                Kam er mit'm Klingelbeutel an,
                Soviel wie er bracht' kaner.
                Er hat' so'n liebes, gutes G'sicht,
                Bat er, gab man, 's ging anders nicht,
                Mit seiner Stimm', der warmen,
                »Bitt gar schö für die Armen.«
Kling klang, kling klang gloribus, gloribus,
Ein jeder, selbst der ärmste Tropf,
Gab her sein' letzten Hosenknopf.
Kling klang, kling klang gloribus, gloribus,
Ging Emeran mit'n Beutl rum,
Kling klang, kling klang, kling klang, kling klang glorium.
2.
                Einst sprach der Pater Guardian:
                Ach Gott, es ist ein Jammer,
                Kein Fleisch, kein Mehl, was fang' ma an,
                Kein Wein, ach gar nix ham' mer.
                Da sprach der Frater Emeran:
                Gebt Urlaub mir, Herr Guardian, 89
                Ich will Euch all das bringen,
                Betet, dann wird's gelingen.
Kling klang, kling klang gloribus, gloribus,
                Die Brüder beteten dann all
                Und sangen leise den Choral:
Kling klang, kling klang gloribus, gloribus,
                Der Emeran hing 's Ränzlein um.
Kling klang, kling klang, kling klang, kling klang glorium.
3.
                Gar lustig schritt er dann fürbaß,
                Hat üb'rall angeklopfet,
                Versprach all den Leuten viel Ablaß.
                Ins Ränzlein man ihm stopfet
                Viel Eier, auch Butter, Schmalz und Mehl.
                Er sprach: Ich bet' für eure Seel,
                Auch Schweinefleisch gern nimm i,
                Du kommt's ganz g'wiß in Himmi.
Kling klang, kling klang gloribus, gloribus,
                Und wer mir schenkt ein ganzes Schwein,
                Der wird dann selbst ein Engelein.
Kling klang, kling klang gloribus, gloribus,
                Bald lief ein klein's Säulein vor ihm rum.
Kling klang, kling klang, kling klang, kling klang glorium.
4.
                Sein Ränzlein war zum Bersten voll,
                Da sah er 'nen Weinkeller.
                »Ich dank dir, mein Gott,« rief demutsvoll
                Der Frater und ging schneller. 90
                Der Kellermeister lud ihn ein:
                »Probieret doch mal meine Wein',
                Ob schmeckt er eure Brüder.«
                Das war ihm gar net z'wider.
Kling klang, kling klang gloribus, gloribus,
                Die Sach' hat ihn sehr int'ressiert,
                Der Emeran hat fest probiert.
Kling klang, kling klang gloribus, gloribus,
                Bald stimmte an er das Te Deum.
Kling klang, kling klang, kling klang, kling klang glorium.
4.
                Als heimging dann der Emeran,
                Er herzlich sich bedankte,
                Sein Säulein, das lief zickzack voran,
                Drum hin und her er schwankte.
                »So viel bringt Ihr, lieber Emeran,«
                Sprach hocherfreut der Guardian.
                »Nur eins wollt' nicht gelingen,
                Den Wein – konnt' ich nicht bringen.«
Kling klang, kling klang gloribus, gloribus,
                »Vergessen hab ich ach den Schlauch,
                Drum füllt' ich voll nur meinen Bauch.«
Kling klang, kling klang gloribus, gloribus,
                Lacht Emeran – dann fiel er um.
Kling klang, kling klang, kling klang, kling klang glorium. 91


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