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Waffenstillstand und Frieden

Frankfurter Zeitung vom 27. Oktober 1918

Die größte, und dabei von dem guten Willen der deutschen Regierung ganz unabhängige Schwierigkeit der Situation dürfte jetzt in folgendem liegen: An Präsident Wilsons Aufrichtigkeit war und ist bei Verständigen in Deutschland kein Zweifel. Es scheint aber, er übersieht folgendes nicht genügend: wird seinem Begehren, daß die deutsche Regierung solche Waffenstillstandsbedingungen annehmen soll, die einen weiteren militärischen Widerstand unmöglich machen, Folge geleistet, so würde damit nicht etwa nur Deutschland, sondern in weitestem Maße auch er selbst aus der Reihe der für die Friedensbedingungen maßgebenden Faktoren ausgeschaltet. Seine eigene Stellung als Schiedsrichter der Welt beruhte und beruht darauf und nur darauf, daß die deutsche Militärmacht mindestens so viel bedeutet, daß sie ohne die Mithilfe der amerikanischen Truppen keinesfalls zur Unterwerfung gezwungen werden kann. Würde dies anders, so gewinnen die unzweifelhaft vorhandenen absolut intransigenten Elemente in den Ländern der übrigen feindlichen Staaten die Oberhand und sind in der Lage:, den Präsidenten mit höflichem Dank für seine bisherige Hilfe glatt beiseite zu schieben. Seine Rolle wäre ausgespielt, es sei denn, daß er sich zum Kriege gegen seine derzeitigen Bundesgenossen entschlösse. Diesen Sachverhalt hätte sich auch die deutsche Regierung gegenwärtig halten sollen. So wünschenswert eine Waffenruhe im Interesse der Vermeidung unnützen Blutvergießens war und ist, so wäre es sicherlich richtiger gewesen, das Waffenstillstandsangebot nicht derart in den Vordergrund der Erörterungen zu rücken, wie es tatsächlich geschehen ist. Friedensverhandlungen konnten und können auch ohne Waffenstillstand stattfinden, falls die Gegner auf Fortsetzung der Schlächterei bestehen.


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