Jakob Wassermann
Christoph Columbus - Der Don Quichote des Ozeans
Jakob Wassermann

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Neuntes Kapitel

Die mörderische Wirklichkeit

Dynastischer Streit: die Krone Portugal fand sich benachteiligt und reklamierte ihre Rechte. Durch drei päpstliche Bullen aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts war ihr der alleinige Eigentumstitel über alles Land von Kap Bojado bis nach Indien zugesprochen worden. Eine Schenkung. Rom, wenn es vorher genügend entschädigt war, verschenkte Bischofssitze, Throne, Provinzen, Erdteile und ewige Straflosigkeit. Die Macht der Kirche war im geistigen Bezirk unbegrenzt, im physischen besiegte sie alle Widerstände durch ihre geschlossene Disziplin, ihren unerschöpflichen Reichtum und die Überlegenheit ihrer Unterhändler.

König Joan erklärte, die Entdeckung und Besitzergreifung des Columbus schmälere die ihm garantierten Befugnisse, und als er vernahm, Spanien rüste eine zweite Flotte aus, säumte er nicht, so rasch wie möglich dasselbe zu tun, um den Rivalen nötigenfalls mit Gewalt an weiteren Expeditionen nach dem Westen zu verhindern. Spanien wiederum hatte sich beeilt, den Papst, Alexander den Sechsten, seinem Vorhaben geneigt zu machen und sich mit den entdeckten Ländern belehnen zu lassen. An saftigen Bestechungsgeldern wird es nicht gefehlt haben; von den indischen Goldkörnern, die der Vatikan erhielt, wurden die Gesimse von Santa Maria Maggiore vergoldet, wie eine Inschrift dort bezeugt. Am 3. Mai 1493 erging eine Bulle, worin der heilige Vater der Krone Spanien die neue Welt zu »ewigen Besitz schenkte«, mit der Bedingung, allsogleich mit der Verbreitung des christlichen Glaubens zu beginnen. Der Erdapfel wurde durch eine Meridianlinie, die hundert Leguas westlich von den Azoren vom Nordpol zum Südpol lief, in zwei Hälften geteilt, deren östliche Portugal, deren westliche Spanien zu eigen sein sollte.

Einfaches Verfahren. Aber man hatte keine wissenschaftlich verläßlichen Mittel, die Meridianabstände zu bestimmen; der Chronometer, der es ermöglicht hätte, wurde erst zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts erfunden. Portugal war unzufrieden. Es forderte, Spanien dürfe über die Canaren hinaus nicht nach Süden gehen, womit es das ganze Gebiet der heißen Zone für sich zu monopolisieren drohte. Spanien, das im Augenblick keinen Krieg führte und nach günstigen Verträgen mit Frankreich die Hände frei hatte, ließ sich nicht einschüchtern, sein Gegner wich Schritt für Schritt zurück, und nach endlosem Gefeilsche, teils mündlich, teils in wortreichen diplomatischen Noten, kam es im Juni 1494 zum Vertrag von Tordesillas, der die westlichste Insel der Capverden zum Ausgangspunkt der Zählung nahm und die Demarkationslinie nicht hundert, sondern dreihundertsiebzig Leguas (etwa 2200 Kilometer) von da aus zog. Astronomen und Piloten sollten gemeinschaftlich die Grenze bestimmen, aber dazu kam es nicht, die Aufgabe war mit den damaligen Mitteln undurchführbar, und so blieb alles in der Schwebe. Es konnte passieren, daß die Entdecker bei der Fortsetzung ihrer Fahrten nach Westen und Osten in den Meeren der Antipoden zusammenstießen und über Gebiete, die dem einen oder dem anderen Vertragspartner gehörten, in erbitterten Hader gerieten. Was später auch geschehen ist, als Karl der Fünfte in seinem unersättlichen Geldbedürfnis sich abermals mit Portugal einigen mußte und ihm für dreihundertfünfzigtausend Dukaten die Molukken verpfändete. Die Könige und großen Herren betrachteten die Erde als ihr Fideikommiß und die Menschen als Ware, mit der man einträglichen Handel betreiben konnte.

Um die zweite Expedition zu ermöglichen, nahm die Krone Kastilien beim Herzog von Medina-Sidonia eine Anleihe von fünf Millionen Maravedis auf. Die Summe genügte aber nicht und was an Geld noch fehlte, lieferte das geraubte und beschlagnahmte Eigentum der vertriebenen Juden, ihre Häuser, Kapitalien, Juwelen und gesamte fahrende Habe. Ob der Willkürakt, übrigens ein sehr gewöhnliches Ereignis in der Geschichte der abendländischen Juden, in kausalem Zusammenhang mit der Entdeckung Amerikas stand, läßt sich genau nicht sagen, wahrscheinlich ist es. Wenn die regierenden Fürsten Geld brauchten, mußten es die Juden beschaffen, konnten sie es im geforderten Ausmaß nicht beibringen, so wurde kurzer Prozeß gemacht, sie wurden der mühselig und unter den größten Demütigungen erworbenen Rechte für verlustig erklärt, was sie in Jahrzehnten, gehemmt von tausend boshaften, ja unmenschlichen Vorschriften und erniedrigenden Sonderbestimmungen mit unendlichem Fleiß und meist exemplarischer Lebensführung gesammelt hatten, wurde ihnen durch ein einfaches Edikt entrissen, und wenn sie dabei noch das nackte Leben retten konnten (in der Regel gelang dies nur einem kleinen Prozentsatz), konnten sie sich glücklich preisen. Man behandelte sie etwa wie einen ausgezeichnet funktionierenden Sparapparat, den man zerschlägt, wenn man genügend Schätze darin aufgespeichert hat. Wie die Tat des Columbus drüben in der entdeckten Welt Blutbad um Blutbad herbeiführte, war auch in der Heimat ihre unmittelbare Folge, daß Hunderttausende von friedlichen und unschuldigen Menschen von allen Existenzmitteln entblößt außer Landes gejagt und andere Hunderttausende (man nimmt an eine Viertelmillion) grausam hingeschlachtet wurden. Seltsam, dies zu denken, da es doch zunächst den Anschein hat, wie wenn es nichts Segensreicheres und Gesittung-Fördernderes geben könne, als für raumarme Völker, sei es in der Phantasie, sei es faktisch, neuen Raum zu erobern. Aber es muß wohl auf einer Art Selbstvernichtungshang beruhen, daß die Menschheit auch ihre reinsten Bestrebungen und glückverheißenden Vollbringungen in Blut und Tränen ersäufen muß. Unter der Herrschaft der Mauren waren die Juden geachtete Bürger gewesen, hohe Staatsbeamte, weltberühmte Lehrer und Gelehrte, tiefe Dichter, bedankte Mäzene, eine Zeit des Glanzes und der blühenden Entfaltung. Der spanisch-katholische Geist der Inquisition und der Pogrome machte dem mit der Rapidität und Gründlichkeit eines Eissturms ein Ende; wobei es bezeichnend und von gleichsam epigrammatischer Schauerlichkeit ist, daß die umbarmherzigste Verfolgung von einem jüdischen Mischling ausging, der sich bis zum obersten Staatswürdenträger und gefürchteten Kirchentyrannen und Priesterfürsten emporgeschwungen hatte.

 

Es war ein Geschwader von siebzehn Fahrzeugen, großen und kleinen, das sich im Hafen von Cadix versammelte. Das Admiralsschiff führte den Namen Marigalante und war durch seine Größe und feste Bauart ausgezeichnet. Diesmal bedurfte es keiner Repressalien und Zwangsanheuerungen; Colón konnte sich der zuströmenden Freiwilligen kaum erwehren; die nicht mitkommen durften, verfielen in eine Art Tobsucht, und manche machten in der ersten Enttäuschung ihrem Leben ein Ende, es gab offenbar ganze Schichten von Verelendeten, denen sich plötzlich ein Dorado auf getan hatte; die an der Fahrt teilnehmen durften, befanden sich in einem wahren Fieber der Erwartung, vom Kapitän bis zum letzten Schiffsjungen sahen sie sich schon mit Gold beladen heimkehren, war Gold ihr einziger Gedanke. So schrieb der Admiral in seiner hölzernen Naivität an die Königin: »Gold ist das allervortrefflichste Ding; wer es besitzt, hat alles, was er sich in der Welt wünschen kann und bringt es so weit, daß er die Seelen ins Paradies befördern kann.« Hierin liegt nicht der leiseste Unterton von Sarkasmus; dieser Geist, obschon ihm die Menschenverachtung nicht fremd ist, weiß nichts von Ironie, seine Erfahrung ist eng und linear, der Ausdruck kennt nicht die Form der Übertragung; Seelen ins Paradies befördern, das meint er, wie es gesagt ist, im Sinn der Kirche, und wenn er es vermochte, absolvierte es ihn von jeder Sünde. Die Goldraserei, die damals über Europa hereinbrach, war eine geistige Pest, das sterbende Jahrhundert reichte sie dem neuen, keine Seele blieb unberührt, und wenn ein Schriftsteller es auf sich nähme, die wahrhaftige, vom verfälschenden Dunst der Abenteuerlichkeit gesäuberte Geschichte der Nachfolger des Columbus zu schreiben, die Menschheit würde sich schaudernd von dem Spiegelbild abwenden, das ihr da entgegengrinste.

 

Um die indischen Angelegenheiten zu regeln, wurde eine eigene Behörde errichtet, an deren Spitze Colón als Admiral, Vizekönig und Gouverneur stand; dem Namen nach; das wirkliche Haupt war der Archidiakon von Sevilla, Juan de Fonseca, geheimer Rat des Königs, ein äußerst weltgewandter Herr, der sich auf Schiffe, Kanonen und Munition besser verstand als auf Evangelium und Brevier; entschieden handelnder Charakter, brachte er in den schleichenden Geschäftsgang der spanischen Kanzleien ein ungewöhnliches Tempo. Er war dem Columbus nicht geneigt; er beneidete ihn, er haßte ihn, er suchte ihn zu lähmen, seine Tätigkeit zu durchkreuzen, seine Verdienste herabzusetzen, wo er irgend konnte. Zunächst in der Stille und im Verborgenen. Einem Mann, der so blendend beleuchtet in der Sonne des Ruhms stand, mußten die Wege mit demonstrativer Willfährigkeit geebnet werden. So ergingen vorerst strenge Verfügungen über Lieferung, Kauf und Abmietung von Fahrzeugen, Waffen und Proviant, deren sich zu einem angemessenen (d. h. also willkürlich zu bestimmenden) Preis zu versichern die Beauftragten bevollmächtigt waren, auch hatten sie Befugnis und Gewalt, Pfändungen, Verhaftungen, Subhastationen, Verkäufe von Gütern und Waren vorzunehmen »nebst allen Inzidenzien, Dependenzien, Annexidaten und Connexidaten«. Den Kornhändlern in Sevilla und Cadix wurde befohlen, vierhundert Scheffel Getreide dem Alcalden von Malaga, fünfzig Harnische, fünfzig Hakenbüchsen, fünfzig Armbruste für den Bedarf der Armada zu liefern. Von ergötzlicher Borniertheit war das Verbot, daß irgendein Schiff, irgendeine Person, wes Standes und Namens immer, ohne die Genehmigung der Herrscher, des Admirals oder des Archidiakons nach den neuentdeckten Ländern reise, und Personen von anderem als katholischem Glauben konnten die Erlaubnis auf gar keinen Fall erlangen. Die geistliche Sorge stand voran. Deshalb fand der Antrag des Admirals bei den Majestäten ein gnädiges Gehör, daß sie ihm bei der Bekehrung und Belehrung der Indios tätige Hilfe leisteten. Zwölf auserwählte Mönche, die sich bei der Vertreibung der Juden und Mohammedaner hohe Verdienste erworben und schon manche Ketzer zum Scheiterhaufen gebracht hatten, wurden für würdig befunden, die Ungläubigen in den Schoß der Kirche zu führen, ihr Oberhaupt war Bernardo Buyl, Mönch vom Benediktinerorden des Klosters Monserrat, den der Papst zum apostolischen Vikar des neuen Indiens ernannte.

 

Es gingen mit: Bergleute, Zimmerleute, Ackerbauer, Maurer, Schlosser, Schneider, Schuster, Weber, im ganzen über tausend besoldete Handwerker. Um die friedlichen Ansiedler zu schützen, bedurfte es einer geschulten Truppe; zwanzig Lanzenreiter aus Granada verdienen genannt zu werden, denn sie wurden binnen kurzem der blutige Schrecken der Indios. Eine große Zahl von Edelleuten hatte sich zu der verheißungsvollen Fahrt gedrängt, unter ihnen der hochherzige junge Alonso Ojeda, ein echter Ritter von bedeutenden Gaben und kühnem Geist, der durch seine Taten der Abgott schwärmerischer Jugend wurde. Von der Familie Pinzon nahm keiner mehr an dieser Fahrt teil. Martin Alonso war wenige Tage nach der Heimkehr gestorben, empfindsame Historiker behaupten, der Kummer habe sein Leben verkürzt, Columbus habe, sagen sie, über seinen Ungehorsam bei der Königin Beschwerde geführt, und als Pinzon den Wunsch geäußert, selbständig seinen Bericht zu erstatten, sich persönlich verantworten zu dürfen, sei ihm vom Hof bedeutet worden, er habe im Gefolge des Admirals zu erscheinen, da er dessen Untergebener sei, nichts weiter. Dies habe ihn so schwer gekränkt, daß er bald darauf starb. Es mag sich wohl so abgespielt haben; die Rache zu verschieben, um ihrer im rechten Moment sicher zu sein, das entsprach durchaus dem finstern und vergeltungssüchtigen Gemüt des Columbus.

 

Am 23. September verließ die Flotte, eine höchst mangelhaft disziplinierte Ansammlung von Schiffen und Menschen, den Hafen von Cadix, am 3. November, nach vierzigtägiger Reise, wurden die Inseln Dominica und Guadelupe gesichtet, aber erst zwei Wochen später erreichte sie Española und jenen Hafen von La Navidad, wo die Siedlung für die zurückgelassenen Spanier gegründet worden war.

Der Admiral ließ Salut schießen. Keine Antwort von der Küste. Der Gruß blieb unerwidert, tiefes Schweigen, auch kein Feuersignal war zu sehen. Dem Columbus ahnte nichts Gutes. Am andern Morgen erschienen Abgesandte des Kaziken und brachten als Bewillkommungsgeschenk zwei goldene Masken, die sie zu Füßen des Admirals niederlegten, worauf sie sich entfernten. Am Abend kamen abermals Leute des Guacamari, blieben jedoch am Strand und erklärten bedrückt, sie wollten erst an Bord gehen, wenn sie mit dem Admiral gesprochen hätten. Ganz recht, antwortet man ihnen, dort ist der Admiral, auf der Kommandobrücke steht er. Ja, sagten die Indios naiv, das mag wohl sein, aber ihr müßt uns ein Licht geben, damit wir ihn erkennen können. Dies geschieht, sie erkennen Columbus, zögernd steigen sie die Reling herauf, bleiben stumm und ängstlich im Halbdunkel. Wo ist euer Häuptling? fragt man sie, warum kommt er nicht, er ist doch unser Freund? Er ist krank, erwidern jene. Wie denn, krank? Nun, nicht eigentlich krank, aber er kann nicht gehen, er hat ein verletztes Bein. Sie sagten es aber in einem Ton und in einer Art, als fürchteten sie sich und hätten ein schlechtes Gewissen, denn einer sah immer den andern an, und keiner wollte zuerst reden. Wo sind denn unsere Landsleute? forschten die Spanier streng, warum ist es so still am Lande? wo sind sie denn hingegangen? haben sie euch keine Botschaft aufgetragen? hat uns der Kazik nichts von ihnen zu berichten? So mit Fragen in die Enge getrieben, erzählten sie endlich eine Geschichte, die sie offenbar sorgsam eingelernt hatten und deren Unwahrheit sie schon durch ihr geläufiges Plappern verrieten: Ein Stamm aus dem Süden sei auf der Insel gelandet, habe ihr Dorf überfallen und die spanischen Siedler angegriffen, wobei einige getötet worden seien, die andern befänden sich jedoch wohl, aber Guacamari habe bei der Verteidigung eine Wunde am Schenkel erhalten, die ihn zu seinem Leidwesen verhindere, dem Admiral die schuldige Ehre zu erweisen.

Das alles war sehr verdächtig und beunruhigend. Wenn ein Teil der Spanier noch lebte, warum zeigten die sich nicht? Es war doch anzunehmen, daß sie die Rückkehr der Ihren kaum hatten erwarten können. Am nächsten Tag gingen zehn oder zwölf Matrosen und einige Edelleute an Land, und einer, der schon die erste Reise mitgemacht und das Terrain kannte, war der Führer. Sie fanden die ehemalige Wohnung Guacamaris in Asche liegen, auch die Hütten ringsum waren zerstört; unweit davon stießen sie auf das völlig zertrümmerte Blockhaus, das den Ansiedlern als Wohnung gedient hatte, und daneben auf das sogenannte Fort, dessen Palisaden ausgerissen waren, und um dessen verkohlte Reste menschliche Leichname lagen. Man suchte weiter und entdeckte unter Busch und Gras versteckt und nachher auch in den Hütten der Indios verschiedene Habseligkeiten der Erschlagenen, denn daran ließ sich nun nicht länger zweifeln, daß von den unglücklichen Kolonisten keiner mehr am Leben war, daß alle achtunddreißig umgebracht worden waren. Aufklärung über das Geschehene war aber nicht zu erlangen, die Indios beharrten steif und fest bei ihrem Märchen von dem Überfall des fremden Stammes. Endlich beschloß der Admiral, den angeblich verwundeten Guacamari aufzusuchen und zur Rede zu stellen. Unbegreiflich, daß er damit so lange wartete, warum eigentlich? Aber wir wissen es ja: was ihm unangenehm ist und ihn zu Entscheidungen zwingt, schiebt er stets auf die lange Bank; vor Unwiderruflichkeiten fürchtet er sich maßlos. Er nimmt den Wundarzt mit und außerdem den Doktor Chanca, der als Arzt auf dem Admiralschiff diente und dem wir einen ziemlich genauen Bericht über die zweite Reise verdanken, einen gewissenhaften und trockenen Bericht, der einen einigermaßen gebildeten Mann verrät. Sie gehen also hin, große Begrüßungszeremonie, der Kazik liegt bewegungslos da und verzieht nur manchmal das Gesicht ein wenig, als unterdrücke er heftige Schmerzen. Doktor Chanca nimmt ihm die Binde vom Schenkel, wie es der Admiral verlangt: nicht die Spur einer Verletzung. Es ist ja keine Wunde da, sagt der Arzt, du bist so gesund wie wir. Der Häuptling schüttelt mit enigmatischem Lächeln den Kopf, als ob ein Fremder das nicht verstehen könne, und die Medizinmänner stimmen ein klagendes Geheul an. Sonderbare Sache; Columbus weiß nicht, was er tun soll; daß da eine durchtriebene Komödie gespielt wird, liegt auf der Hand, aber die Konsequenzen wagt er nicht zu ziehen, es könnten noch andere Stämme im Einverständnis sein, und das ganze Land voller Feinde gegen sich zu haben will er vermeiden, vorläufig will er auch die geschehene Untat nicht wahrhaben; gäbe er sie zu, was würden alle diese Edelleute von ihm denken, denen er seit Wochen und Monaten von der Sanftmut und Unschuld der Wilden vorgeschwärmt hat? Sie würden ihn für einen Schwindler erklären oder sich über ihn lustig machen. So stellt er sich selber gläubig, billigt dem Kaziken ein geheimnisvolles Leiden zu, spricht unter vier Augen mit ihm, fragt, ob er nicht doch gehen könne, hilft ihm aufzustehen, reicht ihm den Arm, redet zart wie mit einem Sohn mit ihm und lädt ihn schließlich ein, mit ihm an Bord zu kommen. Er stellt also der Komödie eine Komödie entgegen, und die Absicht ist dabei, dem Kaziken etwas zu zeigen, was ihn warnen soll, man ist nicht so armselig dran wie bei der ersten Ankunft, man hat Machtmittel, von denen man damals keinen Begriff geben konnte. Schaustellung wird also sein, und das erste, was Columbus seinem Gast vorführt, sind die fünfzig Pferde, die die Spanier über den Ozean gebracht haben. Unermeßliches Erstaunen des Naturkindes; Guacamari zittert an allen Gliedern, und seine Stirn wird vor Schrecken feucht; solche Ungetüme hat er nie erblickt, dergleichen ist über seiner Welt, kein Traum hat es ihn ahnen lassen. Der Zweck ist erreicht; hat er, mit einem Gedanken nur, Böses geplant, dieser Anblick, der auf ihn und seine Leute dieselbe Wirkung übt als ob man uns Heutige plötzlich unter eine Herde Atlantosauren versetzte (mehr noch, denn wir wissen ja aus der Schule, daß es solche Ungeheuer einmal gab), dieser Anblick muß genügen, ihn zahm und friedfertig zu erhalten.

Er speiste an demselben Tag mit dem Admiral, und es wird versichert, sein Benehmen sei so freundlich und unbefangen gewesen, daß Columbus den Verdacht nicht länger hegen konnte, als habe er teilgehabt an der Ermordung der achtunddreißig Kolonisten. Ein derartiges Maß von Verstellung sei unmöglich, habe er ausgerufen. Es ereignete sich aber in der folgenden Nacht, daß zehn indianische Weiber, die der Admiral von der Insel Cariba mitgenommen (in dem Bericht steht: mitgenommen, was ein mildernder Ausdruck ist für: geraubt), vom Schiffe flüchteten und, ohne daß es die Wachen bemerkten, ans Ufer schwammen. Es stellte sich heraus, daß ihnen Guacamari seinen Schutz gewährte, ja, daß er sie zur Flucht veranlaßt hatte, und als der Admiral einige Leute ans Land schickte, um sie von ihm zurückzufordern, hatte der Kazik mit sämtlichen Untertanen und all ihrer Habe das Dorf verlassen und war weit in das Innere der Insel gezogen. Bedurfte es noch eines klareren Schuldbeweises?

 

Die Begebenheit, charakteristisch für das Wesen der Indios wie für die Ahnungslosigkeit der ersten Eroberer im Umgang mit ihnen, ist der Auftakt eines verhängnisvollen geschichtlichen Prozesses, der mit der blutigen Vernichtung einer ganzen Rasse endete.

Von dem ersten Besuch bei Guacamari erzählt Doktor Chanca: »Wir fanden ihn in seiner Hängematte, die nach Landesbrauch im Freien aufgehängt war; sie bestand aus einem Gewebe von Baumwollgarn, gestrickt wie ein Netz. (Am Rande: das Wort Hängematte ist eine Verballhornung des indianischen ›Hanamac‹, so wie ›Orkan‹ vom indianischen ›Hourragan‹ abstammt.) Die Art und Weise der Ermordung unserer Landsleute betreffend, wiederholte er nur, was wir bereits wußten, und nachdem er seine Schilderung beendet, schenkte er dem Admiral acht und eine halbe Mark feinen Goldes, fünf- bis sechshundert bunte Steine und eine mit ebensolchen Steinen besetzte Mütze. Dann bezeigte er, fortwährend liegend, sein Beileid über den Tod der Christen und vergoß viele Tränen, er wie auch seine Diener und Anverwandten.«

Beileid, Tränen, Schluchzen; genau wie seinerzeit beim Untergang der »Santa Maria«; abgefeimte Heuchler also, die gepriesenen »unschuldigen Wilden«? So mußten die Europäer denken, die Zeugen davon waren, so haben spätere gedacht, so würden auch heutige urteilen. Doch war da etwas anderes im Spiel, das mit abschätziger Moralbetrachtung nichts zu tun hat, nämlich der sogenannte Tränengruß, ein uralter indianischer Ritus, den meines Wissens Cabeça de Vaca in seinem aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammenden Reisebericht, sehr merkwürdigen Erlebnissen unter den Völkern Floridas und Texas', zum erstenmal erwähnt, und der erst von einem deutschen Forscher unserer Tage als eine kultische Handlung erkannt worden ist.

Columbus und seine Begleiter zogen natürlich nur die primitivsten Schlüsse. In hochmütiger Selbstbezüglichkeit maßen sie die fremde Welt, das tieffremde Leben an ihren engen Begriffen von Nutzziel und gewohntem Brauch. Konnten sie es dem nicht einfügen, so sahen sie Frechheit und Entartung darin. Gerechtes Abwägen fand sich selten, Gewährenlassen und Bemühung um Verständnis fast nie, ohne Sinn und Interesse für die innere Legitimität einer anders gearteten Daseinsverfassung war ihr einziges Bestreben deren Vergewaltigung: Christianisierung. Aber das wäre das Schlimmste noch nicht gewesen. Das Schlimmste war, daß sie diese Geschöpfe vom ersten Augenblick an als ihr Eigentum und ihre Beute betrachteten und mit ihnen verfuhren wie die Jäger mit herrenlosem Wild. Indem ich den Vergleich niederschreibe, zucke ich die Achseln über ihn, weil er zu schwach ist: Tiere behütet man gern vor dem radikalen Abschlachten, weil sie nützlich sind und man auf ihre Fortpflanzung rechnet; wozu aber sind Menschen nütze?

Columbus, der sich viel darauf zugute tat, daß er in den Indios eine Art Idealvolk entdeckt hatte, von dem er anfangs glaubte, es sei bestimmt, verlorengegangene Tugenden wieder zu Ehren zu bringen, mußte bitter enttäuscht sein, als es unwiderleglich am Tage lag, daß diese selben, von ihm so verherrlichten Wesen des vielfachen tückischen Mordes anzuklagen waren. Und wenn er ihren Ruhm auch nur zu Propagandazwecken verkündet hatte, so war ihm das doch schwerlich bewußt. Er konnte seine Meinung nicht von einer Stunde zur nächsten ändern; vor einer Tatsache zu kapitulieren war er nicht imstande; daher kam er auf den Gedanken, der für einen einfachen Menschen ganz nahe lag, den zu erfassen es für ihn aber einer komplizierten Schlußfolgerung bedurfte, daß nämlich die Ermordeten nicht ganz schuldlos an dem Schicksal waren, das sie ereilt hatte. Großartige Entdeckung. Von dem Moment an, wo er die Dinge aus diesem Gesichtswinkel beurteilte, häuften sich auch die Indizien, und die Gerechtigkeit hätte gefordert, daß der wahre Sachverhalt offiziell bekanntgegeben wurde. Das zu tun hütete sich Columbus wohl; er zog es vor, darüber zu schweigen. Es war zu unangenehm, zu peinlich, wenn man vor der frommen spanischen Welt eingestand, was sich zwischen christlichen Herrenmenschen und unwissenden Heiden ereignet hatte; höchstens ein paar dürftige Andeutungen ließen es durchblicken. Eine politische Haltung, die von allen befolgt wurde, die mit Columbus kamen, und allen, die nach ihm kamen, ausgenommen den leidenschaftlichen Freund der Indios, den Priester Las Casas.

Da es ein symptomatischer Vorgang ist, braucht es nicht viel Scharfsinn, um die Gründe zu erraten, die zur Tötung der achtunddreißig Kolonisten geführt haben. Alles ist so klar, als sähe man es in einem Spiegel. Ein Haufen Kerle, ohne Zucht, ohne Gefühl, ohne sozialen Halt; vom ersten Tag an treten sie als Fordernde auf, frech und beleidigend. Sie fordern Nahrung, sie wollen bedient sein, sie wollen es bequem haben, und wenn sie nicht blinden Gehorsam finden, wenden sie Gewalt an. Was sind denn diese Indios in ihren Augen? Tiere, gutmütige dumme Tiere, man kann sich alles gegen sie erlauben, schon deswegen, weil es keine Christen sind. Man kann sie kujonieren, denn sie lassen es sich gefallen. Sie verbeugen sich, sie lächeln, sie scheinen nichts übel zu nehmen. Man kann es sich sogar ersparen, ihnen gegenüber auf seine Herkunft, seine Religion, seine Bewaffnung zu pochen, in ihrer Kindergläubigkeit anerkennen sie diese Vorzüge demütig und unbedingt. Himmelssöhne sind fehlerlos. Nun, die Himmelssöhne wollen sich für ihre Position bezahlt machen. Man hat sie in einer fürchterlichen Ferne von der Heimat einem ungewissen Los überlassen; ungewiß ist die Rückkehr des Admirals, der Admiral selbst ein ungewisser Mann, so sollen ihnen die verachteten Wilden Entschädigung verschaffen für die Qual des Harrens und des Ausgesetztseins im unendlichen Ozean. Der Preis, mit dem sie bezahlt sein wollen, ist Gold. Wenn es ihnen auch sonst an jeglicher Phantasie für die Bewohner des Landes und seine natürlichen Bedingungen fehlt, im Hinblick auf die Möglichkeit, sich zu bereichern, sind ihre Vorstellungen maßlos. Dazu hat sie ihr Führer Columbus erzogen, das ist das einzige, worin sie ihm vertrauen, worin er ihnen Vorbild ist. Jede Geste, jeder Blick fordert Gold, jedes Wort, jede Handlung zielt darauf ab. Mit der Zeit macht sich daneben noch ein physischer Übelstand bemerkbar, und gerade der schwillt zur Katastrophe an und wird ihr Verderben. Sie sind ohne Frauen. Sie sind aber nicht gesonnen, wie heilige Mönche zu leben. Ebensowenig haben sie Lust, auf anständige Manier zu werben oder zu verhandeln, das hieße sich zu weit herablassen, sich zu viel vergeben; keine Rede davon, was man braucht, nimmt man einfach mit Gewalt und kümmert sich den Teufel um Einspruch und Klage, wozu soll man sie denn schonen, diese Wilden, sind sie doch nicht besser als das liebe Vieh, sie müssen einem noch dankbar sein, wenn man ihre hübschen Weiber für wert hält, eines Europäers und katholischen Christen Bett zu teilen, sei er auch drüben aus einem Bagno ausgebrochen. Was einzelner Übergriff war, heimliche Untat, wird allmählich Gewohnheitsverbrechen am hellichten Tag, und man hat gar keine Angst mehr, daß diese Indios, die trotz des ihnen zugefügten Schimpfs immer noch artig grüßen und freundlich antworten, sich ernstlich zur Wehr setzen könnten.

Aber das Unerwartete geschieht. Das Maß ist voll. Guacamari und seine Leute verlieren die engelhafte Geduld, auf die die spanischen Strauchdiebe so unbedenklich sündigen, sie sind Tausende, jene ein paar Dutzend, der Ausgang des Kampfes ist nicht fraglich, wenn sie die fremden Störenfriede samt und sonders vertilgen, üben sie nicht Rache, nicht einmal Vergeltung, sie veranstalten nur ein verdientes Strafgericht.

Das Wunderliche ist nur, daß sie es nicht offen verantworten. Aber es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß ihnen die Tat, die unter dem Zwang der Umstände einziger Rettungsweg wurde, dann, als sie geschehen war, doch als etwas ungeheuerlich Vermessenes erschien: Sie hatten Göttersöhne erschlagen. Bei aller ertragenen Unbill konnten sie keine Rechtfertigung dafür erdenken, keine Verzeihung erhoffen, und die Bangigkeit, mit der sie der Rückkehr der anderen Himmlischen entgegensahen, des Admirals mit seinen weißgeflügelten Sonnenschiffen, muß ihre Träume wie ihr Denken bis in den untersten Grund zerrüttet haben; dafür fehlt uns jedenfalls die Vorstellung und sogar die Ahnung.

Kein zeitgenössischer Historiograph oder Chronist hat sich die Mühe genommen, diesen unheilvollen Beginn der Kolonisation Amerikas ehrlich und ungeschminkt darzustellen, alle sind mit ein paar nichtssagenden Phrasen darüber hinweggegangen, als ob es zu den zwar beklagenswerten, jedoch unvermeidlichen Übeln der Länderentdeckung gehöre, fremden Besitz für Freigut zu erklären, Männer und Jünglinge zu Sklaven zu machen, Weiber zu vergewaltigen, Jungfrauen zu schänden und was sich nicht gutwillig fügt, kalten Blutes niederzuknallen.

 

Als Antonio de Ojeda und Diego de Nicuessa im Jahre 1509 vom König Ferdinand das Festland von Darien »geschenkt« bekamen, in das sie sich als Gouverneure zu teilen hatten, erließen sie an die Eingeborenen eine Proklamation, die von den berühmtesten spanischen Juristen und Theologen erdacht worden war und hernach bei allen Besitzergreifungen als rechtlich gültige Formel diente. Sie ist zu bezeichnend und aufschlußreich, um sie zu ignorieren, und wenn man überlegt, daß sie an Menschen gerichtet war, die die Sprache nicht verstanden, in der sie verkündet wurde, und daß man es auch nicht für nötig erachtete, sie in ihre Sprache zu übersetzen, so erhellt daraus klärlich, daß der Gewaltakt, maskiert durch einen Fetzen Papier mit scholastischen Deliberationen, in der Absicht lag. Von Rechtsform keine Rede, was so schien, war Hohn und Spott.

Das Dokument beginnt weit ausholend mit der Erschaffung von Adam und Eva, von welchen beiden alle Menschen abstammen, und stellt die Behauptung auf, Gott habe einen Mann namens Sankt Peter zum Herrn und Chef des gesamten Menschengeschlechtes eingesetzt, weil sich die während fünftausend Jahren aufeinanderfolgenden Generationen in so viel Königreiche und Provinzen gespalten hätten, daß ein einziges Land sie hätte weder fassen noch ernähren und ohne eine höchste Gerichtsbarkeit kein Segen hätte entstehen können. Diesem Statthalter, wird den ahnungslosen Eingeborenen versichert, habe Gott die Macht verliehen, seine Herrschaft über alle Teile der Welt auszubreiten und zu regieren über Christen, Mauren, Juden und Heiden. Er führe den Namen Papst, das wolle heißen: wunderbarer großer Vater und Lehrer. »Der gegenwärtig regierende Papst«, ich zitiere nun wörtlich, »hat dieses ozeanische Land seiner katholischen Majestät Hernando anvertraut mit allem, was darin ist, wie ihr es ausdrücklich in gewissen Akten finden werdet, die man euch zeigt, wenn ihr danach verlangt. Seine Majestät ist demnach, kraft dieser Übertragung, König und Herr eures Landes. Ihr seid aus diesem Grunde zum Gehorsam gehalten und gezwungen, und ich bitte und befehle euch, daß ihr euch die nötige Zeit nehmt und reiflich überlegt, was ich euch soeben mitgeteilt habe, damit ihr die Kirche als Souveränin und Führerin des Universums anerkennt, ebenso wie den Sankt Peter, genannt Papst, in seiner rechten Macht und Seine Majestät als König, und daß ihr auch einwilligt, von den heiligen Vätern, die der Papst euch sendet, in unserem heiligen Glauben bekehrt und unterrichtet zu werden. Wenn ihr dem nachkommt, tut ihr wohl daran und erfüllt eure Pflicht. Dann werden Seine Majestät und wir euch mit Liebe und Güte empfangen, und wir lassen euch, eure Weiber und Kinder frei von Knechtschaft und im Besitz und Genuß eurer Habe. Wenn ihr euch aber weigert oder wenn ihr böswillig meinen Ermahnungen gegenübertretet, dann werde ich auf Befehl Gottes mit Gewalt über euch kommen und euch mit dem grausamsten Krieg überziehen. Ich werde euch unter das Joch der Kirche und des Königs beugen, eure Weiber und Kinder wegnehmen und darüber verfügen, wie es dem König beliebt. Außerdem nehme ich euer Eigentum weg und bereite euch alles Übel, was ich kann, wie rebellischen Untertanen, die sich weigern, ihrem legitimen Herrn Folgsamkeit zu erweisen. Ich erkläre im voraus, daß alles vergossene Blut und alles Unheil, das eurer Widersetzlichkeit entspringt, euch allein zur Last fällt und nicht Seiner Majestät noch mir noch denen, die mir dienen. Deshalb ist euch diese Deklaration und Requisition gemacht worden, und ich ersuche den gegenwärtigen Notar, mir die nötige Bestätigung hierüber auszustellen.«

Es dürfte schwer halten, in den Annalen der Geschichte ein Schriftstück aufzutreiben, das eine so vollendete Vereinigung von abgründiger Verlogenheit und erpresserischer Offenherzigkeit darstellt. Wollte man ein Gleichnis dafür finden, so liefe man Gefahr, absurd zu werden, etwas Ähnliches gab es nicht einmal, als die Mongolenhorden Europa überschwemmten oder die römischen Legionen in Gallien einbrachen. Keine andere Religion, kein anderes System trat fremdem Glauben und fremder Form mit solcher Überheblichkeit, mit so steinerner Unduldsamkeit gegenüber wie das spanisch-katholische Christentum.

Ohne einen gewissen Mut und ohne Resignation kann man die Vergangenheit des menschlichen Geschlechts nicht als das erkennen, was sie ist: eine ununterbrochene Kette von Unrecht, Übervorteilung, Diebstahl, Gewalttat und Mord. Dies sind nur vierhundert und etliche Jahre. Ich kann mir eine Geistesstimmung denken, die seufzend zu dem Schluß gelangt: es könnte, mit nur geringen Variationen, auch gestern gewesen sein.

 

Wie verhält es sich nun mit Columbus in dieser Sache: Hat er die Sklaverei der Indios gewollt, oder hat er sich nur unter äußerem Zwang bereit gefunden, sie zu dulden, zu fördern, zu begünstigen? War es seine wohlerwogene Absicht von Anfang an, oder stammte der Plan aus dem Hirn der Geschäftemacher und Spekulanten, die ihn am Gängelband führten? Die Frage läßt sich nicht kurzerhand bejahen oder verneinen, dem steht die Kompliziertheit seines Charakters entgegen, die, je mehr man sie zu ergründen sucht, zu einer wahren Unerforschlichkeit wird. Sehe ich ihn als grandiosen geschichtlichen Don Quichote, sozusagen als den Ur-Don Quichote, so ist es gerade seine romantische Vorstellung von den Indios, die ihn nur zum Ritter von der traurigen Gestalt macht; die tragisch-groteske Szene, wie der scharfsinnige Junker kampfbegeistert mitten in die Hammelherde reitet und ein sinnloses Blutbad unter den erschrockenen Tieren anrichtet, ist auch ein zentrales Symbol für den Don Quichote des Ozeans. Er wußte nicht, wohin er ritt und wogegen er stritt. Er sah nicht, er begriff nicht. Und als er endlich begriff, stürzte er für immer in jene unheilbare Melancholie, die von jeher über ihm gelauert hatte wie eine tödliche Krankheit.

Als er eingesehen hatte, daß die Gründung von La Navidad ein Fehler gewesen war, des sumpfigen Klimas und des schlechten Hafens wegen, suchte er nach einem günstigeren Küstenplatz, der auch näher bei den vermuteten Goldbergwerken des Inlandes liegen sollte. Er wählte die fischreiche Bucht von Monte Christo, dort begann er im Dezember 1493 mit dem Bau der ersten spanischen Stadt in der Neuen Welt, die er Stadt der Königin nannte, Isabella, ihre Ruinen sind noch heute zu sehen. Die Indios, zumal die Frauen, gastfrei und hilfreich, wie stets bei der ersten Begegnung, brachten aus der fruchtbaren Landschaft die Fülle von Nahrungsmitteln, darunter auch Jamswurzeln, die die Europäer bald sehr schätzen lernten. Wichtiger war die noch unverbürgte Nachricht von der Nähe der Goldminen, es hieß, die Entfernung betrage nur hundertvierzig Kilometer, und sie lägen im Gebiet des Häuptlings Caonabo, desselben, der mit den Küstenstämmen in Fehde lebte und der, nach der Behauptung Guacamaris und seiner Leute, die Ansiedler von La Navidad getötet haben sollte. Der Admiral schickte eine Expedition in die Gegend, die Kundschafter kamen ganz aufgeregt zurück, sie schworen, sie hätten das Gold in den Tälern und Flüssen glänzen sehen, es gäbe dort Berge aus purem Gold, da wollte sich Columbus selbst von der Wahrheit der Berichte überzeugen und brach mit bewaffneter Begleitung ins Innere des Landes auf. Die Gebirge aus Gold wird er nicht gefunden haben; um sich ihrer für alle Fälle zu versichern, baute er im Distrikt von Cibao das Fort San Tomas, das im Laufe der Begebenheiten eine berüchtigte Mordstation wurde.

Vom Ende des Jahres an häuften sich die Widrigkeiten, und Columbus war der Mann nicht, sie mit ruhiger Hand und kühlem Kopf zu besiegen. Er hatte dann immer das beleidigte Gefühl, als wolle das Schicksal ihm persönlich übel, und der Ausweg, den er jeweils fand, war von einer verzweifelten Stimmung eingegeben und daher fragwürdig. Eine unbekannte Krankheit verbreitete sich auf der Flotte, es wird ein tropisches Fieber gewesen sein; auch ihn ergriff sie und warf ihn bis zum März des andern Jahres nieder. Die Vorräte für die Mannschaft und die Herren schrumpften besorgniserregend zusammen, die Indios konnten zu genügenden Lieferungen nicht gezwungen werden, sie hatten begonnen, sich widerspenstig zu zeigen, in einigen Stämmen gärte ein gefährlicher Geist, da und dort kam es bereits zum Ausbruch von Feindseligkeiten; Gold wurde in viel geringerer Menge erhandelt und erpreßt, als man erwartet hatte, kein Wunder, daß die trägen Caballeros, die mit so überspannten Hoffnungen übers Meer gefahren waren, ihre Leichtgläubigkeit verwünschten, mutlos und aufsässig wurden und so bald wie möglich nach Spanien zurückzukehren begehrten, wo man nicht die Unverschämtheit hatte, Arbeit von ihnen zu verlangen, wirkliche Arbeit mit Spaten und Hammer und Pflugschar. Es war ein Verbrechen an ihrer Ehre, und da sie gänzlich unfähig waren, die Verhältnisse zu beurteilen und einer förderlichen Entwicklung der Kolonie nur im Wege waren, hatte der Admiral nichts gegen ihre Rückkehr einzuwenden und beauftragte den Admiral de Torres, Kapitän der Marigalante, sie auf zwölf Schiffen nach Spanien zu bringen. Das Memorial, das er dem de Torres einhändigte, damit er es den Majestäten übergebe, ist deshalb denkwürdig, weil es zum erstenmal die Frage, ob man die Indios als Sklaven verwenden solle, offiziell behandelt und die Maßregel mit allerlei schlauen Verklausulierungen und jesuitischen Beschönigungen plausibel zu machen sucht. Wiederum wendet er viele Worte auf, um den Hoheiten die reiche Ausbeute zu rühmen, die die Goldminen und Goldwäschereien erhoffen ließen. Von befriedigenden Erträgnissen spricht er gar nicht, nur eben von Aussichten. Den traurigen Zustand der Kolonie und der Expeditionsteilnehmer kann er nicht verhehlen; er zählt die Ursachen auf, die ihn verhindern, der geliebten Herrin große Mengen Goldes zu schicken, erstens die zahlreichen Krankheitsfälle, dann die Beschwerlichkeit der Arbeit in den Goldflüssen, der Mangel an gebahnten Wegen und an Transporttieren; das Zugvieh, das man aus Spanien mitgenommen, gedeihe nicht und sei zum Erbarmen abgemagert. Auch der europäische Mensch könne nicht gedeihen, wenn er nicht dieselben Nahrungsmittel erhalte, an die er zu Hause gewöhnt gewesen. Zu diesem Zweck seien verschiedene Anpflanzungsversuche gemacht worden, allein die Feldbebauer hätten ihre Tätigkeit alsbald eingestellt (warum, wagt er nicht zu gestehen, er hat Angst, daß sich die Hidalgos wegen der Bezichtigung an ihm rächen könnten). Am meisten sehnten sich die Leute nach Wein. Nun hatten aber die spanischen Weinhändler so und so viel hundert Fässer Wein an die Flotte liefern müssen. Ist der Vorrat so schnell verbraucht? Bewahre. Die Fässer waren schlecht, der größte Teil des Weines ist während der Ozeanfahrt ausgeronnen. Man sieht, die Kriegslieferanten haben sich schon damals auf ihr Geschäft verstanden. Der Admiral entlädt seinen ganzen Zorn auf sie, da braucht er niemand zu schonen, er kennt den Gang der Dinge bei Hof und weiß, daß man froh ist, wenn man untergeordnete Subjekte zu Sündenböcken machen kann für die Vergehungen hochgestellter. In der Tat trägt das Original des Memorandums eine Anmerkung von der Hand der Königin, worin sie dem Juan de Fonseca, jüngst zum Kolonialminister ernannt, den scharfen Befehl erteilt, er möge schleunigst untersuchen, wer den Betrug mit den Weinfässern verschuldet habe, damit man seine Güter beschlagnahme und ihn zum Schadenersatz verhalte.

Ich brauche Korn, schreibt der Admiral, ich brauche Zwieback, Speck, Räucherfleisch, Rosinen, Zucker, Honig, Esel und Eselinnen. Ferner Pferde, schickt mir Pferde, sie sind unerläßlich zum Kampf wie zur friedlichen Bestellung des Landes. Da ist noch ein Schwindel geschehen. Man hat nicht die Pferde eingeschifft, die ihm vorgeführt worden waren, sondern bei weitem schlechtere. Wer hat den Profit davon gehabt? Offenbar Juan de Soria, denn er ist sein Feind, er muß die Tiere ausgetauscht haben. Die besoldeten Ritter, ja, die haben vortreffliches Pferdematerial, die Herren liegen krank in ihren Betten und erlauben nicht, daß ihre Tiere Dienst verrichten, um keinen Preis lassen sie das zu. Ein beklagenswerter Führer, der sich über Dienstverweigerungen beklagt, wahrhaftig. Aber hören wir weiter, was der Vizekönig der neuen Welt noch verlangt: Schuhe, Leder, Hemden, Leinwand, eingemachte Früchte, fünfzig Fässer Sirup, hundert Hakenbüchsen, hundert Armbruste, hundert Kisten Munition. Und vor allem: Menschen; vor allem fleißige, ordentliche Menschen, mit denen, die er hat, kann er nichts anfangen, Maurer sind vonnöten, Bergleute, Goldwäscher. Kurz und gut, es fehlt ihm alles, weil ihm in der fremden Welt nichts faßbar ist, nichts dienen kann, weil er ihre Hilfsquellen nicht kennt und von ihren Möglichkeiten nichts ahnt.

Oder war die Forderung nach Menschen nur eine geschickte Vorbereitung für das eigentliche Projekt, das ihm im Sinne lag? Wozu sollen wir dir Menschen schicken, konnte ihm leichterdings geantwortet werden, du hast ja genug da drüben, Hunderttausende stehen dir zur Verfügung, richte sie ab, mache sie zu nützlichen Werkzeugen deiner Unternehmung. Jedoch Columbus denkt an zivilisatorische Aufgaben mitnichten, er will die Eingeborenen zu Handelsobjekten machen, sie sollen mit ihren Leibern den Staatsschatz bereichern; da sie nicht so viel Gold aufbringen, wie man füglich von ihnen erwarten konnte, sollen sie selber an Goldes Statt dienen, mit sich selber Zahlung leisten. Pharisäisch argumentiert der Entdecker wie folgt: »Mit Recht wünschen Eure Hoheiten, daß wir den Indios die Lehren unseres heiligen Glaubens mitteilen, aber wir haben die Kenntnis ihrer Sprache nicht, und so schicke ich mit Senor de Torres eine Anzahl Männer, Frauen, Knaben und kleine Mädchen nach Spanien, die ihre Hoheiten solchen Personen anvertrauen mögen, die ihnen den besten Unterricht vermitteln und sie in allerlei Arbeit unterweisen können. Je nach ihrer Führung könnte man sie dann im Rang gegen die anderen Sklaven erhöhen und einen mit der Leistung des anderen anspornen. Da von den Inseln die der Kannibalen die größten und volkreichsten sind, scheint es ratsam, Leute von dorther nach Kastilien zu befördern, damit sie die barbarische Gewohnheit, Menschenfleisch zu verzehren, alsbald aufgeben. Je eher sie die spanische Sprache erlernen, je eher werden sie getauft, und je eher wird das Heil ihrer Seelen gerettet werden.«

Hier ist eine Einschaltung nötig. Die Anklage des Kannibalismus (ein Wort übrigens, das ebenfalls auf die Verballhornung eines indianischen Namens zurückgeht, nämlich den der Insel Kariba) ist mit Bezug auf den westindischen Archipel vollständig aus der Luft gegriffen. Ob der Brauch auf dem mittelamerikanischen Festland existiert hat, ist ungewiß und wird vielfach bestritten. Die mit dem religiösen Kult zusammenhängenden Blutopfer, die bei den Azteken zu Formen von abscheuerregender Grausamkeit gediehen waren und den Charakter mystisch-erotischer Blutfeste trugen, mögen der entzündlichen Phantasie der ersten Eroberer die schreckensvolle Vorstellung von Menschenfresserei gegeben haben, und daß Columbus kein anderes Beweismittel besaß als bloßes Gerücht und Hörensagen, ist beinahe mit Sicherheit anzunehmen. Ob er die Bezichtigung glaubte oder nicht, muß nicht untersucht werden, auch wird er sich schwerlich darüber Gedanken gemacht haben, daß es in sittlicher Hinsicht kein erheblicher Unterschied ist, ob man mit Menschenfleisch handelt oder ob man es verspeist. Seine bauernschlaue Überlegung war die: Ich muß die Indios als unschuldig-gottlose und unschuldig-verworfene Wesen darstellen, dann wird mein Vorschlag, sie zu Sklaven zu machen, mir als moralisches Verdienst angerechnet werden, jedenfalls als eine erziehliche Maßregel zu ihrer Besserung. Eine echt europäische Heuchelei: kommerzielle Absichten, umwickelt mit windigen Redensarten von Humanität und Fortschritt.

Seine weiteren Ausführungen lassen an Deutlichkeit nichts mehr zu wünschen übrig: »Zum Heile der Seelen hiesiger Einwohner ist uns eingefallen, daß es je besser ist, je weiter man sie fortbringt, und so könnte für den Dienst Ihrer Hoheiten auf folgende Weise gesorgt werden. Da das Bedürfnis an Vieh und Saumtieren hier sehr groß ist, könnten Ihre Hoheiten eine Anzahl Karavellen ermächtigen, jährlich Herden herüber zu bringen. Dies Vieh könnte den Überbringern zu angemessenem Preis abgekauft und mit indianischen Sklaven bezahlt werden, denn es sind zwar wilde, aber anstellige, kluge und gut proportionierte Menschen, die sich nützlicher als alle andern Sklaven erweisen werden. Sobald sie ihre Heimat aus dem Gesicht verlieren, werden sie sich ihrer Grausamkeit entwöhnen. Man kann sie zum Rudern der Galeeren verwenden, darauf verstehen sie sich trefflich, und Ihre Hoheiten können von ihnen einen Einfuhrzoll erheben.«

Das klingt ganz modern, der Admiral war ohne Zweifel ein Finanztalent. Er verstand zu rechnen, und seine schätzbare Sorge ist es, wie er die Kolonie für das Mutterland rentabel machen kann. Vielleicht war es dieser Schein von spekulativer Tüchtigkeit, der einige neuere Historiker, namentlich in Spanien, zu der Behauptung geführt hat, er sei von Abstammung Jude gewesen. Damit es nicht aussehe, als ob es eine willkürliche Annahme sei, stützten sie sich dabei auf mittelalterliche Quellen, die allerdings zu schwer zugänglich sind, um sie auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen. Aber manche urteilen nur aus einem allgemeinen Gefühl heraus, ob in feindseliger oder sympathisierender Tendenz, läßt sich nicht unterscheiden. Zunächst hat die Hypothese etwas Verblüffendes, es ist wahr, sie beleuchtet eine Seite des Mannes, die bis jetzt noch recht dunkel war. Es steckt nämlich viel vom Renegaten in diesem Cristobal Colón, er hat viele Züge eines eifervollen Abtrünnigen, der mit Angst bemüht ist, den Weg zuzuschütten, den er gegangen ist. Immer ist es der Neubekehrte, der in seiner für mißtrauische Augen berechneten Haltung und mit einer Leidenschaft, durch die er sowohl sich selbst wie auch die Umwelt glaubt täuschen zu müssen, alle Grenzen des Geschmacks, der Vernunft und des Anstands überschreitet. Und wenn man ganz, ganz nah an die Seele dieses Finders einer Welt heranhorcht, wittert man Verrat, freilich eine unbezeichenbare Art davon, spürt man den Verräter, freilich einen, den das Schicksal zu hoher Leistung hinauftreibt gerade dadurch, daß es ihn zum Verräter gemacht hat. Jüdisch, im schlechten und im guten Sinn, ist eine gewisse Weichmütigkeit an Columbus; jüdisch ein unverkennbarer Hang, Probleme der Wirklichkeit sentimental zu lösen; jüdisch die eigentümliche Zaghaftigkeit vor weittragenden Verantwortungen, die aus einer uralten Furcht vor dem Unwiderruflichen stammt, dem von oben her Beschlossenen. Aber was nicht jüdisch an ihm ist, das ist sein auffallender Mangel an Intelligenz und praktischer Fähigkeit, und vor allem liegt jede Form des Donquichotismus, der Selbstbezauberung mittelst einer vergewaltigten Realität, dem jüdischen Wesen so fern wie möglich. Die spanischen Herrscher, zu ihrer Ehre muß es gesagt werden, billigten das Vornehmen ihres Admirals nicht; in der Randnote heißt es: »Bleibt zunächst ausgesetzt, bis ein anderer Vorschlag gemacht wird.« In der Hauptsache wird es wohl die Königin gewesen sein, die sich dem staatlich konzessionierten Menschenraub und -verkauf widersetzte, wie einträglich ihr das Geschäft auch geschildert wurde. Aber in solchen Fällen ist der Automatismus der Tatsachen stärker als selbst das Gewissensbedenken einer absoluten Herrscherin. Bedrängt von der allgemeinen, bis zur Tollheit gesteigerten Goldgier, hatte Columbus das Mittel gefunden, die Ungeduld der Fordernden durch Lieferung billiger Arbeitskräfte hinzuhalten. Als Antonio de Torres mit vier Karavellen nach Española zurückkam, ließ der Admiral fünfhundert Indios beiderlei Geschlechts auf die Schiffe bringen und, indem er sie als Rebellen bezeichnete, nach Spanien transportieren. In Sevilla übergab man sie dem Juan de Fonseca, der sandte sie auf sein Landgut, wo sie wie Tiere ausgestellt und versteigert wurden. Schlechte Behandlung, schwere Fron, das veränderte Klima, die so ungewohnte wie entwürdigende Lebensweise verursachte binnen kurzem den Tod aller. Da erhob sich kein Einspruch, keine Menschenstimme, aus dem ersten Versuch wurde eine feste Einrichtung, und der Atelandato Bartolomé, der tatkräftige und politisch begabte Bruder des Admirals, schickte alsbald ein Schiff nach dem andern vollgestopft mit indianischen Sklaven nach Spanien, eine vollkommen zweck- und sinnlose Deportation, denn alle diese entheimateten Geschöpfe verendeten auf dieselbe elende Art wie die ihnen vorausgegangenen.

Die Insel Española hatte nach ungefährer Schätzung zur Zeit der Entdeckung eine Bevölkerungszahl von dreieinhalb Millionen. Zehn Jahre später waren davon noch vierunddreißigtausend übrig, also kaum der hundertste Teil. Das Gemetzel begann und verlief unter den sehend-unsehenden Augen des Columbus, und ob er Schmerz über die Vernichtung empfunden oder ob er sie, fatalistisch finster und seelisch ummauert, als unerbittliches Gesetz betrachtet hat, steht in keiner Chronik zu lesen. Wir wollen die Wahrheit im Herzen des Mannes suchen.


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