Jakob Wassermann
Christoph Columbus - Der Don Quichote des Ozeans
Jakob Wassermann

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Viertes Kapitel

Rechenschaft, Bittgänge, Vagabondage und wahnwitzige Forderungen

Befohlenermaßen versammelte sich die Junta, und zwar im Dominikanerkloster zu San Estéban in Salamanca, in welchem Columbus auch eine Wohnung angewiesen wurde. Es war die Jahreswende 1486 zu 87. Colón wird gerufen, er soll seine Entwürfe vortragen und erläutern. Was das Ergebnis betrifft, sind die Urkunden nicht mißzuverstehen: die gelehrten Würdenträger, mit Ausnahme des Fray Diego de Deza, Professors der Theologie, verhielten sich durchaus ungläubig und ablehnend.

Religion und Wissenschaft waren zu jener Zeit in Spanien identische Disziplinen. Die Inquisition hatte ihre größte Machtentfaltung erlangt, jede der Ketzerei verdächtige Meinung setzte ihren Bekenner blutiger Verfolgung aus. Daß das fromme Tribunal auch in diesem Fall voreingenommen war, erhellt aus seiner Verfassung und seinem Geist; Columbus erschien nicht so sehr als Beauftragter in königlicher Sache denn als Delinquent, dessen Irrtümer und Verfehlungen gerichtet werden sollten. Jedenfalls galt er für einen Glücksritter, am mildesten betrachtet für einen Volksverführer und mußte sich von Anfang an in eine feindliche Position verschanzen.

Der wesentlichste Einwurf war: Nachdem tiefe Philosophen die Gestalt der Welt zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht und tüchtige Seefahrer seit Tausenden von Jahren vertrauenswerte Zeugnisse beigebracht, sei es eine starke Anmaßung für einen gemeinen Mann, zu behaupten, eine so große Entdeckung, wie er sie verheiße, sei ihm vorbehalten. Es widersprächen dem die Psalmen Davids, die Aussprüche des heiligen Chrysostemus, des heiligen Hieronymus, des heiligen Gregorius, heiligen Basilius und heiligen Ambrosius. Vor allem war eine Stelle aus dem heiligen Lactantius im Wege, die lautet: »Ist wohl irgend jemand so von Sinnen, daß er glaubte, es gäbe Antipoden, die mit ihren Füßen gegen die unseren stehen, Menschen, die mit in die Höhe gekehrten Beinen und herunterhängenden Köpfen gehen? Daß eine Gegend der Erde existiere, wo die Dinge unterst zu oberst sind, die Bäume abwärts wachsen und es in die Höhe regnet, hagelt und schneit? Der Wahn, daß die Erde rund sei, ist die Ursache der törichten Fabel von den Antipoden mit den Füßen in der Luft, und solche Personen gehen in ihren Ungereimtheiten von dem anfänglichen Irrtum immer zu neuen Irrtümern und leiten einen aus dem andern ab.«

Auch der heilige Augustinus erklärt die Lehre von den Antipoden als unverträglich mit dem reinen Glauben; wer bewohnte Länder auf der andern Seite der Erdkugel annehme, der verneine die Abkunft ihrer Völker von Adam, da es für diese unmöglich gewesen sei, über das Weltmeer zu gelangen; er entziehe also der Bibel die fundamentale Wahrheit, daß alle Menschen von einem einzigen Elternpaar abstammten. Und heiße es nicht in den Psalmen, der Himmel sei ausgespannt gleich einem Fell? Was so viel bedeute, daß er die Decke eines Zeltes sei, die bei den alten Hirtenvölkern aus Tierfellen gemacht gewesen; daher habe der heilige Paulus im Brief an die Hebräer den Himmel ein Tabernakel genannt, das über die Erde gebreitet sei, womit deutlich gesagt sei, daß er in seiner ganzen Ausdehnung flach sein müsse.

Einige liberalere Mitglieder des Konziliums leugneten die Kugelgestalt der Erde nicht, gaben sogar die Existenz von Gegenfüßlern zu, doch hielten sie es für unmöglich, zu ihnen zu reisen, da in den Tropen das Meer in kochenden Wellen siede. Übrigens sei nach der Autorität Epikurs die Erde, wenn sie eine Kugel sei, nur auf der nördlichen Hälfte bewohnbar und von Himmel umgeben, auf der andern sei das Chaos, der Abgrund, die unendliche Wasserwüste. Angenommen, Indien könne zur See erreicht werden, auf welche Art solle man die Rückkehr bewerkstelligen, da man auf der Kugeloberfläche wohl hinab, nimmermehr aber bergauf fahren könne? Und hatte nicht schon Seneca, der Rhetor, in seiner Schrift Suasoriae die Frage aufgeworfen: Wird sich Alexander auf dem Ozean einschiffen, in Anbetracht, daß Indien das äußerste Land der Welt ist und jenseits dessen die ewige Nacht beginnt? Nein, antwortet er selbst, Alexander wird sich nicht einschiffen, um eine neue Welt zu suchen; wie darf also ein Heutiger so Ungeheures wagen, der weder Alexanders göttliche Kräfte noch seine königlichen Hilfsmittel besitzt?

Eigentümlicher Konflikt: Wie sollte Columbus den Sturm der scholastischen Diskussion und Verhörung abwehren, er, der mit allen Anschauungen und Begriffen auf dem nämlichen Boden stand wie seine Inquisitoren und ihnen nichts entgegenzusetzen hatte als ein unmitteilbares inneres Bild und seine felsenfeste Überzeugung? Er mußte versuchen, was ihm freilich bei seinem Rednertalent nicht schwerfiel, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen; jeder wissenschaftliche Stützgrund, auch wenn er sich eines solchen wirksam hätte bedienen können, wäre ihm verhängnisvoll geworden.

In den Jahren des Glücks schrieb er einmal an König Ferdinand: »Ich kam als Abgesandter der heiligen Dreieinigkeit zu Eurer Hoheit, um den heiligen Glauben zu verbreiten, denn klar genug spricht Gott von diesen Ländern durch den Mund des Propheten Jesaias, der da versichert, daß von Spanien aus sein Name solle verkündet werden.« So beharrte er schon vor der frommen Körperschaft in San Esteban darauf, daß er als ein Erleuchteter anzusehen sei. Die gewaltsam ausgedeuteten Stellen im Jesaias befinden sich im vierundzwanzigsten und fünfundsechzigsten Kapitel: »Von den Enden der Erde hören wir Gesänge«, und: »Ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde bauen.« Daß diese Mission dem König von Spanien vorbehalten sei, ist eine großartige Freiheit dieses Monomanen und Wortsklaven, und nicht minder willkürlich und das Wunder seiner Erwählung preisend verfährt er, wenn er die geheimnisvollen Worte aus dem Buch Hiob zitiert: »Woher kommt denn die Weisheit und wo ist die Stätte des Verstandes? Sie ist verhohlen vor den Augen der Lebendigen, auch vor den Vögeln unter dem Himmel, der Abgrund und der Tod sprechen: Wir haben mit den Ohren ihr Gerücht gehört, Gott weiß den Weg und kennt ihre Stätte, da er dem Wind sein Gewicht machte und setzte dem Wasser sein gewisses Maß.«

Mit solchen Tönen, ehrwürdig aus dem Urbrunnen der Menschheit emporschallend, bringt er die ihn hart bedrängende Versammlung zur Ruhe. Man sieht, auch er hat Autoritäten auf seiner Seite, er rollt seine Pergamente auf, liest mit majestätischer Stimme vor. Für ihn haben die Stammväter der Menschheit gesprochen, für ihn die Patriarchen. Da sind seine Karten, eingezeichnet ist bereits die Fahrt; doch um die möglichen und von ihm erkannten Wege nicht vorzeitig aufzudecken und so um die Früchte seiner Lebensarbeit betrogen zu werden (er ist nach König Joans Betrugsversuch klüger geworden), beschränkt er sich auf unbestimmte Andeutungen, die die Mönche, Prälaten, Äbte, Bischöfe und Erzbischöfe vielleicht mehr zum Aufhorchen zwingen als es eine klare Darlegung, als es etwa die Berufung auf einen Forscher wie Toscanelli vermocht hätte, die er hier wieder, ich erwähnte es bereits, durchaus unterließ. Man konnte nicht umhin, ihn zu hören und mit ihm zu rechten, aber die stärkste Wirkung ging von seiner Ergriffenheit aus, der Haltung eines unbeugsamen Fanatikers, und von dem visionären Auge, das die Länder und Reiche schon erblickte, deren Existenz erst zur Debatte stand.

Dennoch lautete das Urteil der Junta abweisend. Colón ging zur Königin und sagte: »Das Tribunal bringt Euch um Ruhm, Ehre und Reichtum.« Die Königin wollte ganz sichergehen und überwies das Projekt zur abermaligen Prüfung an den Staatsrat. Der Staatsrat fällte das Verdikt, die Meinung des genuesischen Fremdlings könne unmöglich richtig sein, er sei das Opfer wirrer Einbildungen. Die kriegerischen Verwicklungen hinderten die Königin in den nächsten Monaten daran, sich um ihren Schützling zu kümmern, sie ließ ihm jeweils geringe Geldsummen aushändigen, damit er an den Hof nach Malaga komme. Die Stadt war erobert worden, die große Moschee wurde als Kathedrale eingeweiht. Durch die Anhäufung von Menschen oder die leichtfertige Bestattung der Leichen brach, im August 1487, die Pest aus, und der Hof reiste eilig nach Cordova, dann, für den Winter, nach Saragossa, dann, im Frühjahr, nach Murcia, dann, im Herbst, nach Valladolid. In unerträglicher Gespanntheit und beklommener Ratlosigkeit folgte Columbus der Fürstin von Stadt zu Stadt, von Feldlager zu Feldlager, von Valladolid nach Medina del Campo, von da wieder nach Cordova. Er verfaßte Bittschriften über Bittschriften, bemühte sich um Audienzen bei Herzögen, Bischöfen, Ordensrittern, Prinzen und Prinzessinnen, erwarb bisweilen Gunst und Unterstützung, z. B. des Herzogs von Medina Sidonia, doch meist wurde er nur hingehalten und nicht selten verächtlich abgetan, bald als komische Figur, bald als aufdringlicher Supplikant, bald als wandernder Astrolog und manchmal sogar als ausländischer Spion.

An Unterstützungsgeldern erhielt er im Mai 1487 dreitausend Maravedis (ungefähr zweihundertvierzig Mark heutigen Geldes), im Juli wieder dreitausend, im August viertausend, im Oktober viertausend. Damit konnte er gerade seine Notdurft bestreiten. So wenig es war, beweist es doch, daß die Königin trotz der zweimaligen Ablehnung, die sein Projekt durch Junta und Ratsversammlung erfahren hatte, sich nicht entschließen konnte, ihn fallenzulassen.

Es ist noch ein königlicher Befehl vorhanden, ein in Form eines Freipasses ausgestellter Brief an die Stadträte, Richter, Regidoren, Ritter, Lehnsträger, Offizialen des Landes, worin diese alle aufgefordert werden, dem Cristobal Colón, wenn er in irgendwelchen Städten, Ortschaften, Dörfern eintreffen sollte, gutes Quartier ohne Bezahlung zu geben, nur die Verköstigung sollten sie zu den üblichen Preisen berechnen dürfen. Denn er sei um wichtiger, den königlichen Dienst betreffender Dinge willen an den Hof und nach andern Teilen des Reiches beschieden worden.

Es heißt, daß er nicht nur die Gefahren und Entbehrungen des Feldzugs mit seiner Fürstin teilte, sondern bisweilen auch große Tapferkeit an den Tag legte, wie bei der Belagerung von Baza, wo die Gegenwart der Königin den Mut ihrer Ritter aufs höchste entflammte und Muley Boabdil, der König von Granada, um Frieden bitten mußte. Es war ein schlauer politischer Schachzug des maurischen Herrschers, daß er den Sultan von Ägypten bewog, eine Abordnung jerusalemitischer Mönche an die Königin zu schicken, um ihr anzukündigen, daß er das Heilige Grab zerstören und alle Christen in Syrien und Palästina werde niedermetzeln lassen, wenn sie nicht ihre Hand von Granada abzöge. Isabella, in schwerem Seelenkampf, wich der Drohung nicht, sie entließ die Mönche mit dem Versprechen, daß sie jährlich tausend Dukaten zur Betreuung des Grabes Christi an die Klosterbrüder senden werde und gab ihnen als Weihgeschenk für die heilige Stätte einen Schleier mit, den sie selbst gewebt hatte.

Bei dieser Szene sei Columbus zugegen gewesen, wird berichtet, und sie habe einen so tiefen Eindruck auf ihn gemacht, daß er das Gelübde tat, alle Schätze, die er aus Indien heimbringen würde, zur Ausrüstung eines Kreuzzugs nach Syrien zu verwenden, um das Heilige Grab zu befreien. So verfügte er bereits, Urbild des Don Quichote, aufs generöseste über Reichtümer, zu denen es noch keinen Weg gab und die zu erlangen er nicht die geringste Aussicht hatte.

Mit dem königlichen Freipaß in der Tasche irrt er in Spanien herum, wahrscheinlich von Schenke zu Schenke, von Schloß zu Schloß, sucht Anhänger zu gewinnen, Gefolgschaft zu finden, Stimmung zu machen, Kapital für die Ausrüstung einer Flotte aufzutreiben, verfaßt Sendschreiben, zeichnet Karten und wieder Karten, lauert mit Angst auf die Nachrichten vom Kriegsschauplatz, da Sieg oder Niederlage, wie ihm oft bedeutet worden ist, auch für seine Sache Sieg oder Niederlage bringen müssen.

Im Verlauf des rast- und planlosen Herumziehens heftet sich allerlei zweideutiges und lästiges Volk an seine Fersen, Abenteurer, Deserteure, Schiffbrüchige, Unzufriedene aus allen Ständen, ruinierte kleine Hidalgos, entlaufene Mönche, gewerbsmäßige Schmarotzer, Leute, die ihm schmeicheln, das Gefühl der Zurücksetzung und der Auserwähltheit in ihm nähren und steigern, während sie sich insgeheim über ihn lustig machen und als Gesamtheit etwas Ähnliches vorstellen, was zweihundert Jahre später individuenhaft und typenbildend in der Sancho-Pansa-Figur gloriose Gestaltung gefunden hat. Eine bestimmte Lebensbewegung erzeugt unter allen Umständen die nämliche Gruppierung von Charakteren, die nämlichen Anziehungen und Geisteslagen, und manchmal verschweißt sie sie zu einer einzigen Person. Daß die Geschichte davon so wenig zu melden hat, beweist nur, wie dumm und unoriginell sie ist und mit was für einem großlöcherigen Sieb sie eine feine Materie aufzufangen sucht.

In diese Jahre fällt die Liebesbeziehung mit einer armen Adeligen in Cordova, Beatriz Henriquez, Schwester des Pedro de Arano, den er später zum Befehlshaber der Besatzung in Española ernannte. Wie es heißt, war sie schön und hatte eine schwärmerische Teilnahme für den um mindestens dreißig Jahre älteren Mann gefaßt. Er muß ihr viel an Aufmunterung und Obsorge zu verdanken gehabt haben, in einer Periode schwerster Verdüsterung mag sie das einzige Herz gewesen sein, das er wirklich besaß, denn noch in seinem Testament empfiehlt er seinen Erben dringend, sich ihrer anzunehmen, als einer Person, gegen die er hohe Pflichten habe. »Was ich hierfür tue«, sagt er, »geschieht, um mein Gewissen zu erleichtern, denn es lastet auf meiner Seele. Es ist nicht zulässig, hier den Grund davon zu nennen.«

Warum? Weil der Bund nicht von der Kirche sanktioniert war? Es scheint so. Seine Anschauungen in diesen Dingen wurden mit den Jahren immer strenger, errungene Würde beherrschte ihn, und obschon sich hinter seinen Worten noch ein Geheimnis verbergen kann, Gewissenslast bestand durch die Illegitimität allein, und er war ganz der Mann, dem die Last zur Qual wurde. Alle katholischen Schriftsteller haben sich daher bemüht, die sittliche Verfehlung mit Schweigen zu bedecken oder das Verhältnis in ein gesetzliches umzulügen.

Die Frucht dieser Liaison war ein Sohn, Hernando, derselbe, der in einem vielfach angezweifelten Werk voller falscher Angaben und pittoresker Entstellungen das Leben seines Vaters beschrieben hat. Das Buch ist wie eine schlechte Übermalung, die das darunter befindliche Bild für immer zerstört hat.

Vermutlich haben Schwierigkeiten, die mit der unehelichen Geburt des Kindes zusammenhingen, Columbus wünschen lassen, nach Portugal zu reisen. Es müssen dort noch unerledigte Geschäfte zu ordnen oder wichtige Papiere zu besorgen gewesen sein, vielleicht war er auch des tückischen Hinhaltens müde und wollte in seiner Trostlosigkeit Spanien entweder wirklich verlassen oder mit dem Entschluß hierzu einen Druck ausüben. Er richtete ein Gesuch an den König Joan und bat um die Erlaubnis, auf einige Zeit unbehelligt in sein Land kommen zu dürfen. Damit liegt am Tage, daß seine vormalige Flucht keine freiwillige Entscheidung gewesen war. Der König, der natürlich wußte, daß der Bittsteller in Diensten der spanischen Hoheiten stand und nun bedauerte, daß er selbst diese Dienste verschmäht hatte, antwortete, er solle unbesorgt reisen; das Schreiben schloß: »Und weil Ihr zufällig von meinen Behörden wegen gewisser Vorfälle, in die Ihr verwickelt wart, bedroht seid, so sichern wir Euch durch diesen Brief zu, daß Ihr weder gefangengenommen, angeklagt, vorgefordert, noch überhaupt befragt werden sollt wegen irgendeiner Angelegenheit, sei es Zivil- oder Kriminalsache oder was sonst.«

Ob er die Reise unternommen hat, weiß man nicht. Er scheint nur Vorbereitungen getroffen und dann seine Freunde in La Rabida aufgesucht zu haben, ebenso niedergedrückt, ebenso hoffnungslos wie bei seinem ersten Aufenthalt vor fünf oder sechs Jahren. Von ihm selbst oder von seinen Anhängern wurde das Gerücht verbreitet, er wolle Spanien gänzlich den Rücken kehren und sein Glück in Frankreich und England versuchen; erschreckt durch diese Botschaft, schickte ihm die Königin ihre Bevollmächtigten nach, um die Unterhandlungen wieder anzuknüpfen. Sie hegte einen seltsam ahnungsvollen Glauben an ihn; seit sie von seinem Gelübde erfahren hatte, das Gold Indiens für die Eroberung des Heiligen Grabes zu verwenden, hatte sich diesem Gefühl eine Art frommer Dankbarkeit gesellt. Ein beweglicher Brief des Fray Juan Perez, dem sie unbedingtes Vertrauen schenkte, ließ ihr als Pflicht erscheinen, was bisher vielleicht nur Gedankenspiel gewesen war.

Sie ruft also Columbus zu sich. Sie sendet zwanzigtausend Maravedis in Guldenstücken für die Reise und Instandsetzung seiner Garderobe. Er ist in Palos bei dem Arzt Garcia Hernandez, es hat ihn in die Hafenstadt getrieben, er will das Meer sehen, es ist ihm zumute, als sei der Ozean nicht mehr da. Man händigt ihm Brief und Geld aus. Es wird für ein wohlgezäumtes Roß, anständige Diener und seidene Gewänder gesorgt. Er reitet nach Santa Fé, in der Vega von Granada, wo das Hoflager ist.

Aber was hat ihm die Königin zu sagen? Nichts. Soviel wie nichts. Er möge sich noch gedulden. Granada ist vor dem Fall, die Ungläubigen haben sich in der Alhambra eingeschlossen, jede Stunde kann die Entscheidung bringen. Man schreibt Dezember 1491. Geduld? Er hat die letzten Reste davon verbraucht. Der Hunger zwingt den maurischen König Mohamed Boabdil zur Übergabe von Stadt und Festung. Damit ist ganz Spanien von den Sarazenen befreit, achthundert Jahre nach der Eroberung. Großer Jubel im spanischen Lager, Siegesfeste, Dankgottesdienste. Darf der unglückliche Supplikant jetzt endlich Hoffnung schöpfen? Wird man ihn hören? Wird man ihm glauben? Trübsinnig und fast mit Haß blickt er auf die allgemeinen Lustbarkeiten, zuviel von seiner Lebenskraft ist aufgezehrt, der Körper ist morsch, der Geist hat die Biegsamkeit eingebüßt, die Seele ist erfroren. Er erscheint vor dem königlichen Paar, um seine Glückwünsche darzubringen, man bemerkt ihn, die Königin würdigt ihn gnädiger Anrede, sie verspricht ihm, daß eine Kommission eingesetzt werden soll, um bestimmte Abmachungen mit ihm zu treffen. Sie hält Wort. Zum Haupt der Kommission wird Talavera ernannt, der eben Erzbischof von Granada geworden ist. Er hat nicht viel übrig für die überspannten Ideen dieses Cristobal Colón und noch weniger für ihn selbst. Doch die Königin wünscht, daß er mit ihm verhandle, und so befiehlt er ihn zu sich. Man wird ihm den kleinsten Teil des unumgänglich Nötigen bewilligen, damit ist die Sache abgetan, und der aufdringliche Graukopf mag zeigen, ob seine Verheißungen was anderes sind als eitel Dunst. Schön; was geschieht aber zum unermeßlichen Erstaunen des Kirchenfürsten? Der hergelaufene Fremdling und projekteschmiedende Hungerleider, der von Almosen des Hofs und einiger Granden lebt und mit seinen ungereimten Anerbietungen jahrelang die Langmut der Majestäten mißbraucht hat, schlägt auf einmal, kaum daß er der durch ihren Sieg über die Ungläubigen froh gestimmten Regentin die erste Gewährung abgelistet hat, einen Ton an, der alles überbietet, was man je an frecher Anmaßung gehört hat, so daß man noch milde verfährt, wenn man die Verhandlungen wortlos abbricht und dem unverschämten Narren die Tür weist.

Laßt uns sehen. Columbus hat also seine Forderungen gestellt. Er ist durchaus nicht geneigt, sich mit dem zu begnügen, was ihm die Monarchin freundlich bietet, einige Schiffe, eine angemessene Geldunterstützung, ihren gnädigen Schutz und Schirm, sondern gibt seinerseits die Bedingungen bekannt, unter denen er die Reise antreten will. Und wahrhaftig, es ist nichts Geringes, was er verlangt. Es ist sogar, im ganzen und im Hinblick auf seine Situation betrachtet, etwas derartig Unfaßliches, daß die nüchtern rechnenden Leute am spanischen Hofe sich wirklich fragen müssen, ob der gute Mann nicht einfach den Verstand verloren hat. Folgendes ist es, was er fordert: Das Amt des Vizekönigs und Generalgouverneurs über alle Inseln und Festländer, die er entdecken und für Spanien in Besitz nehmen wird; Erhebung zum Admiral des Weltmeers; ein Zehntel von allen Reichtümern: Perlen, Diamanten, Gold, Silber, Gewürzen, Früchten und Produkten irgendwelcher Art, die in den seiner Verwaltung unterstellten Gebieten gefunden und nach Spanien sollen ausgeführt werden; das Eigentumsrecht auf ein Achtel der zu entdeckenden und zu erobernden Länder sowie aller daraus gezogenen Einkünfte, wogegen er seinerseits ein Achtel der Ausrüstungskosten zu tragen sich erbot (am Rande: er besaß ja keinen roten Heller, wahrscheinlich hatte ihm die wohlhabende Familie Pinzon bereits damals eine Kapitalsbeteiligung in Form eines Schiffes zugesagt); schließlich: Vererbung aller dieser Rechte, Titel und Würden auf seine Nachkommen, vom Erstgeborenen zum Erstgeborenen.

Überraschende Manifestation. Sie legt die Frage nach der innersten Beschaffenheit dieses geheimnisvollen Menschenwesens nah.


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