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17

Helen Leamington saß auf ihrem Bett. Neben ihr stand eine Schachtel Konfekt. Sie hatte die Knie hochgezogen und war eifrig mit ihrem Filmmanuskript beschäftigt. Aber obgleich sie sich die größte Mühe gab, war es ihr doch unmöglich, die komplizierten Anweisungen zu verstehen, die Foß an den Rand der Seiten geschrieben hatte. Sie runzelte die Stirn. Für gewöhnlich fiel es ihr nicht allzu schwer, ein Filmmanuskript durchzuarbeiten. Aber heute wanderten ihre Gedanken, sie beschäftigten sich nicht mit dem Film. Und obwohl sie im Manuskript las, erfaßte sie doch nicht dessen Sinn. Es wäre dasselbe gewesen, wenn sie leere Seiten vor sich gehabt hätte.

Wer war Mike Brixan eigentlich? Sie stellte sich einen Detektiv ganz anders vor. Warum hielt er sich hier in Chichester auf? War es möglich, daß er ihretwegen...? Sie gab diesen Gedanken sofort wieder auf und ärgerte sich über sich selbst. Es war doch ganz unmöglich, daß ein Mann, der ein schreckliches Verbrechen aufklären wollte, sich nur hier aufhielt, um ihr nahe zu sein. Ob der Mörder, der Kopfjäger, in der Nähe von Chichester wohnte? Bei dieser Vorstellung legte sie das Manuskript gedankenvoll auf ihre Knie.

Die Stimme ihrer Wirtin störte sie auf.

»Wollen Sie Mr. Foß empfangen?«

Sie sprang vom Bett und öffnete die Tür.

»Wo ist er?«

»Ich habe ihn ins Empfangszimmer gebeten«, sagte die Wirtin, die jetzt schon etwas mehr Respekt vor ihr bekommen hatte. Wenn eine Statistin zu einer Filmdiva avancierte, so wußte man dies natürlich in der Kleinstadt. Die Bewohner nahmen überhaupt regen Anteil an den Schicksalen der Filmschauspieler, die für sie von größter Bedeutung waren.

Lawley Foß stand am Fenster und schaute hinaus, als sie in das Zimmer trat.

»Guten Tag, Helen!« sagte er in guter Laune. Früher hätte er sie nie bei ihrem Vornamen genannt, selbst wenn er ihn gekannt hätte.

»Guten Tag, Mr. Foß«, sagte sie lächelnd. »Zu meinem Bedauern habe ich gehört, daß Sie nicht mehr in unserer Gesellschaft tätig sind.«

Foß zuckte gleichgültig die Achseln.

»Die Firma war zu klein, als daß ich mich dort hätte richtig entfalten können«, sagte er. Er war gespannt, ob Brixan ihr etwas von dem runden, weißen Papier auf ihrem Fenster erzählt hatte, und freute sich, als er fand, daß sie nichts davon wußte. Foß selbst maß der Sache keinerlei Bedeutung bei. Er war nur zu sehr geneigt, Gregorys Erklärung anzunehmen, der ihm gesagt hatte, daß er Miss Leamington sehr verehre und ihr einen Blumenstrauß durch das Fenster schieben wolle. Durch dieses Geschenk hoffe er, sie zu besänftigen. Foß hatte ihn bei sich einen liebestollen Narren genannt und hatte ihm seinen Wunsch erfüllt. Was Knebworth ihm mitgeteilt hatte, wollte er nicht glauben und lehnte es als phantastische Übertreibung ab.

»Helen, Sie sind noch sehr jung und unerfahren. Sie tun sehr unrecht, wenn Sie einen Mann wie Gregory Penne ablehnen«, sagte er. Aber er sah an ihrem Gesichtsausdruck sofort, daß er auf diese Weise keinen Erfolg haben würde. »Es hat doch keinen Zweck, daß Sie etwas Besonderes für sich haben wollen. Wir sind nun einmal alle Menschen. Es ist doch nichts dabei, wenn Sie Gregory Penne einmal treffen. Niemand kann etwas dabei finden! Hunderte von jungen Damen speisen mit einem Herrn zu Abend, ohne daß irgend etwas Schlimmes geschieht. Ich bin ein Freund von ihm und besuche ihn heute abend in einer wichtigen persönlichen Sache – wollen Sie mit mir kommen?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Es ist möglich, daß nichts dabei ist, aber mir macht es eben keinen Spaß.«

»Er ist reich und hat großen Einfluß«, sagte Foß eindringlich. »Seine Bekanntschaft könnte Ihnen viel nützen.«

Aber sie schüttelte den Kopf.

»Ich brauche keine andere Hilfe als meine Begabung«, sagte sie, »beinahe hätte ich Kunst gesagt, aber das klingt zu hochtrabend. Ich brauche die Befürwortung eines reichen Mannes nicht. Wenn ich ohne diese keinen Erfolg haben sollte, dann habe ich eben nicht das Zeug zur Filmdiva und will mich damit abfinden.«

Foß dachte nach, »Ich glaube, daß ich es auch ohne Sie kann, aber ich wäre sehr froh gewesen, wenn Sie mir geholfen hätten. Er mag Sie sehr gern. Wenn Stella Mendoza das wüßte, würde sie Sie umbringen.«

»Miss Mendoza?« fragte das Mädchen erstaunt. »Warum? Kennt sie ihn denn?«

Er nickte.

»Ja, aber nur sehr wenig Leute wissen darum. Es gab einmal eine Zeit, wo er alles für sie getan hätte, und sie war in ihrer Art sehr klug und wies seine Hilfe nicht zurück. Die Mendoza hat jetzt so viel Geld, daß sie es zum Fenster hinauswerfen könnte, und Diamanten genug, um die Schatzkammer im Tower zu füllen.«

Helen horchte erschreckt auf. Sie konnte es nicht glauben. Foß beeilte sich deshalb, dafür zu sorgen, daß Stella nichts von seiner Indiskretion erfahren würde.

»Sie brauchen ihr das nicht zu sagen, das war nur eine ganz vertrauliche Mitteilung. Auch möchte ich mich mit Penne nicht gern überwerfen.« Er schüttelte sich. »Der Mann ist ein Teufel.«

Sie biß sich auf die Lippen. »Und trotzdem wollen Sie mich dazu veranlassen, mit ihm zu speisen? Und wollen mich dazu mit Miss Mendozas Diamanten ködern?«

»Ich vermute, daß Sie von ihr nicht viel Gutes denken?« sagte er höhnisch.

»Sie tut mir leid«, sagte das Mädchen ruhig. »Aber ich möchte mir selbst nicht leid tun!«

Schweigend öffnete sie die Tür, und er ging ohne Gruß fort. Nach allem, dachte er, würde er auch ohne fremde Hilfe sein Ziel erreichen.

Denn in seiner Brieftasche lag ein Stück Papier, das mit der Schreibmaschine des Kopfjägers geschrieben war, und das war viele tausend Pfund wert, wenn er dem Verbrecher mit seinen Enthüllungen drohte.


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