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13

Brixan hörte ein schwaches Krachen in einer Ecke des Raumes, dann das leise Geräusch nackter Füße auf dem dicken Teppich und schnelle Atemzüge.

Mit der Hand fühlte er, wo das Schlüsselloch im Fensterladen war. Ohne Zögern zog er die Pistole und feuerte zweimal hintereinander dagegen. Die Schüsse krachten unheimlich laut in dem geschlossenen Raum; das mußte auf die Leute, die eingedrungen waren, einen überwältigenden Eindruck gemacht haben, denn als der Fensterladen mit einem Ruck aufflog, der weiße Fensterflügel sich öffnete und das schwache Morgenlicht in den schön möblierten Raum fiel, war niemand mehr zu sehen.

Gleich darauf öffnete sich die Tür wieder, und der Baron kam herein. Vorher war er schon von panischem Schrecken ergriffen, aber jetzt machte er einen fast bedauernswerten Eindruck.

»Was ist los, was ist geschehen?« wimmerte er. »Hat hier jemand geschossen?«

»Ja, hier hat jemand geschossen«, sagte Mike ruhig. »Und der Jemand war ich. Die Leute, die Sie hierher schickten, um mit mir abzurechnen, können froh sein, daß ich nur auf das Schloß im Fensterladen geschossen habe und nicht auf sie.«

Irgendein weißer Gegenstand lag auf dem Fußboden. Schnell ging Brixan hin und nahm ihn auf. Er hatte eine rohseidene Binde in der Hand. Ein penetranter Geruch ging davon aus.

»Jemand muß das hier in der Eile verloren haben«, sagte er. »Ich glaube, man wollte es eben bei mir anwenden ...«

»Aber mein Lieber, ich versichere Ihnen, daß ich nichts davon weiß«, sagte Penne.

»Wie befindet sich die kranke Frau?« fragte Mike mit einem spöttischen Lächeln. »Sie wissen, die verrückte Frau, die vorhin so geschrien hat?«

Gregory strich mit seiner Hand einen Augenblick über die zitternden Lippen, anscheinend, um sich zu beruhigen.

»Oh, es geht gut, es war schon so, wie ich dachte«, sagte er. »Sie hatte einen Anfall.«

Mike sah ihn durchdringend an.

»Ich wünsche sie zu sehen«, sagte er.

»Das können Sie nicht.« Penne antwortete mit einer lauten, herausfordernden Stimme. »Sie können überhaupt hier niemanden sehen. Was zum Teufel wollen Sie denn, wenn Sie zu so früher Morgenstunde in mein Haus kommen und mein Eigentum beschädigen? Ich werde die Sache Scotland Yard anzeigen! Das wird Sie Ihre Stellung kosten, mein Lieber! Manche Detektive glauben, sie können sich alles herausnehmen. Aber ich werde Ihnen zeigen, daß Ihre Macht sehr beschränkt ist.« Seine Stimme wurde immer lauter, schließlich fing er an zu schreien.

Mike merkte, daß er seine Furcht durch Schimpfen und Drohen verdecken wollte. Er schaute nach den Schwertern über dem Kamin. Sir Gregory folgte seinem Blick und änderte plötzlich sein Benehmen.

»Warum bringen Sie mich auch so in Wut! Ich bin der netteste Mensch auf der Welt, wenn Sie mich richtig behandeln. Sie scheinen sich verrückte Ideen über mich in den Kopf gesetzt zu haben.«

Mike antwortete nicht. Er schritt langsam die Treppe hinunter. Als er hinaustrat, ging gerade die Sonne auf.

»Ich kann nicht darauf bestehen, Ihr Haus zu durchsuchen«, wandte er sich an Gregory, »weil ich keinen Durchsuchungsbefehl in Händen habe, und wenn ich mir ihn jetzt erst beschaffe, dann wird nichts mehr zu finden sein. Darüber bin ich mir klar. Aber nehmen Sie sich in acht, alter Freund!« Dabei drohte er ihm mit dem Finger.

Als er sich weiter und weiter auf dem Pfad entfernte, folgten ihm die Blicke einer verzweifelten, blassen Frau aus dem Fenster des obersten Turmgeschosses.

 

Brixan kam zur Frühstückszeit wieder in Dower House an. Niemand schien seine Abwesenheit entdeckt zu haben. Nur Helen hatte sein Verschwinden bemerkt, und sie war auch die erste, die von seiner Rückkehr wußte.

Jack Knebworth war in der heitersten Stimmung. Die Aufnahmen waren seiner Meinung nach sehr gut gelungen.

»Ich kann natürlich noch nichts Genaues sagen, dazu muß ich erst die Filmstreifen entwickelt haben. Aber soweit es Miss Leamingtons Spiel angeht, sind sie geradezu prachtvoll geworden. Im Augenblick kann man noch nichts voraussagen, aber ich bin fest davon überzeugt, daß sie eine große Künstlerin werden wird.«

»Zuerst haben Sie das nicht erwartet«, sagte Mike erstaunt.

Jack lachte verlegen. »Im Anfang war ich über die Mendoza furchtbar erzürnt, und als ich Miss Leamington als Aushilfe bei den Aufnahmen nahm, rechnete ich damit, daß ich nachher die Aufnahmen alle noch einmal mit der Mendoza machen müßte. Filmstars werden im allgemeinen nicht fertig geboren, sie müssen langsam erzogen werden, und sie haben viel bittere Enttäuschungen durchzumachen, bevor sie etwas werden. Aber Helen hat alle Entwicklungsphasen schon durchgemacht – Ihr Mädchen ist schon über alle Gefahren hinaus.«

»Sie sprachen von ›meinem Mädchen‹«, sagte Mike vorsichtig. »Wollen Sie damit mehr ausdrücken, als daß ich großes Interesse an ihr habe?«

»Tun Sie doch nicht so – Sie wissen schon, was ich meine.«

»Was für Aussichten hat denn ein Filmstar?« fragte Mike, um das Gespräch auf ein anderes Thema zu bringen.

Knebworth fuhr mit der Hand durch sein weißes Haar.

»In England sind ihre Chancen recht gering. Meistens haben sie nur lokale Bedeutung...«

Das war sein Lieblingsthema, und er sprach auf dem ganzen Rückweg nach Chichester nur darüber.

»...nein, Ihre kleine Freundin hat wenig Aussichten in diesem Land. Etwas anderes wäre es, wenn der Film nach Amerika verkauft wird. Dann würde sie in zwölf Monaten in Hollywood unter amerikanischen Regisseuren spielen.«

Im Vorzimmer seines Büros wartete jemand auf ihn. Er sagte nur kurz und unfreundlich guten Morgen.

»Ich möchte Sie sprechen«, sägte Stella Mendoza zu ihm. Dabei lächelte sie Connolly an, der dem Detektiv folgte.

»Wollen Sie mich sprechen? Was wünschen Sie von mir?«

Sie zupfte an ihrem Spitzentaschentuch und gab sich den Anschein, als ob sie reuevoll und verlegen sei. Aber das machte gar keinen Eindruck auf Jack. Er selbst hatte ihr ja die ganzen Posen mit dem Taschentuch erst beigebracht.

»Ich war sehr eigensinnig, Mr. Knebworth – ich möchte Sie um Verzeihung bitten. Es war nicht richtig von mir, daß ich zu spät kam und die ganze Gesellschaft warten ließ. Es tut mir sehr leid. Kann ich morgen wieder anfangen – oder vielleicht schon heute?«

Jack lachte belustigt.

»Sie brauchen morgen nicht zu kommen, und auch heute brauchen Sie nicht zu warten Stella«, sagte er ironisch. »Ihr Ersatz hat so gut gespielt, daß ich gar nicht daran denke, die Aufnahmen noch einmal zu machen.«

Sie sah ihn wütend an, was gar nicht zu ihrer vorigen sanften Haltung paßte. »Ich habe einen Kontrakt – ich vermute, daß Sie das wissen, Mr. Knebworth«, sagte sie plötzlich aufgeregt.

»Ich würde auch lieber Miss Mendoza als Partnerin haben«, sagte der junge Reggie Connolly. »Es ist wirklich nicht leicht, mit Miss – ich weiß noch nicht einmal ihren Namen... Sie ist so – ihr fehlt jedes Verständnis für Kunst, Mr. Knebworth.«

Der alte Jack sagte gar nichts. Er sah den jungen Mann nur böse an.

»Dann, was die Hauptsache ist«, fuhr Reggie fort, »ich fühlte, daß ich nicht so vollwertig spielen kann, wenn Miss Mendoza nicht dabei ist. Wirklich, ich kann es einfach nicht! Ich bin so furchtbar nervös, und es ist schwer, ja unmöglich, seine Persönlichkeit zu entfalten, wenn man so nervös ist. Es geht nicht«, sagte er rücksichtslos, »ich spiele in dem Film nicht mehr mit, wenn Miss Mendoza fortbleibt!«

Die Diva sah ihn dankbar an, dann wandte sie sich wieder mit einem sanften Lächeln an den schweigenden Jack.

»Würden Sie mich heute wieder anfangen lassen?«

»Weder heute noch an. einem anderen Tag«, sagte der Direktor mit lauter, scharfer Stimme. »Was Sie nun angeht, Sie unverschämter junger Mann, wenn Sie mich aufsitzen lassen wollen mit diesem Film, dann werde ich Sie auf die schwarze Liste setzen und allen Filmgesellschaften in diesem Land mitteilen, wie sie sich betragen haben, und werde dafür sorgen, daß Sie nie wieder eine Rolle bekommen.«

Damit drehte er den beiden den Rücken und kam wütend in sein Büro, wohin ihm Brixan vorausgegangen war.

»Was halten Sie von solcher Gemeinheit?« fragte er, als er sich wieder etwas beruhigt hatte. »Mit solchen Dummheiten kommen sie mir nun immer wieder. Er will jetzt mitten im Film aufhören. Haben Sie gehört, was er sagte? Dieser Zwerg, diese Kanaille ...Sagen Sie einmal, Brixan, möchten Sie nicht den Versuch machen und den Partner von Miss Leamington spielen? Viel schlechter als Connolly werden Sie Ihre Sache auch nicht machen! Und so könnten Sie sich wenigstens ihre Zeit vertreiben, wenn Sie sich nach dem Kopfjäger umsehen!«

Aber Brixan schüttelte bedächtig den Kopf.

»Nein, ich danke Ihnen«, sagte er. »Damit habe ich wirklich nichts zu tun. Und was den Kopfjäger betrifft« – er zündete sich eine Zigarette an und blies Ringe zur Decke –, »ich weiß, wer er ist, und ich kann ihn verhaften, wann ich will.«


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