Wilhelm Heinrich Wackenroder
Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders
Wilhelm Heinrich Wackenroder

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Sehnsucht nach Italien

Durch einen seltsamen Zufall hat sich folgendes kleine Blatt bis jetzt bei mir aufbewahrt, das ich schon in meiner frühen Jugend niederschrieb, als ich vor dem Wunsche, endlich einmal Italien, das gelobte Land der Kunst, zu sehen, keine Ruhe finden konnte.

Bei Tage und in der Nacht denkt meine Seele nur an die schönen hellen Gegenden, die mir in allen Träumen erscheinen, und mich rufen. Wird mein Wunsch, meine Sehnsucht immer vergebens sein? So mancher reist hin und kommt zurück, und weiß dann nicht, wo er gewesen ist, und was er gesehen hat, denn keiner liebt so innig das Land mit seiner einheimischen Kunst.

Warum liegt es so fern von mir, daß es mein Fuß nicht in einigen Tagereisen erreichen kann? daß ich dann vor den unsterblichen Werken der großen Künstler niederknie, und ihnen alle meine Bewunderung und Liebe bekenne? daß ihre Geister es hören, und mich als den getreusten Schüler bewillkommen? –

Wenn zufällig von meinen Freunden die Landkarte aufgeschlagen wird, muß ich sie immer mit Rührung betrachten; ich durchwandre mit meinem Geiste Städte, Flecken und Dörfer, – acht und fühle nur zu bald, daß alles nur Einbildung sei.

Wünsch ich mir doch kein glänzendes Glück dieser Erde; aber soll es mir auch nicht einmal vergönnt sein, dir, o heilige Kunst, ganz zu leben?

Soll ich in mir selbst verschmachten,

Und in Liebe ganz vergehn?

Wird das Schicksal mein nicht achten,

Dieses Sinnen, dieses Trachten

Stets mit Mißvergnügen sehn?

Bin ich denn so ganz verloren,

Den Verstoßnen zugeweiht?

O beglückt, wer auserkoren,

Für die Künste nur geboren,

Ihnen Herz und Leben weiht!

Ach, mein Glück liegt wohl noch ferne,

Kommt noch lange mir nicht nah!

Freilich zweifelt' ich so gerne,

Doch noch oft drehn sich die Sterne, –

Endlich, endlich ist es da!

Dann ohne Säumen,

Nach langen Träumen,

Nach tiefer Ruh,

Durch Wies'und Wälder,

Durch blühnde Felder

Der Heimat zu!

Mir dann entgegen

Fliegen mit Segen

Genien, bekränzt,

Strahlenumglänzt!

Sie führen den Müden

Dem süßen Frieden,

Den Freuden, der Ruh,

Der Kunstheimat zu!


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