Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XIII.

Nun kommt das Ende!
Ja, Deine Hände
Die führen's aus!
Sie leiten, heben
Durchs ird'sche Leben
In's Vaterhaus.

Drum ich befehle
Dir meine Seele,
Du treuer Gott!
Ich will Dich loben,
Der mich gehoben
Aus aller Noth!

Vier Jahre sind seit den zuletzt erzählten Ereignissen, ungefähr zehn Jahre seit dem Tode der Pastorin Stieg verflossen; wir treten noch einmal, zum letzten Mal, in das liebe Pfarrhaus zu Burgdorf, in dem wir so viel Freud' und Leid erfahren. Es ist fast wie im Anfang unserer Geschichte, ein freundlicher Maitag ist angebrochen, alles ist rings ein Duften und Grünen und Wachsen, die ganze Erde prangt im festlichen Schmuck. Noch ist alles beim Alten, das Weinlaub ist wohl noch üppiger, die Bäume, die aus dem Garten herüber winken, sind größer und stärker geworden. Der Kirschbaum dicht an der Hausthür hat alles ringsum mit weißen Blüthen bestreut, ohne daß man bemerkt, daß er darum selbst weniger hat. Er prangt in vollem Blüthenschmuck, so recht das Bild des gesegneten Mannes, der, selbst ein Segenskind, auch ringsum Segen verbreitet. Leise sich neigend, begrüßen seine Zweige mit einem freundlichen »Guten Morgen« die nachbarlichen Weinranken, und vereint schauen Kirschbaum und Weinlaub in das niedere Fenster der Kammer, in welcher seit vierzig Jahren Pastor Stieg des Nachts ausruhend von des Tages Mühen sanft schläft. Sie wollen ihm wohl auch »Guten Morgen« sagen und die ersten sein, welche ihn heut an seinem siebzigsten Geburtstag begrüßen? O ihr kleinen, weißen Blüthen, da hättet ihr eure Aeuglein früher aufthun müssen, wenn ihr der helläugigen Lilli den Rang ablaufen wolltet! Längst hat sie den Vater begrüßt und hat ihm alles das gesagt, was ein Kind einem geliebten Vater an solchem Tage zu sagen hat. Dann hat sie ihn herunter geführt in die Wohnstube, wo er die Morgenandacht hält, jetzt geht er in seine Stube, – aber, warum bleibt er wie eingewurzelt auf der Schwelle stehen? Warum treten Thränen in sein Auge, während jeder Zug seines Gesichts Freude strahlt? Da über dem Sopha hängt das wohlgetroffene, treue Bild seiner geliebten Emma! Ja, das ist sie, wie sie leibte und lebte. Er konnte sich nicht satt sehen an den lieben, altbekannten Zügen und stand sinnend davor, vergangener Zeilen denkend. Bisher hatte er nur ein kleines Bild von ihr besessen, ein geschickter Maler hatte einst das Gesicht der Pastorin zu einem Genrebilde benutzt; auf Bitte der Kinder hatte er jetzt nach jenem Bilde das größere Oelgemälde angefertigt, – es war das gemeinschaftliche Geschenk für den Vater zum siebzigsten Geburtstage.

Ja, er war nun siebenzig Jahre alt! Zwar noch gesund und rüstig, machten sich doch manche Beschwerden des Alters bei ihm geltend; schon vor drei Jahren hatte er sich einen jungen Geistlichen zur Hülfe genommen, er wollte seine Gemeinde nicht betrügen und noch ihr Pastor heißen, während er die Arbeit nicht mehr thun konnte! Der Hülfsprediger war ein demüthiger, frommer Mann, er hatte gelernt in diesen drei Jahren und war im Hause des Pastors wohnend, von diesem wie ein Sohn geliebt; aber auch in der Gemeinde hatte er sich Herzen gewonnen, und als nun jetzt Pastor Stieg sein Amt ganz niederlegen wollte, da wurde er zu seinem Nachfolger erwählt. Am vorigen Sonntag hatte Pastor Stieg seine Abschiedspredigt gehalten, und der junge Pastor war ordinirt und eingeführt worden. Nun sollte heute noch Geburtstag gefeiert werden in der alten Heimath, dann wollte der alte Pastor mit seiner treuen Pflegerin, seiner Tochter Lilli, in's leer stehende Wittwenhäuschen ziehen, »und dann werde ich Ihr Handlanger,« sagte er scherzend zu seinem Nachfolger, »denn, wenn ich auch abgesetzt bin, arbeiten muß ich doch noch, so viel als ich kann.«

Lilli hat ihren Vater jetzt verlassen, um einige Haushaltungsgeschäfte zu besorgen, der junge Pastor tritt ein, den alten Mann herzlich umfassend. Aber er ist heute so besonders bewegt, was hat der stille, ernste Mann nur? Er hat nun seit drei Jahren Lilli's gottseligen, frommen Wandel gesehen, sie ist ihm lieb geworden, wie noch nie Jemand, er steht allein in der Welt und bittet Pastor Stieg jetzt, ob er ihn zum Sohn annehmen will. »Und dann verlassen Sie dies Haus nicht, dann pflegen zwei Kinder Sie, statt eines,« schließt er seine Rede.

»Aber, was sagt denn Lilli dazu? Sind Sie denn mit ihr in Richtigkeit?« fragte Pastor Stieg.

Der junge Mann schlägt die Augen nieder. »Ich habe ihr noch kein Wort gesagt, – ich wollte gern erst Ihre Einwilligung haben.«

»Nun, die haben Sie. Nun gehen Sie nur und holen Sie die ihre.«

Ja, das war eine schwere Sache für ihn. Aber es mußte doch wohl besser gegangen sein, als er gefürchtet hatte, denn eine Stunde später sitzt der alte Vater neben einem glücklichen Brautpaare.

Lilli ist immer noch sehr hübsch, lebhaft und elastisch in allen ihren Bewegungen, obgleich auf der sinnenden Stirn eine ernste Ruhe wohnt und man sie wohl oft lächeln sieht, aber fast nie lachen hört. Ihre Locken haben längst der einfachen Flechte weichen müssen, aber noch immer erröthet sie bei jedem kleinen Anlaß über und über. Jetzt horcht sie auf, – es kommt ein Wagen, Alle eilen hinaus, es ist die alte, bekannte Familienkutsche aus Steinfeld. Ferdinand sitzt auf dem Bock neben dem Kutscher, leicht springt er herab und hilft seiner Frau aus dem Wagen. Der folgt der kleine Wilhelm auf dem Fuße, dann die kleine Agnes, und eine kleine, süße, zweijährige Emma, von der Pastor Stieg behauptet, daß sie ihm das Herz gestohlen, denn sie habe genau solche Augen, wie seine selige Emma. Zuletzt hebt Ferdinand sorglich seine Mutter aus dem Wagen, er will ihr den Arm leihen, aber Wilhelm ist ihr privilegirter Führer, er hat auf sie gewartet und ergreift ihre Hand: »Großmutter, es kommen Stufen, eins, zwei, drei, vier.«

»Laß nur, sie ist hier fremd,« sagte Ferdinand, »ich werde sie hinausführen.«

»Großmutter, ich will Dich ganz fest anfassen,« sagt der kleine Mensch, sie ergreift seine Hand, Alle machen Platz, mit großer Würde führt er sie in die Stube und begrüßt Niemand, ehe nicht seine Großmutter fest und sicher in der Sophaecke sitzt. Nun entsteht ein Umarmen und Küssen, ein Gratuliren, und kaum kommen sie zu Athem, da erklärt der Großvater, so wird Pastor Stieg allgemein genannt, er habe heute einen Tauschhandel gemacht, er habe seine Tochter als Miethszins für diese seine alte Stube einem fremden Menschen überlassen, und damit stellt er das Brautpaar vor. Lilli erröthet über und über an der Hand des fremden Menschen, der aber Allen gar nicht fremd zu sein scheint, denn er wird gar herzlich wie ein lieber Bruder begrüßt. Als sich nun Alle wieder ein wenig erholt haben, treten Wilhelm und Agnes vor und sagen Großpapa ein schönes Geburtstagslied her, Margareth hat jetzt ihr altes Talent wieder hervorgesucht, sie möchte so gern, daß auch ihre Kinder Proben im Kuhstall hielten. Die kleine Emma watschelt an der Hand der Mutter herbei und sagt mühsam, aber sehr fröhlich und von ihrer Mama reichlich unterstützt den Vers:

Lieber Soßpapa, bleib 'sund,
Wede wie Emma dick und rund!
Emma hat Dis sehre lieb,
Un is Dein tleiner Herzensdieb.

Ein Schluß, der vom Großpapa gründlich sanktionirt wird. Nun kommt ein kleines Packet aus Indien und Briefe von Heinrich und Marie zum Vorschein. Sie sind an Ferdinand adressirt worden, damit er sie aufheben und dem Vater am rechten Tage übergeben kann. Beide schreiben sehr glücklich, – wir müssen doch wenigstens einen Blick hinein thun, wenn uns auch der Lärm und die Aufregung nicht gestatten, die Briefe ganz und ordentlich heute zu lesen.

Heinrich schreibt:

 

– – »Und nun, lieber Vater, nun sende ich Dir zu Deinem Geburtstage ein Geschenk, das Dir gewiß Freude machen wird. Du weißt ja, daß die Hindu's sich hier nicht schaarenweis bekehren, wie an einigen andern Orten, aber regnet's nicht, so tröpfelt's doch. Wir haben hier schon mehrere Familien, welche nicht nur dem Namen nach Christum angehören, sondern durch ihren ganzen Wandel bezeugen, daß sie wirklich sein Eigenthum sind. Es wird ihnen nur so furchtbar schwer gemacht, den Herrn zu bekennen! Die Brahmanen, die Priester dieses Volks, welche von seinen reichen Opfern leben, wissen sehr wohl, daß mit dem Fall des Götzendienstes auch sie von ihrer Höhe, auf die ihre Religion sie stellt, herunter stürzen müssen. Deshalb bilden sie ein festes Bollwerk gegen das Christenthum und sind unsere Hauptgegner. Nicht wahr, lieber Vater, wenn sich nur ein Stein aus der festen Mauer des Feindes loslöst, dann ist schon viel gewonnen? Nun hatte ich bei meinen Predigten auf dem Bazar schon mehrere Male einen jungen Brahmanen bemerkt, der mich durch sein edles Aeußere, wie durch seine Aufmerksamkeit anzog. Ich konnte lange Zeit nicht erfahren, wer er war, denn nach der Predigt war er stets gleich verschwunden. Neulich nun klopft er eines Abends an meine Thür und bittet mich, ihm den Jesus zu zeigen, den ich als meinen Gott anbete. Konnte ich ihn auch seinem leiblichen Auge nicht zeigen, so entwarf ich ihm doch ein Bild von unserm Heilande und erzählte ihm, was er aus Liebe zu uns gethan, ›Aus Liebe?‹ wiederholte mein Zuhörer oft, ›wie kann Gott lieben? In allen unsern heiligen Büchern finde ich nichts von einem Gott, der die Menschen lieb hat.‹ Es war ihm dies unbegreiflich, und so ist es ja auch; wer kann es begreifen, daß Gott die Sünder lieb hat? Selig wir, die wir's wissen und glauben, ohne es zu begreifen! Mein Brahmane kam bald Abend für Abend, mit immer wachsender Liebe unterrichtete ich ihn, mit immer steigender Hingabe hörte er zu. Der gekreuzigte Christus, der da gesagt hat: ›wenn ich erhöhet sein werde, will ich sie alle zu mir ziehen,‹ hatte auch dies stolze Herz von seinem hohen Kreuzesbaum aus überwunden, es lag zu seinen Füßen und begehrte nun nichts mehr, als bei ihm zu sein und ihm zu dienen in Zeit und Ewigkeit. Das Waizenkorn, das in dunkler Nacht in die Erde gesenkt war, mußte nun beim hellen Sonnenschein hervorbrechen vor aller Augen. Chunder wurde öffentlich getauft und heißt nun Nikodemus. Was das für einen Aufstand unter dem Volke gab, daß ein göttlicher Brahmane sich dem Christengott zuwandte! Und wie die Brahmanen knirschten und tobten und ihm sogar nach dem Leben trachteten! Aber er geht ruhig seinen Weg fort und fürchtet sich nicht, – mir ist nicht bange um ihn! Es wird ja auch in geistlicher Weise heißen:

Was unser Gott geschaffen hat,
Das will er auch erhalten,
Darüber will er früh und spat
Mit seiner Gnade walten.

Am Abend vor seiner Taufe brachte er mir sein heiliges Obergewand, welches ich Dir hierbei schicke. Der Name des Gottes ›Ram‹ ist wohl tausend Mal darin eingewebt, nur die Brahmanen dürfen dies Kleid tragen, Chunder sagte mir: ›ich brauche dies Gewand nicht mehr; Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid.‹ Aber ist's nicht wieder wunderschön, lieber Vater, und glänzt einem wie ein verlorener Groschen aus dem Paradiese entgegen: sie wollen sich in den Namen ihres Gottes hüllen, daß sie gerecht seien durch und durch. So geht ein Anklang an Gottes Offenbarung und ein Sehnen danach durch die dunkle Heidenwelt, es ist wahr, was Spener sagt: ›Die Seele ist eine geborene Christin.‹ – Nikodemus hilft mir jetzt treu im Amte, er ist mein Katechist und kann als solcher seinen Brüdern viel mehr nützen, als ein europäischer Missionar, der den Heiden vergleichsweise immer ein Fremder bleibt.« –

 

Das Gewand wurde mit Wehmuth und Freude betrachtet; es war aus dünnem, weißen, baumwollenen Zeuge gewebt, und durch das ganze Tuch zogen sich die mit rothen Fäden und hindustanischen Lettern eingewebten Worte: » Ram, Ram.« »O, daß wir unserm Gott so treu dienten und ihn stets so vor Augen hätten, wie dieser arme Heide seinen Götzen!« das war der stille Wunsch aller Versammelten.

Nun wurde Marie's Brief gelesen, er war herzig und lieb, wie sie selbst und trug stets das Gepräge tiefen Friedens und eines Glückes, das ihr Niemand mehr nehmen konnte; aber man fühlte es der Schreiberin auch an, daß sie mit dem Loose, das ihr beschieden, so recht aus vollster Seele zufrieden war und sich kein anderes wünschte. Nachdem sie viel von Heinrich und von seinem rastlosen Arbeiten erzählt hatte, (denn von dem ihren sprach sie fast nie) fuhr sie fort: –

»Aber denk' nur, Vater, neulich sind Heinrich und ich auf einer wunderschönen Hochzeit gewesen; wir machten zu unsrer leiblichen wie geistigen Erholung eine kleine Reise, unser Ziel war diesmal die Station, wo Margareths Eltern gearbeitet haben, und der Missionar, der damals den Trauerbrief an Dich schrieb, der ist dort noch in der Arbeit und ist noch munter und rüstig. Wir wollten drei Tage dort bleiben und denke nur, am Tage nach unserer Ankunft sollte Hanna, das Pflegekind von Margareths Mutter, das deren Pflege leider nur kurze Zeit genossen hat, aber dann als ein theures Vermächtniß von ihr in andere treue Hände übergegangen ist, Hochzeit haben. War es nicht sehr freundlich von Gott, uns diese ganz unerwartete Freude zu schenken? Hanna ist ein hübsches und was mehr ist, ein liebes, frommes Mädchen geworden, und der junge Mann, den sie heirathet, gefiel uns auch recht, er ist der Katechist des Missionars und der liebt und lobt ihn sehr. Die Braut sah sehr hübsch aus in ihrem heimischen Anzuge, mit dem feinen, weißen Mousselin-Ueberwurf, der sie vom Kopf bis zu den Füßen einhüllte; ich habe ihr noch den Kranz winden und auf das schwarze Haar drücken dürfen. Recht eigen war es mir, einige Sachen zu sehen, die wir als Kinder der kleinen Hanna nähten und herschickten, und die hübschen Hemden, die unsere Mutter der nun auch Heimgegangenen Naemi arbeitete. ›O, was diese fleißigen Hände alles gethan haben,‹ mußte ich hier im fernen Lande wieder ausrufen, ›daß ich doch würde wie sie!‹«

Diese Briefe brachten große Freude; die Geschwister in Indien waren Allen nahe, die Liebe füllte die weite Entfernung aus.

Der Vormittag war verflossen, man wußte nicht wie. Die drei Kinder ausgenommen, wollte Niemandem das Mittagbrod schmecken, man hatte heute zuviel erlebt und erfahren, um noch der irdischen Speise zu bedürfen. Margareth versicherte lachend, sie würde Freude und Ueberraschungen als sehr nahrhafte und dabei billige Gerichte mit auf den Küchenzettel schreiben und von jetzt an jeden Festtag zu einem Fasttag machen.

Nach Tisch bedurfte der Großvater der Ruhe, das Brautpaar sehnte sich nach einer stillen Stunde, die Reisenden waren früh aufgestanden und davon wie von all der Aufregung ermüdet. – Die Weinlaube umschloß sie am Nachmittag wieder zu traulichem Beisammensein. Blühten denn nur die Bäume heute viel schöner, sangen die Vögel viel lieblicher, schien die Sonne heute viel freundlicher als sonst? »Gewiß,« sagte Lilli, »es muß ja alles Vaters Geburtstag feiern helfen.«

»Und Lillis Verlobung,« fiel Pastor Stieg ein.

Ja, es war ein froher, ein seliger Tag, wie uns auf unserer irdischen Wallfahrt nur wenige beschieden sind, die Erde würde uns sonst zu lieb werden. Pastor Stieg war glücklicher heute als seit langer Zeit. Der Gedanke, sein altes trautes Haus zu verlassen, war ihm doch schwerer geworden, als man es ihm angemerkt; er sah das liebe Haus heute mit so fröhlichen Augen an, als wolle er sagen: »wir bleiben bei einander, bis der Tod uns scheidet.« Und welch' ein lieber Gedanke war es, daß sein Sterbebette nun stehen würde, wo das seines treuen Weibes gestanden, daß er den alten Kirchthurm, den er seit vierzig Jahren täglich vor Augen gehabt, nun auch in seinen letzten Tagen noch sehen sollte! Ja, es war ein köstlicher siebenzigster Geburtstag!

Am Abend waren Alle in des Vaters Stube versammelt. Was hatten sie heute alles erlebt! Pastor Stieg aber sah weiter zurück als aus den heutigen Morgen, sein ganzes Leben lag vor seinen Blicken, sein Mund ging über von Lob und Dank Gottes für all die Freuden, für all die Leiden, die er ihn in diesen siebzig Jahren hatte erleben lassen. Er sah im Kreise seiner Kinder umher, und siehe, sie wandelten alle auf Gottes Wegen. »Die Du mir gegeben hast, die habe ich bewahret und ist keines von ihnen verloren, ja Du hast mir heute noch einen Sohn geschenkt, der auch Dein Antlitz suchet und auf Deinen Wegen wandelt; o Herr, ich bin nicht werth aller Barmherzigkeit und Treue, die Du an Deinem Knechte gethan hast!« –

Und das Bild der Mutter sah so friedevoll aus seinem Blüthenrahmen, ihr freundliches Auge blickte so freundlich auf ihren Mann und ihre Kinder, die Hand war wie segnend erhoben, und der Mund schien sprechen zu wollen:

»Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen. Lobe den Herrn meine Seele und vergiß nicht, was er Dir Gutes gethan hat.«

In der Stube war es dunkel geworden, da stimmte Ferdinand an und Alle fielen ein:

Lobe den Herrn, der alles so herrlich regieret,
Der Dich auf Adlers Fittigen sicher geführet,
Der Dich erhält, wie es Dir selber gefällt;
Hast Du's nicht oft schon verspüret?

Lobe den Herrn, was in mir ist, lobe den Namen!
Alles was Odem hat, lobe mit Abraham's Samen.
Er ist Dein Licht, Seele! vergiß es ja nicht!
Lobende schließen mit Amen.

.

Druck von Adolf Knickmeyer in Berlin.

 


 << zurück