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Elftes Kapitel.

Unermüdlich war der Kaiser den ganzen Tag über tätig, die Seitenwände des ausgedehnten Kessels in eine unangreifbare Festung zu verwandeln.

Zu den beiden Seiten des Passes, durch den die Straße nach Norden weiterging, legte er die stärksten Abteilungen seiner Streitmacht, doch so, daß alles sich hinter Busch und Fels verborgen hielt. Außer den zur Verteidigung der Bergkante nötigen stellte er in den Klüften und Schluchten größere Scharen auf, die auf ein verabredetes Zeichen, eine im Kreis geschwungene Fackel oder bei Nebel ein Hornsignal, zum Angriff vorstürmen sollten.

Boten flogen zwischen den einzelnen Kohorten hin und her, doch so versteckt ging all dies Werk vor sich, daß man vom Apertusberg aus wohl die bagaudischen Banden um das Gut erblicken konnte, nicht aber die vielfach größere römische Heeresmacht.

Den Umstand, daß die Bagauden nichts wußten von dem Zweck, weswegen sie hierher geführt worden waren, benutzte Konstantin, indem er sie durch Geschenke und Drohung überredete, für den römischen Staat zu kämpfen; Varusius selbst mußte sie dahin bringen.

Dann stellte der Cäsar den ausgewählten Kern dieser Scharen in dem südlichsten Winkel der Mulde auf, wo die Straße am Apertusberg vorbei nach Süden führte. Da sollten sie unten im Tal in Waffen warten und den Durchbruch der Germanen auf Trier, wenn er auch unwahrscheinlich war, verhindern.

Endlich, nach Mittag, entließ der Kaiser die Obersten, saß, den Kopf in die Hände gestützt, die Lider gesenkt, fast eine Stunde da und grübelte alle Möglichkeiten der Schlacht durch.

Hin und wieder rief er einen Sendboten und ordnete eine Truppenverschiebung an, wenn ihm diese Stellung zu schwach, jene dagegen zu sehr gedeckt erschien.

Endlich ließ er Maternus rufen.

»Welche Sicherheit hast du dafür, daß der fränkische Heerbann wie verabredet auf der Straße von Icorigium naht und nicht von einer anderen Seite oder aus verschiedenen Wegen,« herrschte Konstantin mit schnarrender Stimme den Gallier an, der sich seinem Überwinder mit tiefer Verbeugung nahte.

»Unsere Führer, göttlicher Cäsar! Unsere Führer geleiten sie und mit denen ist die eine Straße verabredet, mehrere Wege hätten die Gefahr der Entdeckung vermehrt.«

»Gut, aber die Franken senden Seitenwachen aus, sie entdecken meine Stellung und flüchten, oder greifen mit ganzer Macht von außen an einem Fleck an, im ersten Falle hätten wir die Frankenhorden im Eifelgebirge verstreut, im zweiten wäre uns der Sieg nicht sicher, siehst du das ein, Maternus?«

»Man müßte ihnen,« antwortete der gewandte Gallier, der nun schon wieder seine ganze Sicherheit gewonnen hatte, »man müßte ihnen, wie du schon sagtest, einen Boten entgegensenden, der sie sicher macht! O Cäsar, man weiß nicht, was man mehr bewundern soll, deine Weisheit oder deine Vorsicht!«

Konstantin schüttelte sich wie ein Reiter, dem bei scharfem Ritt die Käfer ins Gesicht schlagen.

»Einen Boten, gut, aber einer, dem sie vertrauen, ein einfacher Bote bringt sie nicht von ihren Gewohnheiten ab.«

Eine Weile schaute der Kaiser den Maternus starr und ausdruckslos an, und das weichliche Auge des Galliers sah seitwärts; dann fuhr Konstantin fort: »Du selbst, Maternus, sollst mein Bote sein!«

Maternus schrak zusammen, aber er verbeugte sich mit geschmeidigem Lächeln: »Zu viel Gnade für jemanden, der dich verraten wollte!«

»Du wirst mich diesmal nicht verraten; Romanus, mein Oberst in Trier hält dein Haus umstellt, deine Gattin, deine Kinder, dein Gesinde, dein Haus, dein Besitz, alles verschwindet von der Erde, wenn du untreu bist. Ich weiß, du wagst etwas, wenn du die Franken sicher machst, aber ich verlange von dir, daß du ihr Mißtrauen besiegst. Deine Hoffnung auf Flucht, wenn der Kampf ausbricht, ist groß!«

Konstantin entblößte seine Eckzähne und schaute den Maternus gleichgültig lächelnd an.

»Ich werde dich zufrieden stellen, Cäsar Konstantin!«

Plötzlich rieb der Händler sich die Nase, ein gallisches Lächeln trat aus sein Gesicht und er sagte: »Aber da du, ein gerechter Richter, auf der einen Seite mir mit Ausrottung meiner Familie drohst« (sein Lächeln ging ins Verschmitzt-vertrauliche über), sollte da mein gnädiger Herr mir nicht dann, wenn der Anschlag gelungen ist, einen Teil meiner Buße erlassen?«

Eine Weile starrte Konstantin den Frager verstehend an, dann lachte er scharf: »Es sei, ich will dir soviel erlassen, daß du dir in fünf Jahren wieder ein Vermögen zusammenstehlen kannst.«

Maternus nahm ein paar vertraute Begleiter mit, er ordnete an, daß schon vor dem Paß Wachtfeuer brennen sollten gegen Abend, an die Bagauden gelegt wurden; andere sollten, wenn die Franken nahten, ihre Fackeln entzünden und mit Heilrufen die Heranrückenden geleiten, den Römern dadurch ein Zeichen geben und die Franken durch den Lärm und den Feuerschein blenden und täuschen.

Dann ritt Maternus auf der nördlichen Straße langsam in den Abend.

Es gelang ihm bald, eine Botschaft, die den Franken vorausgeritten war, zu treffen und wieder mit zurückzunehmen, da bei Ausava alles in bester Ordnung sei.

Endlich erreichte er die Vorhut unter Theuderich.

Fast lautlos, aus Pferden und zu Fuß drängte die Masse der Krieger weiter.

Als Merogais heranritt, überzeugte der geschickte Gallier die Führer, daß alles in verabredeter Weise vorbereitet sei, weit und breit kein Römer zu sehen, in den Räumen des Gutes selbst und in der Umgebung sei schon ein Lager bereit, Wein und Lebensmittel für die Hungernden warte.

Nur eins tue not, Eile, damit man noch vor Morgengrauen neugestärkt ausbrechen könne zum Angriff aus Trier.

Da wurden alle Deckungen und Streifwachen durch Hornklänge zurückgerufen, und die Kolonnen der Franken, deren Vorwärtsdrängen in den düsteren Abendschein wie ein gespenstisches Traumbild wirkte, eilten nun doppelt schnell auf der breiten römischen Heerstraße dem verderblichen Patz zu.

Die Stierhörner an den Helmen, grellbemalte Holzschilde, leises Geklirr der Waffen, Getrappel der Pferde, der keuchende Atem der dahintrabenden Männer, dazwischen ragende Feldzeichen, die Haufen der Edlen, so eilte Rotte um Rotte vorüber, um in Trier ungeheure Beute zu machen und auf weiterer Heldenfahrt weiblichen Mannesruhm zu ernten.

* * *

Konstantin saß, von einem Felsstück verborgen, und spähte unverwandt nach Norden.

Blasses Rot säumte den Himmel, zu seiner Linken die Bergzüge standen schwarz gegen das Abendlicht.

Wie es angeordnet war, hatte man die Gebäude der Villa erleuchtet und eine Anzahl Zinsbauern, die man über den Zweck getäuscht hatte, machten sich da mit Weinfässern und Bretterbuden zu schaffen.

Der Kranz der Dolomitfelsen war dunkel und ruhig. Niemand hätte geahnt, daß sie von Waffen starrten.

Immer dichter sank die Dunkelheit um den wartenden Cäsar.

Bohrende Unruhe befiel ihn; wie, wenn er getäuscht war, wenn der Zug der Feinde gar nicht heute, sondern in zwei Wochen zu erwarten war, oder wenn sie an Ausava rechts vorüber aus Trier geführt würden, oder wenn sie mit doppelter Macht kämen und ihn selbst von außen angriffen und ins Tal drängten.

Er faßte sein Schwert fester und tat das Gelübde eines Tempels zu Ehren des Apollon Mithras. Dann fiel ihm ein, daß sich bei seiner Leibwache viele Christen befänden. Er dachte daran, mit einem von diesen Männern zu sprechen und seine Unruhe vor der Entscheidung durch ein zweites Gelübde für den Gott der Christen zu besänftigen; half das eine nicht, so vielleicht das andere.

Aber da war es ihm, als ob er ein Geräusch höre, er lauschte vorgebeugt in die Nacht.

Nun war es wieder still, nur der nachklingende, dumpfblasende Ruf des Uhus hoch aus der Luft herunter, der sich in den Klüften mannigfach brach und das heisere ferne Gekläff der Wölfe in den Wäldern.

Er fuhr zusammen, Waffenlärm, Rufen; doch lehnte er sich wieder zurück, denn es war nur ein törichtes Getöse der Bagauden, die im südlichsten Winkel der Mulde ausgestellt waren.

Da endlich sagte der Centurio Viktorius, der hinter ihm hielt: »Ich höre Schritte, Getrappel, aus der Straße nach Icorigium rührt sich etwas!«

Noch vernahm Konstantin nichts.

Da flammten unten bei den Wachtfeuern die Fackeln auf und nun, dem kriegsgewohnten Cäsar bebte das Herz, nun sah man unten wie einen dunklen Strom, überfließend, weiterdrängend, die feindlichen Scharen vorüber eilen, in gespenstischer Geschwindigkeit, immer neue, wie anstürmende Dämonen ergossen sie sich in den Kessel. Von Maternus und seinen Begleitern geführt, verbreiteten sie sich aus den Wegen des Gutes, hier und da tauchten Fackeln hinter den Gehölzen aus.

Sorgfältig von Steinen eingefaßt war neben dem kaiserlichen Feldherrn ein Feuer unterhalten worden.

Endlich, endlich, nach scheinbar endlosem Warten, flüsterte Viktorius bestimmt: »Die Hauptmacht ist vorüber, die Nachhut ist im Paß.«

Zugleich hielt er den vier Ellen langen Kienstab ins Feuer, bis das trockene Harzholz lichterloh brannte und dann schwang er es, noch immer ohne einen Ruf von sich zu geben, in weitem Kreise um sein Haupt.

Das war das Zeichen.

Konstantin stand schon an der Spitze seiner Leibwache und nun brachen von vier Seiten, den Paß nach beiden Enden verstopfend, die Römerkohorten vor, dem fränkischen Feind in die Flanke.

Da begann furchtbares Gemetzel.

Die mauretanischen Schützen sandten Wolken von Pfeilen in die dichtgedrängte, verknäuelte Schar, die Kugeln der Schleuderer prasselten, das Schwert der Kohorten fegte sich seinen Weg, und wenn auch römisches Blut in Strömen floß, von der Nachhut der Franken konnte kein Mann zum verwirrten Hauptheer, keiner kam in die Heimat.

Unterdessen waren die Angriffskolonnen der Römer von allen Seiten hervorgebrochen und halten sich auf die ungeordneten, weit auseinandergezogenen Heerhaufen der Franken geworfen. Wohl erhob Merogais gewaltigen Kriegsruf, und auch die anderen Edeln ordneten ihre Mannen, soviel es Dunkelheit, der fremde Kampfplatz, Überraschung und Ermüdung gestatteten.

Aber im Tal war der Tod, und wenn die verzweifelten Krieger die Höhen ersteigen wollten, traf sie von oben Pfeil, Lanze, Felsblöcke und Schleuderkugel.

Dann sprangen sie wieder wie gehetztes Wild ins Bluttal hinunter.

Theuderich mit der Vorhut war über das Landhaus weitergerückt, obwohl Maternus, der bei ihm hielt, ihn dringend ausforderte, in den wirtlichen Räumen ein Lager aufzusuchen.

Da erhob sich weit hinter ihm, allmählich näher kommend der Schlachtlärm. Er hörte den Todesschrei seiner fränkischen Waffenbrüder.

Er kehrte nicht um, sondern warf mit zuckender Bewegung sein Schwert gegen die Brust des Maternus, der sank röchelnd ins Gras. Dann erinnerte er sich an den Tag der Besichtigung, als er mit Varusius hier geweilt.

»Vorwärts,« rief er, »vor uns ist Sicherheit!«

So stürmte er mit seinem Schwarm aus der Straße weiter.

Ein paar hundert Schritte, da stellte sich ihm die ausgesuchte Mannschaft der Bagauden entgegen.

In fliegendem Ansturm warf sie der fränkische Heerführer in die Flucht, drängte nach, die Bagauden stießen auf die römische Abteilung, die an dieser Stelle die Straße decken sollte, rissen sie auch mit in die Flucht, der Franken Schwert mähte in den Flüchtigen. Doch plötzlich, als Theuderich die Hütte des Straßenaufsehers vor sich sah, erinnerte er sich an einen Durchblick nach Osten, einen Höhenzug, er warf seine Scharen dorthin, fand keinen Widerstand, kletterte über mannshohes Heidekraut, kriechend und springend durch Gebüsch und Hecken.

Der Schlachtlärm wurde leiser, weil Hügelketten sich dazwischen schoben.

In weitem Bogen kehrte Theuderich mit seiner Schar nun wieder nach Norden umbiegend in der Richtung aus den Unglückskessel zurück, beschlich einen der Dolomitfelsen, kletterte hinaus, fand ihn leer und suchte nun im fahlen Dämmerlicht der Nacht ein Urteil zu gewinnen, was unten geschehen war.

Bald sah er unten die Gebäude in Brand geraten, überall römische Abteilungen das Tal durchziehen, hinter den Baumgruppen und Gehölzen schienen erbitterte Kämpfe sich abzuspielen.

Da kamen, als die Männer leise berieten, ob sie in die Mulde hinabsteigen und ihren Stammgenossen beistehen sollten, ein paar verwundete Flüchtlinge, die dem Gemetzel entgangen waren, atemlos den Felshang hinausgeschlichen, ihre abgerissenen, hervorgestoßenen Worte gaben schlimmste Kunde. Eine große Römermacht hat sie eingeschlossen, von allen Seiten angegriffen, Merogais im Viereck des Landhauses umsaht, Tausende niedergemacht, Tausende gefangen, schließlich Merogais durch Feuer aus den Scheunen vertrieben.

»Ich sah, wie die Römer ihn knebelten,« knirschte einer, dem das dunkle Blut von der Stirne troff.

Da wußte Theuderich, daß es zu spät sei, stieg die Felsen nach der dem Tal von Ausava abgekehrten Seite hinab und suchte dabei zu verstehen, wie der Verrat zusammenhänge.

Dann führte er seine Vorhut, die ganz erschöpfte, hungrige, dürstende durch Arwald, über Klippen, durch kalte Flüsse nach Norden in die Heimat.


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