Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel.

Askarich stand vor Regia Donilla; sein Gesicht war mit dem Rot der Verlegenheit übergossen, die schönen Worte, die er sich sorgfältig für den Abschied zurechtgelegt und eingeprägt hatte, waren wie eine Schar Spatzen entwischt. Seine beiden Fäuste klammerten sich an den Waffengurt, er schaute auf die zierlichen Mosaikarbeiten des Fußbodens, die sich rund um das Wasserbecken hinzogen, er streifte flüchtig die Gestalt Regias, die sich einen geflochtenen Stuhl herangezogen, den einen Fuß auf die Einfassung des Brünnleins gesetzt hatte und einen Arm aufs Knie stützte.

»Ich muß fort,« sagte er fast rauh.

»Ich verstehe, daß Leute, die soviel Kraft haben und so schön siegen, bei uns nicht bleiben mögen, es ist zu betrüblich hier.«

»Die Heimat erwartet ihre Gesandten,« antwortete Askarich bestimmt.

»An einem Tage wird es nicht hängen, Askarius, aber Ihr ... es gefällt Euch eben nicht mehr hier.«

»An einem Tage hängt oft das Glück der Völker,« antwortete Askarich einfach, feierlicher, als er wollte.

Eifrig fiel die Schöne ihm ins Wort: »Der Kaiser hat sich noch nicht entschieden, das sagst du mir selbst, es ist also doch kein Grund zu solcher Eile, es hält Euch aber nichts hier!«

»Wenn es nach mir ginge, baute ich mir drüben am Bergrand eine Burg ... Regia ...«

»Um immer die Aussicht auf den schönen Wein von Neumagen zu haben, nicht wahr, Askarius?«

»Du bist hart und spottest immer, was tat ich dir?«

Da richtete sich Regia aus und antwortete schnell: »Mir, was sollst du mir tun?« Ihre Augen sprühten Feuer: »Hunderte wären bereit, mich zu schützen!«

»Mit deinen Hunderten würde ich fertig, Regia, aber nicht mit dir!«

Die schöne Tochter des Attulius faltete die gestreckten Hände auf dem hohen Rande des Sessels und legte ihr Köpfchen wie auf ein Kissen daraus, sie blickte vor sich nieder.

Sie schwieg.

Askarich begann wieder: »Ich hätte dich aus mein Pferd gehoben und wäre in die Nacht geritten, nach Norden!«

Da fuhr Regia auf: »Wie kannst du es wagen, so zu sprechen, hier schützt dich dein Gesandtenrecht nicht!«

Askarich atmete tief und schnell, seine Augen leuchteten wie geschwungener Stahl: »Ich kann doch nicht anders. Bist du nicht so schön wie keine, so zart wie eine Weide, so schlank und biegsam ...«

Regia saß mit halbgeschlossenen Augen da, sie hob beide Arme und strich sich durchs Haar, langsam und bestimmt antwortete sie: »Ich will dir sagen, was mit dir ist: Ihr seid Rinderhirten und Jäger, Ihr kommt und bettelt um Land bei meinem Kaiser! Und ich? Bist du denn blind?«

»Viel zu sehend bin ich, wir Franken sind von edelstem Stamm, Macht ist heute dort und morgen hier, in ein paar Tagen kann sich alles wenden und verschieben! Wer die Macht hat, hat auch die Herrschaft!«

»Ach, Ihr mit Euerer Herrschaft und unsere Legionen!«

Hoch aufgerichtet stand Askarich da, sein blondes Haar schüttelte er, wie die Strahlenkrone des Sonnengottes Mithras sah es aus. »Euere Legionen, Herrin, fürchten wir nicht, die Zeiten werden reif!«

Regia sah da, schmiegte die Füße aneinander und schaute ihn beinahe schüchtern an, ohne ein Wort zu sagen.

»Aber dich fürchte ich,« fuhr Askarich fort.

»Weshalb fürchtest du mich?«

Statt der Antwort warf sich Askarich ihr zu Füßen, legte den Arm um sie, küßte sie glühend auf Wange und Mund und barg seinen Kopf an ihren Knien.

Da sagte Regia leise: »Askarius, du drückst mir die Hand entzwei, du Untier!« und küßte ihn wie zaghaft aufs blonde Haar.

Der junge Franke blickte auf, schloß die Augen und stammelte fränkische Liebesworte.

So blieben sie eine Weile, endlich sagte Regia flüsternd: »Aber nun bleibst du!«

»Ich kann nicht, ich darf nicht, ich komme wieder.«

»Du mußt bleiben,« rief das Mädchen und ließ ihn nicht los mit ihren plötzlichen Liebkosungen.

»Meine Sippe würde mich töten, es wäre Verrat, sie würden mich töten. Sie warten aus mich!«

»Weshalb warten sie,« rief Regia, »das Land läuft Euch nicht weg!«

Nun saß Askarich und die Schöne lehnte sich halb kniend an ihn, sie wickelte sein Haar um ihre Finger, sie nahm seinen Kopf, rüttelte ihn jubelnd hin und her und fragte nochmals: »Weshalb warten sie?«

Askarich stöhnte, wollte aufstehen und murmelte beklommen: »Ach, laß mich!«

Da sprang Regia auf, warf sich aufs Pfühl, vergrub den Kopf in die weichen Lederkissen und weinte.

Der junge Franke stand hilflos, er kniete neben sie hin, strich leicht über ihre Schulter und bat: »Hör mich doch, hör mich!«

Sie aber vergrub den Kopf noch tiefer und ließ sich von ihrem Schluchzen durchschüttern, das Gewand glitt ihr von der runden Schulter, es schwindelte dem Franken, als er die schimmernde Schönheit des Nackens sah.

Ohne sie anzurühren, bat er immer wieder: »Hör doch, hör mich doch!«

Plötzlich saß Regia mit trockenen, starren Augen wieder aufrecht: »Du verbirgst mir etwas,« zischte sie, »es wartet ein Mädchen auf dich zu Hause, sie wartet auf dich, du hast mich betrogen!« Mit Augen, in denen es grün funkelte, sah sie den Franken an: »Sag mir, wie sie heißt, wer ist es, wie sieht sie aus, ist sie schön?«

Askarich lächelte betroffen: »Nein, das nicht, ich schwör es bei Freia, das nicht, ich küßte nie ein Weib!«

Regia blickte ihn mißtrauisch an: »Was ist es denn, weshalb muß mich das treffen, ich bin unglücklich,« sie weinte leise vor sich hin.

»Quäl mich nicht, ich darf es nicht sagen!« sagte der Franke bedrückt.

»Ich darf nicht, ich darf nicht! Ich darf dich nicht küssen, ich darf nicht so mit dir sprechen, ich darf dich nicht lieben, alles darf ich nicht, ich tat's! und du?« Und wieder warf sich die Schöne in die Kissen, verbarg ihr Gesicht, ihr Fuß stemmte sich gegen die Lehne des Pfühls.

Askarich beugte sich nieder und küßte diesen Fuß, Regia fuhr zurück, als habe sie eine Schlange gebissen.

»Fort,« rief sie, »du vertraust mir nicht!«

Askarich, über die Löwenköpfe der Lehnen gebückt, kämpfte mit sich selbst, er zögerte, er wollte und versagte es sich auch wieder.

Da plötzlich sprang Regia aus und küßte ihn wie rasend: »Gut, reise, aber ich weiß, was ich tun werde, Schande, einen Mann zu küssen, der einem nicht vertraut, meine Mutter hat mir eine Phiole mit Gift gelassen für die höchste Not, ich will ...!« sie eilte ein paar Schritte fort aus die Türe zu.

Askarich sprang ihr nach, erreichte sie, von seinen starken Armen gehalten, begann sie ein ohnmächtiges Ringen, sie drückte sich an ihn, sie stieß ihn vor die Brust, immer dichter wurde ihre Umstrickung.

Askarich fühlte, wie alles um ihn versank, nur dieses schöne Wesen halten: »Hör mich an,« keuchte er, »kannst du schweigen?«

»Würde ich dich dulden, wenn ich es nicht könnte.«

Da saßen die beiden nebeneinander aus dem Pfühl, seine Hände ruhten in den Händen des Mädchens und er erzählte mit schnellen Worten den Plan der Verschworenen, er vergaß auch nicht von Theuderich, dem Druidenpriester, zu sprechen und seiner falschen Weissagung, doch verschwieg er, daß Svanhild ihn gerufen habe.

Regia, fröhlich wie ein Kind, dem man ein Spielzeug geschenkt hat, dankte ihm mit Küssen und Streicheln.

Askarich sah sie verstört an: »Weshalb dankst du mir so dafür?«

Da jubelte Regia: »Weil ich sehe, daß du mich liebst, du böses Tier!« und dann schmollte sie wieder: »Und wenn du dann in Trier bist und Ihr habt gesiegt und Konstantin ist nicht mehr, dann hast du die arme Regia vergessen!«

»Dann werde ich mit fünfhundert Gefolgsleuten kommen, Regia, und dich nach Trier holen, das schwöre ich.«

So saßen die beiden noch eine Weile zusammen, Regia wie ein schlankes, anschmiegendes Kätzchen; und sie schmiedeten Pläne, wie Askarich und Regia in Trier Hausen wollten.

Endlich riß sich der junge Franke los, um Merogais zu wecken.

Als die beiden Gesandten, ohne auf die römische Geleitswache zu warten, auf ihren Rossen nach Belgica zu ritten, weilte Eumenius bei Regia, strich ihr mehr als einmal väterlich übers Haar und nannte sie mit den herrlichsten Schmeichelnamen aus der Göttergeschichte, die ihm einfielen; darin war er unerschöpflich.

Regia aber sah ihn mit einem fremden Blick an und tastete sich unruhig über die Arme.

Als Askarich den Bericht seines alten, sonst so schweigsamen Waffengesellen über die Weinsitzung anhörte, schlich sich ihm eine leise, unfaßbare Furcht in die Seele. Aber er schwieg und scheuchte die schwarzen Gedanken fort und ließ sich von seinem jungen Glücksgefühl tragen.


 << zurück weiter >>