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Viertes Kapitel.

Regia Donilla stand am mittleren, großen Fensterbogen ihres Wohngemachs im ersten Stockwerke des väterlichen Landhauses zu Neumagen.

Die Sonne war schon über die Mittagshöhe und warf durch den Dunst, der zitternd und flutend das Tal erfüllte, einen blassen Lichtstreifen auf den Marmor des Fußbodens.

Svanhild, die germanische Dienerin, war um die Herrin beschäftigt; sie kniete neben ihr und befestigte mit Nadel und Faden einige Stickereien wieder, die sich ein wenig gelöst hatten.

Die schönen dunklen Augen Regias blickten gleichgültig über die Gärten und Lusthäuser, Brücken und Weinpflanzungen, die sich die steilen Moselberge hinaufzogen; Regia gähnte. Der Empfang des Eumenius und der beiden fränkischen Gesandten hatte sie nicht belustigt.

Sie riß plötzlich der Dienerin das Nähzeug aus der Hand, zog ärgerlich den schweren Stoff des Kleides zu sich in die Höhe und stocherte ein paar Atemzüge lang eifrig mit der Nadel, dann ließ sie es wieder, legte sich längelang auf die mit syrischer Einlegearbeit verzierte Elfenbeinbank und trommelte wie ein eigensinniges Kind mit beiden Fersen aus die Lederpolster.

Unterdessen hatte Svanhild ihre schweren, blonden Haare, die beim Knien nach vorne geglitten waren, wieder festgesteckt und nahm wortlos die angefangene Arbeit wieder auf.

Unvermittelt sagte Regia: »Merogais, der Alte, ist ein mürrisches Faß!«

»Er sieht aus, als ob er Heervölkern gebieten könnte,« antwortete die Dienerin mit weicher, voller Stimme.

Nach einer Weile begann Regia wieder: »Völkern? So? Der Jüngere auch vielleicht? Wie heißt er doch, der Junge?«

»Askarich nannten sie ihn,« antwortete Svanhild einfach.

»Askarich, richtig; welchem Tier, findest du, gleicht er?«

»Ich weiß kein Tier, ich finde, er sieht recht wie ein Mensch aus.«

»Er sieht wie ein Jagdhund aus, ein Jagdhund mit blauen Augen,« setzte sie lachend zu, »du bist verliebt in ihn, weil du kein Tier für ihn weißt!«

»Ach Herrin, wie wird ein Herzog der Franken mich lieben?«

»Beim Jupiter, diese Frankenherzöge sehen nicht prächtiger als bei uns die jungen Soldaten aus, ich verstehe nicht, wie unsere Männer davor zittern.«

Svanhild errötete, beugte aber den Kopf und schwieg.

Regia sah sie eine Weile herausfordernd an. Als das vergeblich war, wiederholte sie: »Das verstehe ich nicht, wie sie zittern können, unsere Männer!«

Da schaute die Dienerin aus und fragte sanft: »Welche Männer, Herrin?«

»Wie? Du willst Beispiele; mein Vater ... der zittert allerdings ... Sekurus, der Polizeimeister, nein, der zittert auch, wenn er nicht genug Polizeidiener bei sich hätte, Minucius, Rufus, Cornelius, die Obersten, ich weiß nicht, du hast recht, sie würden auch wohl ein wenig zittern, wenn sie nicht hinter der Schlachtlinie ständen, Varusius, Rektomar und unsere anderen Senatoren erst recht ... aber Fasold, Arbegast, Wildebald ... die zittern nicht!«

»Und das sind Germanen,« sagte Svanhild leise, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen.

»Aber Romanus, unser frischgebackener Präfekt!« rief unwillig die schöne Tochter des Attulius, ihre Nasenflügel bebten ein wenig, ihr junges Herz glühte für Helden und heldenhaftes Wesen.

»Ich habe noch keine Tat von ihm gesehen,« entgegnete die Germanin schüchtern, indem sie die neuangenähten Stickereien mit der Hand andrückte, »er hat ja viele Ehrenzeichen auf der Brust!«

»Hast du von den Franken Taten gesehen? Hat Konstantius sie nicht vor Jahren geschlagen? Was für Taten sahst du von Merogais und dem Jungen?«

»Ich bin fränkischen Stammes, Herrin, die Franken kenne ich, und wenn noch viel mehr Tausende bei den Römern dienen mühten, ich kenne sie ..., stelle diese beiden Männer gegen zehn römische Soldaten, ich glaube, sie werden fertig damit.«

Aufrecht stand die Dienerin vor der Herrin.

»Ach sieh, Svanhild, meine stolze Germanenfrau,« sagte Regia lächelnd, vergrub ihre zarten Hände in das blonde Haar des Mädchens – sie mußte dazu in die Höhe reichen – und hielt ihren Kopf fest, »so mag ich dich leiden, leg mir noch das Band um die Stirn, dann wollen wir hinunter, der Vater wird mit seinen beiden halbwilden Gästen bald zurückkommen.«

Unten im prächtigen Empfangsraum wartete Eumenius; er stand an eine der Syenitsäulen gelehnt und schaute dem Spiel der huschenden Schleie zu, die das breite Wasserbecken in der Mitte des Saales bevölkerten.

An dem Eingang blieb Svanhild zurück, Regia Donilla aber lief hurtig wie ein Wiesel auf den schmunzelnden Redner zu und fragte lebhaft: »Gut, daß ich dich allein finde! Was soll das? Weshalb diese Franken zu uns? weshalb nicht lustigere Männer hierher? Weil es dir eine Freude ist, die arme Donilla zu quälen! Und überhaupt, was soll das hier mit den Franken?«

Eumenius lächelte, zog die Augenbrauen hoch und sagte trocken: »Höherer Auftrag, Staatssache! Der ältere soll von deinem Vater Weinbau lernen, der jüngere möchte dein Schüler im Ballspiel sein!«

»Ach geh, das ist wieder Lüge, bitte, sag mir doch, was sie sollen?«

Eumenius sah das schöne Mädchen einen Augenblick ernst an, legte den Finger auf den Mund, zuckte die Achseln und sagte väterlich: »Sei gut, Regia, es hat schon seinen Zweck, es ist nicht richtig zu fragen. Ich will dich bitten: ich habe mit Merogais, das ist der ältere, zu reden; nimm du in dieser Zeit den jüngeren in deine Obhut, ich möchte mit Merogais allein sein.«

Regia sah Eumenius durchdringend an: »Was gehen mich deine Aufträge an; aber es sei, der junge ist wenigstens besser als der alte, aber langweilig sind sie beide.«

»Schon möglich, aber es ist eine Hofangelegenheit!«

»Vom Hofe? So? Der Hof kümmert mich nicht, der Hof ist mir ganz und gar gleichgültig!«

»So, so, im Amphitheater, nach der Vorstellung, sprach Regia Donilla ganz anders!«

Wie ein verzogenes Kind brach da die schlanke Regia in Tränen aus: »Und ist es nicht wahr? Ist es nicht ein Unrecht? Ich bin schön und reich, reicher als alle Senatoren, aber die sitzen mit ihren Töchtern bei Hof, all die Feste jetzt nächstens, täglich, aber ich muß vertrauern, bloß, weil mein Vater einmal früher einen Karren zog und mit Hühnern handelte!«

»Nicht weinen, Regia, wer weiß, die Wege des Schicksals gehen auf und ab, vielleicht, vielleicht ...«

Da trat Attulius mit den beiden Franken vom Garten her ein, zwischen dem breitschultrigen Krieger und dem hochgewachsenen Jüngling sah der kleine Mann mit den lebhaften fetten Händen und dem kugelförmigen, immer fröhlichen Gesicht gar drollig aus.

Ob nun die letzten Worte des Eumenius die Stimmung der Tochter so sehr ausgebessert hatten, genug, sie ging bei der Begrüßung auf Merogais zu und machte ihm eine lange, gewundene, tiefe Verbeugung, wie sie vor dem Kaiser üblich war. Sich umsehend, zwinkerte sie dem Eumenius zu, der sich des Lachens kaum enthalten konnte, und fragte ernsthaft: »Ist es so richtig, Eumenius?«

Merogais runzelte die Stirn und fragte knurrend: »Weshalb taumelt die Jungfrau so?«

Eumenius bemerkte, daß dies eine besondere Ehrung bei den Römern sei.

Da ergriff der Herzog die Hand der Tochter des Attulius und drückte sie ein wenig.

»O Götter, die Ringe kneifen mich, au!« rief Donilla.

Da zeigte Merogais die Zähne und radebrechte: »Dies nämlich ist eine besondere Ehrung bei den Franken!«

Askarich sah seinen älteren Genossen fast zornig an, da kam Regia auf ihn selbst zu und sagte schnippisch: »Ach, da ist ja auch Askarius, der Vorlaute!«

»So oft ich dich sehe, Herrin, werd ich's immer wieder sein,« entgegnete der.

Regia wandte sich zu Eumenius um und sagte: »Sieh an, er weiß mit zarten Frauen umzugehen! Wo hast du das gelernt, Askarius?«

»Mein Vater hat vor zwanzig Jahren einmal einen römischen Schulmeister gefangen genommen, der brachte mir das bei, sonst ein untüchtiger Mann, er saß aus dem Pferd wie eine Heuschrecke am Halm!«

Attulius lachte gellend, klatschte sich mit beiden Händen auf die Schenkel, und rief: »Nun genug, setzt Euch alle, es ist ja genug Platz da!«

Und während ein Schwarm von Sklaven Sessel und Bänke herbeibrachte, dazu Birnen, Apfel, Aprikosen und Pfirsiche, auch getrocknete Feigen und kühlendes Getränk, begann er geschwätzig zu erzählen, wie er seine beiden Gastfreunde rundgeführt habe, »richtig zwei Stunden hat's gedauert, die Gärten, die Teiche, Gewächshäuser, der Bach, den Berg hinunter, oben die Tempel und die Weinberge ... und dann die Felder, alles habe ich gezeigt. Nicht zu vergessen die Pferde, Maulesel, die Hunde vor allem ... ja, ja, Attulius kann sich schon sehen lassen ...«

»Das gibt Durst,« bemerkte Eumenius halblaut zu Merogais gewendet.

»Das mag Wotan bezeugen!« knurrte der.

Ein Diener bot kühlen Zitronentrunk, aber der Franke trank nur wenig.

»Ich warte!« sagte er bedeutsam zu dem Redner.

Attulius hatte das Wort verstanden, in Weinsachen war er hellhörig.

Beinahe feierlich erhob er sich: »Ich habe alles gezeigt, nur mein Bestes noch nicht, da soll uns Eumenius begleiten! Auf zu den Kellern!«

Askarich erhob sich zögernd, um mitzugehen, aber Regia warf dem Eumenius einen schnellen Blick zu und sagte dann, als ob sie ärgerlich sei: »Ich mag nicht allein bleiben!«

»Askarich wird vielleicht lieber seinen Durst mit Zitronenwasser löschen,« sagte lächelnd der Redner, und ehe dieser noch etwas erwidern konnte, hatte er mit dem Hausherrn und dem älteren Franken den Saal verlassen.

Regia schaute einmal in das Wasserbecken, scheuchte die Fische und sah dann belustigt zu dem jungen Germanen hinüber.

»Ist dir dein Mund in die Mosel gefallen?« fragte sie.

Askarich hatte die Säulen betrachtet, die das Wasserbecken umstanden, nun starrte er die schöne Fragerin mit weiten blauen Augen an und schüttelte den Kopf, er rührte sich nicht von der Stelle. Regia wiegte die Schultern hin und her und versuchte es noch einmal: »Bist du mir böse, daß ich dich wegen deines Rufes an den Kaiser im Theater verspottete?«

»Ich? Dir? Ach Herrin! Wie spricht Euer Dichter? Sage, ich sei ein Dummkopf, erzähle, daß ich ein Schwächling sei, behaupte, daß ich auf der Appischen Straße das Räuberhandwerk betreibe, nur sage mir auch: Ich sehe dich gern!«

»Ach, den Horaz kennt er auch, komm, setz dich her, ich tu dir doch nichts, und du hast ja schließlich deinen Dolch!«

Mit funkelnden Augen zwang sie ihn aufzublicken und sich mit ihr auf eine silberne Bank zu setzen, die rechtwinklig in eine Ecke des Gemaches eingepaßt war; aber er wagte doch nur die äußerste Ecke einzunehmen.

»Sag mir, weshalb seid Ihr hier?«

Askarich erzählte die Absicht der Gesandtschaft mit denselben hergebeteten Worten, wie er es beim Kaiser getan hatte; und es fiel ihm ein, daß er sich vor dem Kaiser weniger gefürchtet habe.

Als aber Donilla anfing, ihre Hände ordnend durch ihre dunkelbraunen Haare gehen zu lassen, verwirrte sich die Rede des jungen Franken wieder, und bald hörte man nichts als das Gurren der Tauben aus dem Dach und das leise Plätschern des Wassers im Becken.

Askarich lehnte nun sein Haupt an die kühle Wand und blickte gerade die Römerin an.

Da sprang Regia auf, stampfte, als wenn sie zornig wäre, mit dem goldbebordeten Schuh auf die Täfelung des Bodens und sagte wegwerfend: »Ach geh, du bist langweilig, bist ein Strohfeuer, eben brennt es hell, jetzt ist es schon erloschen!«

Askarich fuhr erschrocken aus seiner Träumerei aus und rief schnell: »Hab Geduld mit mir, ich will für dich jede Arbeit tun, die du verlangst, alle Arbeiten Eueres Herkules!«

Hilflos blickte er nach diesen jähen Worten von einem der Marmorbilder, die da im Halbdunkel an der Wand standen, zum anderen und verschränkte die Hände ineinander.

»Gut, du sollst Flachs spinnen, wie Herkules bei Omphale, der Königin!«

Da schüttelte der Franke heftig den Kopf: »Das nicht, ein freier Franke tut kein Weiberwerk!«

Spöttisch sagte Regia daraus: »Ich verstehe, Ihr Franken seid Rinderhirten, du möchtest lieber des Augias Stall reinigen?«

»Weshalb spottest du meiner, Regia,« fragte Askarich leise.

»Weil du so langweilig bist, du Tapferer, komm, wir wollen zu meinen Brüdern ins Gartenhaus!« Askarich atmete aus, wie er wieder freien Himmel über sich fühlte.

Auf schön gepflasterten Wegen, zwischen grünen, kurzgeschorenen Rasenflächen und anmutigen Baumgruppen, über Brücken, die einen in Kaskaden niedermurmelnden Bach überspannten, führte Regia ihren Gast in einen kleinen Bau am Bergrand.

Dort saßen auf geflochtenen Stühlen der alte griechische Lehrer und drei Jünglinge. Als die beiden eintraten, tönten die Verse des Virgil.

Aber Regia hieß ihre Brüder die Rollen fortlegen und ihre Waffen holen, sie brannte darauf, dem Franken ein Lob abzuringen.

Bald war der Waffenlehrmeister, früher ein berühmter Hauptmann des Heeres, zur Stelle.

Mit ihren hölzernen Schwertern und Schilden gingen die Knaben aufeinander los.

»Ganz schön für dieses Land hier und für Römer; wenn ich in diesem Alter so gefochten hätte, würde mich mein Vater Chlodomar sechs Tage bei viel Wasser und wenig Brot haben hungern lassen,« sagte Askarich nachdenklich.

Unterdessen waren schon allerhand Gärtner, Weinbauern und Mägde zusammengelaufen und standen gespannt dabei.

Regia ballte die kleine Faust: »Wenn ich könnte, ich würde selbst dir zeigen, was wir gelernt haben, du sollst uns nicht verachten.«

Der Waffenlehrmeister trat vor: »Herrschaft, erlaubt, daß ich diesem Fremdling zeige ...«

Askarich kreuzte die Arme, er lächelte: »Es sei, Schwertkampf oder Ringkampf?«

»Ringkampf.«

Regias Herz klopfte, ängstlich sagte sie zu Askarich: »Ach, hätte ich das nicht gesagt, mein Vater und Eumenius werden schelten! Askarich, wie wird es dir ergehen!«

Askarich halte den Mantel abgelegt, ebenso wie der Fechtmeister.

Ein Ruf und beide standen im Kampfkreis. Mit angelegten Armen wechselten sie mehrmals die Stellung, der Kreis der Zuschauer wuchs, die drei Söhne des Attulius riefen ihrem Fechtlehrer Mut zu, auch sie hofften aus eine Niederlage des fremden Franken, der ihre Kunst verachtete.

Aber aus dem Ring der Zuschauer wurde mehr als ein gedämpfter fränkischer Kampfruf laut, denn es waren nicht wenige Franken, die als Bauern auf den großen Gütern der Provinz dienten.

Da plötzlich ein heller Ruf, ein rundschneller Wirbel von Gliedern, ein großer Schwung und der Fechtmeister lag auf dem Rücken und berührte schmählich mit dem Nacken den Rasen.

Ehe er sich noch erhoben hatte, war Askarich aus Regia zugeschritten, hatte ihre Hand ergriffen und sie aus der Nähe des Kreises gezogen.

Nun hingen sich die drei Söhne des Attulius an des Franken Arme; er sollte ihnen zeigen, wie er das fertig gebracht habe.

Aber statt dessen folgte ein Kraftstück auf das andere, Askarich fühlte sich in einer Lage, der er ganz gewachsen war, eine gewaltige Schieferplatte schleuderte er wohl zehn Schritt weit, eine Keule, die er sich reichen ließ, ging in sausendem Schwung von seiner Hand weg, traf den vorher bezeichneten Ast eines Baumes, daß er splitterte und kehrte trotzdem gehorsam wieder in die Hand des Werfenden zurück.

Schließlich aber, als er bei den Pferdeställen sich über zwei Pferde schwang von ebener Erde aus, kannte der Jubel der Knaben keine Grenzen mehr. Erst als sie, durch den gellenden Anschlag metallener Platten gerufen, zum Mahle wieder in den Palast traten, fand Regia ihr flinkes Zünglein wieder.

Askarich aber geriet aufs neue in sein Schweigen.

Attulius, der sie aus der Terrasse, wo gespeist werden sollte, erwartete, erzählte lachend, daß Merogais und Eumenius sich so sehr in den Wein von Noviomagus vertieft hätten, daß sie zum Mahle keine Zeit fänden.

Und während nun ausgesuchte Speisen und köstlicher Trank von weißgekleideten Dienern herumgereicht wurden und die Knaben nicht genug von den Heldentaten ihres neuen Freundes erzählen konnten, bat plötzlich Regia, die ernster war als sonst, weil es ihr nicht gelungen war, ihren Gast zu demütigen, wie sie gehofft hatte, er möge zum Mahl ein Lied singen.

Sie dachte daran, daß die Lieder der Franken ihr als rauhes und ungefüges Gebrüll geschildert worden waren, sie dachte an ihre eigene Kunst, griechische Liedchen zur Harfe zu singen, nun wollte sie selber den Franken bekämpfen.

Askarich neigte sein Haupt: »Wenn Ihr es befehlt, will ich es versuchen.«

Svanhild brachte aus den Wunsch Regias die Elfenbeinharfe.

Askarich lehnte sich zurück, sah die junge, dunkele Schönheit an und sang:

»Durch Eure Gärten schleicht mit gedämpftem Schritt
Die grause Göttin, streut aus der eis'gen Hand
Auf Blumenbeet und Weg und Weinberg
Tückische Körner, im Gift gequollen.

Sie keimt die Saat, ob heute, ob übers Jahr,
Wer weiß, sie keimt, ein Distel- und Dorngestrüpp,
Baumhoch umspinnt's Euch Haus und Gärten.
Regia, blutet die zarte Hand Dir?

Sie kommt, die Göttin, wenn sie auch keiner sieht.
Die Sorgen kommen, Regia, lache nicht!
Dann möcht ich bei Dir sein, Du Liebe,
Möchte Dich schirmen mit meinem Schwerte!«

Svanhild nahm gebückt, als liege eine schwere Last auf ihren Schultern, dem jungen Franken die Harfe ab, sie schaute zu Boden.

Die Gärten prangten in der Mittagsglut; bis unter das lastende Purpurtuch, das die Tafelnden vor der Bestrahlung schützte, quoll der Duft der Blumen und des Rasens und der Blätter. Das eintönige Zirpen der Grillen konnte man aus einmal vernehmen, weil keiner am Tische ein Wort sprach.

Attulius wischte über die Lehne und sagte mit einem unsicheren Lächeln: »Ach, das ist ja alles Wortklauberei!«

Dazu begann er zu lachen, aber keiner wollte recht beistimmen.

Seine drei Söhne saßen da wie junge Hunde, die jemand geprügelt hat und warfen scheue Blicke aus den Gast.

Nur der griechische Schulmeister spitzte die Lippen und rückte aus seinem Lager unruhig hin und her. Bisher hatte er zu jeder Gelegenheit im Hause reichliche Verse geliefert, er suchte nach Worten, um das Gedicht zu verspotten.

Regia blickte aus ihre Hände, ihre Augen waren gesenkt, dann raffte sie sich aus und sagte mit schnellen Worten: »Du bist ein sonderbarer Nußknacker, Askarich, willst Nüsse knacken, von denen der Baum noch nicht einmal gepflanzt ist.«

Daraus aber schwieg sie plötzlich, als sie des jungen Franken Verwirrung sah, stieß ihr Glas heftig aus die Tischplatte und eilte von der Tafel weg. Ihr Vater folgte ihr kopfschüttelnd.


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