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Siebentes Kapitel.

Wie an jedem Morgen, so ging auch heute die Tochter des Attulius durch die Gärten und pflückte, wie ihr Vater es wünschte, mit den schlanken weißen Händen das Obst für den Tisch; Svanhild begleitete sie, hielt den Korb und sollte ihr helfen.

Aber die junge Dienerin war lässig, sie pflückte nicht, sie bog die Zweige nicht nieder, sie hielt ihrer Herrin nicht den Korb handgerecht und sie ließ, was sie sonst immer verhinderte, die volle Sonne aus die gepflückten Aprikosen scheinen, so daß sie welkten.

»Aber halt doch den Korb richtig,« rief Regia lustig, »Träumerin!«

Svanhild fuhr zusammen, schob die Arme vor und sagte: »Ja, ja, Herrin.«

Nach einer Weile schaute sie aber wieder ins Weite, aus die Landhäuser am Ufer, das Treiben der Kähne und Schiffe aus der Mosel, den ansteigenden Weinberg, die Gärten und Dillen oben auf der Höhe des Taranusberges.

Eine Zeitlang pflückte Regia weiter, dann, als durch die Unachtsamkeit der Dienerin eine Handvoll Pfirsiche aus den Boden kollerte, schalt sie: »Weshalb hörst du nicht, was fehlt dir?«

»Ich höre! was wünschest du, Herrin?« Eilig nahm nun die Germanin selbst einige Früchte von den Ästen, aber schon wurde ihre Arbeit langsam und bald betrachtete sie eine Aprikose, die sie in der Hand hielt, so nachdenklich und genau, als wenn sie unversehens einen goldenen Apfel der Hesperiden zwischen den Früchten gefunden hätte.

Regia sah sie an: »Habe ich dir mit etwas wehe getan?« fragte sie.

Da begann das blonde Mädchen, wie ein ertapptes Schulkind sich wieder über seine Bücher bückt, zu suchen und zu pflücken; sie antwortete aber nicht.

»Hast du mich gehört, Svanhild?«

»Ja, ja,« antwortete diese zerstreut.

Da stieß die schöne Regia mit dem Fuß auf den Rasen, riß der Dienerin den Korb aus der Hand und rief: »Ich war gut mit dir, du schweigst, ich will wissen, was du hast.«

Die Dienerin nahm die Hand der Zornigen und schwieg.

Da schleuderte mit einer jähen Bewegung die Herrin die Hand weg und sagte: »Geh, ich mag dich jetzt nicht sehen.«

Sie hatte gedacht, Svanhild werde sie nun um Verzeihung bitten, verwundert aber blickte sie dem Mädchen nach, das hurtig den Berg hinaneilte.

Bald verschwand sie in den Büschen.

Sie stieg bis zur höchsten Stelle des Taranusberges, wo ein kleines, einsames Heiligtum des Gottes stand.

Von dort hatte man weite Aussicht ins Eifelgebirge hinein, da stand Svanhild, lehnte an der warmen Wand des Tempels, blickte unverwandt nach Norden und fühlte, wie die Aufregung ihrer Seele sich legte.

* * *

Unterdessen schritt Eumenius sorgenvoll die Wege in der Nähe des Palastes entlang, er hatte schon zwei Sklaven ausgeschickt, um nach Regia zu suchen; als endlich der eine wiederkam, um zu melden, daß die Herrin in den oberen Gärten sei, eilte er nach der bezeichneten Stelle.

Er hatte, seine wühlenden Kopfschmerzen zu bekämpfen, schon gesalzene Fische, einen Becher heißen Würzweins und eingemachte Senfgurken zu sich genommen, körperlich war ihm wohl besser, aber desto schwerer lastete die Sorge um seinen Auftrag aus ihm.

Als er sich der beweglichen Tochter des Attulius näherte, suchte er seine verkaterte Stirn zu glätten.

Aber Regia schaute ihn von der Seite an und lächelte spöttisch: »Ja, der Taranusberger, allerbester der römischen Redner, wie steht es mit den Kopfschmerzen!«

Er lächelte sauersüß: »Ja, und die Sonne sticht so, die Sonne! Aber, mein Töchterchen, wir sprachen doch vom Kaiserpalast, wir wollen weiter davon reden.«

»Davon will ich gar nichts wissen, es ist heute ein köstlicher Morgen, sieh doch, wie drüben am Schiefergestein die Büsche blitzen, und die Wimpel auf der Mosel, hier ist es ja so schön, was soll ich da an eine ärgerliche Sache denken.«

Eumenius strich sich mit der Hand übers glatte Kinn: »Ich denke,« entgegnete er, »es ist dir langweilig hier.«

»Ist es auch, schrecklich!«

»Ich wüßte einen Weg jetzt, ich habe über die Sache nachgedacht.«

»Das hast du schon einmal gesagt; mit deinem ewigen ›ich wüßte vielleicht einen Weg‹, ›es könnte sich vielleicht erreichen lassen‹, ›vielleicht findet sich einmal eine Gelegenheit‹ kann ich grau werden.«

Der Redner nahm fast zärtlich die Hand der Regia Donilla zwischen seine Hände und begann: »Habe ich dir nicht, als du noch klein warst und deine Mutter noch unter uns weilte, die schön wie Kypris war und noch so jung zu den Schatten mußte, habe ich dir nicht damals kleine Püppchen geschnitzt aus Holundermark und Kähne gezimmert, ein Segel daraus gestellt und sie schwimmen lassen auf der Mosel, und deinen Hund abgerichtet, so daß er für ein Stück Kuchen auf zwei Beinen saß und bettelte?«

»Ihr Götter, wie feierlich redest du, Eumenius!«

»Jetzt möchte ich auch dich einmal um einen kleinen Dienst bitten,« sagte der Redner beinahe schüchtern.

Regia warf ihr Näschen in die Höhe und entgegnete schnippisch: »Gewiß, soll ich dir eine Puppe schnitzen aus Holundermark, oder willst du lieber, daß ich dir einen Hund abrichte?«

»Es ist schon ernster, mein Töchterchen!«

»Also gut, ich bin mäuschenstill und horche zu,« entgegnete Regia und setzte sich auf eine Gartenbank, faltete die Hände sittsam und machte ein recht spitzbübisches Gesichtchen.

Leise legte Eumenius seine Hand auf die ihre. »Sei ernst, ich bitte dich!«

Nun ward Regia wirklich gespannt, sie ließ alle Verstellung beiseite und fragte neugierig: »Was ist denn eigentlich, was ist denn?«

Da erzählte ihr der Redner vom kaiserlichen Auftrag und vom Mißlingen seines Planes bei Merogais: »Und nun,« fuhr er fort, »sollst du mir helfen, Regia, ich weiß mir keinen anderen Ausweg!«

»Ich, aber was hat das mit dem Hof zu tun?«

»Geduld nur, Geduld! Askarich, der junge Franke, liebt dich.«

»Mich? Er haßt mich, er hat es mich gestern den ganzen Tag fühlen lassen, daß ich ihm gleichgiltig bin, er hat mich gedemütigt, der Barbar. Er hat sogar ein Lied gesungen, um mich zu verhöhnen!«

»So? Gut! Dann zeig ihm, daß du ihm überlegen bist.«

»Wie soll ich? Weshalb, Eumenius?«

»Halte ihn mit deiner Schönheit fest, knechte ihn, zwinge ihn, zu erzählen, was Merogais verbirgt, in deiner Hand liegt das Wohl des Reiches!«

Mit wohlgefügten Worten setzte der Redner der gespannt Horchenden auseinander, an welchen Nachrichten die Verteidigung der römischen Herrschaft hänge.

»Und wenn du gesiegt hast, denkst du, daß die Tore des kaiserlichen Palastes dir verschlossen wären? Dafür laß mich sorgen!«

Regia preßte beide Arme aneinander, streckte sich wie ein Panther und flüsterte mit halbgeschlossenen Augen: »Knechten, demütigen möchte ich ihn!«

Eumenius fuhr mit leiser Stimme in seiner Rede fort: »Romanus, unsere Zukunft, der Befehlshaber der Stadt, den ich dir im Theater vorstellte ...«

»Ein Kriegsmann, scheint's,« sagte Regia leichthin, »endlich einer zwischen all den römischen Laffen und germanischen Bären!«

»Er fragte nachher oft nach dir, mein Töchterchen, er wird die nächsten Tage nach Neumagen kommen; der Gattin des Romanus sind alle Kaiserpaläste der Welt offen, mehr noch, Kind, vertraulich gesagt, Romanus wird einmal etwas Größeres als Legat und Feldherr sein, glaube das mir!«

Regia blickte versunken vor sich hin und murmelte: »Trier, der Kaiserpalast, endlich den Senatoren sich zeigen, über ihnen stehen, sie beherrschen vielleicht, ihre gebeugten, feisten Nacken sehen, den Mann würde ich lieben, – aber den jungen Franken will ich demütigen, er soll fühlen, daß er eine Römerin nicht ungestraft reizen darf.«

Eumenius sah sie mit klugen Augen an, obwohl er nicht die Spur eines Spottes in seinen Gesichtszügen verriet, dachte er bei sich: »Reizend bist du, aber keine Römerin, schöne Regia!«

Nickend und winkend sah er ihr nach, als sie den Korb mit den Früchten vergaß und eiligen Schrittes dem Palaste zueilte.


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