Else Ury
Lotte Naseweis und andere Schulmädelgeschichten
Else Ury

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Kornblumentag

Es war in der Zwischenpause vor der Geschichtsstunde. In der vierten Klasse der Potsdamer städtischen Mädchenschule herrschte große Aufregung. Ruhig pflegte es ja nie in einer Pause dort herzugehen, aber das heutige Durcheinanderwirbeln und Durcheinanderrufen war doch ausnahmsweise lebhaft.

In der nächsten Stunde sollte Geschichtsextemporale geschrieben werden – man denke! Nicht nur über ein bestimmtes Gebiet der vielen Jahrhunderte, nein, über alles, vom Trojanischen Krieg an bis zur Gegenwart! Und noch dazu bei Fräulein Goltz, der gestrengen Oberlehrerin. Da gab es kein Seitwärtsschielen zum Heft der Nachbarin, kein Flüstern und heimliches Beraten. Wehe derjenigen, die Fräulein Goltz etwa dabei ertappte, ihr Name prangte ganz gewiß im Klassenbuch unter der Tadelrubrik. – Darum also das geschäftige Hin und Her, jede wollte noch im letzten Augenblick geschwind die Weisheit, die noch fehlte, und das war nicht gerade wenig, erhaschen.

»Elfriede, in welchem Jahre war denn bloß der Beginn der Völkerwanderung?« – »Karl der Große regierte von 768 bis 814« – »war die Schlacht bei Sedan am 1. oder 2. September 1870?« – »Himmel, ich hab' ja keine Ahnung von Alexander dem Großen!« So flog das in nicht geringer Aufregung hinüber und herüber.

Hier hörten sich zwei gute Freundinnen gegenseitig noch ganz flink die nicht festsitzenden Zahlen ab, dort saß eine, beide Ohren mit den Zeigefingern verschließend, und lernte, daß ihr der Kopf rauchte.

Bim – bim – bim – bim – läutete die Glocke, die gefürchtete Stunde brach an. Mäuschenstill war es plötzlich in der vierten Klasse. Fräulein Goltz hatte ihre Schülerinnen gut gezogen. Da wagte kaum noch eine zu flüstern, trotzdem die Lehrerin noch nicht das Klassenzimmer betreten hatte.

Ein Ruck ging plötzlich durch die Schar. Sie hatten sich erhoben, Fräulein Goltz trat ein.

»Setzt euch!« Die Lehrerin schritt zum Katheder.

Jetzt kommt's – gleich wird das schreckliche Kommando: Extemporalehefte heraus! erschallen. Fünfzig Mädchenherzen klopften schneller in banger Erwartung. Aber das Schreckenswort blieb aus. Fräulein Goltz zog eine Liste hervor und fragte: »Habt ihr schon mal etwas von einem Blumentag gehört, Kinder?«

Fünfzig gepreßte Herzen atmeten auf. Hurra – Fräulein Goltz schien vergessen zu haben, daß auf heute Extemporale gelegt war. Aber Blumentag – die Mädchen sahen sich ratlos an, sie wußten nicht, in welchem Jahrhundert sie den zu suchen hatten.

Nur Käthe von Luck meldete sich. Sie hatte eine Großmama in Berlin, bei der sie oft zu Besuch weilte, und da hatte sie schon einmal einen Blumentag miterlebt.

»Na, Käthe?« Fräulein Goltz wandte sich ihr zu.

»Blumentag ist, wenn man – – –«

»Opodeldok ist, wenn man Kreuzschmerzen hat!« unterbrach sie die Lehrerin lächelnd.

Auch die Klasse lachte. Aber gedämpft, nicht so lebhaft, wie das wohl in andern Stunden der Fall war.

»Die Erklärung eines Wortes mit ›wenn man‹ ist nicht grammatikalisch richtig. Versuche dich anders auszudrücken, Käthe«, fuhr Fräulein Goltz fort.

»Blumentag ist ein Tag, an dem alle Leute auf der Straße dieselbe Blume im Knopfloch tragen.«

»Na ja, Käthe, aber zu welchem Zweck denn?«

Käthe stand ratlos da. Ach, hätte sie sich doch bloß nicht gemeldet; nun bekam sie am Ende noch eine schlechte Nummer in Fräulein Goltz' Notizbüchlein.

»Damit's hübsch aussieht!« stieß sie schließlich heraus, denn so leicht blieb die Käthe keine Antwort schuldig.

Jetzt lachte Fräulein, die gestrenge Lehrerin, selbst. »Das hübsche Aussehen ist ja nebenbei ganz nett, aber doch nicht der Hauptzweck der Veranstaltung. Ei, Elfriede, weißt du's?« Ein schüchterner Zeigefinger hatte sich auf der ersten Bank erhoben, doch schnell, als schäme er sich, war er wieder untergetaucht. Auf Fräulein Goltz' Wort aber schnellte die zu dem Zeigefinger gehörige Elfriede Hase blutübergossen empor.

»Ein Blumentag findet zu einem wohltätigen Zwecke statt«, sagte sie leise.

»Richtig, Elfriede. Eine bestimmte Blume wird überall in den Straßen der Stadt an die Vorübergehenden für zehn Pfennig von jungen Mädchen und auch Kindern verkauft. Das Geld wird dann zu einem guten Zweck verwendet. Nun soll in der nächsten Woche hier in Potsdam ein Kornblumentag zum Besten der Ferienkolonien für arme, erholungsbedürftige Kinder stattfinden, und da ergeht soeben vom Vorstand die Anfrage an unsere Schule, ob sich Schülerinnen bei dem Verkauf beteiligen wollen. Ich möchte nun mal hören, wer von euch hier in der vierten Klasse Lust dazu hat.«

Neunundvierzig Zeigefinger durchbohrten die Luft.

»Ich – ach, bitte, ich – nein, ich!« Auf den letzten Bänken erhob man sich sogar, um dem Finger mehr Nachdruck zu verleihen.

Nur ein Zeigefinger war unten geblieben, das war der von Elfriede Hase. An fremde Menschen auf der Straße herangehen und ihnen Blumen anbieten, das brachte sie in ihrer Schüchternheit nicht fertig. Nicht umsonst hieß sie Hase, sie war auch ein richtiges furchtsames Häslein.

»Ruhe – setzen!« Fräulein Goltz' Stimme machte dem Tumult schnell ein Ende.

»Da ihr alle Lust habt, aus jeder Klasse aber nur zehn Schülerinnen gewählt werden sollen, so mag sich die ganze erste Bank beteiligen, falls die Eltern damit einverstanden sind. Ich habe deshalb die zehn ersten gewählt, weil ich von denen selbstverständlich annehme, daß sie sich in keiner Weise durch das Bevorstehende in ihren Schulpflichten und vor allem in ihrer Aufmerksamkeit während der Stunden stören lassen werden. Sehe ich dennoch, daß eine mit ihren Gedanken mehr bei dem Kornblumentag ist als beim Unterricht, so tritt eine andere dafür ein.«

Elfriede, das Häschen, das zum erstenmal bereute, eine fleißige Schülerin zu sein und auf der ersten Bank zu sitzen, sah plötzlich ein rosenrotes Hoffnungswölkchen am Zukunftshimmel emporsteigen. Das war ein Ausweg. Wenn sie wegen Unaufmerksamkeit getadelt wurde, mußte eine andere für sie einspringen. Denn selbst darum zu bitten, zurückstehen zu dürfen, das wagte die schüchterne Elfriede nicht.

»Am nächsten Mittwoch um neun Uhr haben sich die zehn ersten bei gutem Wetter – bei schlechtem wird der Blumentag verschoben – in hellen Kleidern in der Schule einzufinden. Körbe mit Kornblumen nebst Sammelbüchsen erhaltet ihr hier. Auch wird jeder die Straße mitgeteilt, in der sie zu verkaufen hat«, bemerkte Fräulein Goltz noch.

Die Mädchengesichter schauten nicht mehr ganz so begeistert drein. Ach, jede für sich – sie hatten geglaubt, daß sie alle zusammen verkaufen würden, das war doch eigentlich das Lustigste dabei. Aber schließlich würde es wohl auch so wundervoll werden. Wenn sich zwölfjährige Mädchen auf etwas freuen, vermag solch eine Kleinigkeit nicht den inneren Jubel zu stören.

Elfriede Hases geringer Mut aber verkroch sich jetzt ganz und gar. Mutterseelenallein, ohne die Schulfreundinnen, sollte sie ihre Blumen feilhalten – unmöglich! Wenn es ihr bloß gelang, recht unaufmerksam zu sein.

»So, und jetzt wünsche ich, daß nicht mehr an den Kornblumentag gedacht wird.« Fräulein Goltz sah nach der Uhr. »Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit – Extemporalhefte vornehmen!«

Ach, da war's ja, das Gefürchtete; man hatte umsonst Aufschub erhofft! Und gerade jetzt, wo man doch wirklich anderes zu überlegen hatte. Ob das weiße Kleid noch gut genug war oder das rosa vielleicht schöner, ob auch Vater nichts dagegen haben würde und ob man Zöpfe tragen sollte oder das Haar offen. Nein, zu Totila oder zu Napoleon jetzt seine Gedanken hinwandern lassen zu müssen, das war wirklich nicht so leicht.

Aber Fräulein Goltz sorgte dafür, daß keine Schülerin mehr Zeit hatte, an offene Haare und weiße Kleider zu denken. Schlag auf Schlag fielen die Fragen, in so kurzen Pausen, daß nur gerade die Antwort niedergeschrieben werden konnte.

Die Wangen der jungen Mädchen färbten sich röter, die Federn flogen über das knisternde Papier. Hier und da begannen auch Tränen zu fließen, wenn man eine Antwort nicht gewußt hatte oder nicht mitgekommen war.

»Halt!« Fräulein Goltz hatte die letzte Frage getan. »Die erste einer jeden Bank sammelt die Hefte ein!«

Die Lehrerin nahm das Paket Mädchenweisheit in Empfang und verteilte die Hefte so unter die Schülerinnen, daß jede ein fremdes Extemporale vor sich liegen hatte. Denn die Mädchen mußten sich selbst die Arbeiten gegenseitig verbessern.

An den Fehlern der anderen lernten sie am meisten. Freundschaftliches Mogeln oder auch nur zufälliges Übersehen eines Fehlers war nicht zu befürchten, dazu hatten sie alle viel zu großen Respekt vor Fräulein Goltz.

O weh – das sah heute schlecht aus mit den Extemporalien! Nicht nur die auf der ersten Bank, wo die weißen Kleider doch wohl noch hin und wieder in den blonden und braunen Köpfen gespukt hatten, nein, auch die anderen hatten sich diesmal ganz besonders viel Schnitzer geleistet.

Es war Fräulein Goltz nicht zu verdenken, daß sie ärgerlich wurde. Nur eine einzige hatte null Fehler – Elfriede Hase. Die war in Geschichte besonders beschlagen, und wenn sie auch gern unaufmerksam gewesen wäre, so bringt das eine gute Schülerin doch nicht fertig, gegen ihr besseres Wissen eine falsche Antwort niederzuschreiben.

»Brav, Elfriede!« sagte Fräulein Goltz. »Doch wenigstens eine, die zeigt, daß man trotz abliegender Interessen seine Gedanken fest auf die Pflicht richten kann. Von Rechts wegen müßte ich es nur Elfriede Hase gestatten, an dem Kornblumenverkauf teilzunehmen.«

Elfriede errötete, aber nicht vor Freude, über das Lob. »Nein, lieber Himmel, bloß nicht allein!« betete sie innerlich vor Angst.

»Ach, Fräulein Goltz – bitte, bitte, Fräulein Goltz!« Flehentliche Stimmen klangen von der ersten Bank.

Die Lehrerin war zu einsichtsvoll, um nicht zu verstehen, daß heute, unmittelbar nach der Mitteilung, das Interesse leicht ein geteiltes sein konnte.

»Also, diesmal will ich noch ein Auge zudrücken, aber gebt mir nicht wieder Anlaß zur Klage.«

Es läutete. – Fräulein Goltz verließ das Klassenzimmer, und nun brach der lange genug zurückgehaltene Jubel los.

»Ich freue mich ja unmenschlich!« rief die zierliche Hildegard, Elfriedes beste Freundin, und vollführte einen Luftsprung.

»Kinder, die Hauptsache ist, daß wir viel Geld für die Ferienkolonien einbekommen!« sagte Lotte Ahrendt, die Erste der Klasse, verständig.

»Ich werde sicher meinen Korb zuerst verkauft haben, da ist mir nicht bange, ich gehe an jeden 'ran und bitte so lange, bis er mir eine Blume abkauft«, äußerte sich Ilse Krause selbstbewußt.

»Quatsch nicht, Krause!« rief ihr Dora, eine kleine Dicke, lachend zu, während Elfriede Hase leise einwarf: »Aber Ilse, du kannst doch nicht aufdringlich sein und Fremden mit deinen Blumen lästig fallen!«

»Ach, das Häschen, das furchtsame Häschen ergreift schon wieder das Hasenpanier!« neckte Käthe von Luck.

Die kleine, kugelrunde Dora aber, die sehr für Süßigkeiten schwärmte, machte ein verschmitztes Gesicht: »Wißt ihr was, ich schlage vor, daß diejenige, welche die Ehre hat, ihren Kornblumenkorb zuerst leer zu haben – denn eine Ehre ist das doch – auch die Ehre haben soll, für die andern, weniger Glücklichen Apfelkuchen mit Schlagsahne zu spendieren. Das gibt dann einen würdigen Abschluß des schönen Tages!« Dora leckte sich mit rotem Züngelchen schon jetzt im Vorgenuß dieser Herrlichkeit die Lippen.

»Himmlisch – großartig – entzückend – aber vom Konditor Wuppke, da sind sie am besten – einstimmig angenommen!« So schwirrte das durcheinander.

»Wird denn aber euer Taschengeld zu so vielen Apfelkuchen reichen?« gab Elfriede Hase kleinlaut zu bedenken.

»Ach was, da richtet man sich eben mit Heften, Bleistiften und Federn ein bißchen mehr ein, dann langt's schon.« Dora wollte durchaus nicht von ihrem Apfelkuchen lassen.

Elfriede, die Schüchterne, wagte nicht noch einmal zu widersprechen. Trotzdem sie ein Süßschnäbelchen war wie die anderen, konnte ihr auch die Aussicht auf die bevorstehenden Apfelkuchen den Kornblumentag nicht versüßen. Sie würde ja bei ihrer Befangenheit ganz sicher nicht in die Lage kommen, ihren Blumenvorrat als erste ausverkauft zu sehen. Nein, sie brauchte wirklich keine Angst zu haben, die zehn Apfelkuchen spenden zu müssen. Aber wenn ein tückischer Zufall es nun doch wollte, daß gerade sie zuerst ihren Korb leer hatte? Wovon sollte sie die Kuchen denn bloß bezahlen? Eine ganze Mark und fünfzig Pfennig kosteten sie – wo sollte sie die nur hernehmen? Sie erhielt kein Taschengeld wie die anderen; höchstens mal hier und da ein paar Pfennige für ein »Sehr gut« in der Schule. Das Geld für die notwendigen Schulmaterialien bekam sie, aber »erübrigtes Taschengeld wird ja doch nur in Bonbons und süßem Firlefanz angelegt«, sagte Vater. Er war nun mal nicht dafür. Und da sollte sie ihm vielleicht mit einer Mark und fünfzig Pfennig für solchen süßen Firlefanz kommen – undenkbar! Halt – ein Ausweg! Wenn es die Eltern nun überhaupt nicht gestatteten, daß sie sich am Blumenverkauf beteiligte? »Ach« – Elfriede atmete bei dieser Möglichkeit erleichtert auf, man sah es ihr ordentlich an, wie ihr ein Stein vom Herzen fiel.

Sie hatte es heute genau so eilig wie die anderen, nach Hause zu kommen und den Eltern von dem Kornblumentag am Mittwoch zu berichten. Aber die Hoffnungen, die sich bei ihr an diese Mitteilung knüpften, waren ganz entgegengesetzt als bei den anderen neun.

»Wenn Papa bloß nicht denkt, daß ich mich durch die Geschichte zu sehr von der Schule ablenken lasse, und deshalb nein sagt«, meinte Hildegard, die mit Elfriede innig umschlungen heimwärts ging, aufgeregt.

»Ich wollte, meine Eltern sagten nein.« Elfriede wagte nur ganz zaghaft, selbst der besten Freundin ihre geheimsten Gedanken anzuvertrauen.

Die sah sie an, als ob sie den Verstand verloren habe. »Elfriede – bist du nicht recht bei Troste, wir freuen uns alle so darauf, und du – nein, so etwas!« Zum erstenmal verstanden sich die Freundinnen nicht.

»Ich wage mich nicht an fremde Leute heran«, gestand Elfriede.

»Häschen, die beißen dich doch nicht. Du machst einen Knicks und sagst: ›Ach, bitte, kaufen Sie doch eine Kornblume!‹ Das ist doch gar nicht schwer!«

»Doch, schrecklich schwer!« Das furchtsame Häschen errötete schon in Gedanken an diese mögliche Keckheit bis an den glatten, hellbraunen Scheitel.

Mit zärtlichem Kuß trennten sich die beiden Freundinnen.

»Na, was ist in der Schule passiert, mein Herzchen?« so empfing Frau Hase das heimkehrende Töchterchen.

»Ich habe null Fehler im Geschichtsextemporale, als einzige, Muttchen, und dann – und dann ist am nächsten Mittwoch Kornblumentag hier in Potsdam, die ganze erste Bank soll mit auf den Straßen verkaufen – ich auch, denk bloß, Muttchen!« Das »ich auch« kam jämmerlich genug heraus.

Die Mutter kannte ihr Töchterchen genau und wußte, daß man ihr damit nichts weniger als eine Freude gemacht hatte. »Na, Friedel, weil du null Fehler im Extemporale hast, wollen wir es dir gestatten«, scherzte sie.

»Nein – nein, Muttchen,« beide Arme schlang Elfriede um den Hals der Mutter, »erlaubt es doch nur nicht! Ich habe schon Herzklopfen, wenn ich bloß daran denke!«

»Was – Herzklopfen? Schämst du dich nicht, Mädel!« Der Vater trat ins Zimmer.

»Ach, Vaterchen, du bist ja auch nicht dafür, daß man zu dreist ist, und das ist doch eine Keckheit, wenn man ganz fremde Menschen anspricht!« Elfriede schmiegte sich schüchtern an den Vater.

»Was ist denn überhaupt los? Erst Bericht erstatten!« Der Vater schob die Kleine ein Stück von sich ab und schaute ihr prüfend in die tiefblauen Augen.

Wieder berichtete Elfriede von ihren Schmerzen. »Nicht wahr, ihr erlaubt's doch nicht?« schloß sie, ihre Augen flehentlich vom Vater auf die Mutter heftend.

»Na, Friedel, du bist mir ein schöner Held! Ich finde es durchaus nicht richtig, dich von der Beteiligung auszuschließen. Erstens soll man einem gemeinnützigen Zweck nicht seine Hilfe versagen. Zweitens ist es aber dringend nötig, daß du deine lächerliche Schüchternheit besiegen lernst. Du hast am Mittwoch die beste Gelegenheit dazu. Nun zeige mal, daß du uns keine Schande machst! Hab' ich recht, Mutter?« Herr Hase wandte sich seiner Frau zu.

Die nickte. »Ich freue mich geradezu über diese Gelegenheit, daß Friedel ein wenig aus ihrer Schüchternheit herausgehen muß. Ihr befangenes Wesen hat mir oft schon Sorge gemacht. Bescheidenheit ist ja durchaus löblich, aber sie darf nicht zur Furchtsamkeit ausarten.«

Elfriedes Hoffnungen waren getäuscht – es half nichts, sie mußte mit. Nur eine einzige Rettung gab es noch – wenn es am Mittwoch regnete! Dann wurde der Blumentag zwar nicht aufgehoben, doch jedenfalls aufgeschoben, immerhin eine kurze Galgenfrist.

In der Schule hörte man jetzt nicht viel anderes als das Wort »Kornblumentag«. Wo sich zwei Mädchenköpfe zusammenneigten, konnte man ganz sicher sein, daß davon die Rede war. Höchstens gab es noch ein Wort von ähnlicher Wichtigkeit, nämlich: »Apfelkuchen«. Das spielte eine ebenso große Rolle bei all den jungen Fräulein. Der Sicherheit halber hatte man die zehn Kuchen schon bei Konditor Wuppke bestellt. Wer würde die Glückliche sein, die sie bezahlen mußte?

»Ich wollte, ich wär's!« sagte Hildegard zu ihrer Freundin Elfriede. »Ich bin in diesem Monat noch reich, ach, wenn ich doch meine Blumen zuerst verkauft hätte!«

Elfriede gönnte ihr diesen Triumph von ganzem Herzen.

Je näher der bewußte Mittwoch heranrückte, je mehr nahm die freudige Aufregung unter den Schülerinnen zu, die Aufmerksamkeit in den Stunden aber ab. Die Lehrer mußten jetzt oftmals fünf gerade sein lassen. Nur bei Fräulein Goltz sammelte man seine Gedanken, damit man bloß nicht noch kurz vorher ausgeschlossen wurde.

Am Dienstag klebten die Schülerinnen, wie die Fliegen am Fliegenstock, an dem im Flur hängenden Barometer. War es gestiegen – war es etwa gefallen?

Eine gab es, die mit ihrem ganzen schüchternen, kleinen Herzen wünschte, daß der Barometerzeiger doch auf »Sturm und Regen« rücken sollte. Der aber kümmerte sich nicht um die verschiedenen Wünsche der Schülerinnen. Unentwegt stand er auf »Veränderlich«.

Am Mittwoch morgen aber, als so und so viele flinke Mädchenfüße gleich vom Bett aus zum Fenster huschten, ob auch die weißen Kleider nicht umsonst gewaschen seien, lachte goldener Sonnenschein. Der Himmel hatte Elfriedes Bitten nicht erhört, leuchtend blau spannte er sich über die Stadt.

Die Eltern saßen am Frühstückstisch, als Elfriede im weißen Stickereikleide, bis auf das trübselige Gesicht allerliebst anzuschauen, Abschied nahm.

»Wenn du solche Jammermiene machst, kauft dir sicher keiner etwas ab, Kind; junge Augen müssen fröhlich dreinschauen«, ermahnte die Mutter.

»Na, nun sieh zu, Friedel, daß du zuerst mit deinem Vorrat fertig wirst«, scherzte der Vater.

»Um Himmels willen nicht!« Zehn Apfelkuchen, von denen Vater nichts ahnte, stiegen bedrohlich vor Elfriedes Blicken auf.

In der Klasse aber, wo die Mädchenaugen mit der lieben Sonne draußen um die Wette strahlten, wo man die zehn Glücklichen bewunderte und wohl auch ein wenig beneidete, wurde Elfriede, ob sie wollte oder nicht, in den allgemeinen Jubel mit hineingerissen. Ja, da man ihr das hübsche Körbchen, über und über mit Kornblumen gefüllt, überreichte, empfand auch sie sogar eine leise Freude. Doch die verflog schnell, als jetzt einer jeden ihr Revier zugewiesen wurde. Elfriede hatte eine ziemlich stille Straße als Verkaufsstätte erhalten. Darüber war sie nicht betrübt – o nein, ganz im Gegenteil – aber sie hatte immer noch gehofft, mit einem der Mädchen, vielleicht sogar mit Hildegard, zusammenbleiben zu können.

Die aber hatte den Bahnhofplatz zugeteilt bekommen – hurra – da kamen die meisten Menschen vorüber, sicher würde sie als erste ihren Korb leer haben.

»Nun seid liebenswürdig, aber ja nicht aufdringlich, Kinder, benehmt euch unserer Schule würdig!« Mit dieser Mahnung entließ sie die Klassenlehrerin.

Es war ein hübsches Bild, wie die blühende Jugend in ihren lichten Kleidern, den Blumenkorb in der einen Hand, in der anderen die Büchse mit der Aufschrift »Zum Besten der Ferienkolonien«, sich in die sonnendurchflirrten Straßen verteilte.

Eine nach der anderen schwenkte ab.

»Also um zwei Uhr wieder in der Schule«, – »viel Glück!« – »es leben die Apfelkuchen!« das war das letzte, was Elfriede von den fröhlichen Genossinnen hörte.

Nun war sie allein.

Ein banges Gefühl kroch ihr vom Herzen bis in die Kehle hinein, es wurde ihr weinerlich zumute. Aber sie bekämpfte diese Anwandlung.

Tapfer trabte sie über den Damm ihrer Straße zu.

An der Ecke machte sie jäh halt. »Konditorei Wuppke« prangte dort groß in goldenen Buchstaben. Sie hatte bisher noch nicht daran gedacht, daß sich ihr Revier in unmittelbarer Nähe der gefürchteten Apfelkuchen befand.

Ein spähender Blick die Straße hinauf und hinunter, nein, sie brauchte wirklich nicht bange zu sein, daß sie die schnellsten Einnahmen zu verzeichnen haben würde. Nur wenige Fußgänger durchwanderten zu der frühen Stunde diese ruhige Straße.

So überließ sich Elfriede mit erleichtertem Herzen dem Genuß, die verlockenden Auslagen, besonders die zuckerbestreuten Apfelkuchen, im Schaufenster der Konditorei zu bewundern. Dann aber fiel ihr ein, daß sie ja eigentlich zu diesem Zwecke nicht hier sei. Also, das Herz in die Hände genommen und dem nächsten Vorübergehenden ihre duftige Ware angeboten.

Es war ein älterer Herr. Langsam kam er näher. Bei jedem Schritt freute er sich des warmen Sonnenscheins.

Die schüchterne Elfriede drückte sich ganz an die Häuserwand heran. Sie formte die Lippen zu einem »Bitte«, aber das Kunststück war so schwer, daß sie das Wort noch nicht ausgesprochen hatte, als der Herr bereits die Ecke erreicht hatte. Wirklich ein ganz albernes Ding war sie, richtig böse wurde sie auf sich selbst – na, das nächstemal mochte es schon besser gehen.

Eine ganze Weile kam niemand. Elfriedes gepreßtes Herzchen konnte wieder ruhiger schlagen. Sie schlenderte die Straße hinauf, blieb hier und da vor einem Schaufenster stehen und endigte schließlich immer wieder vor den verführerischen Apfelkuchen. Die konnten ihr keine Angst mehr machen – gar keine.

Da bog wieder einer am entgegengesetzten Straßenende um die Ecke – eine große, deutsche Dogge. Elfriede lachte hellauf in dem Gedanken, daß sie dem Riesenhund eine Kornblume für sein Knopfloch verkaufen sollte. Aber das Lachen verging ihr, denn der Herr des Hundes kam hinterher. Nun mußte sie beweisen, daß sie kein albernes Ding war.

Allen Mut nahm das junge Mädchen zusammen. Sie machte sogar einen Schritt auf den Näherkommenden zu. Jetzt einen schüchternen Knicks und ein leises »Ach bitte« – so leise, daß weder der Herr noch der Hund es beachteten. Beide schritten vorüber. Elfriede hätte sich prügeln mögen wegen ihrer Schüchternheit.

Ob sie dem alten Leierkastenmann, der dort mit seinem Stelzfuß näherhumpelte, eine Kornblume anbot? Ach, der besaß ganz sicher kein Geld zu so etwas.

Aber dort der Herr mit dem hellen Sommeranzug, der hatte noch keine Blüte, sicher kaufte er ihr eine ab. Elfriede war es zumute, als ob sie betteln gehen sollte. Der Knicks fiel schnell und verlegen aus.

»Ach bitte!« sagte sie in grenzenloser Befangenheit, dabei hielt sie ihren Korb scheu nach hinten. Der Herr blieb stehen – Elfriedes Herz klopfte höher. Er griff in die Westentasche, aber kein Geldstück zog er hervor, sondern seine Uhr.

»Gleich halb eins, Kleine!« sagte er wohlwollend und ging weiter. Er glaubte nicht anders, als das schüchterne, kleine Mädchen habe ihn nach der Zeit fragen wollen.

Sie stand allein auf der Straße mit ihrem vollen Blumenkorb. Nach einem Weilchen nahte sich endlich wieder jemand. Ein Herr war's, der recht verdrießlich aussah. Der helle Sonnenschein schien ihn zu ärgern, krampfhaft blickte er auf das Straßenpflaster.

Diesmal hielt Elfriede dem sie gar nicht Beachtenden ihren leuchtend blauen Korb kühn entgegen.

»Bitte kaufen Sie doch eine Blume!« bat sie, indem sie eine ihrer Blumen ergriff, und erstaunte selbst über ihre Keckheit.

»Unsinn!« kam es mürrisch als Antwort, dann war auch er vorüber wie all die anderen.

Die unfreundliche Abweisung kränkte Elfriede mehr als das Bewußtsein, noch nichts verkauft zu haben. War sie zudringlich gewesen? Sie kämpfte mit den Tränen. Nun war es um all ihren Mut geschehen. So bald wagte sie sich nicht wieder an jemand heran.

Ob Hildegard schon mit ihrem Vorrat zu Ende war? Die leckeren Apfelkuchen, die eine andere kaufen mußte, trösteten Elfriede allmählich wieder. Es war ja sehr peinlich, daß sie mit dem vollen Korb wieder nach der Schule mußte, aber schließlich – bei jedem Schlechten ist immer noch was Gutes. Wenn sie die Spenderin der Kuchen hätte sein müssen, das wäre doch viel schlimmer gewesen. Aber mit ganz leerer Büchse mochte sie doch auch nicht vor die anderen treten, ein bißchen klappern mußte es darin.

Halt – dort die gutmütig ausschauende, alte Dame, die gerade um die Ecke bog, an die traute sie sich heran, die würde sie wohl nicht zurückweisen. Elfriede gedachte Mutters Mahnung, ein liebenswürdiges Gesicht zu machen.

»Ach bitte, wollen Sie nicht etwas kaufen?« bat die Kleine so freundlich, wie es ihre Verlegenheit nur zuließ.

Die alte Dame sah ihr auf die Lippen. »Ja, es ist schön, heute zu laufen – wunderschön!« nickte sie dann mit liebem Lächeln.

»Nein, ob Sie nicht so gut sein wollen und eine Kornblume kaufen«, rief Elfriede jetzt mit erhobener Stimme und hielt der schwerhörigen Dame ihren Korb hin.

»Dorn – nein, mein liebes Kind, diese Blumen haben keine Dornen«, sagte jene beruhigend und ging weiter. Elfriede blieb zurück. Sie gab eine Verständigung auf. Traurig dachte sie darüber nach, was sie für ein Pech hatte.

»Ach, die vielen, schönen Kornblumen!« klang es da sehnsüchtig neben ihr.

Ein kleiner, blasser Junge war's, barfuß, das Jäckchen ausgewachsen, die Höschen geflickt.

»Kaufe dir doch eine Blume, Kleiner,« sagte Elfriede freundlich, »sie kostet nur zehn Pfennige.«

Der Junge machte ein betrübtes Gesicht. »Ich habe kein Geld«, erwiderte er kleinlaut und kehrte zum Beweis seine zerlöcherten Hosentaschen um.

»Ja, ohne Geld kann ich dir keine Kornblume geben.« Elfriede ließ ihren so wenig zahlungsfähigen Käufer stehen und ging weiter.

Der aber lief getreulich neben ihr her.

»Ach bitte, bitte – man bloß eine einzige, du hast doch noch so viele«, bettelte er.

»Was tust du denn mit der Blume, du wirfst sie doch bloß weg«, versuchte Elfriede zu trösten.

»Nee – nee – wirklich nich – Mutter is krank, der will ich sie mitbringen«, sagte der Kleine treuherzig. »Du behältst ja noch solche Menge«, setzte er schnell hinzu, als er sah, daß die junge Verkäuferin schwankend wurde.

Elfriede hatte ein mitleidiges Herz. Das Kerlchen tat ihr leid. Verschenken durfte sie von den ihr zum Verkauf anvertrauten Blumen keine, aber zehn Pfennige besaß sie selbst gerade noch. Die konnte sie dafür in die Büchse werfen.

Sie zog gewissenhaft ihr kleines Portemonnaie heraus, entnahm ihm den letzten Groschen und warf ihn als erste Käuferin in ihre Büchse. Dann aber reichte sie dem glückstrahlenden Jungen die schönste Kornblume. Mit freudigem »Villen Dank ooch« eilte der Kleine davon.

An der Ecke traf er auf einen Trupp größerer Jungen. Die Schule drüben war gerade aus, von der Garnisonkirche schlug es ein Uhr. Einer von den Großen machte Miene, ihm die Kornblume fortzunehmen.

»Wo hast du sie her? Gekauft hast du die sicher nicht, also hast du sie gemaust?«

»Nee,« heulte der Kleine, »das Mädel da hat sie mir geschenkt, wirklich geschenkt!«

Der Große ließ den Kleinen los. Was – hier wurden Kornblumen verschenkt – hallo – da waren sie auch alle dabei! Heute wollte jeder eine blaue Blume besitzen.

Elfriede, die schüchterne, kleine Elfriede wußte nicht, wie ihr geschah. Im Nu sah sie sich plötzlich von einer Horde johlender Jungen umringt.

»Eine Kornblume – schenke uns auch eine Kornblume!« so riefen und schrien sie durcheinander. Kecke, tintenbeschmierte Jungenhände griffen nach ihrem Blütenschatz.

»Laßt sein – nicht doch – bitte nicht – ich darf nichts verschenken!« Ihr ängstliches Sümmchen verhallte ungehört in dem Lärmen und Toben.

Ein langer, dreister Lümmel riß ihr einige Blumen aus dem Korb, lachend stob er damit davon. Und immer neue Jungen eilten aus dem Schultor heraus. Ein großer Kreis hatte sich schon um die arme Elfriede versammelt. »Eine Kornblume – nur eine!« so baten die bescheidenen, während sich die unverschämten einfach ihr Teil nahmen und fortliefen.

Das Mädchen wußte sich keinen Rat mehr, als es seinen Korb so geplündert sah.

Bitterlich fing es an zu weinen.

»Nanu, was ist denn hier für ein Auflauf?« Eine Männerstimme übertönte das Gejohle. Zwei Herren drangen durch den jetzt ängstlich zurückweichenden Jungenhaufen bis zu dem weinenden. jungen Mädchen hin.

»Warum weinst du, mein Kind?« fragte der eine und streichelte mitleidig den glatten, braunen Scheitel der Kleinen.

Vertrauensvoll hob Elfriede die schwimmenden Blauaugen. »Keine einzige Kornblume habe ich bisher verkauft, und nun nehmen mir die abscheulichen Jungen alle weg«, klagte sie schluchzend.

»Schämt ihr euch gar nicht, Jungens, ein wehrloses Mädel anzugreifen?« donnerte der Herr, der so freundlich zu Elfriede gesprochen hatte.

»Wir wollen ja bloß ein paar Blumen geschenkt haben – sie hat einem andern Jungen auch eine gegeben!« klang es verteidigend hier und da.

»Nein, ich habe mein eigenes Geld dafür in die Büchse geworfen, weil der Kleine die Blume seiner kranken Mutter bringen wollte«, erklärte Elfriede eifrig; sie hatte ihrem Beschützer gegenüber jetzt alle Verlegenheit verloren.

»Und weiter hast du noch nichts verkauft, Kind?«

Elfriede schüttelte wieder betrübt den Kopf.

»Na, da werde ich wohl mal für dich verkaufen müssen, weil du solch braves, kleines Mädel bist«, sagte der Herr lächelnd. Er nahm die Büchse und warf mehrere blanke Goldstücke hinein, die betrugen weit mehr, als die sämtlichen Kornblumen wert waren. Dann aber griff er nach ihrem Korb.

»So, nun kommt her, ihr Schlingel!« Lachend verteilte er die Blumen unter den jubelnd danach Greifenden.

Wo kamen bloß die vielen Kinder plötzlich her? Von allen Seiten rannten sie zu der Ecke, wo sich der unverhoffte Kornblumenregen ergoß. Im Umschauen war Elfriedes Korb leer.

»Na, Kleine, nun ist wieder Sonnenschein!« Lustig wandte sich der Herr der kleinen Verkäuferin zu und gab ihr den leeren Korb zurück. Die aber blickte mit entsetzten Augen darauf und von dort zu dem Schaufenster, vor dem sie gerade standen.

»Lieber Himmel, die Apfelkuchen!« entfuhr es ihr erschreckt, auf die süße Herrlichkeit angstvoll weisend.

»Apfelkuchen?« Dem Herrn schien die Sache großen Spaß zu machen, »was hat's denn damit für eine Bewandtnis?«

Elfriede hatte solch großes Vertrauen zu ihrem Retter in der Not gefaßt, daß sie ihm von der Wette in der Schule berichtete. Gewiß hatte noch keine andere ihre Blumen ausverkauft, es sollte ja nachmittags weiter feilgeboten werden. Sie war sicher die erste und hatte nun die Ehre – die Blauaugen begannen über die zweifelhafte Ehre wieder zu tropfen – zehn Apfelkuchen spenden zu müssen. Dabei hatte sie ihren letzten Groschen in die Büchse geworfen.

Der fremde Herr lachte hellauf. Dann sprach er einige leise Worte zu seinem Begleiter. Beide verschwanden in der Konditorei und kehrten bald mit einem umfangreichen Paket zurück.

»So, Kleinchen, nun laßt euch die Apfelkuchen gutschmecken; da ich die Blumen verkauft habe, muß ich auch die Wette bezahlen!« Damit legte Elfriedes Beschützer das süße Paket in das leere Körbchen des kleinen Mädchens. Ehe Elfriede noch danken konnte, schritten beide Herren durch die Kinderschar davon.

Elfriede, in einem wahren Taumel von Glück, eilte, den Korb mit den Apfelkuchen fest an ihr Herz gepreßt, ihrer Schule zu. Dort waren auch die anderen wieder eingetroffen, doch kein Korb war ganz geleert.

Die schüchterne, bescheidene Elfriede wurde allgemein angestaunt. Die Apfelkuchen aber schmeckten herrlich.



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