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Fünftes Kapitel

Oeffentliche Vorlesungen.

Von vielen Seiten aufgefordert, vereinigten sich Mark Twain und George W. Cable im Jahre 1884 zu einer Rundreise durch die Vereinigten Staaten, um Vorlesungen aus ihren eigenen Werken zu halten. Ueberall, wohin die beiden Schriftsteller kamen, wurden sie mit Freuden aufgenommen und fanden volle Häuser. Wie wir bereits wissen, war für Mark Twain ein solches öffentliches Auftreten nichts Neues; schon 1866 und 1867 hatte er in Nevada und Kalifornien eine Reihe von Vorlesungen gehalten, sich auch bei verschiedenen Gelegenheiten in England vor einem größeren Publikum hören lassen. Sehr beliebt war er auch als Tischredner bei Festessen, seine Toaste in Boston und New York hatten Aufsehen erregt, auch seine Shakespearevorlesungen rühmte man als meisterhaft.

Die obenerwähnte Vorlesungstour dauerte fünf Monate und es trug sich manches Spaßhafte dabei zu. Als Clemens und Cable nach Albany, der Hauptstadt des Staates New York, kamen, machten sie dort in Gesellschaft mehrerer anderer Herren dem Gouverneur ihre Aufwartung und wollten auch das Kapitol besuchen. Der Generaladjutant war ausgegangen und sie mußten im Bureau auf seine Rückkehr warten. Clemens ließ sich behaglich an einem der Schreibtische nieder, die andern Herren setzten sich gleichfalls und bald war eine heitere Unterhaltung im Gange. Da kamen plötzlich von allen Seiten wohl ein Dutzend Schreiber und Beamte, die in der Abteilung beschäftigt waren, ins Bureau gestürzt, um nach ihrem Begehr zu fragen. Die Mitglieder der Gesellschaft sahen einander verwundert an, sie begriffen nicht, um was es sich handeln könne. Bald jedoch stellte es sich heraus, daß Mark Twain zufällig oder absichtlich auf den elektrischen Klingeln Platz genommen und die ganze Reihe auf einmal in Bewegung gesetzt hatte.

In Montreal befanden sich unter Mark Twains Zuhörern viele Franzosen; dies veranlaßte ihn zu folgender Anrede:

»Die hier anwesenden Gäste sind der größten Anzahl nach Franzosen; es wird daher wohl angemessen sein, daß ich wenigstens einen Teil meiner Rede in ihrer schönen Sprache halte, um doch einigermaßen verstanden zu werden. Mich überfällt immer eine gewisse Blödigkeit, wenn ich französisch sprechen soll; nur wenn ich in Aufregung gerate, geht es fließend. Auch bin ich, soviel ich weiß, noch nie für einen Franzosen gehalten worden, wenigstens nicht von Menschen, höchstens von Pferden. Ich hatte früher gehofft, mich durch den französischen Satzbau allein schon verständlich machen zu können, aber, der Versuch, welchen ich einmal in Quebec damit anstellte, mißlang gänzlich. Als das Dienstmädchen mir öffnete, fragte ich: ›Herr Soundso, ist er bei sich?‹ – Sie verstand mich nicht. Ich fuhr fort: ›Ist es, daß er noch nicht ist zurückgekehrt nach seinem Haus der Geschäfte?‹ – Sie begriff mich noch immer nicht. ›Er wird sein trostlos, wenn er hört, daß sein Freund Amerikaner ist angekommen und er nicht bei sich, ihm zu schütteln die Hand.‹ Selbst das verstand sie nicht – weshalb, ist mir unbegreiflich. Ja, sie wurde sogar ärgerlich und als ihr jemand von hinten zurief: ›Wer ist denn da?‹ erwiderte sie kurz: ›Ein Narr!‹ und schlug mir die Thür vor der Nase zu. – Vielleicht hatte sie nicht unrecht; aber wie konnte sie es wissen – sie sah mich doch zum allererstenmal! – Wie gesagt, ich möchte bei diesem Vortrag meinen Gefühlen gern auf Französisch Luft machen, aber ganz schmucklos, ohne alle blumigen Redensarten, denn nach meiner Meinung ist edle Einfachheit die größte Zierde jedes litterarischen Erzeugnisses! also: J'ai un beau bouton de mon oncle, mais je n'ai pas celui du charpentier. Sie vous avez le frommage du brave menuisier, c'est bon; mais si vous ne l'avez pas, ne vous désolez pas, prenez le chapeau de drap nour de son beaufrère malade. Tout à l'heure! Savoir faire! Qu'est ce que vous dites? Pâté de foie gras. Revenons à nos moutons. Pardon messieurs, pardonnez moi; j'ai essayé de parler la belle langue d'Ollendorf, aber das macht mir mehr Mühe, als Sie sich vorstellen können. Glauben Sie mir, ich habe es in bester Absicht gethan und so gut ich irgend konnte.« – Von seinen bekanntesten Tischreden erwähnen wir nur einen Toast auf das ›Weib‹. Er sagt dabei unter anderem folgendes:

»Die Tochter der modernen Zivilisation ist das kostbarste und auserlesenste Wunder, das uns je vorgekommen ist. Um sie zu erzeugen, müssen alle Länder, alle Zonen, alle Künste ihren Beitrag liefern: Ihr Weißzeug ist aus Belfast, ihr Kleid aus Paris, ihr Fächer aus Japan, ihr Bouquethalter aus China, ihre Uhr aus Genf, ihr Haar aus – ja, wo ihr Haar her ist, habe ich nie ausfindig machen können. Ich meine natürlich nicht ihr gewöhnliches Haar, mit dem sie zu Bette geht, sondern ihr Sonntagshaar, das Ding, das sie zusammendreht und dann immer rund um den Kopf wickelt wie einen Bienenkorb, unter dem sie zuletzt das Ende verschwinden läßt ...«

Bald nachdem Clemens wieder nach Hartford zurückgekehrt war, suchte ihn dort ein angesehener Verleger auf, der von ihm einen literarischen Beitrag zu haben wünschte und sich erbot, jeden Preis dafür zu zahlen, den der Humorist fordern würde.

»Wissen Sie,« erwiderte ihm Mark Twain in seiner schleppenden Weise, »eben erst habe ich mir ein schauderhaft dickes Buch vom Halse geschrieben und den Bewohnern dieses unglücklichen Landes eine endlose Reihe Vorlesungen auf den Hals gejagt; mir ist zu Mute wie einer Riesenschlange, die einen Ziegenbock verschluckt hat. Ich muß wenigstens ein halbes Jahr still liegen, ohne auch nur den Schwanz zu rühren.«

Das sollte seine abschlägige Antwort bedeuten.


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