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Tante Huspik

»Wieder ein Schritt vorwärts!« Das waren die Worte, mit denen Pucki den Bericht ihres Gatten entgegennahm, wenn er über die Verwirklichung seiner Pläne sprach. Sie hatte sich die Errichtung der Klinik ganz einfach gedacht: Es wurde ein Haus gebaut – Baugelder gab es genug – und dann begann Claus in diesem Hause mit seiner Praxis. Die Patienten würden sich schon einstellen. Sie gönnte plötzlich dem zweiten Rahnsburger Arzt, Doktor Ucker, alle leichteren Krankheitsfälle. Für ihren Claus sollten alle schwierigen Fälle bleiben, große Operationen, die ja erheblich mehr Geld einbrachten als die Behandlung einer verstauchten Zehe oder eines schlimmen Fingers.

»Wenn uns das Glück hold ist, Claus, bekommen wir einmal in unsere Klinik einen Millionär. Wenn er dann seine Rechnung bezahlt, können wir eine Hypothek oder sonst eine Schuld abstoßen.«

»Wie sollte ein Millionär nach Rahnsburg kommen, Pucki?«

»Sehr einfach – durch Eberhards Braut. Sie ist eine Amerikanerin und hat schwerreiche Eltern, sie muß etwas für uns tun. Genug Amerikaner reisen in Deutschland umher. Wenn sie erst wissen, daß in Rahnsburg ein so guter Chirurg wohnt, werden sie schon kommen. Alles ist Glückszufall!«

»Du kannst ja einmal mit Mary darüber reden. Die Eltern erwarten sie jeden Tag in Rotenburg; sie werden gewiß einmal zu uns herüberkommen. Eberhard wird uns seine Braut ganz bestimmt vorstellen.«

»Claus, ich habe ein wenig Angst vor ihr.«

»Aber warum denn nur?«

»Sie ist schwerreich, und reiche Leute – –. Ach, Claus, du weißt ja, was ich meine.«

»Ich glaube, daß Mary anders geartet ist als Frau Elzabel.«

»Na, Reichtum wirkt oft ungünstig auf die Menschen ein.«

»Nach der Beschreibung Eberhards bist du sehr im Irrtum, Pucki.«

»Eberhard ist ihr Bräutigam, und er ist verliebt, er sieht das nicht. Außerdem ist er jetzt auch reich, das wird ihm zu Kopf gestiegen sein.«

Claus räusperte sich vernehmbar und lächelte.

»Kannst es schon glauben«, sagte Pucki wichtig. »Es ist doch nichts Wunderbares, wenn ein Mann, der von heute auf morgen dreißigtausend Mark bekommt, ein wenig närrisch wird.«

»Und dein Claus? Er hat auch dreißigtausend Mark bekommen.«

»Ach – du! – Du bist ganz anders! Eberhard hätte uns wirklich von seiner Erbschaft etwas abgeben können, damit wir keine Schwierigkeiten beim Einrichten der Klinik haben.«

»Aber Pucki! Im übrigen glaube ich, sind die pekuniären Schwierigkeiten lange nicht so groß, wie du sie dir vorstellst. Wir beginnen ganz bescheiden. Wir müssen natürlich Umbauten vornehmen – –«

»Umbauten? – Claus, bauen wir nicht neu?«

»Ich glaube – nein. Ich habe mir schon zweimal das neue Haus in der Pappelallee angesehen. Du kennst es, es hat ein flaches Dach und große vierteilige Fenster. Der Besitzer, der es vor zwei Jahren errichten ließ, will es wieder verkaufen. Dieses Haus dürfte sich gut für meine Zwecke eignen.«

»Ich habe eigentlich an einen weißen Sandsteinbau gedacht, mit einem Säuleneingang und einem kleinen Türmchen an jeder Hausecke – –«

»Dieses Haus ist wieder eins deiner Luftschlösser, Pucki!«

»Ich habe noch eine Bitte an dich, Claus. Der Name Pucki, den ich schon mehr als zwanzig Jahre mit mir herumschleppe, ist gewiß für ein Kind, für ein junges Mädchen, für eine Braut oder auch noch für eine ganz junge Frau sehr nett, aber es geht nun nicht länger, Claus, daß du die Ehefrau eines angesehenen Arztes immer Pucki nennst. Ich heiße Hedwig. – Hedi nannte man mich mitunter, aber auch dieser Name ist –«

»Auch kein Name für eine würdige, vernünftige Frau. Also, wie wünschest du in Zukunft genannt zu werden?«

»Nur ganz schlicht ›Hedwig‹. Hedwiga klingt wohl schöner, aber ich habe so verdrehte Namen bei Frau Elzabel dumm gefunden. So soll es bei Hedwig bleiben. Nun bitte ich dich, Claus, schon von heute an das Wort Pucki aus deinem Gedächtnis zu streichen, denn Karlchen ruft mich auch schon Pucki. – Willst du mir den Gefallen tun?«

»Ich will es versuchen, Pucki.«

»Hedwig, bitte! Wenn nun gar noch Eberhard mit seiner Dollarbraut zu uns kommt, und sie hört den Namen Pucki, Claus – ich möchte es nicht. Du hast mich lange genug Pucki genannt. Es wird dich auch in meinen Worten und Handlungen künftig nichts mehr an die bisherige Pucki erinnern. Von nun an bin ich Hedwig.«

»Es wird mir sehr schwerfallen, Hedwig.«

»Nur in den ersten Wochen. Bis wir die Klinik haben, hast du umgelernt.«

»Also gut, Pucki!«

»Ach, Claus – –«

»Entschuldige, kleine liebe Pucki, ich muß mich erst an Hedwig gewöhnen. Nun, ich werde mir Mühe geben. Doch nun muß ich fort!«

Noch am selben Abend kam aus Rotenburg ein Anruf durch den Fernsprecher, daß Eberhard und seine Braut bei den Eltern eingetroffen seien und wahrscheinlich schon morgen oder übermorgen einen kurzen Besuch in Rahnsburg machen würden.

Claus sagte freudig zu. »Kommt recht bald, wir freuen uns sehr!«

Pucki sollte sogleich von dem bevorstehenden Besuch erfahren. Richtig, nicht Pucki – Frau Hedwig! Er machte die Tür auf und rief fröhlich:

»Hedwig! – Hedwig!«

Pucki stand gerade in der Küche, neben ihr Emilie.

»Hedwig!«

»Der Herr Doktor ruft Sie«, sagte Pucki zu Emilie. Sie hatte nur den Klang im Ohr, ihre Gedanken weilten bei der neuen Klinik.

»Nein, der Herr Doktor ruft Sie, Frau Doktor.«

»Hedwig – Hedwig!« klang es wieder.

Puckis Gesicht färbte sich dunkelrot. Rasch lief sie hinaus in den Flur, um Claus zu fragen, was er wünsche. Niemals durfte er erfahren, wie fremd ihr der eigene Name im Ohr klang.

Claus erzählte ihr von dem bevorstehenden Besuch. »Sie kommen schon? Ich habe noch nichts vorbereitet«, sagte Pucki, »und die Wohnung muß auch erst in Ordnung gebracht werden.«

»Die Wohnung ist doch wunderbar sauber.«

»Davon verstehst du nichts, Claus«, sagte Pucki.

»Wir werden Mary sehr nett aufnehmen –«

»Selbstverständlich, Claus, sie ist ja unsere Schwägerin.«

Sie gab ihm einen zärtlichen Klaps und eilte davon.

Am anderen Morgen wurde die Wohnung, obwohl sie peinlich sauber war, noch einmal sorgfältig aufgeräumt. Dann nahm Pucki Karlchen zur Seite. »Heute kommt ein lieber Onkel und eine gute Tante, der gibst du schön das Händchen. Hörst du, Karlchen!«

»Tante, Tante! Mama, Pucki! – Pucki!« schrie Karlchen.

»Ich bin deine Mama. Wenn du Pucki sagst, gibt es was auf die Händchen.«

Karlchen machte ein pfiffiges Gesicht, blies die Bäckchen auf, lachte lustig und rief vergnügt: »Pucki – Pucki – Pucki!«

»Das mußt du nicht sagen. Ich will dir später die schöne Geschichte von Pucki und Mucki erzählen, von den beiden unartigen Kindern der Waldfrau, aber erst muß ich noch arbeiten!«

Am Vormittag wartete man vergeblich auf den Besuch, und als auch bis vier Uhr noch kein Wagen kam, der die Erwarteten brachte, tranken die Eheleute allein den Nachmittagskaffee. Claus ging dann wieder hinüber, denn seine Sprechstunde begann.

Karlchen bedrängte die Mutter: »Erzählen von Pucki!«

Sie nahm den Knaben auf den Schoß. Die Kindheit stieg vor ihr auf. Einst hatte ihr der Vater das Märchen erzählt, als sie ein kleines Mädchen war. Er sagte dabei, sein Töchterchen Hedi wäre die Waldpucki, deswegen habe sie diesen Namen bekommen.

»Erzählen – erzählen«, drängte Karlchen.

»Also: In einem großen grünen Walde lebte die Waldfrau. Sie hatte zwei Kinder, die beide recht unartig waren. Da fürchtete die Mutter, daß ihre Kinder um so schlimmer würden, je größer sie wurden. Darum ließ sie die Kinder nicht wachsen. Sie blieben so klein, daß sie wie Eichhörnchen auf den Ästen der Bäume herumspazieren konnten. Diese Kinder hießen Pucki und Mucki. Mucki hatte ein großes Horn mitten auf der Stirn, denn Mucki war ganz besonders eigensinnig und hatte gar viele Mucken im Kopf. Das Horn hieß darum das Muckenhorn. – Karlchen, du hast auch mitunter Mucken.«

Da faßte der Knabe nach seiner Stirn: »Kein Horn«, sagte er. »Will kein Horn!«

»Dann sei immer artig. – Aber höre weiter: Mucki und Pucki, die beiden Waldkinder, tanzten alltäglich auf den Zweigen der Bäume umher, warfen die Menschen, die unten vorüberkamen, mit Kienäpfeln und Eicheln und ärgerten jeden Spaziergänger. Das waren Mucki und Pucki, die bösen Kinder der Waldfrau.«

»Nochmal erzählen!«

Pucki wollte erst nicht, doch Karlchen bat so niedlich, daß sie von neuem begann.

Im Sprechzimmer des Gatten stand währenddessen Eberhard mit seiner Braut. Es war gerade niemand im Wartezimmer gewesen, als sie ankamen. Da hatten sie es wie die Patienten gemacht. Nun begrüßten sich die Brüder herzlich. Miß Mary Baeker war eine schlanke, nicht zu große Dame mit schönen braunen Augen und einem klugen Gesicht. Sie wirkte außerordentlich sympathisch, so daß Claus für seine künftige Schwägerin vom ersten Augenblick an herzliche Zuneigung faßte.

»Wir wollen sogleich hinübergehen. Meine Frau freut sich sehr auf euch.«

In diesem Augenblick erschien ein Patient.

»Laß dich nicht stören, Claus«, sagte Eberhard, »ich kenne mich aus. Wir werden uns behutsam hinüber zu Pucki schleichen und sie überraschen.«

»Ich denke, ich komme bald nach.«

Leise betraten beide das Eßzimmer. Aus dem Nebenzimmer hörten sie die Stimme der jungen Frau. Eberhard wollte sogleich weitergehen, da hielt ihn Mary zurück.

»Oh, hörre, was sie sagt!«

»Ach, sie erzählt die Geschichte von Mucki und Pucki. – Pucki wird meine Schwägerin genannt, da sie schon als Kind viel Lust zu tollen Streichen hatte, genau so wie das Kind der Waldfrau.«

»Oh, viel niedlich!«

Im Nebenzimmer erhob Pucki gerade ihre Stimme: »Aber Mucki und Pucki warfen die Vorübergehenden mit Kienäpfeln. Es waren zwei böse, unartige Kinder, die die Menschen ärgerten und ihre Freude daran hatten.«

Eberhard stieß die Tür auf. »Da sind wir, Pucki!«

Rasch setzte die junge Frau den Knaben auf den Teppich. Ihre Blicke gingen über die Schwägerin hin. Pucki sah sofort: Das war ein liebes, freundliches Mädchen mit einem warmen Blick.

»Willkommen, Pucki! – Oh, eine sehr schöne Name, Pucki. – Ich will sein Mucki. Wollen immer zusammenhalten wie der Mucki und der Pucki? – Ist das Kind von ihr?«

»Herzlich willkommen, liebe Schwägerin und lieber Eberhard! – Ja, das ist mein Junge. Karlchen, gib der Tante die Hand.«

»Pucki – Pucki!« schrie der kleine Junge.

»Nein, Karlchen, das ist deine neue Tante.«

Mary kauerte sich nieder. »Good day, little boy! Do you speak english

»Huspik – Huspik!« rief Karlchen, dem nur das »you speak« im Ohr haften geblieben war.

»Das ist eine sehr liebe Tante, Karlchen, das ist Tante Mary.«

Karlchen betrachtete das junge Mädchen forschend, dann rief er lachend wieder:

»Huspik – – Huspik – – Tante Huspik!«

Mary lachte hell auf. »Oh, eine schöne Spaß. – Boy, ich sein Tante Huspik! Immer deine Tante Huspik!«

Die Freundschaft zwischen Mary und Karlchen war rasch geschlossen.

»Oh, ich dir kaufe schöne Sachen, little boy, aus Amerika. – Oh, meine Vater soll bringen mir eine ganze Koffer voll Spielsachen für dich!«

»Ich will rasch den Kaffee bereiten«, sagte Pucki.

»Wird dankend angenommen«, sagte Eberhard. »Wir haben uns viel zu erzählen. Aber schmeiß den Bengel 'raus – –«

»Oh no«, wehrte Mary ab, »süßer Boy bleibt auf mir sitzen.«

Karlchen war es zufrieden. Mary ließ ihn mit der goldenen Armbanduhr spielen und die Handtasche auskramen, in der Karlchen allerlei Sächelchen fand. Sie öffnete ihm willig die Puderdose und hatte ihre Freude an dem Übermut des Kindes.

Gemütlich saß man dann beim Kaffeetisch, und Pucki fragte nach Marys Angehörigen.

»Die Eltern kommen auch her, wenn ich heirate und machen mein Haus schön. Meine sister kann nicht – sie flickt.«

»Sie flickt?«

»Immerzu. – Flickt um die Wette mit eine Mann. Einer immer schneller als die andere.«

Eberhard lachte. »Flickt wohl Hosen«, sagte er.

Pucki schaute fragend von einem zum anderen. »Was flickt sie«, forschte sie endlich.

Mary machte mit der Hand eine Bewegung zum Himmel. »Da oben flickt sie. Hat ein eigenes – Luftschiff.«

Nun war Pucki im Bilde. »Ach – – sie fliegt«, sagte sie gedehnt, »ich hatte wirklich nicht verstanden. Ich werde keine Zeit zum Fliegen haben, ich fahre zwar Auto, aber – wir wollen uns jetzt eine eigene chirurgische Klinik einrichten. Mein Mann hat dreißigtausend Mark geerbt, die können wir nicht besser anlegen als in einem Werk der Nächstenliebe. Hätte mein Mann das Doppelte geerbt, so würde es schneller mit dem Aufbau gehen.« Bei diesen Worten streifte Pucki das Gesicht des Schwagers.

»Warum geht es nicht schnell?«

»Weil wir nicht genügend Geld haben. Wir müssen alles erst verdienen. Wir fangen ohnehin mit Schulden an – –«

»Oh no, Schulden ist schlimm.«

»Ja, Schulden sind sehr schlimm«, seufzte Pucki. »Es ist eben keiner da, der uns Geld geben und uns damit das Leben erleichtern könnte. Dabei würden wir gewiß alles abzahlen.«

»Aha«, lachte Eberhard. »Pucki, ich sehe, du bist die alte geblieben. Wirfst nach wie vor mit Kienäpfeln nach den Menschen, um sie zu ärgern. – Also, wer soll das Geld geben?«

Karlchen, der sich unbeachtet glaubte, patschte mit der Hand auf den Tisch und rief laut: »Tante Huspik – Tante Huspik!«

»Ich soll gebben«, lachte Mary, »der Boy will es so.«

»Nein, o nein«, wehrte Pucki ab, »ich habe nur ganz im allgemeinen gesprochen.«

»Tante Huspik – Tante Huspik!«

»Er hat recht, der little boy – Ich werde schreiben an meine Vater. Meine Vater gibt immerfort Geld. Zu eine große Sporthalle, zu eine große Kaufhaus, warum soll er nicht geben zu eine große Krankenhaus.«

Puckis Herz machte einige Freudenschläge, obgleich sie leises Bangen fühlte. Was würde Claus dazu sagen, wenn er hörte, wie sie sich betragen hatte? Aber Mary ließ nicht mehr nach.

»Soll werden eine wunderschöne Krankenhaus. – O ja, und wenn wir sind einmal krank, kommen wir her. Der Claus gefällt mir serr gut!«

Pucki wagte noch nicht, an solches Glück zu glauben.

»Wie soll die Krankenhaus werden? Eine ganz große Haus?«

»Wir wollen klein anfangen.«

»O nix klein, immer ganz groß, wie drüben in Amerika.«

Die Unterhaltung wurde immer lebhafter. Dann stand plötzlich Claus unter den Redenden und hörte kopfschüttelnd von den gewaltigen Plänen, die hier ausgeheckt wurden. Als Pucki ihn bemerkte, hing sie an seinem Halse. Sie wußte ja nicht, ob er sich freuen oder ob er zürnen würde, weil sie voreilig gewesen war.

»Nun, Hedwig?«

Jäh ließ sie die Arme sinken und wandte sich ab. Jetzt war es ihr klar, daß Claus ihr zürnte. Hedwig nannte er sie nur, wenn sie etwas ganz Schlimmes verbrochen hatte, wie damals, als das neue Auto von ihr verdorben worden war. Sie wagte nicht aufzusehen.

Mary redete immerfort auf Claus ein. Der lächelte wohl dazu, doch war es wohl nur ein Lächeln der Höflichkeit.

»Du sagst ja gar nichts, Hedwig?«

Wie sie dieses Wort schmerzte! Er zürnte ihr, er zürnte ihr wirklich, und sie wollte ihm doch nie mehr Gelegenheit zu einem Vorwurf geben. Was würde er ihr alles sagen, wenn sie wieder allein waren!

»Hast du keinen Likör für uns, liebe Hedwig?«

Rasch eilte sie ins Nebenzimmer und stand vor dem Likörschrank. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich habe es nur gut gemeint. Ist es wirklich so schlimm, wenn reiche Leute zum Wohle der Menschheit Geld beisteuern?« dachte sie.

Sie vergaß, daß man im Nebenzimmer auf den Likör wartete, bis sich plötzlich eine Hand auf ihre Schulter legte.

»Wo bleibst du denn?«

Es war Claus.

»Ach, Claus«, sagte sie aufatmend, »ich habe es nur gut gemeint, und nun zürnst du mir. Ich hatte nur ein wenig von dem Gelde angefangen, und schon war Mary bereit, das Geld von ihrem Vater zu erbitten. Sei mir nicht so furchtbar böse!«

»Ich bin dir ja nicht böse, Pucki.«

Sie fuhr herum. »Du bist mir nicht böse? Warum redest du dann so streng mit mir?«

»Ich? – Aber liebe Pucki!«

»Hedwig nennst du mich immerfort, garstig und unfreundlich rufst du mich Hedwig. – Was habe ich denn Schlimmes getan?«

Jetzt begriff Claus. Er lachte laut auf. »Aber hochverehrte Frau Doktor Gregor, ich denke eine würdige Frau darf nicht mehr Pucki heißen! Wehe dem, der das Wort Pucki braucht! Es paßt nicht mehr für unsere Klinik. Schon jetzt will ich es mir abgewöhnen.«

»Claus, ach Claus! – – Ja, du hast wirklich eine dumme Frau!«

»Also, Frau Hedwig, wie soll es nun werden?«

»Nenne mich wieder Pucki«, bat sie, »ich will für dich bis an mein Lebensende Pucki bleiben. Aber erschrecke mich nicht wieder durch das Wort Hedwig.«

»Gut, so wollen wir auf unsere Pucki fröhlich anstoßen. – Und nun komm, die anderen warten schon.«


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