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Eine schwere Enttäuschung

Pucki war an einem der nächsten Nachmittage nach dem Forsthause Birkenhain gegangen und hatte Karlchen mitgenommen. Schon lange wollte sie diesen Besuch machen, doch stets war etwas dazwischengekommen. Da sie ohnehin an zwei Tagen in der Woche mit Malstunden besetzt war, blieb nur wenig Zeit für Besuche übrig. Heute aber hatte sie sich dazu entschlossen, nicht nur aus Verlangen, mit der Mutter wieder einmal zu plaudern, sondern Pucki wollte einen Anleiheversuch unternehmen; ihre Wirtschaftskasse war leer.

Merkwürdig, daß in letzter Zeit nichts mehr klappte. Sie war bereit gewesen, Claus ein Geständnis wegen ihrer kleinen unüberlegten Verfehlungen abzulegen. Dreimal war es ihr mißglückt. Jedesmal kam etwas dazwischen, meist wurde Claus abgerufen. Das sah Pucki als ein Zeichen dafür an, daß es besser sei, zu schweigen. Aber auch über den Besuch Frau Elzabels bei Claus hatte sie nichts in Erfahrung bringen können. Auf Befragen erklärte er ihr, daß er über berufliche Dinge schweige, sie solle nicht so neugierig sein.

Mit der Erbschaft ging es auch nicht voran. Pucki hatte geglaubt, daß der Nachricht über die Erbschaft sogleich das bare Geld folgen und daß sie es bis Weihnachten längst haben würden. Dem war aber nicht so! Claus erzählte allerlei davon, daß eine so große Summe teilweise festgelegt wäre. Freilich könne er das Geld bekommen, doch erfordere es Zeit und Schreiberei. Nicht einmal die erbetenen dreißig Mark hatte er ihr gegeben, sondern lachend gemeint, in der Weihnachtskasse läge genug Geld, Pucki brauche keine großen Einkäufe zu machen. Sie verstünde es ja, die vorhandenen Gelder einzuteilen. Er werde die dreißig Mark lieber behalten.

Wenn Pucki an diese Weihnachtskasse dachte, wurde ihr schwarz vor Augen. Sie hatte dort eine Anleihe gemacht und damit die Wirtschaftskasse aufgefüllt. Auch ein Paar neue Handschuhe waren gekauft worden, da immerhin die Möglichkeit bestand, daß sie beim Meister erneut mit Frau Elzabel zusammentraf. Dann konnte sie unmöglich ihre alten Trikothandschuhe tragen. Es mußten Handschuhe aus Wildleder sein. Bis Weihnachten konnte sie nicht warten. Da Frau Elzabel bei jedem Besuch frische Blumen für das Atelier mitbrachte, tat Pucki in letzter Zeit ein Gleiches. Die Blumen, die sie wählte, waren teuer; sie wollte doch hinter der schönen Frau Selenko nicht zurückstehen. Sie hatte gehofft, daß sie kurz vor Weihnachten eines ihrer Bilder verkaufen könne und daß Lars Alsen ihr dabei helfen würde. Er erklärte jedoch, daß ihre Leistungen vorläufig noch zu gering seien, als daß sie ihre Bilder zum Verkauf anbieten könne. So mußte Pucki alle Hoffnungen auf Geld begraben. Es blieb ihr nur noch ein Bittgang zur Mutter übrig, damit die ihr über die nächste Zeit hinweghülfe. Wenn erst das ererbte Geld kam, würde ganz heimlich das Loch in der Kasse wieder zugestopft und der Mutter die Schuld zurückgezahlt werden.

Pucki war heute eine recht liebevolle Tochter. Sie ging auf die Gespräche der Mutter bereitwillig ein, wurde aber doch ein wenig unruhig, als Frau Sandler auf den Malunterricht zu sprechen kam.

»Ehe wir weiter darüber reden, Mutti, möchte ich eine Bitte an dich richten. Es ist im Sinne des Meisters, mir ein Atelier einzurichten. Ich würde mehr leisten, mehr schaffen und schneller vorwärts kommen, wenn ich ungestört arbeiten könnte. Das will ich tun. Hier im Forsthaus ist viel Platz. In einer Viertelstunde kann ich hier sein. Ich kann zu jeder Zeit kommen und brauche mich nicht erst anzumelden. Ihr habt keinerlei Kosten dadurch, im Gegenteil, ihr habt später den Ruhm, eine bekannte Malerin eure Tochter zu nennen. – Mutti, überlaste mir eines der hellen Zimmer als Atelier.«

»Ist das wirklich dein Ernst, mein Kind?«

»Mein heiligster Ernst!«

»Was sagt denn Claus dazu?«

»Mutti, man muß in Dingen, die nur mich allein angehen, den starkbeschäftigten Ehemann nicht immer um Rat fragen. Claus ist gleich mir der Ansicht, daß jeder in seinem Arbeitsgebiet selbständig denken und handeln soll. Er läßt mir freie Hand.«

»Es gab einmal ein junges Mädchen, das als Braut den festen Vorsatz faßte, eine gute Gattin zu werden, dem Manne Kameradin zu sein und ihm das Leben nach Möglichkeit zu verschönen. Selbstlosigkeit gelobte die junge Braut. – Als dann geheiratet war, als die junge Frau ein Kindchen erwartete, pries sie sich glücklich. Sie wollte das Kind zu einem braven Menschen erziehen und pochte auf ihr Wissen, das sie sich als Kindergärtnerin erworben hatte.«

»Mutti, ich weiß schon, was du meinst! Ich bin keine schlechte Hausfrau, ich bin auch keine schlechte Mutter. Jede Frau hat aber das Recht, hin und wieder einmal das Haus zu verlassen und das eigene Ich zur Geltung zu bringen. Claus würde seine Frau nicht immer lieben, wenn sie gar so hausbacken wäre oder fortwährend von Kindern erzählte.«

»Pucki, im Frühling wird Karlchen ein Brüderchen oder ein Schwesterchen haben. Dein Pflichtenkreis wird größer, deine Arbeiten vermehren sich –«

»Bis dahin haben wir die dreißigtausend Mark bekommen. Der Haushalt wird umgestellt. Vielleicht ziehen wir aus Rahnsburg fort.«

»So? – Davon habe ich noch nichts gehört.«

»Du weißt doch, wie gern Claus Chirurg werden wollte. Auf die Dauer kann ihn die Tätigkeit als praktischer Arzt nicht befriedigen. Es sind Festtage für ihn, wenn er nach dem Kreiskrankenhaus gerufen wird, um bei einer Operation zu helfen. Zu jedem Chirurgenkongreß fährt er, damit sein Wissen nicht einrostet. Claus wird Chirurg werden, er sucht eine Anstellung in einer großen Stadt.«

»Pucki, du betrübst mich sehr mit deinen Worten.«

»Mutti, vorläufig ziehen wir noch nicht fort, denn das Geld haben wir noch nicht. Da es aber einmal kommen wird, weißt du – es ist doch eine große Freude, wenn uns plötzlich dreißigtausend Mark vom Himmel fallen. – Da uns diese Freude bevorsteht, möchte ich – – nun, so will man sich auch – – Mutti, ich brauche etwas Geld im voraus. Ich gebe es dir mit Zinsen zurück. – Bitte, gib mir fünfzig – nein, sechzig Mark.«

»Warum wendest du dich nicht an Claus, mein Kind?«

»Überraschungen behält man gern für sich allein.«

»Du willst deinem Manne zu Weihnachten etwas Besonderes schenken?«

Pucki legte ihre Wange an die der Mutter. »Muttichen, bitte, laß mir mein Geheimnis. – Ich möchte dich nicht beschwindeln. Ich habe wirklich in letzter Zeit genug schwindeln müssen, das hängt mir schon zum Halse heraus! – Bitte, gib mir die siebzig Mark.«

»Das wird ja immer mehr!«

»Ach, Mutti«, klang es leichtsinnig zurück, »was sind denn lumpige siebzig Mark, wo mir dreißigtausend in den Schoß fallen!«

»Ich will dir das Geld gerne geben, Pucki, wenn du es brauchst, um Freude damit zu machen. Da du aber ein wenig leichtsinnig bist, mein Kind, mußt du dafür sorgen, daß du den Betrag wieder an mich zurückzahlst. Ich habe mich stets bemüht, euch Sparsamkeit beizubringen.«

»Kleinigkeit, liebe Mutti, du bekommst hundert Mark zurück. – Es kommt uns nicht darauf an. – Ach, ich bin ja so froh, daß nun alles wieder in Ordnung ist!«

»Und ich bitte dich herzlich, mein liebes Kind, einmal recht gründlich zu überlegen, ob es nicht die schönste Weihnachtsfreude für deinen guten Mann wäre, wenn du die Malstunden einstelltest.«

»Mutti, hat sich Claus beklagt?«

»Nicht beklagt, mein Kind. Er hofft nur, gleich mir, daß du bald wieder zur Vernunft kommst und dich auf deine ureigenste Bestimmung besinnst.«

»Na, wenn ich ihm zu Weihnachten mein erstes Bild schenke, wird er anderer Meinung werden. Ich habe allerdings noch viel daran zu arbeiten und muß jede freie Stunde ausnutzen, um das Bild fertigzustellen.«

»Hoffentlich leidet Karlchen nicht darunter.«

»Mutti, wo denkst du hin, Karlchen geht daheim nichts ab. Dazu bin ich eine viel zu gute Mutter und werde mein Familienglück nicht aufs Spiel setzen!«

Beim Scheiden aus dem Forsthause trug Pucki zwar die siebzig Mark in der Tasche, aber die Erlaubnis zur Einrichtung eines Ateliers im Forsthaus war ihr nicht gegeben worden. Frau Sandler hielt es nicht für richtig, daß Pucki mehrmals in der Woche zu ihr kam, nur um einer Laune zu genügen. So beschloß Pucki, auch weiterhin im Wohnzimmer zu malen und dafür jene Stunden zu wählen, in denen Claus seine Sprechstunden abhielt. Sie würde die Zimmertür abschließen, damit sie von ihm nicht überrascht würde. Sie duldete auch keine anderen Störungen. Karlchen mußte entweder von Emilie betreut werden, oder er bekam eine Menge neues Spielzeug in seine Boxe, damit er ruhig war. Trotzdem wollte sie in der kommenden Stunde einmal ein ernstes Wort mit dem Meister reden, ob er ihr wirklich die Zusicherung geben könne, daß sie es in der Malerei zu einer achtbaren Leistung bringen könne. Insgeheim träumte sie sich noch immer in die Rolle einer großen Künstlerin hinein. Lars Alsen mußte jetzt nach so vielen Stunden ihre Fähigkeiten beurteilen können.

Bis vor kurzem hatte Pucki den Wunsch gehabt, Frau Elzabel nicht wiederzusehen. Seit ihr aber die Gewißheit war, daß Claus dreißigtausend Mark geerbt hatte, brannte sie förmlich darauf, die elegante Frau wiederzusehen, um ihr von dem vielen Geld zu erzählen. Sie wollte gerne ein wenig mit ihren Plänen prahlen, die sie hatte, von dem Umzug nach der Großstadt, und davon, daß sie in Zukunft große Reisen machen würde, genau so wie Frau Selenko. Aber vormittags kam Pucki nicht nach Holzau. Ja, wenn sie sich zur Heimfahrt ein Auto nehmen könnte, wäre es gegangen. Doch das war zu teuer. Das Geld zerrann ohnehin unter ihren Fingern, da ihre Ansprüche von Woche zu Woche stiegen.

Der Meister erfuhr von der Erbschaft ziemlich bald. »Ich weiß nicht, wie lange ich hier noch Malstunden nehmen werde«, sagte Pucki in einer der nächsten Stunden, »bis Ostern werden wir natürlich noch hierbleiben. – Hat sich Frau Selenko wieder sehen lassen?«

»Ich habe das Bild von ihr fertiggestellt, trotzdem besucht sie mich noch hin und wieder.«

»Aus unserem Festessen ist leider nichts geworden, Meister. Vielleicht lade ich Sie dafür demnächst einmal ein. Ich warte nur darauf, daß mein Mann einmal Zeit hat.«

Der weißhaarige Künstler legte Pucki väterlich die Hand auf die Schulter. »Darf ich einmal wie ein guter Freund zu Ihnen reden, Frau Doktor Gregor?«

»Bitte, Meister.«

»Werden Sie dem alten Manne, der es gut mit Ihnen meint, nicht böse sein?«

»Niemals!«

»Wenn ich es nicht gut mit Ihnen meinen würde, kleine Frau, dann, würde ich jetzt gar nichts sagen, aber – Sie sind wirklich wie ein Heckenröslein. Sie können die Menschen durch Ihre Natürlichkeit entzücken. Mit Ihren dreiundzwanzig Jahren –«

»Ach, Meister, ich weiß schon, was Sie sagen wollen! Frau Selenko hat wohl über mich gelächelt, ich bin ihr wahrscheinlich nicht elegant genug. Doch das wird anders, wenn wir erst das viele Geld bekommen haben. Einige Wochen wird es natürlich noch dauern.«

»Mir können Sie von dem Gelde meinetwegen in jeder Unterrichtsstunde erzählen, liebe kleine Frau, aber Frau Selenko gegenüber ist es besser, wenn Sie schweigen. Es ist wahrhaftig keine Schande, wenn ein Mensch mit dem Reichtum anderer nicht Schritt halten kann. Sie haben Ihre behagliche Häuslichkeit, Sie brauchen den Luxus gar nicht, um sich zu betäuben. Geld macht nicht glücklich! Sie schämten sich damals, als Sie Frau Elzabel kennenlernten, daß Sie nicht auch so reich seien wie sie. Da haben Sie ein wenig aufgeschnitten und geschwindelt.«

»Ich? Meister, wie kommen Sie darauf?«

»Frau Selenko weiß genau, in welchen Verhältnissen Sie leben. Wenn Sie ihr nun wieder das Märchen von einer Erbschaft erzählen –«

»Ein Märchen?« flammte Pucki auf.

»Wird Frau Elzabel Sie wieder ein wenig an der Nase herumführen«, fuhr der Maler unbeirrt fort, »und Ihnen abermals einen Schabernack spielen. Ich will nichts Schlechtes über Frau Selenko sagen, aber sie ist nun einmal ein Kind der Großstadt. Sie langweilt sich, sie will ihren Spaß haben – und dazu sind Sie mir zu schade, liebe kleine Frau Doktor Gregor. Frau Elzabel mag sich ein anderes Opfer aussuchen.«

Aus Puckis Wangen wich langsam die Farbe. Sie wurde von Frau Selenko verspottet, verlacht, gehänselt? Freilich, die schöne Frau hatte Claus aufgesucht und das Doktorhaus gesehen. Sie wußte längst, daß Pucki in einem bescheidenen Wohlstand lebte.

»Wir haben dreißigtausend Mark geerbt, das ist kein Märchen«, rief Pucki erregt.

»Lassen Sie es gut sein, Frau Doktor Gregor.«

Pucki begann zu weinen. »Es ist wirklich und wahrhaftig wahr! In Bremen hat Onkel Max gelebt; mein Mann bekommt die Summe von dreißigtausend Mark, und Eberhard, sein Bruder, der Schiffsingenieur ist, erhält die gleiche Summe. Wenn Sie es mir nicht glauben wollen, bringe ich Ihnen von meinem Manne die Bestätigung.«

Lars Alsen wandte sich ab, er wollte der kleinen heftigen Frau nicht ins Gesicht lachen. »Wenn's so ist«, sagte er nach längerem Schweigen, »dann freue ich mich aufrichtig! Ich würde trotzdem nicht zu Frau Selenko davon reden.«

Pucki stampfte mit dem Fuß auf den Boden. »Nun erzähle ich es gerade! Ich lasse mich von ihr nicht verhöhnen. – Meister, wann kommt sie wieder hierher?«

»Liebe Frau Doktor Gregor – –«

»Wann kommt sie wieder her? Jetzt werde ich mit ihr ins Hotel Hensel gehen, jetzt werde ich sie einladen, und Sie kommen mit, Meister!«

»Ich glaube, Sie haben mich mißverstanden, Frau Doktor. – Frau Selenko hat es nicht so gemeint, wie Sie es auffassen! Sie spöttelte nur ein wenig, aber –«

»Ich lasse mich nicht verhöhnen! Mein Mann verdient viel Geld. Wir haben ein Auto – und jetzt erben wir noch! Es ist noch gar nicht heraus, ob wir nicht eine eigene Villa bekommen. Außerdem führen wir ein glückliches Familienleben, das Frau Selenko entbehren muß. Familienglück ist Millionen wert! Wenn sie sich einbildet, daß sie reicher ist als ich – –«

»Ereifern Sie sich nicht so, Frau Doktor Gregor!«

»Weil sie einen Pelzmantel hat, der furchtbar teuer ist, weil sie sich von Ihnen in großer Aufmachung malen läßt, bildet sie sich etwas ein. – Das könnte ich auch, wenn ich wollte! Ich könnte mir auch solch ein schönes Spitzenkleid kaufen, aber ich will nicht, ich bin keine Großstadtpflanze, ich lege mehr Wert auf inneres Glück. – Ja, inneres Glück ist das Wichtigste, und das will ich ihr sagen!«

»Wollen wir nicht endlich mit der Malstunde beginnen?«

»In dieser seelischen Verfassung? Nein, Meister, ich bin viel zu erregt. – Frau Selenko können Sie sagen, daß ich sie erwarte.«

Lars Alsen war hinter seine Staffelei getreten und verhielt sich ruhig. Die kleine erregte Frau tat ihm leid. Das war Unverdorbenheit und Temperament, wie er es liebte. Aber Zügel brauchte die junge Frau, sonst ging der Verstand mit ihr durch.

Diese beiden Frauen paßten nicht zueinander. Frau Doktor Gregor brachte es fertig, der anderen allen Unmut ins Gesicht zu schleudern. Es war daher besser, wenn er ein neues Zusammentreffen verhinderte. Da klang schon wieder die erregte Stimme der jungen Frau.

»Also wann, Meister, wollen wir zu Hensel zum Essen gehen? Bestimmen Sie den Tag!«

»Vielleicht einmal abends«, sagte Lars Alsen ausweichend. »Frau Selenko wird Sie in ihrem Wagen abholen. Ihren prächtigen Mann bringen Sie aber mit.«

»An meinem Mann wird ihr mehr liegen als an mir. – Nein, ich komme ohne meinen Mann! Ich bin ohnehin schon erregt darüber, daß sie ihn aufsuchte. Es gibt in Holzau Ärzte genug. – Das war nur eine Niedertracht von ihr, und auch das will ich ihr sagen!«

»Ich gebe Ihnen Nachricht, Frau Doktor. Sobald Frau Selenko einmal bei mir ist, spreche ich mit ihr darüber. Sie müssen allerdings berücksichtigen, daß ich abends wenig Zeit habe und daß es ein Weilchen dauern wird, bis ich mich freimachen kann.«

»Es muß bald sein!«

»Ich werde mein Möglichstes tun. – Und nun wollen wir an die Arbeit gehen.«

»Meister, da wir heute ohnehin schon diese peinliche Unterredung hatten, möchte ich noch eine Frage an Sie richten. Ich habe den festen Willen, eine anerkannte Malerin zu werden. – Glauben Sie, daß ich es zu etwas bringen werde?«

»Hm – –.«

»Meister, Sie sprachen soeben ganz offen mit mir. Der berühmte Kunstmaler Rogaten – Sie kennen ihn doch?«

»Wer sollte diesen Namen nicht kennen?«

»Dieser berühmte Maler sagte: ›Sie haben Talent.‹ Daraufhin habe ich Malstunden bei Ihnen genommen, denn ich will meinem Manne helfen, will auch mitverdienen. Das ist zwar jetzt nicht mehr nötig, da wir ja geerbt haben, aber ich möchte ihn doch erfreuen – überraschen –«

»Es wird Ihren Gatten gewiß freuen, wenn Sie ihm ein Bildchen malen. Sie versuchten ja schon, Ihren Knaben auf die Leinwand zu bringen. Das ist eine nette Erinnerung. Aber gerade Sie, liebe Frau Doktor, werden gewiß nicht die Absicht haben, Ihre ganze Kraft in Zukunft der Kunst zu widmen. Sie brauchen nicht nach Ruhm zu streben, Sie haben ja bereits ein großes Glück – das nicht mit Millionen zu bezahlen ist.« Ein Schmunzeln lag um den Mund des Künstlers. »Machen Sie sich keine Illusionen! Wenn Ihnen die Malstunden Freude bereiten, dann kommen Sie so lange zu mir, bis Sie von anderen Pflichten fortgerufen werden.«

»Ich möchte über mein Talent etwas wissen.«

Lars Alsen zuckte leicht mit den Schultern. »Sie sind erst seit wenigen Wochen meine Schülerin, Frau Doktor, also eine große Anfängerin. Wie kann ich heute schon wissen, wie Sie sich entwickeln werden!«

»Man sagt doch, das Talent macht sich schon im Anfängerstadium bemerkbar. Seien Sie ehrlich, Meister!«

»Wenn ich ehrlich sein soll – – Nein, kleine liebe Frau, ich möchte keine falschen Erwartungen in Ihnen erwecken!«

Pucki ließ die Hand, die den Pinsel hielt, sinken. Trostlos schaute sie vor sich nieder. Lars Alsen klopfte ihr begütigend auf die Schulter. »Ist das so schlimm, Frau Doktor? Sie brauchen nicht mitzuverdienen. Sehen wir zu, daß wir Ihr Bild bis zum Weihnachtsfest beenden. Dann schenken Sie es Ihrem Gatten und – alles andere findet sich!«

Pucki war recht kleinlaut geworden. »Meister, trotzdem werde ich die Malstunden fortsetzen, denn – ich kann nicht aufhören, ich darf es auch nicht. Man würde mich auslachen, genau so, wie mich Frau Elzabel ausgelacht hat, und – das ertrüge ich nicht. Ich werde versuchen, durch eisernen Fleiß zu erzwingen, was mir sonst versagt ist.«


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