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Gustav Adolf und Deutschlands Freiheit.

Vortrag, gehalten am 9. Dezember 1894 in der Sing-Akademie zu Berlin.

[Besonders erschienen: Leipzig, S. Hirzel. 1895.]

Hochansehnliche Versammlung!

Überall, wo auf deutschem Boden das Lied erklingt »Eine feste Burg ist unser Gott«, gedenken heute fromme Herzen des Tages, der einst unserer evangelischen Freiheit den Retter schenkte. Wohl empfinden wir schmerzlich als einen Nachhall alten deutschen Bruderzwistes, daß nur ein Teil der Nation an dieser Feier mitwirken kann, manche wackere Landsleute sie wohl gar wie einen Landesverrat verabscheuen. Wir aber wollen uns die Freude an dem nordischen Helden nicht darum stören lassen, weil er ein Fremder war und der Stern seines Ruhmes gerade in den dunkelsten Tagen unserer vaterländischen Vergangenheit hell aufleuchtete. In scharfem Gegensatze zu der nationalen Einseitigkeit des klassischen Altertums zeigt die christliche Völkergeschichte ein ewiges Geben und Empfangen, eine beständige Verkettung der allgemeinen europäischen Interessen, der Ideen der Menschheit mit den Sonderzwecken der Nationen. Ihr Reichtum und ihre Schönheit liegt in dem wechselreichen Schauspiele, wie diese freien verbrüderten Völker sich bald hassen und fliehen oder bekämpfen, bald sich finden und einander die Hände reichen zu gemeinsamer Arbeit. Selbst das britische Inselreich, das fremdes Wesen am leichtesten von sich abweisen konnte, verdankte zweimal eine große Wendung seiner Geschicke der wohltätigen Hand eines Fremdlings. Der Franzose Simon von Montfort schuf den Briten ihr Unterhaus und erwarb sich zum ersten Male den Ehrennamen eines Protektors des englischen Volkes; der Holländer Wilhelm von Oranien sicherte ihnen ihre heutige parlamentarische Verfassung.

Auch Gustav Adolfs Heimat hat den Segen wie den Unsegen ausheimischer Gewalten von früh auf erfahren. Deutschland gewann einst diese unberührte nordische Heidenwelt für das Christentum, für die Gemeinschaft der lateinischen Gesittung. Deutschlands Hansa erschloß die Küsten Skandinaviens zuerst dem Welthandel und hielt zugleich mit der Übermacht ihres Kapitals die wirtschaftlichen Kräfte dieser jungen Völker so herrisch darnieder, daß die drei alten Hauptstädte des Nordens, Stockholm, Kopenhagen, Bergen, zu deutschen Häfen, und eine Zeitlang selbst die drei Kronen des Nordens nur mit dem Willen des gemeinen deutschen Kaufmanns vergeben wurden. Im sechzehnten Jahrhundert, als die Macht der Hansa zerfiel, begann sodann der notwendige Rückschlag gegen die deutsche Fremdherrschaft. »Alles durch Gott und die schwedische Bauernschaft« – unter diesem Schlachtrufe führte Gustav Adolfs Großvater, Gustav Wasa, seine Dalkarle zum Aufstand; er befreite sein Land von dem Joche der dänischen Unionskönige wie von der Vormundschaft der deutschen Kaufherren und gründete ein neues, nationales Königtum. Feurig, tatenfroh, hochgebildet, empfänglich für jeden neuen Gedanken, so ist dann seine wilde Wasabrut durchs Leben gestürmt, mancher sich selbst verzehrend in den Flammen der eigenen Leidenschaft. Mit unendlicher Liebe hingen die Schweden an dem Hause ihres Befreiers; sie wollten sich den Namen der Wasas und das Ährenbündel ihres Wappenschildes auch dann nicht nehmen lassen, als späterhin die Pfälzer und andere weibliche Nachkommen dem ausgestorbenen alten Mannesstamme folgten.

Aber zur selben Zeit, da unsere Handelsherrschaft in Skandinavien zusammenbrach, drangen noch einmal Deutschlands Gedanken siegreich in den Norden ein. Gustav Wasa bekehrte sich zu Luthers evangelischer Lehre und verteilte das überreiche Gut der alten Kirche also zwischen der Krone und dem Adel, daß der Staat der Wasas fortan mit der lutherischen Kirche stand und fiel. Der Protestantismus ging hier nicht wie in Deutschland frei aus dem Gewissen des Volkes hervor; er ward, wie in England, durch ein starkes Königtum der Nation auferlegt, die sich erst allmählich, dann aber mit aller Kraft ihrer Seele dem evangelischen Glauben zuwendete. Und so stand Deutschland, das kirchlich zerspaltene Vaterland der Reformation, fortan mitteninne zwischen der katholischen Welt der Romanen und dem strengen Luthertum des Nordens. Der Bund zwischen der schwedischen Krone und der lutherischen Kirche schloß sich noch fester, als Gustav Wasas Enkel, König Sigismund, zugleich erwählter König von Polen, sich zur römischen Kirche zurückwandte und deshalb nach einem verworrenen Bürgerkriege aus dem Lande vertrieben wurde. Nun bestieg Gustav Adolfs Vater, der jüngste Sohn Gustav Wasas, als König Karl IX. den gewaltsam erledigten Thron, ein strenger, harter Mann der Geschäfte, gleich seinem Vater ein König der armen Leute, ein Schirmherr des Protestantismus. Alsbald brach ein dreifacher Krieg über dies arme Land herein, das auf einem ungeheueren Gebiete noch kaum eine Million Einwohner zählte, das seine wohlhabenden Südprovinzen Schonen und Blekingen noch in den Händen der feindlichen Dänen sah und nur aus einem einzigen Nordseehafen, unbelästigt vom dänischen Sundzoll, frei mit dem Westen verkehren konnte. Der vertriebene König in Krakau fordert seine geraubte Krone zurück; Polen, Rußland, Dänemark beginnen den großen Kampf um das Erbe der zerfallenen Hansamacht, um die Herrschaft auf der Ostsee. In solcher Bedrängnis sagte der alte König, da seine Tage sich zum Ende neigten, hinweisend auf den jungen Thronfolger: Ille faciet , der wird es tun!

Den Völkern wie den hochbegabten Männern kommen Stunden, da ihnen eine innere Stimme sagt: Jetzt oder niemals sollst du dein Bestes, dein Eigenstes der Welt offenbaren. Von dem ersten Augenblicke der Regierung Gustav Adolfs an geht durch das schwedische Volk, mächtig anschwellend, ein Gefühl heller, froher Siegesgewißheit. Die tiefsinnige lutherische Lehre, die sonst ihre Bekenner so oft zum leidenden Gehorsam, zur Abkehr von den Kämpfen des Staatslebens führte, hier auf diesem jungen nordischen Boden ward sie streitbar, wie ihre tatkräftigere Schwester, der Calvinismus; und bald erklang von allen Kanzeln die Weissagung, dieser Gustavus solle der Augustus des protestantischen Nordens werden. So recht als ein Mann nach des Volkes Herzen erschien der siebzehnjährige Jüngling, blond, mit strahlenden blauen Augen, die hochgewachsenen Nordländer um eines halben Kopfes Länge überragend, heiter und lebensfroh, von altnordischer Einfachheit – denn wie oft hat er in guter Laune mit den Gesellen gewartet, bis der gefrorene Wein im Fasse auftaute – ein Meister in der Kunst des Gesprächs, und tat es not, dann kam auch die herzerschütternde, volkstümliche Beredsamkeit seines Großvaters über ihn. Eine sorgfältige Erziehung hatte den frühreifen, lernbegierigen Knaben in den ganzen Umkreis der Bildung der Zeit eingeführt. Doch sein Herz, das sah man bald, war bei den Waffen. Bilder von Kampf und Sieg schritten durch seine Träume. Wie war er froh des reinen gotischen Heldenbluts in seinen Adern. Unzertrennlich, ununterscheidbar für sein eigenes Bewußtsein verflocht sich mit diesem kriegerischen Nationalstolze der Ernst des evangelischen Glaubens. Die großen Erinnerungen des Wasahauses, die nahe Verwandtschaft mit den altprotestantischen Geschlechtern von Brandenburg, Holstein, Hessen, Pfalz, der Kampf gegen den katholischen Vetter in Polen, die gesamte Weltstellung des Schwedenreichs drängten ihn in das protestantische Lager; und mit königlichem Blicke die religiösen Kämpfe der Zeit überschauend, forderte er nur, daß die Kirchen, die einander nicht mehr bezwingen konnten, vielmehr lernen müßten sich zu vertragen. Aber er sah auch nicht, wie Richelieu oder Wallenstein, in der Kirche bloß ein Mittel für politische Zwecke; er lebte im evangelischen Glauben, er kannte die Kraft des Gebets, und aus vollem Herzen sang er sein Lied: Verzage nicht, du Häuflein klein! Die Wärme und Innigkeit seines religiösen Gefühls erinnert an die Männer einer langst vergangenen Zeit, an die Führer des Schmalkaldener Bundes, Johann Friedrich von Sachsen und Philipp von Hessen, nur daß in ihm die Macht des Glaubens nicht den Duldermut des Märtyrers, sondern den Tatenmut des Helden erweckte.

Unterstützt von seinem jugendlichen Kanzler Oxenstierna, errichtete der König in seinem von Bürgerkriegen zerrütteten Staate binnen wenigen Jahren die bestgeordnete ständische Monarchie des Zeitalters. Lagerquist-Lorbeerzweig, Örnflycht-Adlerflug, Erenrot-Ehrenwurzel, so lauteten die stolzen Namen der Adelsgeschlechter, die hier, wie überall in der hocharistokratischen Welt der baltischen Gestade, ihren steifen Nacken nur ungern unter die monarchische Gewalt beugten. Erstaunlich schnell ward diese harthändige Aristokratie durch die lockende Aussicht auf Kriegsruhm und Beute für den Dienst der Krone gewonnen; jeder Edelmann, der in Kriegszeiten daheim blieb, den Kehricht zu hüten, verlor seine Kronlehen. Darum konnte auch der getreuen Bauernschaft die harte Last der Wehrpflicht auferlegt werden; alljährlich verlasen die Pfarrer von der Kanzel herab die Namen der einberufenen jungen Mannschaften. Durch fünf große Zentralbehörden leitete der König die gesamte Verwaltung. Die vier Stände seines Reichstags ließ er frei beratschlagen; doch sobald die königliche Entscheidung gefallen war, dann forderte er unverbrüchlichen Gehorsam, denn »es grünt kein kriegerischer Lorbeer unter diesem ewigen Zanken und Streiten«. Also seines Volkes sicher, unternimmt er die drei Kriege, die ihm sein Vater hinterlassen, zu beendigen, und bildet sich in einer neunzehnjährigen Kriegsschule ein sieggewohntes Heer. Gegen die Dänen vermag er nur mühsam seine Machtstellung zu behaupten. Dann wendet er sich, den gefährlichsten Feind umgehend, wider die Moskowiter; er vertreibt die Russen aus ihrem Raubnest an der Ostsee, unterwirft Ingermanland und Karelien, alle Umlande des finnischen Meerbusens, und in der Nähe des heutigen St. Petersburg errichtet er die Säule, die der Welt verkündet, daß hier Gustavus Adolfus die Grenzen seines Reiches gesetzt habe. Darauf führt er seine Getreuen wider Polen und tritt hier zum ersten Male den Heerscharen der Gegenreformation gegenüber; er bereitet dem siegesfrohen Polenreiche seit zweihundert Jahren die erste große Niederlage, er erobert Livland, sichert der evangelischen Kirche ihren bedrohten Besitzstand und nistet sich dann in den Häfen Preußens ein. Klarer und klarer enthüllte sich der leitende Gedanke seines Lebens: der Plan eines skandinavischen Großreichs, das alle Lande der Ostsee unter der Herrschaft der blaugelben Flagge vereinigen sollte.

Alle diese Erfolge hatte Gustav Adolf errungen, ohne daß die Mächte des Westens sich einmischten. Denn es gab noch kein Staatensystem. Das Land der Mitte Europas, dies Deutschland, das dereinst berufen war, den Westen und den Osten Europas zu einer lebendigen Staatengesellschaft zu verbinden, lag eben jetzt aus tausend Wunden blutend darnieder, zerrissen von einem wütenden Parteikampfe; und erst als Gustav Adolf auf seinem Siegeszuge den deutschen Grenzen näher kam, ward auch er in die Strudel des großen deutschen Krieges hineingerissen. Dreiundsechzig Jahre lang hatte Deutschland wie träumend dahingelebt unter dem Schütze des Augsburger Religionsfriedens, eines unwahren Friedens, der die Herzen nicht versöhnte und alle die großen Streitfragen unseres Reichsrechts ungelöst ließ. Tatlos, ganz hingenommen von dem wüsten Gezänk der lutherischen und calvinischen Theologen, hatten Deutschlands Protestanten mit angesehen, wie die Jesuiten mitten im Frieden durch List und Gewalt weite Landstriche unseres Südens und Westens zur römischen Kirche zurückführten, wie im burgundischen Kreise des Reichs, an den Mündungen des deutschen Stromes, die Niederländer den Verzweiflungskampf gegen die habsburgische Weltmonarchie wagten, und Wilhelm von Oranien mahnend rief: Bleibt Deutschland der trage Zuschauer unserer Trauerspiele, dann wird dereinst auf seinem Boden ein Krieg entbrennen, der alle anderen Kriege in sich verschlingt! Jetzt erfüllte sich die Warnung. Der gräßlichste aller Kriege hob an, gräßlich nicht bloß durch seine wilden Verheerungen, sondern auch durch seine Ideenlosigkeit; denn in diesem zwischen vier Parteien hin und her geschleuderten Reiche verflochten sich die religiösen und politischen Gegensätze zu einem unlösbaren Wirrsal, und von den hohen Leidenschaften der ersten Zeiten der Reformation blieb fast nichts mehr übrig als der finstere, boshafte kirchliche Haß.

Die beiden Linien des Hauses Habsburg, Österreich und Spanien, finden sich zusammen zur gemeinsamen Bekämpfung der Ketzerei; sie verbünden sich mit Max von Bayern, dem Haupte der katholischen Liga Deutschlands, mit italienischen Fürsten, mit der Krone Polen. Fast das gesamte katholische Europa, allein Frankreich ausgenommen, stellt seine Söldner in die Dienste dieser kaiserlichen Politik, die entschlossen, kühn, vom Glücke begünstigt, ihren Zielen zuschreitet, durch die rücksichtslose Kraft ihres Willens selbst Gustav Adolfs Bewunderung erregt. Der Kaiser, sagte er oft, ist ein großer Politikus, er tut, was ihm nützt. Schon sind alle Erblande des Kaisers, selbst die alte Ketzerheimat Böhmen und das evangelische Bauernvolk Oberösterreichs zur Glaubenseinheit der römischen Kirche zurückgegangen. Schon ist Süddeutschland unterjocht, der Kurfürst von der Pfalz von Land und Leuten vertrieben; Spanien gebietet über eine Kette fester Plätze den Rhein entlang und kann also seine Söldner sicher von Mailand über Tirol durch Deutschland gegen die Niederlande senden. Dann werden auch die kleinen Heere der protestantischen Parteigänger des Nordens zertrümmert, zuletzt noch der dänische Herzog von Holstein zurückgeschlagen. Die Heerscharen des Kaisers dringen wie in den Tagen der Ottonen bis nach Jütland vor. Seine Fahnen mit den Bildern des Doppeladlers und der Jungfrau Maria wehen siegreich an unseren beiden Meeren, und sein Oberfeldherr, der Tscheche Wallenstein, arbeitet schon an dem Plane einer kaiserlichen Seemacht; er will durch einen Kanal zwischen Wismar und der Elbe Ost- und Nordsee in eine Kette hängen und im Jahdebusen, da wo heute Wilhelmshaven steht, dicht vor der Türe der niederländischen Rebellen, einen kaiserlichen Kriegshafen gründen.

Im Jahre 1629 sprach die kaiserliche Politik ihr letztes Wort. Das Restitutions-Edikt schloß die Reformierten von der Duldung des Augsburger Religionsfriedens aus und gebot, daß alle die geistlichen Stifter, die sich seit jenem Frieden der evangelischen Kirche zugewendet hatten, alle die großen reichsunmittelbaren Bistümer der alten Germania sacra , unseres Nordens, Magdeburg, Halberstadt, Bremen, Lübeck, desgleichen die Landesbistümer Meißen, Brandenburg und unzählige andere der römischen Kirche ausgeliefert würden. Welch eine Aussicht, wenn also die friedliche Entwicklung zweier Menschenalter durch einen Gewaltstreich aufgehoben, wenn das durch und durch protestantische Volk dieser vormals geistlichen Gebiete wieder dem Krummstab unterworfen wurde und ein Erzherzog als katholischer Erzbischof in Magdeburg einzog! Wenn das gelang, dann wurde der kirchliche wie der politische Bestand des deutschen Protestantismus in seinen Wurzeln zerstört; und er ward vollends vernichtet, wenn auch noch die erlauchten reformierten Fürstengeschlechter des Reichs, die Brandenburger, die Hessen, die Pfälzer, die anhaltischen Askanier als Rebellen und Ketzer ihre Reichslehen verloren, wie ja schon die Mecklenburger, die Braunschweiger und viele andere protestantische Fürsten ins Elend gezogen waren und ihre alten Stammlande der Gewaltherrschaft der kaiserlichen Feldobersten überlassen hatten. Niemals war unser Vaterland dem Einheitsstaate so nahe; wir brauchen keine Fürsten und Kurfürsten mehr, sagte Wallenstein drohend. Aber die Einheit, also geschaffen durch die spanischen Priester der Gesellschaft Jesu, durch vaterlandslose Kondottieri und Söldnerscharen, hätte alle Freiheit unseres Geistes, recht eigentlich unser deutsches Ich vernichtet. Ein Schrei des Entsetzens ging durch die protestantische Welt. Doch wo fand sich ein Helfer? Die beiden einzigen Protestanten, die noch den Kurhut trugen, der Brandenburger und der Sachse, sahen ihr Land von kaiserlichem Kriegsvolk überschwemmt; sie waren gelähmt durch ihre Willensschwäche, gelähmt durch die alte, auch in der Verirrung noch achtbare deutsche Kaisertreue, gelähmt durch die Zuchtlosigkeit ihrer Landstände, die jede ernste Kriegsrüstung verhinderte. Es stand nicht anders; dahin war es durch die Zwietracht und die Tatenscheu der deutschen Protestanten gekommen, daß nur eine fremde Macht noch retten konnte.

Dem Schwedenkönig blieb keine Wahl mehr. Er erkannte den großen Zusammenhang der europäischen Dinge; er hatte sich schon längst vergeblich bemüht, die noch freien Mächte des protestantischen Nordeuropas, England, Niederland, Dänemark zu einem Bunde gegen die Habsburger zu bewegen, und schon einmal, während seines polnischen Feldzuges, auf der Stuhmer Heide mit kaiserlichen Scharen unglücklich gefochten. Wenn jetzt die Herrschaft der kaiserlichen Soldateska an der Ostsee sich noch weiter ausbreitete, dann war nicht nur seine erhoffte große septentrionalische Monarchie vernichtet, sondern auch sein kleiner heimischer Thron gefährdet; denn unzweifelhaft mußten dann die mit Österreich verbündeten polnischen Wasas die schwedische Krone wiederzugewinnen suchen. Durch die Sicherheit unserer Nachbarn, so sagte er zu seinen getreuen Ständen, müssen wir unsere eigene Sicherheit erringen; und in feuriger Rede fügte er, der nie heucheln lernte, die Beteuerung hinzu: ich will die unterdrückten Religionsverwandten vom päpstlichen Joche befreien. Die politische und religiöse Pflicht wiesen ihn beide auf dasselbe Ziel. Den Ausschlag gab doch, wie bei allen weltgeschichtlichen Entschlüssen, der dunkle Drang des Genius, die geheime Ahnung ungeheuerer Erfolge und einer göttlichen Berufung.

Im Juli 1630 landet er auf Rügen, gerade hundert Jahre, nachdem Deutschlands Protestanten vor Kaiser und Reich ihr Glaubensbekenntnis überreicht hatten. Die verwaiste Wittib, die Augsburgische Konfession hatte endlich ihren Tröster gefunden. Aber noch währte es fast ein Jahr, bis die Fürsten Norddeutschlands die Scheu vor dem Kaiser, das Mißtrauen gegen die unberechenbaren Anschläge des Fremdlings ganz überwanden.

Eine leuchtende Gestalt, ganz durchglüht von heldenhafter Zuversicht, tritt er unter die Zaudernden und Schwankenden. Ich sage euch, geht nicht den Mittelweg – so klingt es wieder in allen seinen Reden – der Rubikon ist überschritten, der Würfel ist gefallen; hier streiten Gott und der Teufel, es gibt kein Drittes; was ist das für ein Ding, Neutralität? Ich kenne es nicht! Langsam bohrend, in einem mühseligen Feldzuge, der nachher von Napoleon besonders hoch bewundert wurde, drang er nun mit seinem kleinen Heere in Pommern und den Marken vor, von Frankreich insgeheim mit Geld unterstützt und doch wachsam bemüht, diesen gefährlichen Nachbarn dem deutschen Kriege fern zu halten. Eine diplomatische Wendung am kaiserlichen Hofe brachte endlich Klarheit in die verworrene Lage. Wallenstein, der weltliche Held, der alle Teufel den Pfaffen ins Gedärm wünschte, wollte sich mit den Schweden abfinden, die deutschen Protestanten gewinnen durch schonende Ausführung des Restitutions-Edikts, und alsdann die gesammelte Macht Österreichs, Spaniens und des geeinten deutschen Reichs gegen das katholische Frankreich und die evangelischen Niederlande führen, um also die habsburgische Weltmonarchie über dem gesamten lateinischen Europa aufzurichten. Die katholische Liga dagegen und die Priesterpartei in der Wiener Hofburg forderten Ausrottung der norddeutschen Ketzerei und Kampf gegen ihren schwedischen Bundesgenossen. Kaiser Ferdinand stand zwischen seinem Feldherrn und seinem Beichtvater. Er entschied sich, wie er mußte, für den Priester. Wallenstein ward gestürzt, und in den dritthalb Jahren, da Gustav Adolf auf unserem Boden weilte, zeigte dieser wirrenreiche Krieg, der so oft die Farbe wechselte, ganz und gar das Wesen eines Religionskrieges. Jetzt ward wirklich gefochten um Sein oder Nichtsein des Protestantismus. An die Spitze des kaiserlichen Heeres trat der Wallone Tilly, der, minder unbarmherzig als der grausame Wallenstein, doch unserem protestantischen Volke immer verhaßter blieb, weil sich der kirchliche Glaubenshaß der römischen Partei in ihm verkörperte. Dem Schlachtruf der Kaiserlichen: Maria, Mutter Gottes! antwortete das Heer Gustav Adolfs mit dem Rufe: Gott mit uns!

Erst als Magdeburg von den Kaiserlichen eingeäschert war und die papistische Welt den jammervollen Fall der treuen Märtyrerstadt des Protestantismus, die einst den Heeren Karls V. getrotzt, weithin mit lautem Hohnruf begrüßte, da erst entschloß sich Gustav Adolf, seinen immer noch zaudernden brandenburgischen Schwager zum Bündnis zu zwingen. Auch das geängstigte Kursachsen schloß sich an. Nun überschreitet der König die Elbe, und die Protestanten atmen auf, als er im Lager von Werben dem nie besiegten Tilly standhält. Darauf treibt ihn der Hilferuf Kursachsens südwärts, und dort auf dem Schlachtenboden Mitteldeutschlands, wo noch zweimal in diesem Kriege die eisernen Würfel rollen sollten, in der Leipziger Ebene bei Breitenfeld, fällt der entscheidende Schlag. Die kaiserlichen Reiter, die dem geschlagenen linken Flügel der Protestanten, den Sachsen, nachsetzen, sehen sich plötzlich von dem rasch einschwenkenden Zentrum des schwedischen Heeres selber in der linken Flanke gefaßt; Tillys unförmliche, dichtgedrängte Schlachthaufen erliegen den leicht beweglichen, schnell feuernden Linien der Schweden. Der Unbesiegliche ist aufs Haupt geschlagen, und mit einem Male birst die Rinde von den Herzen der verzweifelten Protestanten. Das treue Stralsund, die Besiegerin der Wallensteiner, sendet dem Helden den Heilruf zu:

Der Leu aus Mitternacht, den Gottes Geist verheißen,
Der Babels Stolz und Pracht soll brechen und zerreißen!
Wo's Fahnen in der Lust, wo's Sturm und Schlachten gibt,
Das ist ein Freudenspiel, das unser Leu beliebt.

Zum ersten Male seit Martin Luthers Auftreten ersteht unserem Volke wieder ein Mann, zu dem jeder in Haß oder Liebe aufblicken muß. Es war der Tag der Befreiung. Der deutsche Protestantismus war gerettet, die Parität der Bekenntnisse gesichert. Von einer Ausrottung und Beraubung der Protestanten, wie sie das Restitutions-Edikt geplant hatte, konnte fortan nicht mehr die Rede sein; und bei dem Charakter dieses Krieges, der in einem Lande ohne Hauptstadt, von kleinen Herren auf vielen Schauplätzen zugleich, vor den Mauern unzähliger fester Plätze geführt wurde, ließ sich ein vollständiger Umschwung des Waffenglücks kaum noch erwarten.

Seine treuesten Freunde fand Gustav Adolf unter den warmherzigen Protestanten Süddeutschlands, die schon fast zu hoffen verlernt hatten. Sie jauchzten auf in überschwenglicher Dankbarkeit, als er sich jetzt nach Franken wandte, um auch hier überall die blinden Pressuren der Papisten abzustellen. Wie drängte sich das Volk in Nürnberg um den König und feierte seine heroische Person in Lied, Bild und Rede; »Willst du ihn sehen ganz, so schaue durch die Welt!« Eine Gefolgschaft deutscher protestantischer Fürsten, voran der vertriebene Böhmenkönig Friedrich von der Pfalz, sammelte sich jetzt um ihn; zu den Schweden und Livländern, die er einst nach Rügen geführt, traten neue in Deutschland geworbene Regimenter hinzu, beide Nationen fügten sich seiner unerbittlichen Manneszucht. Dann ging der Heerzug durch die schönen Weinlande der alten Pfaffengasse des Reichs, den Main abwärts bis zum Rheinstrom, und den rauhen Nordländern ward wohl beim edlen 1624er Weine. Inmitten des Volksjubels, der ihn brausend umringte, verlor Gustav Adolf doch nie das Gefühl, daß er unter Fremden stand, und sagte einmal bei einem Zanke seiner deutschen Umgebungen: Ich will lieber in meinem Lande die Säue hüten, als mit einer so törichten Nation verkehren. Vom Rhein zog der König gegen Bayern, die Hochburg der katholischen Liga. In einer blutigen Schlacht am Lech verliert Tilly den Sieg und das Leben. Kurfürst Max entflieht und überläßt sein München dem Eroberer. Die ewige Lampe, die so lange vor dem Bilde der Patrona Bavariae , der Mutter Gottes am Residenzschlosse, gebrannt hatte, mußte freilich verlöschen; aber frei ward der Gottesdienst für jedermann, und die Jesuiten zürnte der König an: Ihr seid die Sünder, ihr waret gesendet, Frieden zu stiften und habt den Krieg gesät. Noch nie hatte sich die Macht seiner Persönlichkeit so sieghaft gezeigt.

Selbst dies tief verfeindete bayrische Volk begann ihn lieb zu gewinnen, wenn er allein im Reitermantel und Schlapphut durch die Gassen schritt, Geld unter den Haufen warf und mit den kleinen Leuten zutraulich verkehrte.

Er stand auf der Höhe seines Ruhmes und zugleich am tragischen Wendepunkte. Auch an ihm mußte sich der Fluch erfüllen, der auf jeder Fremdherrschaft lastet. Das Tagewerk seines Lebens, soweit es uns Deutschen Heil bringen konnte, war getan. Gewiß barg er cäsarische Gedanken in seinem Haupte, und sie mußten mit seinen Siegen wachsen. Ein kleiner Preis konnte dem heißen Wasablute nicht genügen, und nicht zufällig prangten goldgestickte kaiserliche Doppeladler auf der Schabracke seines Paraderosses. Doch wahrlich nicht die römische Kaiserkrone, nicht diese mit der katholischen Kirche unzertrennlich verbundene und durch die katholische Mehrheit des Kurfürstenrates verliehene Würde konnte seinen Ehrgeiz reizen, der bei aller Verwegenheit sich doch immer den Sinn für das mögliche bewahrte. Er blieb König von Schweden. Wie hätte er also Deutschlands Einheit wünschen können, in diesem Zeitalter der harten Staatsräson, da jeder Nachbar den Nachbarn als Feind beargwöhnte? Auf meinem Staate da unten ruhen alle meine Erfolge hier oben, so sagte er oft; unwandelbar hielt er fest an dem Gedanken seines skandinavischen Großreiches. Er wollte Pommern und was sich sonst noch von deutschen Küstenländern gewinnen ließ, an seine Krone bringen, seiner armen Heimat den Unterhalt sichern aus der reichen vorpommerschen Kornkammer; er wollte also das deutsche Reich vom Meere absperren und Dänemark dermaßen umklammern, daß früher oder später alle Umlande des baltischen Meeres der Herrschaft der Wasas anheimfallen mußten. Wenn er in den eroberten fränkischen Bistümern sich, bis auf weitere Verfügung, huldigen ließ, so beabsichtigte er nur, diese Stiftslande zum Teil an Bernhard von Weimar und die Getreuen der protestantischen Fürstenpartei als Lehen dahinzugeben, zum anderen Teile sie als Faustpfand zurückzubehalten, um sie beim Friedensschlusse gegen deutsche Küstenländer auszutauschen. Mit diesem großen baltischen Besitztum dachte er als Reichsstand in den deutschen Reichstag einzutreten, als Direktor eines Corpus Evangelicorum , das, ein Staat im Staate, eine geordnete Opposition, die Parität der Bekenntnisse aufrecht halten sollte. Ein Teil dieser Entwürfe ist nachher durch die Hand seiner schwächeren Nachfolger im Westfälischen Frieden verwirklicht worden; und wer kann heute noch bestreiten, daß sie wohl den Religionsfrieden im Reiche sicherten, aber unsere politische Macht schwer, verderblich bedrohten? Wir dürfen es aussprechen: ein gnädiges Geschick rief den Retter des deutschen Protestantismus hinweg gerade in dem Augenblicke, da er der Feind unseres nationalen Staatswesens werden mußte.

Erschreckt durch die Siege dieses Goten entschloß sich der Kaiser, dem abgesetzten Wallenstein mit unbeschränkter Vollmacht wieder die Führung seiner Heere anzuvertrauen; und sobald die Werbetrommeln des glückhaften Friedländers erklangen, strömten in Massen die raub- und ruhmbegierigen Kriegsknechte herbei. Gustav Adolf sollte bald erfahren, daß ihm endlich ein ebenbürtiger Feind gegenübertrat. Er konnte die Vereinigung der Kaiserlichen mit dem bayrischen Heere nicht hindern. Als sich dann Wallenstein in dem Hungerlager auf der Alten Feste bei Nürnberg tief in seine Schanzen vergrub, da stürmten und stürmten die Schweden vergeblich. Der König mußte die verwegenen Angriffe aufgeben, der Friedländer aber schrieb nach seiner prahlerischen Weise: hier hätte sich der Schwede hazzardosamento die Hörner abgelaufen. Jetzt zieht Wallenstein nordwärts gegen Mitteldeutschland. Sengend und brennend wüten seine Kroaten in Thüringen, die Holkischen Jäger im Erzgebirge. Gustav Adolf folgt ihm, um seinem Vaterlande desto näher zu sein; denn er sieht seine Rückzugslinie gen Norden bedroht. Das ausgeplünderte thüringische Volk empfängt ihn frohlockend und küßt ihm die Kniee. Er aber sagt beim Anblick der Nackten und Elenden tief erschüttert: Gott wird mich strafen, diese Menschen ehren mich wie einen Gott! Auf dem Felde von Lützen, dicht neben der Stelle, wo er einst den herrlichsten seiner Siege erfochten, befiehlt er die Schlacht. Beide Nationen, Deutsche und Schweden, begrüßen den anreitenden Feldherrn mit lautem Waffengetöse, und er betet: Jesu, Jesu, Jesu, laß uns heute in deinem heiligen Namen streiten! So mit einem Gebet auf den Lippen sprengt er in den dicken Herbstnebel hinein und findet den Heldentod.

Sein Wirken war das letzte Aufleuchten der Idee in diesem greuelvollen Kriege. Rasch verwildernd nach dem Tode des gestrengen Zuchtmeisters, kämpften die schwedischen Heere nur noch um die elende Frage, wie viele Fetzen deutschen Landes ihnen als Satisfaktion und Entschädigung zufallen sollten; mit ihnen vereint Frankreich, das jetzt erst, nach Gustav Adolfs Hinscheiden, freie Hand erhielt für seine deutschen Pläne. So furchtbar hauste das entartete Kriegsvolk, daß der niederdeutsche Bauer heute alles, was über die Zeiten der Götterdämmerung hinaus liegt, ganz vergessen hat und jedes Hünengrab eine Schwedenschanze nennt. Doch schon hob sich aus der unverwüstlichen Kraft unseres Volkes ein neues Staatsgebilde empor. Gustav Adolfs Neffe, der große Kurfürst von Brandenburg, ward sein Erbe zugleich und sein Feind. Er ward sein Erbe; denn Kurbrandenburg errang auf dem Westfälischen Friedenskongresse den kirchlichen Ideen Gustav Adolfs den vollen Sieg; Kurbrandenburg erwirkte den ehrlichen Religionsfrieden, die unbedingte Gleichheit der Bekenntnisse. Auch im Innern des jungen preußischen Staates wirkten die schwedischen Überlieferungen noch lange nach. An dem Vorbilde seines Oheims lernte Kurfürst Friedrich Wilhelm die Macht seiner Landstände zu beherrschen und eine starke, kriegerische monarchische Gewalt zu behaupten. Durch die alten Schweden, die unter den Fahnen des roten Adlers dienten, drang viel schwedischer Kriegsbrauch in dies junge Heer ein: die rasche Beweglichkeit und die Feuerkraft des Fußvolkes, auch der Kriegsruf Gustav Adolfs: Gott mit uns! Aber Friedrich Wilhelm hat auch – so zweischneidig sind alle historischen Dinge – zuerst die Zerstörung begonnen gegen das politische Werk seines Oheims. Einen furchtbar schweren Lohn ließen sich die Schweden für ihre Hilfe zahlen. An allen unseren Küsten saßen sie als Herren; Weser, Elbe, Oderstrom wurden fremder Nationen Gefangene, wie Friedrich Wilhelm klagte. Gegen diese schwedische Fremdherrschaft mußte Preußen fast zweihundert Jahre lang, seit dem ersten nordischen Kriege und dem Fehrbelliner Siegestage, bald mit dem Schwerte, bald mit der Feder ringen, bis endlich im Jahre 1815 ihre letzten Trümmer vom deutschen Boden verschwanden und Norddeutschland wieder Herr ward im eigenen Hause.

Von den drei Gewaltigen, welche damals die Welt mit dem Schrecken ihres Namens erfüllten, erscheint Wallenstein als die unheimlichste Gestalt: ein großer Kriegsfürst, gewiß, der Schöpfer des österreichischen Heeres, und doch nur ein Heimatloser, der sein Volkstum und Glauben gleichgültig der Ehrsucht opfert; ein genialer Abenteurer, der bald einen italienischen, bald einen deutschen Fürstenhut erhofft, bald von der Habsburgischen Weltmonarchie träumt, bald von der heiligen Impresa gegen Konstantinopel oder auch von einer neuen Plünderung Roms, und bei allen diesen gigantischen Entwürfen immer nur an sein eigenes großes Ich denkt. Gott im Himmel, ich auf Erden – so sagt er frevelnd und stirbt den häßlichen Tod des Verräters. Glücklicher war Richelieu. Denn dieser Bismarck Frankreichs stand auf dem festen nationalen Boden, worin alle staatsmännische Größe wurzelt. Er vollendete, was die Politik der französischen Könige seit Jahrhunderten bedachtsam vorbereitet hatte, die Einheit seines Vaterlandes. Durch Seelenadel und menschliche Hoheit überragt Gustav Adolf alle beide. Ihm ward ein Los bereitet wie jenem mazedonischen Alexander, dem sein Leben auch durch die raschen Siege und das jähe Ende auffällig gleicht. Alexanders Weltreich fiel mit seinem Schöpfer, aber auf Jahrhunderte hinaus blieb, was er für die Gesittung der Menschheit geschaffen hatte. Er zwang die Griechen, den nationalen Beruf mit dem weltbürgerlichen zu vertauschen, er verwandelte das Hellenentum in Hellenismus, er erfüllte ganz Vorderasien dermaßen mit griechischer Bildung, daß nachher das Evangelium Christi in griechischer Sprache den Völkern des Mittelmeeres verkündigt und von ihnen verstanden werden konnte. So ist auch Gustav Adolfs skandinavisches Großreich verschwunden. Die beiden künstlichen, auf zu schwachem Grunde aufgebauten Großmächte des siebzehnten Jahrhunderts, Niederlands Seemacht und Schwedens Landmacht vermochten sich nicht zu halten; sie wurden verdrängt durch England und das preußische Deutschland, die ihre Großmachtstellung mit ungleich stärkerer natürlicher Kraft behaupten konnten. Aber geblieben ist, und so Gott will für alle Zukunft, das freie evangelische Wort, das Gustav Adolf diesem Herzen Europas sicherte, geblieben das lebendige, duldsame Nebeneinander der Glaubensbekenntnisse in Deutschland. Und darauf beruht doch unser neues, kirchlich gemischtes und politisch einiges Reich; darauf der ganze Charakter unserer heutigen Kultur; darauf jene schöne Menschlichkeit, die dem Deutschen, dem Protestanten wie dem Katholiken, erlaubt, zugleich frei und fromm zu denken.

Darum wollen wir heute aus bewegter Seele dem stammverwandten Nachbarvolke danken, das einst von uns den Segen der Reformation empfing und uns dann den Löwen aus Mitternacht als Retter sendete. Nirgends erklingt dieser Dank herzlicher als hier in den jungen Koloniallanden des alten Deutschlands, die ein wundervolles Geschick zur Vormacht des neuen Reichs erhoben hat. Nur dreihundert Jahre lang haben diese Marken der römischen Kirche angehört, und schon seit mehr denn dreihundertfünfzig Jahren bekennen sie sich zur Freiheit des Evangeliums. Wir leben und weben hier in freier protestantischer Luft. Wahrhaftig nicht um alte Wunden aufzureißen, sondern um Ehre zu geben, wem Ehre gebührt, hat das protestantische Deutschland die edle Stiftung, welche den bedrängten evangelischen Brüdern überall in der Welt Trost und Hilfe bringt, auf den Namen des Schwedenkönigs genannt. Er gehört nicht einem Volke allein, er gehört der gesamten evangelischen Christenheit.


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