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Der Tod

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Kosend fuhr sie ihm über das heiße Gesicht, aus dem zwei sehnsüchtige Augen sie wild begehrten.

Den schweren Abendmantel hatte sie achtlos von den Schultern geworfen. Er lag am Boden, vor dem Divan; Hut und Schleier auf einem Lutherstuhle, einem der wenigen Prunkstücke des Ateliers, das sonst nur seine schlicht weißen, mit schwarzen Kohlenzeichnungen und bunten Pastell-Landschaften behängten Wände zeigte.

Ihr gerade gegenüber hingen ein paar Skizzen, die er damals von ihr entworfen hatte, alle in verschiedener Stellung, höchst ungleiche Auffassungen, nach denen ihr Gatte dann gewählt und ihm den Auftrag gegeben hatte.

Er, der sonst alle ihre Schritte aufs eifersüchtigste überwachte, trotzdem sie ihn schon seit Jahren völlig kalt ließ, hatte sie ganz ruhig in das simple Künstleratelier Bernd Durbans gehen lassen. Von dort drohte seinem häuslichen Frieden gewiß keine Gefahr.

Aber während sie gegen alle Versuchungen des Salons, verächtlich lächelnd, gefeit war – hier hatte sich ihr Geschick erfüllt, unmerklich, ohne daß sie beide es ahnten, unbewußt. –

Bernd hatte ihr von seinem Leben erzählt, von seinem verzweifelten Ringen mit der Kunst, seinen Kämpfen ums tägliche Brot, seit er elternlos und allein stand in der Welt, von der brennenden Sehnsucht nach dem kleinsten Erfolge, in der großen, nur allzugroßen Schar der Kollegen. Oft fehlten ihm die nötigen Mittel, um sich die einfachsten Malutensilien zu verschaffen, so daß er an große Arbeiten gar nicht denken konnte – sondern verthat sich in Kleinigkeit und verzettelte sein Können.

Anfangs war ihr Mitleid rege geworden, dann hatte er ihr mit seiner Naivität gefallen: Was für seltsame Begriffe er sich von der großen Welt machte, in der sie lebte; so daß sie es versuchte, ihn dort ein wenig hineinzuziehen, ihm Einblick zu gewähren, um ihn aufzuklären; aber sie gab es bald wieder auf. Er hatte nur zu recht: er paßte da nicht hinein; ganz unglücklich kam er sich vor, er machte eine hilflose Figur, und ohne daß er irgend welchen Gewinn mit heimnahm, ließ das alles ihn sein Elend nur noch mehr fühlen. Und so hatte er sie gebeten, ihn allein zu lassen in seiner Dachkammer, aus der er gar nicht heraus wollte. Wenn er nur genug zum leben hatte.

Sie kam sich so gut vor, daß sie lieb zu ihm sein konnte, wie sonst zu keinem Menschen noch. Ihr Mann galt ihr nicht viel, er war auch nicht die Natur, die sich in Liebenswürdigkeiten wohlfühlte; Kinder hatten sie auch nicht, und so gab sie denn Bernd ein wenig von ihrem Herzen.

Sie fühlte, wie er immer mehr in ihren Bann geriet, wie er sie bewunderte und anbetete. Er sagte es ihr auch, daß er vor ihr wie vor einem Kunstwerke stand, – mit vielen schmeichlerischen Worten sagte er ihr immer aufs neue, und jedesmal anders, was ihn an ihr entzückte.

Und eines Tages, als er ganz unglücklich war, vor ihr auf den Knieen, während sie ihn streichelte, um ihn zu begütigen, um ihn zur Vernunft zu bringen, der, blos weil ihm ein Bild nicht gleich gelingen wollte, sein Leben und seine Kunst verfluchte – während sie ihm voller Liebe gut zuredete, der sie in seiner Verzweiflung umschlang und schutzsuchend völlig haltlos sich eng und enger an sie drängte, da verlor sie sich – aber diesen letzten Schritt that sie mit klarem Bewußtsein, ohne Reue hernach und nicht in der Ueberrumpelung der Sinne. –

Und wie er heute, da sie immer wieder gekommen war, bat und flehte: sie solle noch bei ihm bleiben, und nicht fortgehen zu den fremden Menschen – das that ihr so wohl, und sie versprach sich nicht viel von der Gesellschaft, in die sie gehen mußte – doch sie konnte nicht anders – und er mußte sich bescheiden.

Nur auf einen Augenblick war sie zu ihm heraufgeschlüpft, um ihn zu überraschen, in großer Gesellschaftstoilette.

Aber er war wie ein Kind und bettelte immer noch um eine Minute – allein sie konnte wirklich nicht, sah nach der kleinen Uhr; mit schmeichelnder Bewegung redete sie ihm gut zu, bis er sie resigniert gehen ließ, die an der Thür unsicher zauderte. Ganz matt fragte er sie:

– Wann werde ich dich wiedersehen?

– Ich weiß doch nicht, Närrchen. Ich kann es ja vorher nie sagen, und wenn ich dann nicht kann, wirst du ungeduldig. Vielleicht schreibe ich dir, oder aber ich komme einfach wie heute herauf, auf gut Glück, ob ich den Herrn treffe. Sei nicht traurig, du hast doch zu thun. Denk ein wenig an mich, wenn ich fort bin – aber nicht zuviel. Ich komme bald, denn heute das zählt nichts heute, wo du mir ja gar nicht nahe kommen darfst.

Und mit einem Lächeln, einem freundlichen Lächeln, das ihm bitter wehe that, ging sie, auf den Zehen den Corridor entlang und leise die Treppe hinab, nachdem sie beide zuvor mit angehaltenem Atem gelauscht hatten, ob sich im Treppenhause auch nichts regte.

Er hörte das Seidenrauschen ihrer Röcke, dann ward es still; und als er die Thür leise wieder ins Schloß drückte und sich im Atelier umsah, da schien ihm, als sei alles Licht und alle Luft daraus entschwunden. Ein beängstigendes Gefühl beschlich ihn, das Gespenst grau eintöniger Langerweile. –

Seit er sie kannte, sagten ihm all die kleinen Liebesabenteuer nichts mehr, die seinem freudlosen Dasein einen gewissen Inhalt gegeben hatten. Das kam ihm ekel und schal vor; er fühlte, daß es seiner nicht mehr würdig war, da es seine Liebe zu ihr entweihte. Er brachte seine Nachmittage und die frühen Abende damit hin, sie zu erwarten, weil sie immer ganz plötzlich kam, ganz unvermutet; und so lebte er in steter Angst, sie zu verfehlen, und dieses nutzlose Ausharren im Atelier entnervte ihn, weil er nicht zur Arbeit kommen konnte, weil er bei jedem Geräusche gleich an der Thür war und klopfenden Herzens lauschte, und sich nie traute etwas anzufangen, was seine Zeit voll in Anspruch nehmen konnte.

Bis dahin war ihm seine Kunst alles gewesen, aber allmählich hatte er seinen Ehrgeiz verloren. Die kleinen Gelegenheitsliebschaften hatten ihn niemals gestört, aber diese neue Liebe war eine drohende Rivalin, die stärker war als alle seine künstlerischen Empfindungen, die seinen Willen, Gefahr drohend beugte.

Er holte einen großen Karton, um eine Zeichnung zu entwerfen, die er in der nächsten Woche abzuliefern versprochen hatte, aber es fiel ihm nichts ein. Er mußte immer denken, wie schön sie heute ausgesehen hatte, und wie sie lächelnd von ihm gegangen war, um ihn in seiner Einsamkeit allein zu lassen.

Und er sah, wie jene faden Gesellen, die er haßte, im Salon um sie herumstanden und ihr Schmeicheleien sagten, thörichte Schmeicheleien, mit denen auch er sie überschüttete. Und sie lächelte dazu, sie lächelte ein wenig süß, wie er es das eine Mal gesehen hatte, ein ganz klein wenig spöttisch – ein selbstzufriedenes Lächeln, das ihn empört hatte, weil sein Gefühl ihm sagte, daß er dabei ganz vergessen war.

Er strichelte noch immer mit seiner Kohle auf dem Papier herum, ein sinnloses Gekritzel, wirre, unzusammenhängende Linien. Dann saß er in der Dämmerung und rauchte seine kurze Weichselpfeife, die er sich immer erst gestattete, wenn sie dagewesen war, oder wenn er genau wußte, daß sie nicht mehr kam. Aber es schmeckte ihm heute nicht. Und wie die grauen Dämmerungsschatten immer dunkler hinter den Staffeleien des Ateliers hervorkrochen, ward ihm ganz umheimlich. Er hielt es in dem kahlen Raume nicht mehr aus, stülpte den Hut auf und ging melancholisch die Treppen hinunter, mit der Hand müde am Geländer sich hinuntertastend. –

Draußen ein warmer Herbstabend; fast schwül nach der regnerischen Kälte der Tage zuvor.

Als er an das Kanalufer kam, sah er, daß seit gestern die Bäume ihr letztes Laub verloren hatten. Es klebte auf dem feuchten Asphalt der Fahrdämme, lag zusammengefegt auf dem schmalen Grasstreifen der Böschung und schwamm mit braunen Blättern auf dem träge dahinschleichenden Kanal.

Die weißen Glühflammen der Laternen standen kalt in den kahlen Zweigen der Kastanien. Es war Nacht geworden. Nur am Westhimmel, über den Häusern, hielt sich noch ein letzter schwacher Tagesschimmer.

Langsam schlenderte er, die Hände tief in den Taschen, am Ufer. Er wußte, wo sie heute war; und vor dem Hause, das er instinktiv aufgesucht, blieb er stehen und sah hinauf.

Dort in der zweiten Etage die hellen Fenster. Er kannte die Räume mit ihrer unkünstlerischen Protzigkeit. Er hatte sich durch sie einmal verleiten lassen, dort seinen Besuch zu machen, weil die Frau des Hauses sich malen lassen wollte – aber dann hatten sie sich an einen bekannten Modeklexer gewandt, der mit seiner zuckersüßen Manier ihnen besser behagte. Einmal war er in diese Gesellschaft gegangen – einmal und nie wieder.

Vielleicht hatte er auch den Auftrag nicht erhalten, weil er sich nach der einen Gesellschaft dort nie wieder blicken ließ. Aber er konnte nicht; es war ihm unmöglich, sie in dieser Umgebung zu sehen, wo sie ihm so fern, so weltfremd vorkam, daß er gar nicht begriff, wie diese stolze Frau, die so leidenschaftslos kalt schien, ihm, dem armen Künstler, auch nur einen einzigen freundlichen Blick gönnen konnte. –

Auf der Bank gegenüber, am Kanal, saßen ein paar Leute, ein Liebespaar das ihn beobachtete, der Mann den Arm frech um ihre Schultern. Deshalb ging er weiter, durch die Anlagen des Lützowplatzes, wieder am Kanal hin, bis endlich der Wald anfing. Dort an einem Nebenwege setzte er sich, – aber der Nebel stieg fröstelnd auf, und die Nachtkälte vertrieb ihn.

Am Kanal schlenderte er zurück, halb im Traume, ohne daß er wußte, wohin er ging.

Er stand wieder vor dem Hause, an den gelbseidenen Vorhängen huschten dunkle Schatten vorbei; plötzlich glaubte er sie oben zu erkennen, so daß ihr Name ihm auf die Lippen kam.

Ein anderer Schatten war neben ihr, ganz nah, daß sie sich deckten. An der Kopfform und der Haltung des Armes wußte er, daß sie es war; er sah diesen flüchtigen Umriß, – und die Augen hinauf nach dem Fenster gerichtet, ging er, wie gebannt, auf das Haus zu über den Fahrdamm …

Eine Dame schrie auf, Leute kehrten sich um und kamen herbeigelaufen; der Kutscher des Bierwagens hatte seine auf der leeren Straße frei dahinstürmenden Pferde mit aller Kraft zurückgerissen, aber es war zu spät.

Ein Schutzmann schrieb den Kutscher, der die Achseln zuckend jede Schuld von sich wies, auf. Ein paar Zuschauer boten sich als Zeugen an: der Herr war direkt in die Pferde hineingelaufen, – und während man den leblos Daliegenden in einer Droschke fortschaffte, wurde droben der Vorhang zurückgeschlagen. Ein Herr und eine Dame blickten auf die Straße, – aber da nur ein paar Menschen neben dem Wagen standen, mußte wohl nichts los sein. Ein betrunkener Kutscher vielleicht oder ein gefallenes Pferd.

Und der Vorhang fiel wieder hinter ihnen zu. –

*

Ein paar Tage später stieg eine Dame hastig die Treppen des Gartenhauses zu den Ateliers hinauf; oben stockte sie atemlos. Die Thür zum Atelier Bernd Durbans stand offen. Eine Frau kam heraus, die Kleider ringsum hoch gesteckt, daß man den schmutzigen Unterrock und die braunen Wollstrümpfe in Holzpantinen sah. Einen Scheuereimer voll schmutzigen Wassers in der Hand, den sie in den Ausguß der Wasserleitung auf dem Korridor schüttete.

Die Frau blieb stehen und sah die Dame an, in der Erwartung, ihr Auskunft zu geben. Als sie nun fragte, ob der Maler Durban nicht mehr hier wohne, setzte die Frau hastig ihren Eimer an die Thür des ausgeräumten Ateliers und sich die Hände an ihrer Schürze trocknend, sagte sie voller Eifer:

– Ach du lieber Gott nee, den finden Se hier nich mehr. Jetzt weeß ick ooch, er hat doch die jnä'je Frau jemalen; – wissen denn jnä'je Frau von jar nischt?

– Aber was ist denn geschehen?

– Ach du lieber Gott nee! den müssen Sie nu wo anders suchen; nee aber ooch, so'n Unglick. Er is doch untern Wagen jekommen, en Bierwagen is et jewesen, vorichte Woche, an Donnerstag abend, janz hier in die Jejend, am Ufer, dicht bein Lützowplatz. Wir habens ooch erst den andern Tag jehört, da lag er schon im Elisabeth, und da war nischt mehr zu wollen. Det sagte der Doktor jleich, und den Abend wars denn ooch schon vorbei. Keen Sterbenswort hat er mehr rausjebracht, der rechte Arm war ihm janz kaput, und denn haben sie ooch nich lesen können, wat er mit de Linke jekritzelt hat. Jotte doch, wat is denn, Ihnen wird wohl schlecht, een Oogenblick warten Se blos …

Und rasch war sie in dem Nebenatelier, und holte einen Stuhl und gleich wieder weg nach einem Glase, und die Wasserleitung brauste nur so. –

Sie hielt sich stützend krampfhaft an der Stuhllehne, mit geschlossenen Augen, während ihr Herz vor Schreck still stand. Kahl und leer lag der Atelierraum da, – der Fußboden mit seinen Farbenflecken naß vom aufscheuern, die getünchten Wände ganz zerschlagen von all den Nägeln.

Das alles verschwamm wie im Nebel vor ihren Augen, und sie konnte nicht denken; sie wußte nicht mehr wo sie war.

Dann kam sie wieder zu sich. Aber nachdenken konnte sie nicht. Mechanisch gab sie der Frau ein Geldstück, die ihr in ihrem Eifer dankbar noch Einzelheiten erzählen wollte. Aber sie mochte nichts hören. Es brauste ihr in den Ohren, und oben an der Treppe, wenn die Frau sie nicht gehalten hätte, wäre sie gestürzt, so schwindelig war ihr. Dann wehrte sie ihre Hilfe dankend ab, – und an den Wänden hin tastete sie sich taumelnd die Treppe hinab.

Mit einem Taxameter, der gerade vorbei fuhr, kam sie nach Haus; ein paarmal mußte sie Grüße, die offenbar ihr galten, erwidern. Automatisch that sie es, ohne zu sehen, wem sie dankte.

Nun war sie zu Haus, in ihrem Zimmer; aber sie vermochte es nicht zu fassen, was die Frau erzählt hatte: daß er schon seit Tagen nicht mehr auf der Welt sein sollte, ohne daß sie es geahnt, ohne daß sie auch nur das leiseste Gefühl davon gehabt hatte. Das war ja nicht möglich!..

Sie saß da, die Hände im Schoße, mit großen leeren Augen und nagte in sinnloser Verzweiflung an der Lippe.

Ihr Mann kam nach Haus, und sie setzten sich zu Tisch. Er achtete kaum auf sie, so daß er gar nicht merkte, wie sie nichts aß, nur ein wenig in ihrer Suppe löffelte, an dem Fleische schnitt, aber nichts zum Munde führte. Als er dann bei seiner Zeitung saß, fragte er endlich, ob sie nicht wohl sei.

Ja, sie hatte Kopfschmerzen.

Er las schon weiter. Sie stellte ihm den Kaffee hin, da blickte er auf, und über die Zeitung weg sagte er gleichgiltig:

– Übrigens, was ich schon gestern sagen wollte, weißt du, was mit Bernd Durban passiert ist? … Der arme Kerl ist überfahren und gleich tot gewesen. Schon vorige Woche, ich habs erst vorgestern zufällig von Rössing erfahren.

– So!? sagte sie und ballte ihr Taschentuch in der Hand zusammen.

Dann fügte sie leise hinzu, mit einem verhaltenen Schluchzen in der Stimme:

– Der arme Mensch!

Nun konnte sie sich nicht mehr halten.

– Mir ist schlecht, ich werde mich ein wenig hinlegen.

– Schön, thue das! …

Als sie durch den Salon ging, fiel ihr erster Blick auf ihr Bild, an das sie noch gar nicht gedacht hatte, – und all die Scenen tauchten lebendig vor ihr auf: wie ihr Mann zum ersten Male von ihm gesprochen und wie sie ihn kennen gelernt hatte, wie sie dann beschlossen hatten, ihr Portrait bei ihm zu bestellen; – und sie sah sich, wie sie zur ersten Sitzung mit einer Freundin die vier hohen Treppen zu ihm hinauf geklettert war. Sie sah sein liebes Gesicht, seinen lachenden und plaudernden Mund, seine lebhaften Augen, die sich nicht satt an ihr sehen konnten – und das alles sollte nun nicht mehr sein? .. Seit vielen Tagen war das alles nicht mehr auf der Welt! …

Und mit jähem Schreck durchfuhr es sie: An einem Donnerstage war es gewesen, – an dem Abend, als sie zuletzt bei ihm gewesen. Sie sah sich, wie sie am Fenster gestanden hatte und in die Nacht hinaus geblickt, – drunten am Kanal der Lärm auf der Straße, der gleich wieder verstummt war, – wie sie lustig plaudernd ein wenig den Vorhang gehoben hatte und unten im Flackerlichte der Laterne einen Wagen gesehen und ein paar Menschen dabei.

Und sie hatte weiter gelacht; sie war glücklich gewesen in der Erinnerung an das Plauderstündchen, das sie bei ihm vorher im Atelier zugebracht hatte. Sie war froh gewesen, hatte gelacht und getanzt … indessen da drunten …

Jetzt sah sie ihn liegen, da vor ihren Fenstern auf der Straße; jetzt fühlte sie, jetzt wußte sie es: daß er tot war! …

Und mit abgewandten Augen, an dem Bilde vorbei tastete sie sich weiter, aber ohnmächtig brach sie an der Schwelle des anderen Zimmers zusammen. –

Als sie in ihrem Bette wieder zur Besinnung kam, war der Arzt bei ihr; und ihr Gatte that sogar ein wenig besorgt, redete klug, sie müsse sich schonen, sie solle sich nur ausruhen – und am Abend ging er, wie eben jeden Tag, fort in seinen Klub und ließ sie allein.

Sie war ihm fast dankbar dafür; denn nun konnte sie in ihrer Einsamkeit, die sich grau und endlos vor ihr dehnte, an ihn denken, gemartert von der tödlichen Qual, daß sie ihm so nahe gewesen war, wenige Schritte nur entfernt, und so gar nichts gewußt, nicht die leiseste Ahnung gehabt hatte, wie dort unten vor den Fenstern auf der Straße all ihr Glück und ihre Liebe elend zerschmettert lagen.


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