Ludwig Thoma
Tante Frieda
Ludwig Thoma

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Der Reinhardt hat gefragt, wer dieser junge Mensch ist, und was der junge Mensch will.

Da hat der Seitz mit die Achseln gezuckt und hat gesagt, er ist ein Bräubursche.

Ich habe gesagt, es ist nicht wahr, er ist kein Bräubursche nicht, aber er kann alle Bräuburschen hinschmeißen. Meine Mutter hat gesagt, ich darf nicht hineinreden, und ich darf nicht immer vom Hinschmeißen reden, aber es ist wahr, der Franz ist kein Bräubursche nicht, er ist ein Pratikant und lernt das Bier machen. Der Seitz hat gesagt, er soll auch die Höflichkeiten lernen, und daß man nicht streitet vor die Damen. Da hat die Cora gesagt, sie glaubt, er ist ganz höflich, aber er hat gemeint, der Herr Seitz will ihm beleidigen. Meine Mutter hat freundlich auf sie gelacht, und sie hat gesagt, die Cora hat recht, und es ist ein Mißverständnis, und wenn man es dem Herrn Reiser sagt, ist es wieder gut. Da hat die Musik gespielt, und der Knilling ist mit der Cora fort, und der Reinhardt ist mit unserem Ännchen fort.

Die Tante Theres hat den Seitz angeschaut, ob er nicht einmal mit der Rosa geht, aber er ist sitzen geblieben, und da ist der Bader Fischer gekommen und hat die Rosa geholt.

Der Seitz hat den Bogner gefragt, ob er gehört hat, daß er wen beleidigt hat.

Der Bogner hat gesagt, er hat keine Beleidigung nicht gehört, aber diese Leute sind so empfindlich, wenn man von die akademische Bildung redet. Es ist auch keine Schmeichelei nicht, hat die Tante Theres gesagt. Meine Mutter hat zu ihr geschaut und hat die Augen gezwinkert.

Aber die Tante Theres hat so stark gestrickt, daß es mit die Nadeln geklappert hat, und sie hat es noch einmal gesagt, es ist keine Schmeichelei nicht, daß man sagt, daß es nicht anständig ist, wenn man nicht bei der Akademie war.

Der Seitz hat reden gewollt, aber da ist auf einmal ein furchtbarer Spetakel angefangen. Der Onkel Pepi hat mit seiner Schnupftabakdose auf den Tisch gehaut und hat geschrieen, man muß es ihm sagen, ob er anständig ist.

Die Tante Elis hat gerufen Josef, meine Mutter hat ihm auch gerufen, und der Bogner hat gesagt: »Aber Herr Expeditor.«

Der Onkel hat nicht aufgepaßt, und er hat geschrieen, man muß es sagen, ob er anständig ist, und er war bei keiner Akademie nicht, und man muß es sagen, ob die Postexpeditor anständig sind.

Und er hat jedesmal auf den Tisch gehaut, wenn er was gesagt hat.

Der Seitz hat gesagt, daß die Postexpeditor anständig sind.

Der Onkel hat aber noch lauter geschrieen, man muß ein Schreiben aufsetzen, weil es sonst niemand glaubt, daß die Expeditor anständig sind und keine Akademie nicht brauchen.

Die Tante Elis hat gesagt, sie schreibt es ihm morgen auf.

Da hat der Onkel auf einmal gemerkt, daß der Franz nicht mehr da ist, wo er sich verstecken kann, und er hat der Tante ihr Auge gesehen, und er hat seinen Hut tief hineingesetzt, bis er ganz blind war, und er ist auf einmal still gewesen.

Meine Mutter hat zu mir gesagt, ich muß nicht immer da sitzen, sondern ich muß ein bißchen herumgehen.

Ich habe schon gemerkt, daß sie mich fortschickt, wegen dem Onkel seinen Spetakel, aber ich bin gerne fort, weil ich gedacht habe, ob ich vielleicht zum Franz komme.

Ich bin hinter der Bierhütte hinauf, und da habe ich ihn gesehen.

Er ist auf einem Stock gesessen, und er hat gesagt, bist du da?

Ich habe gesagt, ja.

Da hat er gefragt, ob sie recht zornig sind auf ihm, weil er gestritten hat.

Ich habe gesagt, daß meine Mutter ihm geholfen hat.

Er hat ein bißchen gelacht und hat gesagt, ja, deine Mutter.

Da habe ich gesagt, daß die Cora auch gesagt hat, er ist ganz höflich. Er hat gesagt, so so.

Und dann hat er gesagt, es ist wahr, er ist vielleicht höflich; ein Bauernknecht ist höflich, und ein Fuhrmann ist höflich, und die vornehmen Leute sind zufrieden, wenn man bloß höflich ist. Aber er ist nicht gebildet, und er ist nicht anständig, und man laßt es ihm so stark merken. Ich habe gesagt, man muß den Seitz hauen, dann ist es besser. Er hat gesagt, er meint nicht der Seitz, aber die Cora redet mit ihm anders, als wie mit die Gebildeten. Sie redet mit ihm ganz gut, aber es ist so, als wenn man im Wagen sitzt und redet mit dem Kutscher. Gerade so freundlich ist es.

Ich habe nichts gesagt, aber ich habe mich gewundert, was er für lange Reden macht, und früher hat er gar keine langen Reden gemacht.

Auf einmal hat er gefragt, ob es schwer ist, daß man das Lateinische und Griechische lernt.

Ich habe gesagt, wenn es einen freut, ist es vielleicht nicht schwer, aber ich glaube nicht, daß es einen freut.

Da hat er gefragt, wie lange es dauert, bis man es am schnellsten lernt.

Ich habe gesagt, in unserem Lesebuche steht eine Geschichte von einem Bauernknecht. Er hat Tag und Nacht gelernt, und er ist in drei Jahren fertig geworden.

Der Franz hat gesagt, vielleicht ist er recht gescheit gewesen.

Ich habe gesagt, ich weiß es nicht. Im Lesebuch steht, daß ein Professor in das Dorf gekommen ist, und er hat gleich gesehen, daß in dem Bauernknecht ein Geist ist. Aber die Professer kennen nichts; man kann sie furchtbar leicht anlügen. Vielleicht hat ihn der Bauernknecht auch angelogen.

Steht in dem Buch, daß er die ganze Nacht gelernt hat? hat der Franz gefragt.

Ich habe gesagt ja; ich weiß es auswendig, wie es heißt. Bei dem trüben Schein von der Stallaterne lernte er mit fieberhaftem Fleiße. Da hat der Franz gesagt, er hat es gewiß wegen ein Mädchen getan. Ich habe gesagt, ich weiß es nicht. Im Lesebuch steht es nicht. Es heißt bloß, er ist ein Erzbischof geworden.

Da hat der Franz gesagt, dann ist es nicht wegen ein Mädchen gewesen. Und er hat einen Seufzer gemacht und hat gesagt, es geht nicht. Wenn ein Erzbischof drei Jahre braucht, dauert es bei ihm viel länger, weil er keinen so guten Kopf nicht hat. Und bis er anfangt, fahrt die Cora vielleicht schon heim.

Ich habe gesagt, er soll froh sein, daß er nicht muß. Wenn man es nicht kennt, meint man vielleicht, es ist schön. Aber wenn man es kennt, ist es ekelhaft.

Der Franz hat den Kopf geschüttelt. Ich habe gesagt, ob er glaubt, daß vielleicht der Seitz das Lateinische kann.

Er hat gesagt, er braucht es nicht, aber er ist dabei gewesen. Die Hauptsache ist, daß einer dabei gewesen ist. Die Mädchen fragen nicht, ob einer was kann, sie fragen bloß, ob einer dabei war.

Ich habe gesagt, er soll wieder mitgehen auf unsern Tisch.

Aber er hat nicht gewollt. Er hat gesagt, es geht nicht; wenn er kommt, schaut ihn der Reinhardt durch das Glas an, und die Mädchen sind vielleicht mitleidig, und sie behandeln ihn wie den Mann, der krank gewesen ist, und sie denken, man muß ihn schonen, weil er nicht dabei war, und vielleicht ist der schiefbeinige Salbenreiber ganz voller Erbarmung mit ihm und gibt ihm eine sanfte Rede ein, daß man sieht, wie er großmütig ist. Aber er mag nicht zuschauen, wie der Seitz herumgeht wie der Gockel auf dem Mist, und er mag nicht hören, wie er dem dummen Assessor die Cora erklärt, als wenn sie ein fremder Vogel ist, und er hat sie in seinem Käfig.

Er hat gesagt, er geht lieber heim, und er hat mir die Hand gegeben und ist fort.

Ich bin ganz traurig gewesen; da hat er mir gepfiffen und ist wieder hergekommen, und er hat gesagt, ich muß ihm das Buch leihen, weil er es lesen will, wie der Bauernknecht studiert hat.

Ich habe gesagt, ich bringe es ihm morgen an den Gartenzaun.

Und dann ist er ganz fort.

Ich habe zuerst lange das Tanzen zugeschaut. Es ist schon dunkel gewesen, wie ich auf unsern Tisch gekommen bin, und der Seitz hat die Lampions angezündet.

Meine Mutter hat gefragt, ob ich den Franz gesehen habe.

Ich habe gesagt ja.

Da hat die Cora gefragt, wo er ist.

Ich habe gesagt, er ist heim.

Meine Mutter hat gesagt, es ist schade, man muß ihm sagen, daß er nicht beleidigt worden ist, denn man muß niemand weh tun.

Da ist auf einmal ein Spetakel gewesen. Der Onkel Pepi hat furchtbar geweint, daß ihm die Tränen gekugelt sind, und er hat geschluchzt, daß die Leute überall geschaut haben.

Die Cora und Ännchen sind aufgesprungen, und meine Mutter ist aufgestanden, und sie hat gesagt, um Gottes willen, was der Onkel hat.

Bloß die Tante Elis ist ganz ruhig gewesen, und sie hat langsam gesagt, er ist betrunken.

Da hat der Onkel noch viel lauter geweint.

Der Bogner ist vom andern Tisch gekommen, und der Sattler Weiß ist gekommen und seine Frau, und der Weiß hat gesagt, was ist, was ist?

Nichts, hat die Tante Elis gesagt, er ist betrunken.

Aber der Onkel hat geschluchzt und hat gesagt, man hat ihm weh getan, und er ist anständig, und man muß es aufschreiben, daß ein Postexpeditor auch anständig ist.

Da hat der Weiß gelacht, und die andern haben auch gelacht, und die Tante Elis hat gesagt, der Onkel muß heim.

Der Onkel hat mit seinem Sacktuch die Tränen aufgewischt, und er hat gesagt, er mag nicht, und man muß es zuerst aufschreiben.

Der Knilling ist zu der Tante hin und hat gesagt, wir gehen gleich alle mit die Lampions heim, und da geht der Onkel schon mit.

Die Musik hat ein Zeichen gemacht, und die Leute haben sich aufgestellt. Meine Mutter hat wieder fahren dürfen, und der Seitz hat gesagt, es ist noch ein Platz da, vielleicht fahrt die Tante Elis, oder man ladet den Onkel auf.

Die Tante Elis hat gesagt, sie fahrt, und der Betrunkene muß gehen, daß er vielleicht nüchtern wird.

Die Musik hat, gespielt, und wir sind marschiert, und wir haben alle Lampions gehabt.

Vor mir ist die Cora gegangen mit Ännchen, und der Seitz und der Reinhardt waren bei ihnen.

Ich war neben dem Onkel Pepi. Der Sattler Weiß hat ihn gehalten, und er hat immer die Beine durcheinander getan, und er hat gesagt, wenn er tot ist, muß man auf den Grabstein eine Schrift machen, daß er Expeditor aber anständig gewesen ist.

Der Sattler Weiß hat gesagt, ja, es wird auf seinen Grabstein hingeschrieben.

Der Onkel hat gesagt, der Weiß muß es versprechen.

Der Weiß hat gesagt, er verspricht es. Da hat der Onkel wieder geweint und hat gesagt, daß alle Leute es lesen müssen, und daß man es erfährt, wenn er tot ist, und vielleicht fragt ihn der liebe Gott auch, ob er bei der Akademie war. Aber auf einmal hat er einen Hätscher gehabt und hat bloß still geweint.

Beim Tor hat die Musik aufgehört, und wir sind aber noch marschiert bis zum Stadtplatz, und da sind wir auseinandergegangen. Ich bin mit Ännchen und Cora, und der Seitz und der Reinhardt hat uns begleitet.

Bei unserm Haus hat meine Mutter gewartet, und sie hat zum Seitz gesagt, daß es ein gelungenes Fest war, und wir bedanken uns. Der Seitz hat gesagt, er hofft, daß die Damen zufrieden sind mit das Gebotene, und er hat meiner Mutter die Hand gegeben und Ännchen, und dann hat er seine Augen hinausgehängt und hat der Cora gute Nacht gesagt. Und der Reinhardt hat immer seine Absätze aufeinandergehaut.

Dann sind wir in unser Haus.

Ich habe beim Fenster hinausgeschaut; da sind sie drunten erst weggegangen, und man hat den Reinhardt gehört, wie er gesagt hat, sie ist eine famose Erscheinung.

Aber beim Buchbinder Stettner ist unter dem Haustor jemand gestanden und ist jetzt auch langsam fortgegangen.

Ich glaube, es ist der Franz gewesen.


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