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Von den hochheiligen Wundmalen St. Franzisci und den Betrachtungen darüber

In diesem Teile werden wir andächtigen Betrachtens voll die glorreichen heiligen und geheiligten Wundmale unsers seligen Vaters St. Francisci anschauen, die er von Christo auf dem heiligen Berge La Vernia empfing. Und da die besagten Wundmale fünf an Zahl waren nach den fünf Wundmalen unsers Herrn Jesu Christi, soll auch das Folgende der Betrachtungen fünf enthalten. Die erste Betrachtung wird davon handeln, wie St. Franciscus nach dem heiligen Berge La Vernia kam. Die zweite Betrachtung wird von der Gemeinschaft handeln und dem Leben, das er auf jenem heiligen Berge führte und dessen er dort mit seinen heiligen Jüngern pflog. Die dritte Betrachtung wird von der Erscheinung des Seraphs handeln und darüber, wie St. Franciscus die allerheiligsten Wundmale empfing. Die vierte Betrachtung wird davon handeln, wie St. Franciscus von dem Berge La Vernia herabstieg, nachdem er die heiligen Wundmale empfangen hatte, und wieder nach Sta. Maria degli Angeli kam. Die fünfte Betrachtung wird von etlichen Erscheinungen und göttlichen Offenbarungen handeln, so da nach St. Francisci Tode den heiligen Brüdern und andern frommen Personen über jene heiligen und glorreichen Wundmale zuteil wurden.

 

Von der ersten Betrachtung über die hochheiligen Wundmale

Was die erste Betrachtung anlangt, so haben wir uns zu merken, daß in dem Jahre eintausendzweihundertundvierundzwanzig, da St. Franciscus dreiundvierzig Jahre alt war, Gott ihn dazu trieb, sich aus dem Tale von Spoleto zu heben, auf daß er sich nach der Romagna begebe mit Bruder Leo, seinem Jünger. Und da sie wanderten, kam er unten an der Burg Montefeltro vorüber. In dieser Burg feierte man derzeit ein großes Gelage mit Schaugepränge zu Ehren eines der damaligen Grafen von Montefeltro, der soeben den Ritterschlag empfangen hatte. Als St. Franciscus nun von der Feier hörte, so da stattfand, und daß viele Edle allerhand Länder dort beisammen waren, sprach er zu Bruder Leo: »Laß uns hinauf zu diesem Feste gehen; denn vielleicht könnten wir dort gute Frucht mit der Hilfe Gottes ernten.«

Unter den andern Edlen jener Lande, so da zum Feste gekommen waren, befand sich ein reicher und großer Herr aus der Toscana, Namens Orlando von Chiusi im Casentino. Dieser war um der staunlichen Dinge willen, die er von St. Francisci Wundern und Heiligkeit vernommen hatte, ihm höchlichst zugetan und verlangte sehr danach, ihn zu schauen und ihn predigen zu hören.

Da kommt nun St. Franciscus an jenen Burgflecken und tritt ein und begibt sich auf den Platz, da die ganze Schar dieser Edlen versammelt war; und in der Brunst seines Geistes erstieg er den Vorsprung einer Mauer und hub an, zu predigen, indem er folgendes in gemeiner Auf italienisch, nicht Latein, der Kirchensprache. Sprache zu seiner Predigt Texte machte: »Das Gut, des ich harre, ist so groß, drum freue ich mich der Leiden bloß.« Und kraft des heiligen Geistes Belehrung predigte er über diesen Text so andächtig und so tief, indem er ihn mit verschiedener Marter und Pein der heiligen Apostel und heiligen Blutzeugen belegte und mit der harten Buße der heiligen Bekenner und mit viel Drangsalen und Versuchung der heiligen Jungfrauen und andrer Heiliger, daß alle Welt gespannten Blickes und Sinnes ihm folgte und zuhörte, als rede ein Engel Gottes. Darunter aber ward jener Orlando durch St. Francisci Rede von Gott im Herzen ergriffen und beschloß, mit ihm nach der Predigt seiner Seelen Angelegenheit zu bestellen und zu beraten.

Als die Predigt beendet war, nahm er daher St. Franciscum beiseite und sprach zu ihm: »Vater, ich möchte mit dir meiner Seelen Heil bestellen.« Antwortet St. Franciscus: »Gut, doch für heute morgen gehe und ehre deine Freunde, so dich zum Feste geladen haben, und iß mit ihnen Mittag; nach dem Essen aber laß uns miteinander reden, soviel es dir gefällt.«

So geht denn Orlando zu Mittag. Nach dem Essen aber kommt er zu St. Francsico wieder und bestellt und beredet mit ihm gründlich seiner Seelen Angelegenheit. Zum Schlusse sagt dieser Orlando zu St. Francisco: »Ich habe einen recht weihevollen Berg in der Toscana, so der Berg La Vernia heißt; er liegt sehr abseits und taugt über alle Maßen für jemand, der an einem Orte, von Menschen fern, büßen will oder nach einsamem Leben trachtet; sollte er dir gefallen, so möchte ich ihn dir gerne schenken, dir und deinen Jüngern zum Heile meiner Seele.« Wie da St. Franciscus hörte, daß man ihm so freigiebigerweise bot, wonach er sehr begehrte, machte ihm das große Freude; und er lobte und dankte Gott zunächst und dann Orlando und sagte ihm also: »Orlando, wenn Ihr in Euer Haus heimkehret, gedenke ich einige meiner Genossen zu Euch zu senden, und Ihr werdet jenen diesen Berg zeigen. Wird er ihnen tauglich dünken zur Buße und zum Gebete, so nehme ich gern Euer liebreiches Erbieten an.« Nach diesen Worten ging St. Franciscus hinweg, und da er seine Reise beendet hatte, kehrte er wieder nach Sta. Maria degli Angeli. Desgleichen auch kam Orlando, der jene Gasterei bis zum Schlusse gefeiert, nach seiner Burg zurück, die Chiusi hieß und von dem Berg La Vernia etwa eine Meile ablag.

Als St. Franciscus nach St. Maria degli Angeli zurückgekehrt war, sandte er zween seiner Jünger zu dem genannten Orlando, und da sie hinkamen, wurden sie von ihm mit großer Freude und Liebe aufgenommen. Und da er ihnen den Berg La Vernia zeigen wollte, schickte er wohl an die fünfzig Gewappnete mit ihnen, auf daß jene sie vor den wilden Tieren beschützten; und, also geleitet, stiegen die Brüder auf den Berg und forschten mit Sorgfalt. Endlich kamen sie an eine Gegend des Berges voller Weihe und Gunst zu beschaulichem Leben, und an der Stelle war etwas Ebene. Jenen Platz erwählten sie zu ihrer und St. Francisci Wohnung; und zusammen und mit Hilfe der Gewappneten, so ihr Geleite waren, errichteten sie einige Zellen aus Baumzweigen. Also empfingen sie in Gottes Namen den Berg La Vernia und besetzten ihn sowie der Brüder Wohnstätte auf jenem Berge und gingen fort und kehrten wieder zu St. Francisco.

So kamen sie denn zu ihm und berichteten, wie und welcher Art sie auf dem Berge La Vernia einen Platz erkoren hatten, der zum Beten höchst geeignet war und zur Beschaulichkeit. Als St. Franciscus diese Nachricht vernommen, freute er sich sehr, und da er Gott preist und dankt, spricht er heiteren Angesichtes zu diesen Brüdern und sagt: »Meine Söhne, wir nähern uns den Fasten St. Michaels, des Erzengels. Ich glaube gewiß, Gott will es, daß wir diese Fasten auf dem Berge La Vernia halten, den uns Gottes Ratschluß bereitet hat, auf daß wir uns von Christo zu Ruhm und Ehren Gottes und seiner Mutter, der glorreichen Jungfrau Maria, und der heiligen Engel durch Buße des Trostes Freudigkeit erwerben, jenen gebenedeiten Berg zu weihen.« Als St. Franciscus das gesagt hatte, nahm er mit sich Bruder Masseo von Marignano bei Assisi, der ein Mann von großer Beschaulichkeit war, und Bruder Angelo Tancredi von Rieti, der sehr edel war und in der Welt ein Ritter gewesen, und Bruder Leo, einen Mann von großer Einfalt und Reinheit, weswegen St. Franciscus ihn sehr liebte. Mit diesen drei Brüdern hub St. Franciscus zu beten an, befahl sich und die besagten Jünger den Fürbitten der Brüder, so zurückblieben, und machte sich auf mit jenen dreien im Namen Jesu Christi, des Gekreuzigten, um nach dem Berge La Vernia zu ziehen.

Da St. Franciscus unterwegs war, rief er einen jener drei Gefährten, nämlich Bruder Masseo, und sprach zu ihm also: »Du, Bruder Masseo, wirst auf dieser Wanderung unser Guardian sein und Vorgesetzter, und zwar, ob wir zusammen gehen oder stehen und unseres Brauches achten, da wir die Tageszeiten sagen oder von Gott reden oder schweigen und nicht an das Kommende gedenken, weder an Essen, noch Trinken, noch Schlafen; sondern wenn die Stunde der Einkehr kommen wird, werden wir uns ein wenig Brot erbetteln und an der Stätte weilen und rasten, die Gott uns bereiten wird.« Da neigten diese drei Jünger ihr Haupt, machten das Zeichen des Kreuzes und zogen weiter.

Den ersten Abend kamen sie an ein Kloster der Brüder und kehrten dort ein. An dem zweiten Abend, bei einem Ungewitter, da sie kein Kloster vor Müdigkeit erreichen konnten, auch keinen Burgflecken und kein Gehöft, und mit dem Wetter die Nacht hereinbrach, suchten sie Zuflucht und Ruhe in einer verlassenen, leerstehenden Kirche und legten sich dort nieder. Als die Jünger schliefen, hub St. Franciscus zu beten an: Und siehe, um die Zeit der ersten Nachtwache kam eine große Menge wilder Teufel mit gewaltigem Tosen und Rauschen und begann ihn heftig anzugreifen und zu plagen, und der eine packte ihn da, der andre dort; der eine riß ihn herunter, der andre hinauf, der eine drohte ihm so, der andre schmähte ihn anders; und so bemühten sie sich auf allerhand Wegen, ihn im Gebete zu stören. Doch sie vermochten es nicht, da Gott mit ihm war. Als St. Franciscus jener Angriffe der Teufel genug ausgehalten, hub er darum laut zu schreien an: »Ihr verdammten Geister, ihr vermöget nichts, es sei denn, was Gottes Hand zuließe; darum sage ich euch in des allmächtigen Gottes Namen, daß ihr mit meinem Leibe tun möget, was euch von Gott erlaubt ist; denn ich werde es gerne tragen, sintemalen ich keinen schlimmeren Feind habe, denn meinen Körper. Und wenn ihr mich an meinem Feinde rächt, so leistet ihr mir den besten Dienst.« Nun aber packten ihn die Teufel mit großem Ungestüm und Wut und begannen ihn durch die Kirche zu schleifen und ihm noch größeren Ärger und Plagen zu bereiten denn vorher. Jetzt hub St. Franciscus zu schreien an und zu rufen: »Mein Herr Jesus Christus, ich danke Dir für so viel Ehre und Liebe, die Du mir erweisest; denn es ist ein Zeichen großer Liebe, wenn der Herr seinen Knecht auf dieser Welt all seiner Missetaten halber wohl züchtiget, auf daß er nicht in der andern bestraft werde. Und ich bin bereit, heiter jede Pein und jedes Ungemach zu dulden, die Du, Gott, mir um meiner Sünden willen senden magst.« Da wurden die Teufel übermannt von seiner Geduld und Standhaftigkeit und fuhren ab. St. Franciscus aber tritt in seines Geistes Inbrunst aus der Kirche und geht in einen Hain, so dort in der Nähe war, und hebt an zu beten; und mit Beten und mit Tränen und mit Klopfen an seinem Herzen sucht er Jesum Christum zu finden, seiner Seele Bräutigam und Geliebten.

Und da er ihn endlich in der Tiefe seines Herzens fand, redete er zu ihm bald wie zu einem Herrn, bald antwortete er ihm wie einem Richter; bald bat er ihn wie einen Vater, bald sprach er zu ihm wie zu einem Freunde. In jener Nacht und in jenem Haine schauten und hörten seine Jünger, da sie wach geworden und dem, was er tat, lauschten und zusahen, wie er mit Worten und Tränen um Gottes Barmherzigkeit für die Sünder bat. Dort sah und hörte man ihn auch mit lauter Stimme um Christi Passion klagen, als sehe er sie mit dem leiblichen Auge. In dieser nämlichen Nacht sahen sie ihn beten mit übereinander gelegten Armen in Gestalt eines Kreuzes, und ein gutes Stück über der Erde schweben, umhüllt von einer glänzenden Wolke. So verbrachte er jene ganze Nacht in diesen heiligen Übungen ohne zu schlafen.

Dann aber, des Morgens, als seine Gefährten erkannten, daß St. Franciscus von der Drangsal der Nacht zu sehr am Körper geschwächt war, und daß er nur mühsam hätte zu Fuß gehen können, suchten sie einen armen Landmann aus dieser Gegend auf und baten ihn um Gottes willen, er möge sein Eselein Bruder Francisco, ihrem Vater, leihen, der nicht zu Fuße gehen könnte. Als jener Bruder Franciscum nennen hörte, fragte er sie: »Gehört ihr zu den Brüdern jenes Bruders von Assisi, von dem man so viel Gutes sagt?« Die Brüder bejahten das und auch, daß sie wahrhaftig für ihn um das Saumtier baten. Da zäumte dieser Gute das Eselein mit der größten Sorgfalt und Frömmigkeit und führte es zu St. Francisco und recht ehrerbietig ließ er ihn sich darauf setzen, und sie zogen weiter; jener mit ihnen hinter seinem Eselein.

Da sie nun eine Strecke weiter gegangen waren, sprach jener Landmann zu St. Francisco: »Sage mir, bist du Bruder Franciscus von Assisi?« St. Franciscus bejaht das. »Dann strebe danach«, sprach der Landmann, »so gut zu sein, wie alle Welt es von dir glaubt, denn viele haben großes Vertrauen zu dir; und ich mahne dich daran, daß in dir nichts andres sei, denn was das Volk von dir hofft.« Als St. Franciscus diese Worte hörte, nahm er kein Ärgernis daran, von einem Bauern gemahnt zu werden, und sprach nicht bei sicher selber: »Was für ein widerlicher Kunde ist das, der mich mahnt«, wie heute wohl manche Stolze reden würden, so die Kutte tragen. Sondern gleich stieg er von dem Esel zur Erde und kniete vor jenem nieder und küßte ihm die Füße und dankte ihm demütiglich dafür, daß er ihn so liebevoll hatte mahnen wollen. Da hob ihn der Landmann mit St. Francisci Genossen in großer Andacht von der Erde und setzten ihn wieder auf den Esel und schritten weiter.

Doch wie sie etwa zu des Berges halber Höhe emporgelangt waren, und die Hitze sehr groß war, und der Aufstieg ermüdend, befiel diesen Landmann ein großer Durst, so sehr, daß er hinter St. Francisco her zu schreien anfing: »Wehe mir, der ich Durstes sterbe; gleich werde ich verschmachten, wenn ich nicht etwas zu trinken bekomme.« Darum steigt St. Franciscus von dem Esel und hebt an zu beten. Und so lange kniete er da mit gen Himmel erhobenen Händen, bis daß er durch Offenbarung erkannte, daß er von Gott erhöret war. Nun sprach St. Franciscus zu dem Landmann: »Eile, lauf rasch an diesen Felsen, und da wirst du lebendiges Wasser finden, das Jesus Christus um seiner Barmherzigkeit willen diesem Felsen zur Stunde hat entquellen lassen.« Jener läuft nach dem Platze, den St. Franciscus ihm gewiesen hatte, und findet eine schöne Quelle, die dem harten Gesteine kraft St. Francisci Bitten entsprungen war. Und er trank davon reichlich und ward erquickt. Und es war deutlich kund, daß Gott jene Quelle durch ein Wunder auf St. Francisci Bitten erschaffen hatte, da man weder zuvor noch später je einen Quell an der Stätte gesehen hat, noch lebendiges Wasser nahe dieser Stätte bis auf eine weite Entfernung.

Nach diesem Geschehnisse dankte St. Franciscus mit seinen Jüngern und dem Landmanne Gott für das Wunder, das er ihnen gezeigt hatte, und dann schritten sie weiter. Als sie darauf an dem Fuße des eigentlichen Felsens von La Vernia angelangt waren, gefiel es St. Francisco, ein wenig unter jener Eiche zu rasten, die dort am Wege stand und noch heute dasteht, und da er in ihrem Schatten weilte, begann St. Franciscus die Lage des Ortes und der Gegend zu betrachten. Wie er sich in diese Betrachtung versenkt hatte, siehe, da kommt eine große Menge Vögel aus allerlei Gegenden, die mit Gesang und Flügelschlag insgesamt sich recht festlich und heiter trugen, und sie scharten sich um St. Franciscum derart, daß sich einige ihm auf das Haupt setzten, einige auf die Schultern und einige auf die Arme, einige in den Schoß und einige rings um seine Füße. Während seine Jünger und der Landmann dieses schauten, und St. Franciscus sich darob wunderte, sprach er recht heitern Geistes also: »Ich glaube, ihr lieben Brüder, unserm Herrn Jesu Christo gefällt es, daß wir auf diesem einsamen Berge wohnen sollen, weil unsre Schwestern und Brüder, die Vögel, solche Freude ob unsres Kommens zeigen.« Nach diesen Worten erhoben sie sich, gingen weiter und kamen schließlich an den Ort, den seine Jünger zu Anfang ausersehen hatten.

Und bis dahin reicht die erste Betrachtung, darüber nämlich, wie St. Franciscus nach dem heiligen Berge La Vernia kam.

 

Von der zweiten Betrachtung über die hochheiligen Wundmale

Die zweite Betrachtung handelt von dem Leben, das St. Franciscus mit den Jüngern auf dem genannten Berge La Vernia führte. Und was dieses anlangt, haben wir uns zu merken, daß Orlando sehr ob der Kunde sich freute, da er vernahm, St. Franciscus sei mit dreien Jüngern hinaufgekommen, auf dem Berge La Vernia zu wohnen, und daß er an dem folgenden Tage mit vielen Mannen von seiner Burg aufbrach; und sie kamen St. Franciscum zu besuchen und brachten ihm Brot und Wein und andre Lebensmittel für ihn und für seine Jünger. Als er oben anlangte, fand er sie gerade im Beten, und er trat an sie heran und grüßte sie. Da erhob sich St. Franciscus und empfing höchst liebevoll und freudig Orlando mitsamt dem Gefolge. Und danach setzten sie sich zu einem Gespräch miteinander.

Als sie das Gespräch miteinander beendet, und St. Franciscus ihm für den weihevollen Berg gedankt hatte, den er ihm geschenkt, und für seinen Besuch, bat er jenen, er möge ihm eine ärmliche Zelle am Fuße einer wunderschönen Buche errichten lassen, einen Steinwurf weit von der Stätte der Brüder, denn ihm dünkte das ein Ort, der zum Beten geeignet war und weihevoll. Alsbald aber ließ sie Orlando bauen. Nachdem das geschehen, und es Abend ward und Zeit, Abschied zu nehmen, predigte ihnen St. Franciscus ein wenig, bevor sie auseinandergingen. Und da er gepredigt und sie gesegnet hatte, und Orlando aufbrechen mußte, rief er St. Franciscum und seine Jünger beiseite und sagte ihnen: »Meine lieben Brüder! Das ist nicht meine Absicht, ihr solltet in dieser Bergwildnis irgendwie leibliche Not ertragen, so dem hinderlich wäre, daß ihr euch ganz dem Geistigen ergebet. Darum wünsche ich und sage es euch ein für alle Male, daß ihr gewiß nach meinem Hause schicken sollt, wes ihr auch bedürfen möget. Tut ihr jedoch anders, so werde ich mich davon höchst gekränkt sehen.« Dann aber brach er mit seinem Gefolge auf und kam wieder nach seiner Burg.

Nun hieß St. Franciscus seine Jünger sich niedersetzen und belehrte sie über den Wandel und das Leben, die sie führen sollten, und jeder, so als Einsiedel nach der Regel leben will. Unter den andern Dingen mahnte er sie fürnehmlich, der heiligen Armut zu achten, indem er sagte: »Gedenket nicht zuviel Orlandos liebevollen Erbietens, auf daß ihr in keinem Dinge unsre und meine Herrin, die heilige Armut, beleidiget. Seid des sicher, daß je mehr wir die Armut meiden, desto mehr die Welt uns meiden wird, und desto größere Not werden wir dulden. Doch, wenn wir die heilige Armut recht fest umfassen, wird die Welt uns folgen und uns reichlich versehen. Gott hat uns zu der Welt Heile in diesen heiligen Orden berufen und hat das als Vertrag zwischen die Welt und uns gesetzt, daß wir der Welt ein gutes Beispiel geben, und die Welt für unsre Notdurft sorge. Halten wir darum aus in der heiligen Armut, ist sie doch der Weg der Vollkommenheit und Pfand und Gewere des ewigen Lebens.« Und nach vielen schönen und göttlichen Lehren und Worten hierüber schloß er, indem er sagte: »Dieses ist die Art des Lebens, zu der ich mich und euch verpflichte. Und da ich mich dem Tode nahen sehe, möchte ich einsam bleiben und mich vor Gott sammeln und vor ihm meine Sünden beweinen. Bruder Leo wird mir jedoch, wenn es ihm gut dünkt, etwas Brot und etwas Wasser bringen; und lasset auf keinen Fall einen Weltlichen zu mir, sondern antwortet ihnen für mich.« Nach diesen Worten gab er ihnen seinen Segen und ging nach der Zelle unter der Buche, die Jünger aber blieben an ihrer Stätte und festen Willens St. Francisci Geboten zu folgen.

Wenige Tage darauf stand St. Franciscus vor der Zelle und betrachtete die Gestalt dieses Berges und staunte über die großen Risse und Spalten der ungeheuren Felsen, und er hub an zu beten. Da ward ihm von Gott offenbart, daß solch erstaunliche Risse durch ein Wunder geschaffen waren in der Stunde von Christi Passion, da die Felsen barsten, wie es der Evangelist erzählt. Und Gott hatte gewollt, daß dieses sonderlich an jenem Berge La Vernia kund werde, weil dort sich die Passion unsers Herrn Jesu Christi erneuen sollte durch Liebe und Mitleiden in St. Francisci Seele und an seinem Leibe durch Empfangen der hochheiligen Wundmale. Da St. Francisco diese Erleuchtung geworden, schloß er sich alsbald in seine Zelle und sammelte sich ganz bei sich und bereitete sich zu dem Mysterio, das ihm verkündet war. Und seitdem begann St. Franciscus in fortwährendem Gebete immer häufiger die Süße göttlicher Betrachtung zu schmecken, und ward oft durch sie also in Gott entzückt, daß seine Jünger ihn körperlich über der Erde schweben sahen und ganz außer Sinnes.

In diesen Entzückungen des Anschauens offenbarte ihm Gott nicht allein die gegenwärtigen und zukünftigen Dinge, sondern auch der Brüder geheimes Denken und Trachten, wie Bruder Leo, sein Jünger, es jener Tage an sich erfuhr. Jener Bruder Leo wurde von dem Teufel arg versucht, nicht in dem Fleische, sondern geistig, und er verlangte sehr danach, ein frommes Wort zu besitzen, das St. Francisci Hand geschrieben hätte, und er dachte, daß, wenn er es bekäme, jene Versuchung schwinden müsse, ganz oder zu einem Teile. Ob er nun gleich diesen Wunsch hegte, fand er aus Scham und Scheu nicht den Mut, ihn St. Francisco zu sagen. Ihm aber, dem es Bruder Leo nicht sagen wollte, offenbarte es der heilige Geist. Darum rief ihn St. Franciscus zu sich und ließ sich Tinte und Feder bringen und ein Blatt; und mit seiner eignen Hand schrieb er einen Lobgesang nieder auf Christum, wie sichs der Bruder gewünscht hatte, und am Schlusse machte er das Zeichen des »Tau«, und er gab ihm das und sprach: »Nimm dieses Blatt, lieber Bruder, und bewahre es sorgfältig bis zu deinem Tode. Gott segne dich, und er behüte dich vor aller Versuchung. Laß dich nicht irreführen, dieweilen du Versuchungen erleidest; denn alsdann halte ich dich für den Freund und bessern Knecht Gottes und liebe dich je mehr, je mehr dich Versuchungen anfechten. Wahrlich, ich sage dir, niemand halte sich für einen vollkommenen Freund Gottes, bis daß er nicht durch viele Versuchungen und Drangsale gegangen ist.« Da nahm Bruder Leo diese Schrift in größter Andacht und in Glauben entgegen, und ihm wich jegliche Versuchung. Und als er wieder an seine Stätte kam, erzählte er den Genossen hocherfreut, wieviel Gnade Gott ihm erwiesen hatte, da er jene Schrift St. Francisci empfing. Und er hob sie auf und bewahrte sie mit Sorgfalt, die Brüder aber taten hernach damit viele Wunder.

Seitdem begann jener Bruder Leo voll großer Reinheit und guter Absicht den Wandel St. Francisci zu erkundschaften und zu betrachten. Um seiner Reinheit willen durfte er auch immer mehr St. Franciscum zu Gott entzückt sehen und über der Erde schweben, manches Mal in der Höhe dreier Ellen, manches Mal von vieren, manches Mal bis an den Wipfel der Buche; doch bisweilen sah er ihn so hoch in die Lüfte gehoben und umgeben von solchem Glanze, daß er ihn kaum gewahren konnte. Was tat nun dieser einfältige Bruder, wenn St. Franciscus nur so hoch über der Erde schwebte, daß jener ihn erreichen konnte? Dann trat er leise an ihn heran und umfaßte seine Füße und küßte sie und sprach in Tränen: »Mein Gott, hab' Erbarmen mit mir Sünder, und laß mich durch dieses Heiligen Verdienst deine Gnade finden.« Unter anderm einmal, da er also unter den Füßen St. Francisci stand, der so hoch über der Erde schwebte, daß jener sie nicht berühren konnte, sah er ein Blatt mit goldenen Lettern vom Himmel kommen und sich auf St. Francisci Haupte niederlassen, und auf diesem Blatte standen folgende Worte: »Hier ist die Gnade Gottes.« Und nachdem er es gelesen hatte, sah er es wieder zum Himmel steigen.

Durch die Gabe dieser Gottesgnade, so in ihm wohnte, ward St. Franciscus nicht allein zu Gott im Anschauen entzückt, sondern auch oft erquickt durch Heimsuchung von Engeln: Als nun eines Tages St. Franciscus dastand und über seinen Tod nachsann und das Geschick seines Ordens, wenn er sein Leben beschließen sollte, sprach er: »Herr Gott, was wird nach meinem Tode aus deiner armen Gemeinde werden, die du kraft deiner Güte mir Sünder anvertraut hast? Wer wird dich für sie bitten?« Da er solcherlei Worte sprach, erschien ihm der Engel, den Gott sandte, und ermutigte ihn und redete also: »Ich sage dir in Gottes Namen, daß dein Orden niemals aufhören wird bis zu dem Tage des Gerichtes, und es wird keinen Sünder geben, der so groß ist, daß er nicht Barmherzigkeit vor Gott finde, sollte er von Herzen deinen Orden lieben; und niemand, so deinen Orden aus Bosheit verfolgt, wird lange leben dürfen. Dazu wird auch kein Arger lange in deinem Orden bleiben, es sei denn, daß er sein Leben ändert. Deshalb betrübe dich nicht, wenn du etliche Brüder deines Ordens siehst, die nicht gut sind und nicht der Regel achten, wie sie sollten, und glaube nicht, daß dieser Orden darum minder werde: Denn es wird ihrer stets viele und viele geben, die vollkommen dem Leben nach dem Evangelio Christi folgen und der lauteren Regel; und solche werden gleich nach dem fleischlichen Leben zum ewigen Leben gehen, ohne das Fegefeuer zu durchwandeln. Einige werden ihr folgen, doch nicht in Vollkommenheit, und ob sie auch in das Paradies gehen, sollen sie ins Fegefeuer kommen. Doch ihrer Läuterung Frist wird dir von Gott befohlen sein. Aber um die sorge nicht, so der Regel gar nicht achten, da auch er sich nicht um sie sorget.« Nach diesen Worten verschwand der Engel, und St. Franciscus blieb erquickt und getröstet.

Als dann das Fest der Himmelfahrt unsrer Frauen nahte, suchte St. Franciscus einen Ort zu finden, der noch stiller und verborgener war, auf daß er dort in noch größerer Einsamkeit die Fasten St. Michaels, des Erzengels, hielte, so mit diesem Feste der Himmelfahrt beginnen. Daher rief er Bruder Leo und sprach zu ihm also: »Gehe und stelle dich an der Tür auf, die zur Kapelle der Einsiedelei führt, und wenn ich dich rufen werde, komm wieder.« Bruder Leo geht; und er stellt sich an der Tür auf. St. Franciscus aber entfernte sich um ein Stück und rief laut. Wie Bruder Leo sich rufen hört, kommt er zu ihm, und St. Franciscus sagt: »Mein Sohn, laß uns nach einem andern Orte suchen, der noch verborgener sei, und woher du meine Stimme nicht also wirst hören können wenn ich dich rufen werde.«

Da sie nun suchten, gewahrten sie an einer Stelle des Berges zur Seite, die nach Mittag liegt, einen heimlichen Platz, der über alle Maßen gut für seine Absicht taugte; aber man konnte nicht hingelangen, denn es befand sich davor eine furchtbare und schauderhafte Felsspalte, die sehr groß war. Doch mit viel Plage legten sie ein Holz darauf nach Art einer Brücke und schritten also hinüber. Da ließ St. Franciscus die andern Brüder kommen und tat ihnen kund, daß er die Fasten St. Michaels an jenem einsamen Orte zu halten gedachte; deshalb auch bittet er sie, dort eine Zelle für ihn herzurichten also, daß sie nicht sein Rufen hören konnten. Wie nun die Zelle fertig war, sagte ihnen Franciscus: »Gehet an eure Stätte und laßt mich hier allein, denn mit Gottes Hilfe gedenke ich hier ungestörten Sinnes und geräuschlos diese Fasten abzuhalten. Darum komme niemand von euch zu mir, lasset auch zu mir keinen Weltlichen. Nur du, Bruder Leo, wirst mich ein einziges Mal am Tage besuchen mit etwas Brot und Wasser und ein andermal des Nachts um die Zeit der Mette; dann aber wirst du mir leise nahen und, wenn du am Ende der Brücke stehest, sagen: Domine, labia mea aperies. Und antworte ich dir, so tritt herüber und gehe nach der Zelle, dann werden wir zusammen die Mette beten. Wenn ich dir aber nicht antworte, so gehe alsbald von dannen.« Dieses sprach St. Franciscus, weil er manches Mal so zu Gott entzückt war, daß er nichts hörte und nichts mit des Leibes Gefühlen wahrnahm. Nachdem das St. Franciscus gesagt hatte, gab er ihnen den Segen. Und sie kehrten zurück an ihre Stätte.

Da nun das Fest der Himmelfahrt gekommen war, begann St. Franciscus die heiligen Fasten mit großer Enthaltsamkeit und Strenge, indem er den Leib kasteite und den Geist mit brünstigem Beten, Wachen und Übungen stärkte. Bei diesen Gebeten wuchs er beständig von Kraft zu Kraft und bereitete seinen Geist, das göttliche Mysterium zu empfangen und das göttliche Strahlen, den Leib jedoch, die grausamen Anfechtungen der Teufel zu bestehen, mit denen er oftmals heftig kämpfte.

Unter anderm einmal geschah es während dieser Fasten, daß St. Franciscus eines Tages in der Brunst seines Geistes aus der Zelle trat und nicht weit von da hinzugehen dachte, um in der Gruft eines hohlen Felsens zu beten. Dieser Platz befand sich recht hoch über der Erde, und nebenbei war ein schrecklicher und furchtbarer Abgrund; da kommt plötzlich der Teufel mit Sturm und mit großem Krachen in fürchterlicher Gestalt und schlägt auf ihn los, um ihn hinabzustürzen. St. Franciscus aber, der nicht wußte, wohin zu fliehen, und den schrecklichen Anblick des Teufels nicht ertragen konnte, wandte sich darum rasch mit den Händen und mit dem Antlitz und mit dem ganzen Leibe gegen den Felsen, indem er sich Gott befahl, und tastete mit den Händen, ob er sich nicht an irgendeinem Gegenstande halten konnte. Aber, da es Gott so gefiel, der seine Knechte niemals mehr versuchen läßt, als sie tragen können, ward der Felsen, an den er sich geschmiegt hatte, hohl nach der Gestalt seines Leibes und nahm ihn in sich auf; und wie wenn er die Hände und das Antlitz in flüssiges Wachs gedrückt hätte, so prägte sich auf jenen Felsen die Gestalt der Hände und des Antlitzes St. Francisci. Also entging er mit Gottes Hilfe dem Teufel.

Doch, was damals der Teufel an St. Francisco nicht hatte tun können, nämlich ihn von dort hinabstürzen, das widerfuhr eine gute Weile nach St. Francisci Tode einem seiner lieben und frommen Brüder, der an der nämlichen Stelle einiges Holz anzubringen suchte, auf daß man ungefährdet hingehen konnte zu Ehren St. Francisci und des Wunders, so dort geschehen war. Eines Tages nun stieß ihn der Teufel hinab, da er gerade auf seinem Kopfe ein großes Stück Holz trug, das er dort anbringen wollte, und ließ ihn hinabstürzen mitsamt diesem Holze, das er auf dem Kopfe trug. Doch Gott, der St. Franciscum vor dem Fallen schützte und rettete, beschützte und rettete den frommen Bruder vor dem Schaden des Fallens; denn, wie der Bruder stürzte, befahl er sich in großer Frömmigkeit mit lauter Stimme St. Francisco; und sogleich erschien ihm dieser und faßte ihn und setzte ihn unten auf die Felsen, ohne daß er sich irgendwie gestoßen hatte oder sonst wehe getan. Als nun die andern Brüder sein Schreien hörten, da er niederfiel, und glaubten, daß er tot sei und durch den Fall zerschellt auf den schroffen Klippen, nahmen sie die Bahre mit großem Schmerze und Klagen und gingen um die andre Seite des Berges herum, die Stücke seines Körpers zu sammeln und zu bestatten. Doch wie sie bereits von dem Berge herabgestiegen waren, kam ihnen jener Bruder, so gefallen war, entgegen, das Holz auf dem Kopfe, damit er gefallen war, und sang das »Te deum laudamus« mit lauter Stimme. Da sich die Brüder sehr darob verwunderten, erzählte er ihnen der Reihe nach die ganze Begebenheit seines Falles, und wie St. Franciscus ihn aus aller Gefahr errettet hatte. Danach gingen alle Brüder mit ihm zusammen nach dem Kloster und sangen voll höchster Andacht den Lobgesang »Te deum laudamus« und lobten und dankten Gott mit St. Francisco für das Wunder, das er an ihrem Bruder getan.

Indessen nun St. Franciscus, wie gesagt, diese Fasten weiter hielt, mußte er dabei wohl viele Angriffe des Teufels leiden, er empfing aber auch viele Tröstungen von Gott nicht allein durch Heimsuchungen von Engeln, sondern auch durch die Vögel des Waldes. Denn in der ganzen Zeit jener Fasten weckte ihn ein Falke, der nahe seiner Zelle horstete, mit seinem Schrei ein wenig vor der Mette und schlug mit seinen Fittichen an die Zelle und flog nicht eher davon, als bis daß er aufstand, die Mette zu beten; und war einmal St. Franciscus vielleicht schwächer oder müder wie sonst, da schrie dieser Falke gleich einem verständigen und mitleidigen Menschen zu späteren Zeiten. So hatte St. Franciscus große Freude an diesem Wecker; denn des Falken großer Eifer scheuchte von ihm jede Trägheit und trieb ihn an zum Beten; dazu noch saß er bisweilen des Tages ganz zutraulich bei ihm.

Zum Schlusse gehört noch zu dieser Betrachtung, daß St. Franciscus, da er durch große Enthaltsamkeit und die Kämpfe wider den Teufel am Leibe sehr geschwächt war, mit der Seelen geistiger Nahrung seinen Körper laben wollte, und so der unermeßlichen Herrlichkeit und der Seligen Freude im ewigen Leben zu gedenken anhub. Überdies fing er an, Gott darum zu bitten, daß er ihm die Gnade vergönne, ein wenig von jener Freude zu schmecken. Wie er nun also nachsann, erschien ihm alsbald ein Engel in großem Glanze, der in der Linken eine Geige hielt, in der Rechten aber den Bogen. Und da St. Franciscus bei dem Anblicke dieses Engels über alle Maßen staunte, führte dieser den Bogen einmal über die Geige. Alsbald nun vernahm St. Franciscus eine solche Wonne der Melodie, so ihm die Seele weich machte und sie von allem leiblichen Fühlen löste, daß er glaubte, – wie er es hernach seinen Jüngern erzählt hat, – seine Seele wäre vor übermäßiger Süße dem Leibe entflohen, wenn der Engel mit dem Bogen hinabgestrichen hätte.

Und bis dahin reicht die zweite Betrachtung.

 

Von der dritten Betrachtung über die hochheiligen Wundmale

Da wir nun bei der dritten Betrachtung angelangt sind, nämlich über die Erscheinung des Seraph und darüber, wie St. Franciscus die hochheiligen Wundmale empfing, haben wir uns zu merken, daß Bruder Leo eines Nachts im Monat September um das Fest der Kreuzerhöhung nach der gewohnten Stätte kam gegen die Zeit, da er mit St. Francisco die Mette zu beten pflegte; und da er, wie sonst, ehe er auf die Brücke trat, »domine aperies labia mea« sprach und St. Franciscus nicht antwortete, kehrte Bruder Leo nicht um, wie ihm St. Franciscus geboten hatte, sondern in guter und heiliger Absicht schritt er über die Brücke und trat leise in seine Zelle. Dieweil er ihn nicht fand, glaubte er, daß er irgendwo in dem Walde betete; darum trat er hinaus und ging im Scheine des Mondes sachte hin, im Walde nachzusuchen. Schließlich vernahm er die Stimme St. Francisci, und wie er nahe kam, sah er ihn betend knien, Antlitz und Hände gen Himmel erhoben: und er redete in der Brunst des Geistes: »Wer bist du, o du mein allersüßester Gott? Wer bin ich, elender Wurm, und dein untüchtiger Knecht?« Und immer nur wiederholte er diese Worte und sagte nichts andres. Darob wunderte sich Bruder Leo, hob die Augen empor und blickte gen Himmel. Und wie er hinblickte, sah er ein wundervolles schimmerndes Licht von dem Himmel steigen, das sich auf St. Francisci Haupte niederließ; und aus dieser Flamme vernahm er das Tönen einer Stimme, die mit St. Francisco redete; doch jener Bruder Leo verstand nicht die Worte. Als er das hörte, achtete er sich für unwürdig, so nahe dieser heiligen Stätte zu bleiben, da jene wunderbare Erscheinung weilte, auch fürchtete er St. Franciscum zu betrüben oder ihn in seiner Betrachtung zu stören, falls er von ihm bemerkt werden sollte; und er zog sich leise zurück und blieb von weitem stehen und wartete auf das Ende. Wie er nun aufmerksam hinschaute, sah er St. Franciscum zu drei Malen seine Hände gegen die Flamme strecken; und zuletzt, nachdem längere Zeit vergangen war, sah er die Flamme wieder zum Himmel schweben. Darum ging er nun fort in Zuversicht und ob des Gesichtes erfreut und schritt wieder nach seiner Zelle. Doch, wie er getrost dahinging, hatte ihn St. Franciscus bemerkt an dem Rascheln seiner Füße über den Blättern, und rief ihm zu, daß er warten solle und nicht weitergehen. Da blieb Bruder Leo gehorsam stehen und erwartete ihn in solcher Angst, – wie er es hernach den Genossen erzählt hat, – daß es ihm lieber dünkte, wenn ihn die Erde verschlänge, als auf St. Franciscum zu warten, von dem er glaubte, er zürne ihm. Denn mit der größten Sorgfalt hütete er sich, seinen Vater zu kränken, auf daß ihm nicht um eigener Schuld St. Franciscus den Umgang entzöge.

Wie nun St. Franciscus an ihn herangetreten war, sprach er: »Wer bist du?« Und Bruder Leo entgegnete: »Ich bin Bruder Leo, mein Vater.« St. Franciscus sprach: »Bruder, du Lamm, sagte ich dir nicht, daß du mir nicht nachspüren solltest. Im Namen des heiligen Gehorsams, künde mir, hast du etwas gehört oder gesehen?« Antwortete Bruder Leo: »Vater, ich hörte dich sprechen und mehrere Male sagen: Wer bist du, o du mein allersüßester Gott, wer bin ich, elender Wurm, und dein untüchtiger Knecht?« Dann warf sich Bruder Leo vor St. Francisco auf die Knie und bekannte sich des Ungehorsams schuldig, den er gegen sein Gebot begangen hatte, und bat ihn mit viel Tränen um Vergebung. Danach aber bittet er ihn recht ergeben, er möchte ihm jene Worte deuten, die er gehört, und ihm jene künden, die er nicht verstanden hatte. Als St. Franciscus nun erkannte, daß Gott dem demütigen Bruder Leo um seiner Einfalt und Reinheit willen eine Offenbarung gewährt und ihm etliche Dinge zu hören und zu schauen vergönnt hatte, ließ er sich dazu bewegen, ihm das, worum er bat, zu deuten und zu erklären. Und er sagte also:

»Wisse, Bruder, du Lamm Jesu Christi, daß mir in der Seele zwei Leuchten gewiesen wurden, als ich jene Worte sprach, die du hörtest: eine der Kenntnis und Erkenntnis meiner selbst, eine von des Schöpfers Kenntnis und Erkenntnis. Sagte ich: Wer bist du, o du mein allersüßester Gott, so befand ich mich da in dem einen Lichte des Betrachtens, in dem ich die Tiefe des Abgrundes endloser Güte und Weisheit und Macht Gottes schaute; sagte ich: Wer bin ich usw., so befand ich mich in dem Lichte des Betrachtens, da ich die jammervolle Tiefe meiner Armseligkeit und meines Elendes sah. Und darum sprach ich: Wer bist du, Herr von endloser Güte und Weisheit, so du mich heimsuchen magst, der ich ein elender Wurm bin und des Abscheus würdig? Doch in jener Flamme, die du sahest, war Gott, der zu mir in der Gestaltung redete, wie er einst zu Mose sprach. Und unter dem andern, das er mir sagte, fragte er mich, ob ich ihm dreierlei schenken wolle. Ich entgegnete: Mein Herr, dein bin ich ganz; wohl weißt du, daß ich nichts andres habe, denn die Kutte, den Strick und die Kleidung an meinen Beinen, und auch diese drei Dinge sind dein. Was vermag ich da, deiner Majestät zu bieten und zu schenken? Da sagte mir Gott: Suche nach in deinem Schoße und gib mir, was du dort finden wirst. Und ich suchte und fand einen Ball von Golde; und ich gab ihn Gott. Also geschah es zu drei Malen, wie es mir Gott zu drei Malen gebot; dann kniete ich drei Male nieder und benedeite und dankte Gott, der mir, was ich ihm bot, gegeben hatte. Und alsbald ward mir die Erkenntnis, daß jene drei Gaben den heiligen Gehorsam, die hohe Armut und die strahlende Keuschheit bedeuteten, die Gott um seiner Gnade willen so vollkommen mir zu achten gab, daß ich nichts in meinem Gewissen finde, so dawider zeuge. Wie du mich die Hände in den Schoß tun sahest und Gott diese drei Gaben bieten, dargestellt in den drei Bällen, die Gott mir in den Schoß gelegt, so gab mir Gott die Kraft in meine Seele, ihn für alle Schätze und für alle Gnaden, die er mir in seiner heiligen Milde gönnt, mit dem Herzen und Munde zu loben und herrlich zu preisen. Das sind die Worte, die du hörtest, da ich die Hand dreimal hob, wie du es gesehen hast. Doch hüte dich, Bruder, du Lamm, daß du mir nicht nachspürest, und kehre mit Gottes Segen nach deiner Zelle und sorge achtsam für mich. Denn über ein kleines von heute wird Gott auf diesem Berge so große Dinge tun, daß alle Welt darob staunen wird: denn er wird ein Unerhörtes wirken, das er noch an keinem Geschöpfe dieser Welt vollbracht hat.«

Nach diesen Worten ließ er sich das Buch der Evangelien bringen; denn Gott hatte ihm in die Seele gegeben, daß ihm durch dreimaliges Öffnen des Evangelienbuches gewiesen würde, was Gott an ihm zu tun gefiel. Und, da ihm das Buch gebracht war, hub St. Franciscus zu beten an; nach dem Gebete ließ er durch Bruder Leos Hand in der heiligen Dreieinigkeit Namen drei Male das Buch aufschlagen. Und da es Gottes Ratschluß so gefiel, zeigte sich vor ihm stets alle drei Male die Stelle des Leidens Christi. Also ward ihm kund getan, daß, wie er Christo in den Handlungen seines Lebens gefolgt, er ihm in den Leiden und Schmerzen der Passion nachfolgen und gleich werden sollte, bevor er aus diesem Leben schied. Und seit dieser Stunde begann St. Franciscus in noch reicherer Fülle die Süße göttlicher Betrachtung zu schmecken und der göttlichen Heimsuchungen.

Unter den andern ward ihm eine, so ihn darauf bereitete, die hochheiligen Wundmale zu empfangen, unmittelbar davor und in folgender Gestalt: An dem Tage, der dem Feste der Kreuzerhöhung vorangeht, im Monat September, da St. Franciscus verborgen in seiner Zelle betete, erschien ihm der Engel Gottes und sagte ihm in Gottes Namen: »Ich stärke dich und ich mahne dich, auf daß du in Demut dich bereitest und anschickest, in aller Geduld entgegenzunehmen, was Gott dir wird tun und geben wollen.« Antwortet St. Franciscus: »Ich bin bereit, geduldig alles zu tragen, was der Herr an mir tun will.« Und wie er das gesagt hatte, verschwand der Engel.

Es kam der folgende Tag, nämlich der Tag der Kreuzerhöhung. Und des Morgens, früh vor seinem Grauen, hatte sich St. Franciscus vor seiner Zellentür in das Gebet versenkt und wandte sein Antlitz gen Aufgang und betete in folgender Weise: »O du, mein Herr Jesus Christus, zwei Gnaden bitte ich von dir, die du mir erweisen mögest, ehe denn ich sterbe. Die erste, daß ich noch im Leben an meiner Seele und an meinem Leibe jenen Schmerz verspüre, den du, süßer Herr, in der Stunde deiner bittersten Passion erlittest, soweit das möglich ist. Die zweite ist, daß ich in meinem Herzen jenes Übermaß der Liebe spüre, von der du, Gottes Sohn, also entbranntest, daß du gern solch Leiden für uns Sünder getragen hast, so sehr, als es möglich ist.« Und da er lange Zeit also betete, begriff er, daß Gott ihn erhören werde, und daß er jenes erfahren durfte, soweit es ihm möglich war, dem bloßen Geschöpfe.

Als St. Franciscus dieser Verheißung innegeworden, begann er in tiefster Andacht Christi Leiden zu betrachten und seine endlose Liebe; und seiner Andacht Brunst wuchs in ihm also, daß er aus lauter Liebe und Mitleid ganz in Jesum gewandelt wurde. Und wie er in dieser Betrachtung also entflammte, sah er den nämlichen Morgen einen Seraph von dem Himmel kommen mit sechs leuchtenden und feurigen Schwingen, welcher Seraph in schnellem Fluge St. Francisco nahte, so daß er unterscheiden konnte und deutlich wahrnahm, daß er in sich die Gestalt eines Gekreuzigten hatte; und seine Flügel waren derart, daß sich zwei Schwingen über seinem Haupte ausbreiteten, zwei aber zum Fluge, zwei den ganzen Leib bedeckten. Als das St. Franciscus sah, erschrak er mächtig und ward zugleich voller Freude und Schmerzes mit Staunen. Er hatte große Freude an Christi wonnigem Anblick, der ihm so vertraut begegnete und ihn so gnädig ansah; doch wie er ihn so gewahrte, da er an dem Kreuze hing, fühlte er unermeßlichen Schmerz des Mitleidens. Dazu staunte er auch sehr über ein so wunderbares und unerhörtes Gesicht, da er wohl wußte, daß sich das Leiden der Passion nicht mit der Unsterblichkeit des seraphischen Geistes einigt. Während er also staunte, kündete ihm der, so ihm erschien, daß Gottes Vorsehung ihm dieses Gesicht in solcherlei Aussehen zeige, auf daß ihm kund werde, daß ihn nicht leibliche Marter, sondern seines Geistes Brand bei diesem wunderbaren Gesichte ganz in das vollkommene Gleichnis Christi, des Gekreuzigten, wandeln sollte.

Da schien auch der ganze Berg La Vernia von leuchtender Flamme zu brennen, und sie glänzte und erhellte rings alle Berge und Täler, als stünde die Sonne über dem Lande. Darob entsetzten sich gewaltig die Hirten, so in jenem Gaue wachten, da sie den Berg in Flammen und so viel Licht ringsum gewahrten, – wie sie es nachmals den Brüdern erzählt haben; dabei berichteten sie, daß dieses Flammen um den Berg La Vernia wohl in der Zeit einer Stunde oder länger gewährt habe. Desgleichen erhoben sich bei diesem Scheine, der durch die Fenster in die Herbergen des Landes strahlte, etliche Maultiertreiber, so nach der Romagna zogen, dieweil sie glaubten, die Sonne sei aufgegangen, und sattelten und beluden ihre Saumtiere. Und wie sie dahinzogen, gewahrten sie das Schwinden jenes Lichtes und den Aufgang der natürlichen Sonne.

In jener seraphischen Erscheinung redete Christus, der da erschien, einige tiefe und erhabene Dinge zu St. Francisco, die St. Franciscus bei Lebzeiten niemanden offenbaren wollte. Doch er offenbarte sie, nachdem er sein Leben beschlossen hatte, wovon noch weiter die Rede sein wird. Die Worte aber waren folgende: »Weißt du«, sprach Christus, »was ich dir getan habe? Ich habe dir die Wundmale gegeben, so die Zeichen sind meiner Passion, auf daß du mein Banner tragest. Und wie ich an dem Tage meines Todes zur Vorhölle hinabfuhr und alle Seelen, die ich da fand, kraft dieser meiner Wundmale dorther aufwärts führte, so verleihe ich dir, daß du jedes Jahr am Tage deines Todes hinab zum Fegefeuer steigest und alle Seelen deiner drei Orden, d. i. der Minderbrüder, der Klarissinnen und Tertiaren, und auch noch die andern, die dich hoch verehrten, so du ihrer etliche findest, kraft deiner Wundmale hinausführest in die Herrlichkeit des Paradieses, auf daß du mir im Tode gleich seist, wie du mir glichest im Leben.«

Als nun jenes wunderbare Gesicht nach geraumer Weile verschwunden war und nach geheimnisvollem Reden, ließ es in St. Francisci Herzen ein ungeheueres Brennen und die Flamme göttlicher Liebe; und auf seinem Fleische ließ es eine wundersame Spur und Bildnis der Passion Christi: Denn alsbald begannen sich an seinen Händen und Füßen die Nägelmale zu zeigen nach der Weise, wie er sie an dem Leibe Jesu Christi, des Gekreuzigten, gesehen, der ihm in Gestalt des Seraph erschienen war. So schienen denn seine Hände und Füße inmitten von Nägeln durchstochen, deren Köpfe sich an den Handflächen befanden und an den Fußsohlen; die Spitzen aber traten wieder an dem Rücken der Hände und Füße hervor; auch schienen sie derart umgeschlagen und gebogen, daß man leicht unter die Stelle ihrer Biegung, so dicht über dem Fleische war, den Finger der Hand, wie in einen Ring, hätte legen können. Und die Köpfe der Nägel waren schwarz und rund. Desgleichen erschien an seiner rechten Seite das Abbild eines nicht geheilten Lanzenstiches, rot und blutig, dem oftmals hernach Blut aus St. Francisci heiliger Brust entquoll, und es rötete die Kutte und die Kleidung an seinen Beinen.

So merkten denn seine Jünger, bevor er selbst es ihnen kundtat, daß er die Hände nicht entblößte und auch nicht die Füße, und daß er die Fußsohlen nicht auf den Boden setzen konnte; dann auch fanden sie, daß seine Kutte blutig war und die Kleidung an seinen Beinen, wenn sie diese wuschen; und sie begriffen gewiß, daß er an den Händen und Füßen und ebenso auch an der Seite das Bild und Gleichnis unsers Herrn Jesu Christi aufgedrückt trug. Allerdings bemühte er sich wohl, jene glorreichen hochheiligen Wundmale, {die} so deutlich seinem Fleische aufgeprägt waren, geheimzuhalten und zu verbergen; auf der andern Seite aber sah er, daß er sie schwerlich denen verheimlichen konnte, die allzeit um ihn waren. Doch, wenn er gleich sich scheute, Gottes Geheimnisse preiszugeben, zweifelte er sehr daran, ob er nicht das seraphische Gesicht kundtun sollte und auch, wie er die hochheiligen Wundmale empfangen.

Schließlich, da ihn seines Gewissens Stachel plagte, berief er etliche seiner vertrautesten Brüder und legte ihnen seine Zweifel mit allgemeinen Worten dar, ohne der Begebenheit zu erwähnen, und bat sie um ihren Rat. Es war aber unter jenen Brüdern einer von großer Heiligkeit, mit Namen Bruder Illuminato. Dieser begriff, von Gott wahrhaftig erleuchtet, daß St. Franciscus Wunderbares geschaut haben mußte, und entgegnete ihm also: »Bruder Francisce, wisse, daß dir Gott auch um der andern willen manches Mal seine Geheimnisse zeigt und nicht für dich allein; wohl hast du guten Grund, zu fürchten, daß du sträflich handeln möchtest, wenn du das verbirgst, was Gott dir zu andrer Nutzen offenbarte.«

Da bewogen diese Worte St. Franciscum, mit großem Zagen die ganze Begebenheit und Erscheinung des Gesichtes jenen zu erzählen, und er fügte hinzu, daß Christus, der ihm erschienen war, etliche Dinge ihm verkündet habe, die er niemals aussprechen wolle, solange er lebte.

Ob nun gleich die allerheiligsten Wundmale St. Francisco große Freude in dem Herzen schufen, dieweilen sie von Christo ihm aufgeprägt waren, gaben sie doch seinem Fleische und leiblichen Empfinden unerträglichen Schmerz. Darum erkor er sich aus Not Bruder Leo, den einfältigsten und reinsten unter den andern, und er tat ihm alles kund, und ließ ihn jene heiligen Wunden sehen und berühren und mit einigen Lappen verbinden, auf daß sie den Schmerz linderten und das Blut aufnahmen, so diesen Wunden entquoll und aus ihnen drang. Diese Lappen ließ er sich in Zeiten von Krankheit oftmals wechseln, wohl täglich, außer seit dem Donnerstag abend bis zu dem Samstage früh, denn er wollte nicht, daß um die Zeit der Schmerz von Christi Passion, die er an seinem Fleische litt, durch ein Mittel von Menschenhand oder durch Arzenei irgend gemildert werde, sintemalen ja doch in den Tagen unser Erlöser, Jesus Christus, für uns ergriffen und gekreuzigt wurde und starb und begraben ward.

Bisweilen auch geschah es, wenn ihm Bruder Leo den Verband der Wunde wechselte, die an seiner Seite war, daß St. Franciscus vor Schmerzen, die er beim Lösen des blutigen Verbandes spürte, die Hand auf Bruder Leos Busen tat: Bei dieser Berührung der geweihten Hände empfand Bruder Leo solche Süße der Andacht in seinem Herzen, daß nur wenig daran fehlte, und er wäre wie tot zu Boden gesunken.

Endlich, – was noch zu dieser Betrachtung gehört, – da St. Franciscus die Fasten St. Michaels, des Erzengels, beschlossen hatte, rüstete er sich auf Gottes Offenbarung, wieder nach Sta. Maria degli Angeli zu kehren. Daher rief er Bruder Masseo und Bruder Angelo zu sich; und nach vielen Worten und heiliger Unterweisung befahl er ihnen jenen heiligen Berg so dringend, als er nur vermochte, und kündete ihnen, daß er nebst Bruder Leo nach Sta. Maria degli Angeli zurückkehren müßte. Als er das gesagt hatte und von ihnen Abschied nahm, und sie im Namen Jesu, des Gekreuzigten, segnete, willfahrte er ihren Bitten und streckte ihnen seine heiligen Hände entgegen, so die Zierde jener glorreichen heiligen Wundmale trugen, auf daß jene sie anschauten, berührten und küßten.

Also ließ er sie getrost und schied von ihnen und kam herab von dem heiligen Berge.

 

Von der vierten Betrachtung über die hochheiligen Wundmale

Was die vierte Betrachtung anlangt, so haben wir uns zu merken, daß Christi wahrhaftige Liebe St. Franciscum vollkommen in Gott gewandelt hatte und in das wahre Abbild Christi, des Gekreuzigten, und daß der evangelische Mann St. Franciscus, nachdem er die Fasten von vierzig Tagen zu Ehren St. Michaels, des Erzengels, auf dem Berg La Vernia gehalten, von dem Berge niederstieg zusammen mit dem Bruder Leo und einem frommen Landmanne, auf dessen Esel er ritt; denn wegen der Nägel in seinen Füßen konnte er nicht gehen. Als nun St. Franciscus von dem Berge kam, hatte sich schon der Ruf seiner Heiligkeit durch das ganze Land verbreitet, und von den Hirten war es weitergedrungen, daß sie den Berg La Vernia ganz in Flammen gesehen, daß solches auch das Zeichen eines großen Wunders war, das Gott an St. Francisco vollendet hatte. Wie da die Leute im Gaue hörten, daß er vorüberzog, strömten sie alle hin ihn zu schauen, Mann und Weib, groß und klein; diese alle trachteten danach voll großer Andacht und Verlangens, ihn zu berühren und seine Hände zu küssen. Und da er sie nicht der Verehrung der Leute entziehen konnte, umwickelte er seine Hände noch mehr, obgleich sie schon verbunden waren, und zog seine Ärmel darüber, auf daß er dennoch die hochheiligen Wundmale verheimlichte, und nur die bloßen Finger reichte er ihnen zum Kusse. Doch, wie er auch seiner Wundmale Heiligtum zu verbergen suchte, um jede Gelegenheit weltlichen Ruhmes zu meiden, gefiel es Gott, zu seiner Ehren durch die Kraft jener hochheiligen Wundmale zahlreiche Wunder zu tun, fürnehmlich auf dieser Reise von La Vernia nach Sta. Maria degli Angeli, und dann noch viele in verschiedenen Gegenden der Welt bei seinen Lebzeiten und nach seinem glorreichen Sterben, auf daß ihre verborgene und erstaunliche Kraft und die übermächtige Liebe und Barmherzigkeit Christi zu ihm, dem er sie wunderbar verliehen hatte, der Welt durch unterschiedliche und deutliche Zeichen kund würden; davon werden wir einige hier anführen.

Als St. Franciscus einem Gehöft nahte, das an dem Eingang der Grafschaft Arezzo lag, kam eine Frau zu ihm mit großem Weinen und trug ihren Knaben im Arme, der acht Jahre zählte und seit dem vierten an Wassersucht litt; und er war so stark am Bauch geschwollen, daß er sich nicht auf die Füße sehen konnte, wenn er aufrecht stand. Da nun jene Frau diesen ihren Sohn vor ihn hingestellt hatte und ihn bat, er möge Gott für ihn bitten, hub St. Franciscus zu beten an, und nach dem Gebete tat er seine Hände auf den Bauch des Kindes, und sofort wich jede Schwellung und es ward vollkommen geheilt; und er gab es seiner Mutter wieder, die es mit größter Freude entgegennahm und es mit sich heimführte, Gott und St. Francisco dankte und willig den genesenen Sohn allen in dem Lande zeigte, so nach ihrem Hause kamen, ihn zu sehen.

Denselben Tag kam St. Franciscus an Borgo San Sepolcro vorüber, und ehe er in dem Burgflecken einzog, begaben sich die Scharen aus dem Flecken und aus den Höfen ihm entgegen und traten vor ihn mit Ölzweigen in den Händen und riefen laut: »Sehet da den Heiligen, sehet da den Heiligen!« Und wegen des frommen Eifers und des Begehrens der Leute, ihn anzurühren, entstand um ihn ein großes Drängen und Drücken. Er aber zog weiter, indes sein Geist durch Betrachtung zu Gott erhoben war, wie oft er auch von den Leuten berührt werden mochte und festgehalten und rückwärts gezerrt; gleich einem Bewußtlosen spürte er nichts von dem, was um ihn her getan oder gesagt wurde; ja, er ward nicht einmal des inne, daß er durch diesen Burgflecken reiste und durch diese Gegend. Wie er nun durch den Flecken gezogen, und die Menge nach ihren Häusern heimgekehrt war, und er an eine Stätte der Aussätzigen gelangte, wohl eine Meile über den Flecken hinaus, kam er wieder zu sich, und als kehre er aus einer andern Welt zurück, fragte der himmlische Seher den Gefährten: »Wann werden wir in den Flecken kommen?« Wahrlich, seine Seele, vertieft und entzückt in das Anschauen der himmlischen Dinge, hatte nichts Irdisches wahrgenommen, weder den Wechsel des Ortes noch der Zeit noch derer, so ihm begegneten. Solches geschah noch mehrere andre Male, wie es seine Gefährten in deutlicher Wahrnehmung erfuhren.

An jenem Abend kam St. Franciscus nach dem Kloster der Brüder zu Monte Casale, wo ein Bruder an furchtbarer Krankheit litt, die ihn so gräßlich quälte, daß sein Leiden eher eine Drangsal und Plage des Teufels schien als ein natürliches Übel; denn manches Mal warf er sich zur Erde mit fürchterlichem Zittern und Schaum in dem Munde: dabei wurden ihm bald alle Nerven des Körpers gelähmt; bald wurden sie auseinandergezerrt oder verbogen oder verdreht, und er kam mit seinen Füßen an seinen Nacken und schnellte in die Höhe und fiel dann sofort rücklings. Wie St. Franciscus bei Tische saß und von den Brüdern hörte, daß dieser Bruder so jämmerlich und unheilbar litt, erbarmte er sich seiner: Und er nahm ein Stückchen vom Brote, das er aß, machte darüber das Zeichen des heiligen Kreuzes mit seinen heiligen Händen, so die Wundmale trugen, und schickte es dem kranken Bruder: Sobald dieser es verzehrt hatte, ward er vollkommen gesund und spürte nie mehr diese Krankheit wieder.

Es kommt der nächste Morgen, und St. Franciscus entbietet zween Brüder, die sich in jenem Kloster befanden, daß sie auf La Vernia wohnen sollten, und mit ihnen schickt er den Landmann zurück, der ihm den Esel geliehen und hinter ihm hergekommen war; denn er wünschte, daß er mit jenen nach Hause kehrte. Da machten sich die Brüder mit jenem Landmanne auf, und wie sie eben in die Grafschaft Arezzo kamen, wurden sie aus der Ferne von etlichen dieses Landes erblickt, so darob hocherfreut waren; denn sie dachten, es wäre St. Franciscus, der vor zwei Tagen dort vorbeigekommen war: Eine ihrer Frauen harrte nämlich seit drei Tagen auf die Niederkunft, und da sie nicht gebären konnte, lag sie auf dem Tode. Jene aber glaubten, sie wieder heil und gesund bei sich zu haben, wenn St. Franciscus seine heiligen Hände auf sie legen würde. Als aber die Brüder näherkamen, und jene erkannt hatten, daß St. Franciscus nicht mit ihnen war, empfanden sie große Niedergeschlagenheit. Doch, wo der Heilige nicht leiblich war, da fehlte doch nicht seine Kraft, weil ihr Glaube nicht fehlte. Und wunderbar! Die Frau war sterbend und lag bereits in den letzten Zügen. Da fragen jene die Brüder, ob sie nicht etwas bei sich führten, das St. Francisci heilige Hände berührt hätten. Die Brüder besannen sich und forschten danach sorgfältig, und kurz und gut, es findet sich nichts, das St. Franciscus mit den Händen berührt hatte, außer dem Zaume des Esels, auf dem er gekommen war. Sie nehmen nun diesen Zaum mit großer Andacht und Ehrfurcht und legen ihn der Schwangeren auf den Leib und rufen andächtig den Namen St. Francisci und befehlen sie ihm voller Glaubens. Und was geschah? Sobald das Weib jenen Zaum auf sich liegen hatte, ward es von jeder Fährlichkeit erlöst und gebar in Freuden leicht und in Gesundheit.

St. Franciscus aber, der einige Tage in jenem Kloster verweilt hatte, zog fort und ging nach Città di Castello. Und siehe da, eine Anzahl Bürger, die ein Weib zu ihm brachten, das seit langem besessen war, und die ihn demütig um ihre Heilung baten. Denn sie störte die ganze Gegend mit schmerzlichem Heulen oder grausigem Geschrei oder Bellen gleich einem Hunde. Da sprach St. Franciscus zunächst ein Gebet, machte dann über ihr das Zeichen des heiligen Kreuzes und befahl dem Teufel, daß er von ihr fahre. Und sogleich fuhr er hinweg und ließ sie gesund an Leib und Geiste.

Als dieses Wunder im Volke ruchbar ward, brachte ein andres Weib in großem Glauben ihr Kind zu ihm, das schwer an einer grausamen Wunde litt, und sie bat ihn voll Ergebenheit, er möge es mit seinen Händen segnen. Und St. Franciscus sah ihre Ergebenheit an, nimmt jenes Kind, hebt den Verband von der Wunde und segnet es, indem er dreimal über der Wunde das Zeichen des Kreuzes macht; und er verbindet es wieder mit seinen Händen und gibt es seiner Mutter: Da es Abend war, legte sie es gleich zu Bette, damit es schlafe; hernach, des Morgens, geht sie hin, um ihren Sohn aufstehen zu lassen, und merkt, daß er ohne Verband ist; und wie sie hinschaut, findet sie ihn völlig genesen, als hätte er nie ein Übel gehabt, außer daß sich das Fleisch an der Stelle der Wunde darüber verwachsen hatte nach Art einer roten Rose, und dieses eher zum Beweise des Wunders, denn als ein Mal der Wunde: Denn jene Rose blieb an ihm während seiner ganzen Lebenszeit und führte ihn oft dazu, St. Franciscum zu ehren, der ihn geheilt hatte. In jener Stadt verblieb darauf St. Franciscus einen Monat, da ihn die frommen Bürger darum baten, in welcher Zeit er manches Wunder tat.

Dann machte er sich auf, daß er nach Sta. Maria degli Angeli zöge mit Bruder Leo und einem guten Manne, der ihm seinen Esel lieh, darauf St. Franciscus ritt. Da geschah es, daß sie bei den schlechten Wegen und bei großer Kälte den ganzen Tag über wanderten und an keine Stätte kamen, da sie übernachten konnten. Von der Finsternis genötigt und dem Unwetter, suchten sie darum ihre Zuflucht unter der Wand eines überhängenden Felsens, auf daß sie vor dem Schnee sich bargen und der Nacht, die hereinbrach. Und, da sich der arme Mann, dem der Esel gehörte, in dieser üblen Lage befand und dazu noch dürftig bedeckt war und vor Kälte nicht schlafen konnte, da es auch keine Möglichkeit gab, ein Feuer anzumachen, begann er leise vor sich her zu wimmern und zu klagen und murrte beinahe gegen St. Franciscum, der ihn nach solchem Orte geführt hatte. Wie das St. Franciscus merkte, jammerte ihn seiner; und voller Inbrunst des Geistes streckte er die Hand über seinen Rücken aus und berührte ihn. Wunderbar! Sobald er ihn mit der Hand berührt hatte, die von dem Feuer des Seraph entzündet und durchbohrt war, schwand ihm jeglicher Frost, und es kam über ihn so viel Wärme von außen und von innen, daß es ihm schien, als läge er vor der Öffnung eines brennenden Ofens, so daß er bald getrost an Leib und Seele einschlief. Und laut eigenen Sagens schlief er zwischen Gestein und Schnee bis an den Morgen sanfter in jener Nacht, als er je in dem eigenen Bette geschlafen hatte.

Den folgenden Tag wanderten sie und gelangten nach Sta. Maria degli Angeli. Da sie bereits nahe waren, hob Bruder Leo die Augen und blickte gen Sta. Maria degli Angeli; und er gewahrte ein schönes Kreuz, an dem die Gestalt des Gekreuzigten hing, das vor St. Francisco herzog, der vor ihm ging; derart aber richtete sich jenes Kreuz vor St. Francisci Angesichte nach ihm, daß es stille stand, wenn er anhielt, und sich bewegte, wenn er weiterzog; und jenes Kreuz war von solchem Glanze, daß es nicht nur auf St. Francisci Angesichte widerschien, sondern auch ringsum den ganzen Weg erhellte. Und es blieb so lange sichtbar, bis daß St. Franciscus in das Kloster von Sta. Maria degli Angeli eingegangen war.

Wie nun St. Franciscus und Bruder Leo ankamen, empfingen die Brüder sie mit höchster Freude und Liebe, und seitdem verbrachte St. Franciscus die meiste Zeit an jener Stätte von Sta. Maria degli Angeli bis zu seinem Tode. Und immerfort drang durch den Orden und die Welt der Ruf seiner Heiligkeit und seiner Wunder, wie sehr er auch durch seine tiefe Demut die Gaben und Gnaden Gottes nach Kräften verbarg und sich einen großen Sünder nannte. Darob verwunderte sich einstmals Bruder Leo, und dachte töricht bei sich: »Siehe da, dieser nennt sich vor aller Welt einen großen Sünder; und er wurde groß in dem Orden und wird von Gott so geehrt; trotzdem bekennt er auch im Verborgenen niemals die Sünde des Fleisches. Sollte er wirklich jungfräulich sein?« Ob es ihn nun gleich sehr gelüstete, die Wahrheit darob zu vernehmen, erkühnte er sich doch nicht, St. Franciscum hiernach zu fragen. Deshalb wandte er sich an Gott, und da er inständig bat, daß er ihm die Gewißheit dessen gebe, was er zu erfahren wünschte, fand er Erhörung um seines vielen Betens und des Verdienstes St. Francisci willen, und durch folgendes Gesicht ward ihm die Kenntnis, daß St. Franciscus in Wahrheit jungfräulichen Leibes war. In dem Gesichte nämlich erblickte er St. Franciscum, der an hochragendem Orte stand, dahin niemand gelangen konnte noch ihn erreichen, und in dem Geiste ward ihm gesagt, daß der hochragende Ort die Erhabenheit jungfräulicher Keuschheit St. Francisci bedeute, die sich jenem Fleische ziemt, so bestimmt war, den Schmuck von Christi heiligen Wundmalen zu tragen.

Als St. Franciscus inne wurde, daß seines Leibes Kraft allmählich abnahm der Wundmale Christi wegen, und daß er nicht mehr für des Ordens Leitung sorgen konnte, berief er schleunig das Generalkapitel. Da es sich ganz versammelt hatte, entschuldigte er sich in Demut wegen seines Unvermögens, deshalben er der Sorge um den Orden nicht mehr pflegen konnte – soweit es nämlich die Wirksamkeit des Ordensgenerales anging; nicht aber legte er des Ordensgenerales Würde nieder, denn das durfte er nicht, weil ihn der Papst zum Ordensgeneral ernannt hatte; darum konnte er weder die Würde niederlegen, noch einen Nachfolger bestellen ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Papstes. Doch er machte Bruder Pietro Cattani zu seinem Statthalter, indem er ihm und den Ministern der Provinzen den Orden liebevoll ans Herz legte, so gut er irgend konnte. Danach erhob St. Franciscus, in dem Geiste gestärkt, die Augen und Hände gen Himmel und sprach also: »Dir, Herr, mein Gott, Dir befehle ich Deine Gemeinde, die Du bis heute mir vertrauet hast, und für die ich jetzt nicht mehr sorgen kann meines Siechtums wegen, das Du kennst, o mein süßester Herr. Auch befehle ich sie den Ministern der Provinzen: Sie seien verbunden, Dir am Tage des Gerichtes Rechenschaft zu geben, wenn auch nur ein Bruder durch ihre Lässigkeit oder ihr schlechtes Beispiel zugrunde gehen sollte oder durch allzuharte Strafe.« Bei diesen Worten erkannten alle Brüder im Kapitel, da es Gott so gefiel, daß er die heiligen Wundmale meinte, als er sich wegen Krankheit entschuldigte, und aus Andacht vermochte ihrer keiner sich des Weinens zu enthalten.

Von da ab überließ er alle Sorgen und die Verwaltung des Ordens der Hand seines Statthalters und der Provinzialminister und sprach: »Jetzt, wo ich meiner Krankheit halber die Sorge um den Orden aufgegeben, ist meine Pflicht von nun ab, bloß Gott für unsern Orden zu bitten und ein gutes Beispiel den Brüdern zu geben. Und ich weiß wohl und in Wahrheit, daß ich keine größere Hilfe dem Orden zu leisten vermag, sollte mich auch das Siechtum verlassen, denn unablässig Gott für ihn zu bitten, daß er ihn beschirme und erhalte und regiere.«

Obwohl St. Franciscus nach Kräften danach strebte, die hochheiligen Wundmale zu verbergen, und trotzdem er stets mit verbundenen Händen und nie barfuß ging, seitdem er die Wundmale empfangen hatte, konnte er doch, wie schon oben gesagt, es jetzt nicht mehr hindern, daß viele Brüder auf verschiedenerlei Weise sie sahen und berührten, namentlich das Wundmal der Seite, das er mit der größten Mühe zu verheimlichen suchte. Einst nun bewog ihn in frommer Fürsorge ein Bruder, so ihm diente, die Kutte abzulegen, auf daß er den Staub von ihr schüttele; und da er sie in seiner Gegenwart auszog, sah jener Bruder genau das Wundmal an der Seite; und er legte ihm rasch die Hand auf die Brust und berührte es mit drei Fingern und erkannte seinen Umfang und seine Größe. Ähnlich gewahrte es zu der Zeit auch sein Statthalter.

Die deutlichste Gewißheit darüber ward aber Bruder Ruffino, einem Manne der größten Beschaulichkeit. Von ihm sagte einst St. Franciscus, daß in der Welt niemand heiliger sei, denn er, und um seiner Heiligkeit willen liebte er ihn innig und tat ihm jeden Gefallen, den er wollte. Auf dreierlei Weisen überzeugte dieser Bruder Ruffino sich und andre wegen jener hochheiligen Wundmale, fürnehmlich wegen des Males an der Seite.

Zum ersten geschah es, da er die Kleidung von St. Francisci Beinen waschen sollte, die er in solcher Größe trug, daß er mit ihnen die Wunde seiner rechten Seite bedeckte, wenn er sie stark in die Höhe zog. Jener Bruder Ruffino betrachtete sie nun und prüfte sie aufmerksam, und jedesmal fand er sie blutig an der rechten Seite. Aus diesem Grunde nahm er mit Sicherheit an, daß solches Blut war, so aus jener Wunde quoll. Dafür aber schalt ihn St. Franciscus, wenn er merkte, daß jener seine abgelegte Kleidung auseinanderbreitete, damit er jenes Zeichen sehe.

Zum zweiten geschah es also, daß jener Bruder Ruffino einst in wahrem Eifer seine Finger in das Wundmal der Seite legte; da schrie St. Franciscus vor Schmerzen, die er fühlte, laut auf: »Gott vergebe es dir, Bruder Ruffino! Warum hast du das getan?«

Zum dritten geschah es, daß er einst sehr dringend St. Franciscum bat – als um einen großen Gefallen –, er möge ihm seine Kutte geben und um der Liebe willen seine eigene nehmen. Dieser Bitte willfahrte der liebreiche Vater, obzwar nicht ohne Bedenken, und er zog die Kutte aus, gab sie ihm und nahm die seine. Und dabei, wie er sich aus- und anzog, gewahrte Bruder Ruffino deutlich jenes Wundmal.

Desgleichen sahen auch Bruder Leo und viele andre Brüder jene hochheiligen Wundmale St. Francisci, da er noch lebte, und obgleich jene Brüder bei ihrer Heiligkeit Männer waren, so Glauben verdienten und auf ihr bloßes Wort Vertrauen, beschworen sie doch auf dem heiligen Buche, daß sie jene deutlich gesehen hatten, damit aller Zweifel den Herzen benommen werde.

Selbst etliche Kardinäle sahen sie, die mit ihm sehr vertraut waren und aus Verehrung jener hochheiligen Wundmale St. Francisci schöne und fromme Hymnen und Antiphonen und Stücke ungebundener Rede verfaßten und dichteten. Auch sagte der Summus Pontifex, Papst Alexander, da er dem Volke predigte und alle Kardinäle zugegen waren, darunter auch der heilige Bruder Bonaventura, welcher Kardinal war, und hat es bestätigt, daß er mit eigenen Augen St. Francisci heilige Wundmale sah, da dieser noch am Leben weilte.

Auch Frau Jacopo von Settesoli aus Rom, so die größte Frau ihrer Zeit zu Rom war und St. Franciscum sehr verehrte, hat sie vor seinem Tode gesehen und dann auch, als er gestorben war, und hat sie mehrfach geküßt in großer Ehrfurcht; denn sie war auf Gottes Offenbarung von Rom nach Assisi gekommen, damit sie bei St. Francisci Tode zugegen wäre. Und das geschah auf die folgende Weise:

Einige Tage vor seinem Tode lag St. Franciscus krank zu Assisi in dem Palaste des Bischofs; und bei ihm waren einige seiner Jünger, und trotz all seiner Krankheit sang er des öfteren etliche Lobgesänge auf Christum. Eines Tages sprach zu ihm ein Jünger: »Vater, du weißt, daß hier die Bürger großen Glauben zu dir haben und dich für einen heiligen Menschen halten; drum könnten sie meinen, daß du in diesem deinen Leiden an den Tod denken solltest, wenn du das wirklich bist, was sie von dir halten, und eher weinen, denn singen, bei so schwerer Krankheit. Und wisse, daß dein Singen und unseres, das du geboten hast, von vielen gehört wird, in dem Palaste und draußen. Denn um deinetwillen hüten viele Gewappnete diesen Palast, und sie könnten es vielleicht als ein übles Beispiel achten. Deshalb glaube ich«, sprach jener Bruder, »daß du recht tätest, den Ort zu verlassen, und daß wir alle nach Sta. Maria degli Angeli zurückkehren, denn uns ist nicht gut unter den Weltlichen.«

Ihm entgegnete St. Franciscus: »Liebster Bruder, du weißt, daß es heute zwei Jahre her sind, seit wir in Fuligno waren, und Gott meines Lebens Ende mir dort verkündete und mir zudem offenbarte, daß in dieser Krankheit nach wenigen Tagen jene Frist ablaufen werde. Und da Gott mir das offenbarte, verhieß er mir fest all meiner Sünden Vergebung und die Seligkeit des Paradieses. Ehe denn mir jene Offenbarung ward, klagte ich über den Tod und meine Sünden. Da mir aber jene Offenbarung geworden, bin ich so voller Freuden, daß ich nicht mehr zu klagen vermag. Darum singe ich zu Gott und werde zu ihm singen, der mir das Gut seiner Gnade beschert und mir gewißlich der Herrlichkeit Güter im Paradiese zugesagt hat. Doch bin ich damit einverstanden, von hier wegzugehen, und das dünkt mir recht. Findet ihr aber aus, wie ihr mich tragen möget, da ich meines Siechtums wegen nicht gehen kann.«

Da nahmen ihn die Brüder auf die Arme und trugen ihn fort, und viele Bürger gaben ihnen das Geleite. Und da sie an ein Spital kamen, so an dem Wege lag, sprach St. Franciscus zu denen, die ihn trugen: »Setzet mich nieder zur Erde und wendet mich nach der Stadt.« Als sie ihn niedergesetzt hatten mit dem Antlitze gen Assisi, segnete er die Stadt mit vielen Segnungen und sprach: »Gesegnet seist du von Gott, heilige Stadt, denn durch dich werden viele Seelen erlöst werden, und in dir viele Knechte Gottes wohnen, und aus dir viele zum Reiche des ewigen Lebens erlesen werden.« Nach diesen Worten ließ er sich weitertragen nach Sta. Maria degli Angeli.

Als sie nach Sta. Maria degli Angeli gelangt waren, trugen sie ihn in die Krankenstube und betteten ihn dort zur Ruhe. Da rief St. Franciscus einen der Jünger zu sich und sagte ihm: »Liebster Bruder, Gott hat mir offenbart, daß ich nach so und so viel Tagen seit Beginne dieser Krankheit aus diesem Leben scheiden werde; und du weißt: sollte Frau Jacopa von Settensoli, unsres Ordens vielgeliebte Dienerin, meinen Tod erfahren und dann nicht bei mir gewesen sein, so würde sie das allzusehr betrüben. Gib ihr darum zu wissen, daß sie gleich herkommen möge, wenn sie mich noch lebend sehen will.« Antwortet der Bruder: »Das ist sehr recht von dir, Vater! Denn bei der großen Verehrung, die sie dir entgegenbringt, wird es ihr recht schmerzlich sein, wenn sie nicht bei deinem Tode zugegen war.« »Gehe also«, spricht St. Franciscus, »und bringe mir Tinte und ein Blatt und Feder und schreibe, was ich dir sage.« Und wie er das gebracht hatte, sagte ihm St. Franciscus den Brief in folgender Weise her:

»An Frau Jacopa, Gottes Dienerin, Bruder Franciscus, der Arme Christi, Gruß und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes und unsres Herrn Jesu Christi: Wisse, Geliebte, daß Christus, der Gebenedeite, mir durch seine Gnade meines Lebens Ende verkündet hat, das über ein kleines kommen wird. Darum mache dich auf, wenn du mich noch lebend treffen willst, sobald du diesen Brief gelesen hast, und komme nach Sta. Maria degli Angeli. Denn, kommst du nicht bis zu dem und dem Tage, so wirst du mich nicht mehr am Leben finden. Nimm ein härenes Hemde mit, meinen Leib darein zu hüllen, und Wachskerzen, die zu meinem Begräbnis not tun werden. Ich bitte dich auch, daß du mir von jenen Eßwaren mitbringest, die du mir zu geben pflegtest, wenn ich krank war zu Rom.«

Während jener diesen Brief schrieb, ward St. Francisco von Gott offenbart, daß Frau Jacopa zu ihm reiste und bereits dem Kloster nahe war und das alles mit sich führte, worum er in diesem Schreiben bitten ließ. Da St. Francisco diese Offenbarung zuteil geworden, sagte er dem Bruder, so den Brief schrieb, er solle nicht weiterschreiben; denn es sei nicht nötig; er möge den Brief beiseitelegen. Darob wunderten sich die Brüder sehr, daß er den Brief nicht beenden ließ und nicht wünschte, daß er abgesandt werde. Als so eine Weile vergangen war, geschah an der Pforte ein heftiges Klopfen, und St. Franciscus schickte den Pförtner hin, damit er auftäte. Und da er die Pforte auftat, sah er vor sich Frau Jacopa, die edle Frau aus Rom, mit ihren beiden Söhnen, die römische Senatoren waren, und mit einer großen Schar von Reisigen; und sie traten ein, und Frau Jacopa ging stracks in die Krankenstube und kam zu St. Francisco. Ob ihrer Ankunft empfand St. Franciscus große Freude und Trost, und sie desgleichen, da sie ihn am Leben sah und zu ihm reden durfte. Nun erzählte sie ihm, wie Gott ihr zu Rom, da sie betete, die kurze Frist offenbarte, die er noch zu leben hatte, und daß er nach ihr senden und von ihr jene Sachen bitten sollte, und sagte ihm, daß sie das alles mitgebracht habe; und sie ließ es vor St. Franciscum hintragen und gab ihm davon zu essen. Als er gegessen hatte und sich sehr erquickt fühlte, kniete diese Frau Jacopa nieder und faßte jene heiligen Füße, so mit Christi Wunden geschmückt und gezeichnet waren. Und mit solchem Übermaße der Verehrung küßte sie sie und betete mit Tränen, daß es den Brüdern dünkte, so ringsherum standen, sie schauten leibhaftig Magdalenam zu Jesu Christi Füßen; und sie vermochten auf keine Weise, sie von da loszureißen.

Endlich, nach geraumer Zeit, hoben sie sie auf und führten sie beiseite. Und sie fragten, wie es ihr möglich geworden, so gelegen anzukommen und so wohl versehen mit allen Dingen, die St. Francisco noch im Leben dienen sollten und zu seinem Begräbnisse. Da entgegnete Frau Jacopa, sie habe eine Stimme des Himmels vernommen, da sie zu Rom eines Nachts betete, und die hätte gesprochen: »Willst du St. Franciscum lebend treffen, so reise unverzüglich nach Assisi und nimm mit dir, was du ihm zu geben pflegtest, wenn er krank war, und das, was zum Begräbnis not tun wird. Und ich«, sprach sie, »habe also getan.«

Es blieb nun jene Frau Jacopa dort so lange, bis St. Franciscus aus diesem Leben schied und begraben ward. Und seinem Begräbnis erwies sie hohe Ehre mitsamt ihrem ganzen Gefolge und trug die Kosten von allem, was nötig war. Und als sie dann wieder nach Rom gekommen, über ein kleines, starb dort diese edle Frau eines heiligen Todes; und aus Verehrung St. Francisci hatte sie bestimmt und angeordnet, daß man sie nach Sta. Maria degli Angeli bringen und dort bestatten solle. Und so geschah es.

 

Wie Hieronymus, der früher gezweifelt hatte, die hochheiligen Wundmale St. Francisci berührte und sah

Bei St. Francisci Tode haben nicht nur jene Frau Jacopa und ihre Söhne mitsamt dem Gefolge seine glorreichen heiligen Wundmale gesehen und sie geküßt, sondern auch manche Bürger von Assisi, darunter auch ein vielberühmter Ritter und großer Herr, namens Hieronymus, der an ihnen sehr zweifelte und ungläubig war, gleich wie der Apostel St. Thomas an den Wunden Christi. Und auf daß er sich und den andern Gewißheit schaffe, bewegte er dreist vor den Brüdern und Weltlichen die Nägel in den Händen und Füßen und tastete an der Seitenwunde, also daß kein Zweifel möglich war.

Drum war er nachmals ständiger Zeuge jener Wahrheit und beschwor auf dem heiligen Buche, daß es sich also verhielt, und daß er sie also gesehen und berührt habe. Auch sahen und küßten St. Francisci heilige Wundmale St. Clara mit ihren Nonnen, die seinem Begräbnisse beigewohnt hatten.

 

Von dem Tage und dem Jahre des Todes St. Francisci

Der glorreiche Bekenner Christi, St. Franciscus, schied aus diesem Leben in dem Jahre eintausendzweihundertundsechsundzwanzig, am vierten Tage des Oktobers, einem Samstage und ward am Sonntage begraben. Dieses Jahr war das zwanzigste seiner Bekehrung, d. h. seitdem er begonnen hatte Buße zu tun, und war das zweite, seitdem er die hochheiligen Wundmale empfangen; und er befand sich in dem fünfundvierzigsten Jahre seines Lebens.

 

Von der Kanonisation St. Francisci

Hernach, in dem Jahre eintausendzweihundertundachtundzwanzig, ward St. Franciscus kanonisiert von dem Papste Gregor IX., der in Person nach Assisi kam, ihn heilig zu sprechen.

Und bis dahin reicht die vierte Betrachtung.

 

Von der fünften und letzten Betrachtung über die hochheiligen Wundmale

Die fünfte und letzte Betrachtung handelt von etlichen Erscheinungen und Wundern, die Gott nach St. Francisci Tode vollbrachte und dartat, auf daß er die Gewißheit seiner hochheiligen Wundmale bestätige, und Tag und Stunde offenbaret würden, da Christus sie ihm verlieh. Und was dieses anlangt, haben wir uns zu merken, daß in dem Jahre eintausendzweihundertundzweiundachtzig an einem Tage des Monats Oktober Bruder Philippo, der Minister in der Toscana, auf Geheiß des Ordensgenerals, Bruder Giovanni Buonagrazia, in des heiligen Gehorsams Namen Bruder Matteo von Castiglione Aretino, einen Mann von großer Gottesfurcht und Heiligkeit, befragte, auf daß er ihm kund täte, was er über Tag und Stunde wisse, da Christus die hochheiligen Wundmale dem Leibe St. Francisci aufgeprägt hatte. Denn er hatte gehört, daß jenem darüber eine Offenbarung zuteil geworden. Jener Bruder Matteo gab, in der Pflicht des heiligen Gehorsams, folgenden Bescheid:

»Als ich mich in der Gemeinschaft des Klosters von La Vernia befand, in dem Monat Mai des letztvergangenen Jahres, hub ich eines Tages in der Zelle zu beten an, die an dem Orte steht, wo man glaubt, daß jenes seraphische Gesicht erschienen war. In meiner Bitte flehte ich mit höchster Andacht zu Gott, es möge ihm gefallen, irgendeinem die Stunde und den Ort zu offenbaren, da die hochheiligen Wundmale dem Leibe St. Francisci aufgeprägt wurden. Und da ich stets weiter im Beten und in diesem Gebete verharrte über die Zeit der ersten Nachtwache hinaus, erschien mir St. Franciscus in großem Lichte und sprach zu mir: ›Mein Sohn, worum bittest du Gott?‹ Und ich sagte ihm: ›Vater, ich bitte um das und das.‹ Da sprach er zu mir: ›Ich bin dein Vater, St. Franciscus, kennst du mich wohl?‹ ›Vater‹, sprach ich, ›ja.‹ Da zeigte er mir die hochheiligen Wundmale der Hände und der Füße und der Seite und sprach: ›Siehe, die Zeit ist gekommen, da Gott will, daß zu seiner Herrlichkeit das offenbar werde, des Kunde den Brüdern bis hierher keine Sorge schuf. Wisse, daß, der mir erschien, kein Engel war, sondern Jesus Christus in Gestalt eines Seraph: mit seinen Händen prägte er mir diese Male auf den Leib, wie er sie am Kreuze auf seinen Leib empfangen hatte. – Und das geschah auf die folgende Weise: An dem Tage vor Kreuzeserhöhung kam ein Engel und kündete mir in Gottes Namen, daß ich mich zu Geduld anschicke, um das zu empfangen, was Gott mir senden wollte. Ich antwortete, daß ich bereit sei, alles entgegenzunehmen und zu tragen, was Gott zu Wohlgefallen diene. Dann, an dem folgenden Morgen, dem Morgen des Kreuzerhöhungsfestes, das in dem Jahr auf einen Freitag fiel, trat ich ums Morgenrot in ungeheurer Brunst des Geistes aus meiner Zelle und ging hin, an der Stätte zu beten, da du eben stehest, und wo ich oftmals betete. Und wie ich betete, siehe da: durch die Lüfte kam von dem Himmel ein gekreuzigter Jüngling, von Ansehen gleich einem sechsmal beflügelten Seraph und mit großer Schnelle. Bei seinem wundersamen Anblick kniete ich demütig nieder und begann voller Weihe die unermeßliche Liebe Jesu Christi, des Gekreuzigten, zu betrachten und den unermeßlichen Schmerz seiner Passion. Sein Anblick gab mir so viel Mitleid, daß es mir ward, als fühlte ich leibhaftig jene Passion an meinem Körper, und in seiner Gegenwart leuchtete die ganze Welt gleich der Sonne. Also kam er nieder und zu mir heran. Und da er vor mir stand, sagte er mir einige heimliche Worte, die ich noch niemanden offenbart habe; doch naht die Zeit, da auch sie kund werden sollen. Dann, nach einer Weile, fuhr Christus wieder zurück gen Himmel. Ich aber fand mich also gezeichnet mit diesen Malen. – Geh nun‹, sprach St. Franciscus, ›und sage diese Dinge ja deinem Minister. Denn das ist Gottes Werk und nicht von Menschenhand.‹ Nach diesen Worten segnete mich St. Franciscus und stieg wieder gen Himmel mit einer Schar leuchtender Jünglinge.«

Alle diese Dinge, sagte jener Bruder Matteo, habe er wachend geschaut und vernommen und nicht im Schlafe. Und er beschwor auf Christi Leibe, daß er dem genannten Minister dieses also gesagt habe zu Florenz in dessen Zelle, da er ihn bei dem heiligen Gehorsam fragte.

 

Wie ein heiliger Bruder in der Legende St. Francisci im Kapitel der hochheiligen Wundmale, von den geheimen Worten las, die der Seraph zu St. Francisco geredet hatte, da er ihm erschien, und wie er Gott so lange darum bat, bis daß sie ihm St. Franciscus offenbarte

Ein andermal, da ein frommer und heiliger Bruder die Legende St. Francisci las und im Kapitel der hochheiligen Wundmale, begann er in großer Sorge des Geistes nachzusinnen, welcherlei Art wohl jene so heimlichen Worte gewesen sein mochten, von denen St. Franciscus sagte, daß er sie niemanden verraten wolle, solange er lebe, und die der Seraph zu ihm geredet hatte, da er ihm erschien. Und dieser Bruder sprach zu sich selber: »Diese Worte hat St. Franciscus niemanden in seinem Leben sagen wollen. Jetzt aber, nach seinem leiblichen Tode, wird er sie vielleicht künden, wenn man ihn mit Andacht darum bittet.« Seitdem begann der fromme Bruder Gott und St. Franciscum darum zu bitten, daß es ihnen gefallen möge, jene Worte kundzutun. Und da jener Bruder acht Jahre lang beständig darum bat, ward ihm im achten Jahre der Lohn, auf die folgende Weise erhört zu werden:

Eines Tages nach dem Essen, als in der Kirche die Danksagung gesprochen war, betete er irgendwo in der Kirche und bat Gott und St. Franciscum mit noch größerer Andacht darum, als er es sonst zu tun pflegte, und mit vielen Tränen; da ward er von einem andern Bruder gerufen, und ihm in des Guardians Namen geboten, daß er jenen auf das Land begleiten solle in Angelegenheiten des Klosters. Dieweilen er nun daran nicht zweifelte, daß des Gehorsams Verdienst größer ist, denn das Verdienst des Betens, ließ er in Demut vom Gebet, sobald er dieses Geheiß vernommen, und ging mit dem Bruder, so ihn gerufen hatte. Und da es Gott so gefiel, verdiente er durch jene Tat des raschen Gehorsams, was er in langer Zeit des Betens nicht erreicht hatte.

Kaum waren sie nämlich außerhalb der Klosterpforte, da begegneten sie zween fremden Brüdern, die aus fernen Landen zu kommen schienen, und der eine dünkte sie jung, der andre alt und hager, und wegen des schlechten Wetters waren sie ganz mit Schmutz bedeckt und durchweicht. Darum dauerten sie jenen folgsamen Bruder sehr, und er sprach zum Genossen, mit dem er ging: »O du mein lieber Bruder, könnte man nicht das Geschäft, deswegen wir ausgehen, verschieben? Denn jenen fremden Brüdern tut es sehr not, liebevoll empfangen zu werden, und ich bitte dich: laß mich zunächst gehen, auf daß ich ihnen die Füße wasche, zumal jenem alten Bruder, so dessen mehr bedarf; und Ihr könntet sie jenem Jüngern waschen. Danach aber laßt uns das Geschäft des Klosters besorgen gehen.«

Da willfahrte jener Bruder dem liebreichen Begehren seines Gefährten, und sie gingen wieder hinein; und sie nahmen diese fremden Brüder sehr liebevoll auf und führten sie in die Küche, auf daß sie sich erwärmten und trocken würden. An jenem Feuer wärmten sich noch acht andre Brüder aus dem Kloster. Nachdem sie ein wenig am Feuer gesessen hatten, nahmen jene sie beiseite, um ihnen die Füße zu waschen, wie sie es zusammen beschlossen hatten. Als nun der gehorsame und fromme Bruder jenem ältern Bruder die Füße wusch und den Kot davon entfernte, da sie sehr beschmutzt waren, und sie dabei ansah, gewahrte er, daß seine Füße die heiligen Wundmale trugen. Sogleich vor Freude und Schrecken, umfaßte er sie fest und hub an zu schreien: »Entweder du bist Christus, oder du bist St. Franciscus.« Bei diesem Schrei und diesen Worten erhoben sich die Brüder, so an dem Feuer saßen und drängten sich hinzu mit großem Zittern und mit Ehrfurcht, jene glorreichen Wundmale zu schauen. Da erlaubte jener alte Bruder auf ihre Bitten, sie genau zu betrachten, anzurühren und zu küssen. Und da sie vor Freuden nur noch mehr staunten, sagte er ihnen: »Zweifelt nicht und seid nicht bange, ihr lieben Brüder und Söhne; ich bin euer Vater, Bruder Franciscus, der ich nach Gottes Willen drei Orden gegründet habe. Und weil ich schon seit acht Jahren darum von diesem Bruder gebeten worden bin, der mir die Füße wäscht, und heute brünstiger denn je ein andermal, ich möcht ihm die geheimen Worte enthüllen, die der Seraph zu mir sprach, da er mir die Wundmale verlieh, jene Worte, die ich nie zu Lebzeiten künden wollte, da bin ich auf Gottes Gebot hierhergesandt, um seiner Beharrlichkeit willen und seines raschen Gehorsams, deswegen er die Süße der Beschaulichkeit verließ; denn ich soll vor euch offenbaren, worum er mich bittet.«

Nun wandte sich St. Franciscus zu jenem Bruder und sprach also: »Wisse, lieber Bruder: wie ich auf dem Berge La Vernia stand und bei jener seraphischen Erscheinung mich ganz in das Gedenken von Christi Passion versenkte, ward ich von Christo an meinem Leibe also stigmatisiert, und damals sprach Christus zu mir: Weißt du, was ich dir getan habe? Ich habe dir die Wahrzeichen meiner Passion gegeben, auf daß du mein Banner tragest. Und wie ich an dem Tage meines Todes zur Vorhölle hinabfuhr und alle Seelen, die ich da fand, kraft meiner Wundmale dorther aufwärts führte und sie geleitet habe zu dem Paradiese, so verleihe ich dir zur Stunde, daß du jedes Jahr am Tage deines Todes hinab zum Fegefeuer steigest und alle Seelen deiner drei Orden, d. i. der Minderbrüder, der Klarissinnen und Tertiaren und überdies auch der andern, die dich verehrten, so du ihrer etliche findest, kraft deiner Wundmale, die ich dir gab, hinausführest und zum Paradiese leitest, auf daß du mir im Tode gleich seist, wie du mir glichest im Leben. Und diese Worte habe ich nie verraten, solange ich auf Erden lebte.«

Kaum hatte St. Franciscus diese Worte gesprochen, so verschwand er mit seinem Genossen. Viele Brüder aber erfuhren das nachmals von den acht Brüdern, so bei jener Erscheinung und jenen Worten St. Francisci zugegen waren.

 

Wie St. Franciscus nach seinem Tode Bruder Giovanni von La Vernia erschien, da er betete

Auf dem Berge La Vernia erschien einmal St. Franciscus Bruder Giovanni von La Vernia, einem Manne von großer Heiligkeit, da er betete, und verweilte und redete mit ihm lange Zeit und sprach zu ihm endlich, da er scheiden wollte: »Erbitte dir von mir, was du willst.« Bruder Giovanni sprach: »Vater, ich bitte dich, daß du mir sagen mögest, was ich schon seit langem zu wissen begehre: Was tatet Ihr nämlich und wo waret Ihr, als Euch der Seraph erschien?« St. Franciscus erwiderte: »Ich betete an der Stelle, da heute die Kapelle des Grafen Simon von Battifolle steht, und bat um zwei Gnaden von meinem Herrn Jesu Christo: die erste, daß er mir noch bei Lebzeiten vergönnen möge, an meiner Seele und an meinem Leibe jenen ganzen Schmerz zu fühlen, den er an sich selbst zur Zeit seines bittersten Leidens trug, so weit das möglich ist. Die zweite Gnade, um die ich ihn bat, war, daß ich in meinem Herzen auch jenes Übermaß der Liebe spüre, davon er entbrannte, solches Leiden für uns Sünder zu tragen. Da gab mir Gott die Antwort in das Herz, er werde mir das eine wie das andre zu spüren geben, soweit es einem bloßen Geschöpfe möglich war. Auch ging mir das gar wohl in Erfüllung, als ich die Wundmale empfing.«

Dann fragte Bruder Giovanni, ob jene heimlichen Worte, die der Seraph ihm gesagt hatte, auch solche gewesen seien, wie sie jener heilige Bruder erzählte, von dem oben die Rede war, der auch bezeugte, daß er sie in Gegenwart von acht Brüdern aus St. Francisci Munde vernommen habe. St. Franciscus entgegenete, daß so die Wahrheit sei, wie es jener Bruder erzählt hatte. Da faßte Bruder Giovanni Mut im Fragen bei der Milde dessen, der es ihm gestattete, und sagte also: »Vater, inständig bitte ich dich, daß du mich deine hochheiligen glorreichen Wundmale küssen lässest; nicht als ob ich daran zweifelte, sondern mir zur Freudigkeit des Trostes; denn allzeit trug ich danach Verlangen.« Und da sie St. Franciscus ihm milde zeigte und wies, schaute sie Bruder Giovanni ganz deutlich und berührte und küßte sie. Und zum Schlusse fragte er ihn: »Vater, welch großer Trost ward da nicht Eurer Seele, als Ihr Christum, den Gebenedeiten, zu Euch kommen saht und Euch seiner heiligen Passion Geheimnisse übergeben. Wollte Gott, ich erführe ein wenig von jener Lieblichkeit!« Da entgegnete St. Franciscus: »Siehst du diese Nägel?« Bruder Giovanni sagte: »Ja, Vater.« »Berühre nochmals«, sprach St. Franciscus, »diesen Nagel, so in meiner Hand steckt.« Da rührte Bruder Giovanni mit großer Ehrfurcht und Scheu jenen Nagel an; sofort aber, bei dieser Berührung, strömte daraus solcher Duft gleich einem Wölklein Weihrauch, der zu Bruder Giovannis Nase eindrang und ihm Leib und Seele mit solcher Wonne füllte, daß er alsbald zu Gott entzückt und gefühllos wurde. So blieb er verzückt seit jener Stunde, so die Stunde der Terze war, bis zu der Vesper.

Dieses Gesicht und dieses traute Gespräch mit St. Francisco erzählte Bruder Giovanni, bevor er zum Sterben kam, niemand anderem, denn seinem Beichtvater; als er jedoch auf den Tode lag, tat er es noch weiteren Brüdern kund.

 

Von einem heiligen Bruder, so in wunderbarem Gesichte seiner Genossen einen sah, der gestorben war

In der römischen Ordensprovinz ward einem frommen und heiligen Bruder folgende wundersame Erscheinung: Als ein Bruder und Genosse, den er sehr liebte, eines Nachts verstarb und in der Frühe begraben wurde, ehe denn das Kapitel sich versammelt hatte, zog jener Bruder sich nach dem Essen in eine Ecke des Kapitelsaales zurück, in Andacht Gott und St. Franciscum für die Seele jenes verstorbenen Bruders zu bitten, seines Genossen. Und wie er unablässig betete mit Tränen und Flehen, horch: da vernimmt er um Mittagszeit, als die andern sich schlafen gelegt, ein mächtiges Rauschen durch den Kreuzgang. In großer Angst hebt er die Blicke zum Grabe dieses seines Genossen, und er sieht, wie St. Franciscus an dem Eingange des Kapitelsaales steht und hinter ihm eine große Menge Brüder rings um jenes Grab herum. Er blickt weiter und sieht in des Kreuzganges Mitte eine ungeheure Feuerflamme, und inmitten der Flamme steht die Seele jenes seines verstorbenen Genossen. Er sieht sich um in dem Kreuzgange und gewahrt Jesum Christum, der mit einem großen Gefolge von Engeln und Heiligen in dem Kreuzgang umherwandelt. Da er diese Dinge voll großen Schreckens betrachtete, sah er, daß St. Franciscus mit allen jenen Brüdern niederkniete, wenn Christus an dem Kapitelsaale vorüberkam, und also sprach: »Ich bitte dich, du mein lieber Vater und Herr, bei jener unschätzbaren Liebe, die du dem Menschengeschlechte erwiesest, da du Fleisch geworden, habe Erbarmen mit der Seele jenes Bruders, so in diesem Feuer brennt!« Doch Christus erwiderte nichts, sondern schritt vorüber. Und da er zum andern Male wiederkam und am Kapitelsaale vorüberging, kniet St. Franciscus ebenso nieder mit seinen Brüdern wie zuvor, und bittet ihn dergestalt: »Ich bitte dich, mitleidiger Vater und Herr, bei der unermeßlichen Liebe, die du dem Menschengeschlechte erwiesest, da du am Kreuzesstamm gestorben bist, habe Erbarmen mit der Seele jenes meines Bruders!« Doch Christus schritt abermals vorüber und hörte ihn nicht. Und indem er durch den Kreuzgang bog, kam er zum dritten Male wieder und ging am Kapitelsaale vorbei; da kniete St. Franciscus, wie zuvor, wies ihm die Hände und die Füße und die Brust und sprach also: »Ich bitte dich, mitleidiger Vater und Herr, bei jenem großen Schmerze und der großen Tröstung, so mir widerfuhr, da du meinem Fleische jene Wundmale aufprägtest, habe Erbarmen mit der Seele jenes meines Bruders, so in dieser Flamme des Fegefeuers brennt!« Wunderbar! Als Christus von St. Francisco dieses dritte Mal bei seinen Wundmalen angerufen wurde, hielt er sogleich inne und sah die Wundmale an. Und die Bitte erhört er und spricht also: »Dir, Francisce, befehle ich deines Bruders Seele!«

Damit wollte er gewiß St. Francisci glorreiche Wundmale ehren und bestätigen und offen kundtun, daß es nichts andres gibt, wodurch seiner Brüder Seelen, so im Fegefeuer sind, eher von der Pein erlöst werden und zu des Paradieses Herrlichkeit gelangen, denn die Kraft seiner Wundmale, wie ja auch Christus St. Francisco verheißen hatte, da er sie ihm aufdrückte.

Sobald jene Worte gesprochen waren, erlosch das Feuer in dem Hofe, und der verstorbene Bruder trat hervor zu St. Francisco, und vereint mit ihm und mit Christo zog jene ganze selige Schar samt ihrem glorreichen Könige nach dem Himmel.

Darob empfand jener Bruder, sein Genosse, der für ihn gebetet hatte, große Freude, wie er sah, daß er, von der Pein erlöst, in das Paradies geführt wurde. Hernach erzählte er das ganze Gesicht in rechter Folge seinen Brüdern, und zusammen mit ihnen pries er und dankte Gott.

 

Wie einem edeln Ritter und ergebenen Diener St. Francisci die Gewißheit von dessen Tode ward und von den heiligen Wundmalen St. Francisci

Einem edeln Ritter aus Massa di San Pietro, namens Landolfo, der St. Franciscum hoch verehrte und aus seinen Händen zuletzt das Gewand des dritten Ordens empfangen hatte, ward auf die folgende Weise die Gewißheit vom Tode St. Francisci und von seinen hochheiligen, glorreichen Wundmalen:

Zu der Zeit, da St. Franciscus auf den Tod lag, kam der Teufel über ein Weib in jenem Burgflecken und plagte sie grausam und ließ sie dabei so fein und scharfen Sinnes reden, daß sie alle Gelehrte und weisen Männer überwand, so mit ihr zu disputieren kamen.

Da geschah es, daß der Teufel von ihr fuhr und sie zwei Tage frei ließ; doch er kam an dem dritten Tage wieder und quälte sie über alle Maßen, viel grausamer denn zuvor. Als das Landolfo hörte, ging er zu diesem Weibe und fragte den Teufel, so in ihr hauste, nach der Ursache, weshalben er sie auf zwei Tage verlassen habe und dann wiedergekommen sei und sie härter peinige denn zuvor. Der Teufel entgegnete: »Als ich sie verließ, war es darum, daß ich und alle meine Genossen, so in diesen Landen wohnen, uns zusammentaten und mit großer Macht zu dem Bettler Francisco fuhren, der auf dem Tode lag, mit ihm zu disputieren und seine Seele zu fangen; doch eine größere Schar von Engeln war um ihn, denn wir es waren, und verteidigte ihn, und da sie ihn geraden Weges zum Himmel trugen, sind wir beschämt davongezogen; so bin ich denn wiedergekommen und erstatte dem elenden Weibe, was ich in diesen zwei Tagen an ihr versäumt habe.«

Da beschwor ihn Landolfo in Gottes Namen, er solle ihm künden, wie es in Wahrheit um St. Francisci Heiligkeit stehe, von dem er sagte, daß er gestorben sei, und St. Claras, die da lebte. Antwortet der Teufel: »Ich werde dir die Wahrheit sagen, ob ich es nun will oder nicht: Gott Vater zürnte so sehr um der Welt Sünden, daß er über ein kleines den letzten Spruch zu fällen gedachte gegen die Männer und gegen die Weiber und sie von der Welt auszurotten, falls sie nicht besser würden. Doch Christus, sein Sohn, bat für die Sünder und versprach, sein Leben und sein Leiden in einem Menschen zu erneuen, nämlich in Francisco, dem Armen und Bettler. Durch sein Leben und durch seine Lehre sollte er viele aus aller Welt zu der Wahrheit Pfade führen, zudem auch viele zur Buße. Und auf daß er der Welt bezeuge, was er in St. Francisco gewirkt, wollte er, daß die Male seiner Passion, die er jenem auf seinen Leib geprägt, da er noch lebte, jetzt in seinem Tode von vielen berührt und gesehen würden. Desgleichen versprach auch die Mutter Christi, ihre jungfräuliche Reinheit und ihre Demut in einem Weibe zu erneuen, nämlich in Schwester Clara, also daß sie durch ihr Beispiel viel tausend Frauen unsern Händen entreiße. Durch diese Versprechen wurde Gott Vater besänftigt und verzog mit dem letzten Spruche.«

Nun wünschte Landolfo gewiß zu erfahren, ob der Teufel, so der Lüge Vater ist und ihr Behältnis, in diesen Dingen die Wahrheit sprach, und fürnehmlich über den Tod St. Francisci. Und er sandte einen seiner treuen Knappen gen Assisi, nach Sta. Maria degli Angeli, damit er auskundschafte, ob St. Franciscus noch lebe oder gestorben war. Als jener Knappe dort ankam, fand er es so in der Tat, und er kehrte zurück und berichtete seinem Herrn, daß gerade an dem Tage und zu der Stunde, wie sie der Teufel genannt hatte, St. Franciscus aus diesem Leben geschieden war.

 

Wie Papst Gregor IX. an den Wundmalen St. Francisci zweifelte und darüber Gewißheit erhielt

Indem wir all die Wunder der hochheiligen Male St. Francisci beiseite lassen, die man in seiner Legende lesen mag, haben wir uns noch am Schlusse dieser fünften Betrachtung zu merken, daß dem Papste Gregor IX., der ein wenig an der Wunde zu St. Francisci Seiten zweifelte, eines Nachts St. Franciscus erschien, – wie es jener hernach erzählt hat. Und er entblößte die Wunde an der Seite, indem er den rechten Arm ein wenig hob, und begehrte nach einer Wasserflasche. Als sie herbeigeschafft war, hieß St. Franciscus sie unter die Wunde der Seite stellen, und es deuchte dem Papst in Wahrheit, als werde sie bis zu dem Halse mit Blut gefüllt, das mit Wasser vermengt war und dieser Wunde entquoll.

Hierauf bestätigte der Papst St. Francisci hochheilige Wundmale, nachdem er mit allen Kardinälen deshalb Rates gepflogen, und gab den Brüdern darob ein Privilegium speciale mit dem Siegel. Solches tat er zu Viterbo in dem elften Jahre seines Papsttums, und danach in dem zwölften Jahre gab er ihnen ein abermaliges, das noch umfassender war.

Auch Papst Nicolaus III. und Papst Alexander gaben hierüber weitgehende Privilegia, wonach man wider jeden, so die heiligen Wundmale St. Francisci leugnete, wie gegen einen Ketzer verfahren konnte.

Und bis dahin reicht die fünfte Betrachtung über die glorreichen hochheiligen Wundmale unsres Vaters, St. Francisci, dessen Wandel in dieser Welt zu folgen uns Gott als Gnade verleihen mag, auf daß wir es kraft seiner Wundmale verdienen, mit ihm gerettet in dem Paradies zu wohnen.

Zum Lobe Jesu Christi und Francisci des Armen

Amen.


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