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Eine Ueberraschung.

Halt!« sagte der Knappe Konrad zu seinem Gefährten und Helfershelfer Andreas, »der Graben ist fertig. Nur der Rand muß noch durchstochen werden. Zwei Spatenstiche! Jeder von uns thut Einen; aber zu gleicher Zeit muß es geschehen, in demselben Augenblicke, wenn ich drei rufe. Denn bei dem ersten Stich wälzt sich das Wasser in den Graben und reißt zu beiden Seiten den Damm weg. In der Sekunde müssen wir dann schon zurück gesprungen sein, wenn es uns nicht mit sich in die Tiefe reißen soll. Hast Du verstanden, Andreas?«

»Ich habe verstanden!«

»Voran denn! – Doch halt noch einmal! Tragen wir zuerst unsere Hacken auf die Seite. Hier hätten wir keine Zeit mehr, nach ihnen zu greifen. Und zurück lassen dürfen wir sie nicht; sie könnten uns verrathen. Wir gehen dort rechts in die Haide hinein; also dahin.«

Sie nahmen ihre Hacken auf, trugen sie ungefähr zwanzig Schritte weiter den Damm hinauf und legten sie dort nieder.

»Schade ist doch eins,« sagte der Knappe unterwegs, »der Alte ist noch immer nicht zurück; er entgeht der Gefahr. Aber wir dürfen nicht länger warten; der Teufel könnte seine Spiel haben. Die Andern sind uns desto sicherer. Diese hochmüthige Dirne, der ich nicht gut genug war. Dieser glatte Bursch mit dem milchbärtigen Gesicht, den sie dem rothhaarigen Burschen vorzog! Ah, sie sollen an die rothen Haare denken! Wenn ich es ihnen in ihrer Todesangst nur zurufen könnte, daß ich es bin, der das über sie gebracht hat! Der rothhaarige Bursch schickt es Euch! Jetzt umarmt Euch! Jetzt tanzt zusammen, zum letzten Male, auf den Wellen in die Mühlenräder, in den Tod! Aber sehen muß ich es. Wenn man nur in dem verdammten Wetter besser sehen könnte! Hören werde ich sie wenigstens. In der Angst des Todes werden sie selbst diesen Sturm überschreien nach Hülfe, die ihnen kein Mensch bringen kann, kein Mensch, wenn das Wasser einmal los ist – auch der Alte nicht, wenn er gerade zurück käme. Ach, käme er doch! Gerade in dem Momente, wenn es losgeht; daß er sähe, wie sie vor seinen Augen zu Grunde gehen, und er könnte ihnen nicht helfen! – Die andere Schwester ist noch da. Was geht sie mich an? Sie seufzt und jammert ja doch nur den ganzen Tag.«

Sie waren wieder an der Stelle angelangt, von der sie ausgegangen waren. Der Knappe besah noch einmal Alles genau.

Die beiden Verbrecher hatten den Graben vollendet. Er durchschnitt die ganze Breite des Dammes, selbst drei Fuß breit und eben so tief.

Durch ihn allein konnte schon in kurzer Zeit eine ungeheure Wassermasse stürzen und mit zerstörender Gewalt gegen die Mühle stürmen. Aber das Wasser, einmal in dem wilden gewaltsamen Sturze, mußte die aufgeweichte Erde mit sich fortreißen und stürzen und im Nu den Graben tiefer und breiter wühlen, den Damm weit aus einander reißen, eine weite, gähnende Schlucht bilden, durch welche die ungeheuersten Wassermassen mit unaufhaltsamer, Alles zerstörender und vernichtender Gewalt dahin stürzten. Nur ein schmaler Rand von der Breite eines halben Fußes hielt das wilde, von dem Sturm gepeitschte, an die Krone des Dammes schäumend heran schlagende, wüthende Element noch zurück. Mit einem Spatenstich von jedem der Verbrecher war der schmale Rand durchstochen.

»Aufgepaßt!« sagte der Knappe Konrad zu seinem Kameraden; »setze Deinen Spaten ein. Wenn ich drei zähle, stichst Du los.«

»Eins!« zählte dann der Knappe. – »Zwei! – Drei!«

Die beiden Stiche waren geschehen, der Rand des Dammes war durchstochen, die Wuth des Wassers fand keinen Widerstand mehr. Die beiden Verbrecher sprangen zur Seite. Hinter ihnen stürmte das Wasser.

Sie sprangen bis zu ihren Hacken «

»Machen wir hier Halt! Ich muß wissen, was weiter wird. Hier sind wir sicher.«

Das Wasser war entfesselt; es hatte den Graben schon weiter gerissen und machte ihn mit jeder Sekunde noch weiter. Es stürzte mit seiner wilden Wuth durch den geöffneten Damm! seine Wuth wurde mit jedem Schritte wilder; seine Masse wuchs, seine Heftigkeit vermehrte sich. Der Damm zitterte, bis zu der Stelle, an der die Verbrecher standen und des Ausganges harrten. Das Brausen übertönte den heulenden Sturm.

Man hatte nur noch das Brausen gehört. Nach einer Minute schon vernahm man auch Anderes.

Dreißig Schritte unterhalb des Dammes lagen die Mühlengebäude, zuerst das Wohnhaus, dann die Mühle. Sie lagen in der engen schmalen Schlucht; zwischen ihnen und dem Damme befand sich der Mühlenteich.

Die stürmenden Fluthen hatten in der Minute das Haus erreicht. Sie schlugen gegen die Fundamente, gegen die Mauern. Man hörte die dumpfen dröhnenden Schläge; man glaubte das Erzittern des Hauses zu hören.

»Jetzt sind sie verloren,« sagte der Knappe Konrad. »Wir wollen nur noch eine Minute warten, dann hören wir ihr Schreien.«

Sein Gefährte mußte sich doch schütteln.


»Das ist der Tod!« hatte auch Charlotte, das fröhliche, frische Mädchen gerufen, aber leichenblaß zum Tode erschreckt.

»O, wäre es der Erlöser!« hatte die unglückliche, in den Tod gebrochene ältere Schwester gesagt.

Aber das Mädchen wollte leben, mit ihrem jungen frischen Leben mit ihrem Muthe, mit ihrer Liebe.

»Retten wir uns, Schwester. Das Moor hat den Damm durchbrochen.«

»Rette Du Dich, Kind.«

»Komm, komm, Luise. Um des Himmels willen!«

Sie wollte die Schwester emporreißen. Eine neue Angst hatte sie ergriffen.

»Der Vater! Stephan!«

Sie eilte an die Thür und riß sie auf.

»Vater! Stephan!« rief sie hinaus. Sie erhielt keine Antwort.

Sie rief noch einmal. Noch einmal vergeblich.

»Sie sind da unten schon todt!«

Sie stürzte die Treppe hinunter.

»Vater! Stephan!«

Niemand antwortete ihr.

Nur wildes Brausen des Wassers umgab sie. Die Fluth schlug an die Wände des Hauses.

Sie riß die Thür der Wohnstube auf. Die Stube war leer; nur eine Lampe brannte darin. In ihrem Scheine sah man wie der Schaum der Fluthen schon bis an die Fenster hinan spritzte. Die Stube lag nach dem Damme hin.

Sie flog zurück; der Boden bebte unter ihren Füßen.

»Vater! Stephan!« rief sie noch einmal in Todesangst.

Eine Stimme antwortete ihr.

»Fliehe, fliehe, Charlotte, ich folge Euch!«

Es war Stephan's Stimme. Sie kam seitwärts aus der Mühle, von den Mühlenschützen her.

Er hatte im ersten Momente wohl die Schütze ausziehen wollen, um dem eindringenden Wasser Abfluß zu verschaffen, denn er hatte die Gefahr noch nicht erkannt und noch nicht ermessen.

»Wo ist der Vater?« rief das Mädchen ihm zu.

»Er ist draußen außer Gefahr; rettet Ihr Euch nur.«

»Nicht ohne Dich, Stephan!«

»Ich folge Euch. Ich komme im Augenblick.«

Sie stürzte die Treppe wieder hinauf in das Stübchen der Schwester.

Die Frau, saß auf ihrem Stuhle, wie eine Träumende.

»Luise, was machst Du da?«

»Ich will hier sterben, Kind. – Aber Du bist noch da?« fuhr sie auf einmal auf; »Du hast Dich nicht gerettet? Die Andern auch nicht? Komm, komm!«

Sie ergriff die Hand des Mädchens, riß sie mit sich aus der Stube, die Treppe hinunter. Sie wollte mit ihr zum Hause hinaus stürzen. Oder wollte sie nur das Kind hinaus bringen und selber zurück bleiben, um unter dem, dann gleich zusammen schlagenden Hause begraben zu werden?

Zum Retten da unten war es zu spät.

Nur eine Minute war verflossen, seitdem das Mädchen von unten wieder nach oben geeilt war. Die eine Minute war entscheidend gewesen.

Die mit rasender Schnelligkeit heran wachsenden Fluthen hatten die unteren Fenster des Hauses erreicht. Die schwachen Glasscheiben waren zerstoßen. Die Wogen wälzten sich widerstandslos in das Haus, in die Stube, in die Kammern durch die wild eingerissenen Thüren in den Flur.

Als die Schwestern die letzten Stufen der Treppe betreten wollten, drang die Fluth ihnen an die Füße heran. Sie konnten nicht weiter.

Das Wasser stand da unten schon zwei Fuß hoch. Nein, es stand nicht, es schoß an ihnen vorbei; es riß mit sich fort, was in seinem Wege war. In der Wohnstube war es dunkel, Tisch und Lampe mußten längst umgeworfen sein.

»Wir müssen zurück,« sagte die ältere Schwester.

»Stephan, Stephan!« rief das Mädchen.

Sie erhielt wieder keine Antwort.

»Er ist todt! Ich muß zu ihm!«

»Bist Du wahnsinnig, Charlotte? Du gehst in den Tod.«

»Ich will mit ihm sterben.«

Die Frau riß sie gewaltsam in die Höhe, die Treppe hinauf.

»Er wird sich gerettet haben mit dem Vater.«

»Ohne uns? Nein, nein, er ist todt. Ich will mit ihm sterben!«

Die Frau wollte ihr antworten, sie konnte es nicht.

»Großer Gott!« rief sie auf einmal, »der Schlüssel! Er ist unten. Wir sind verloren!«

Sie hatte mit der Schwester zu der Thür gewollt, die aus dem oberen Stock über die kleine hölzerne Brücke in's Freie und auf die Höhe führte. Sie waren dort gerettet. Die Thür lag zu Ende des Flurs, in den die Treppe mündete, zehn Schritte weit von der Treppe.

Aber sie war verschlossen und der Schlüssel hing unten in der Wohnstube des Vaters. Das fiel auf einmal der Frau ein.

»Wir sind verloren!« rief sie.

Sie waren verloren nach aller menschlichen Berechnung. Der einzige Ausgang, der sie hier oben retten konnte, er lag keine zehn Schritt von ihnen, aber er war versperrt. Nach unten zurück kehren – sie wären nur um so schneller dem Tode entgegen geeilt. Das Wasser unten stieg von Minute zu Minute. Es mußte schon die Hälfte der Treppe erreicht haben.

»Sind wir denn verloren? Auch Du armes Kind? Nein, nein! Du mußt gerettet werden. Ich werde Dich retten. Hilf mir. Stephan lebt; er arbeitet an unserer Hülfe. Wir würden seine Stimme hören, wenn dieses Heulen des Sturmes und dieses Toben des Wassers einen andern Laut gegen sich aufkommen ließe. Aber horch, rief da nicht Jemand draußen? War das nicht seine Stimme? Er ruft uns, er ruft Dir zu.«

Hatte sie wirklich eine Stimme gehört? oder bildete sie es sich ein? oder wollte sie es dem Kinde einreden, um ihm Muth und Hoffnung zu geben?

Sie eilte zu der Thür; das Mädchen folgte ihr.

Sie faßte nach dem Schlosse, freilich wie nach dem Strohhalme des Ertrinkenden. Die Thür war bei der Nacht immer fest verschlossen und der Vater hatte den Schlüssel unten in der Stube. So war es auch jetzt, und sie hatte es gewußt.

»Wir müssen die Thür einschlagen, einstoßen.«

Sie suchten nach einem Instrumente, fanden aber nichts, keine Axt, kein Beil, keine Zange, nicht einmal einen Hammer.

»Laß uns die Stühle nehmen, vielleicht stoßen wir sie damit ein. Aber eilig, eilig, das Haus wankt schon!«

Die Gefahr war schon eine noch größere, und die treue Schwester erkannte sie; sie wollte nur den Muth des Kindes aufrecht halten. Das Haus schwankte, und bebte nicht blos; unten stürzten schon einzelne Mauerstücke ein, man hörte das Brechen und Krachen der Steine durch den Sturm und Wassergebraus.

Sie ergriffen die Stühle. Zum zweiten Male hatten sie nach einem Strohhalme gegriffen. Die Mühle lag allein, ihre Eingänge mußten so viel als möglich gegen äußeren Einbruch geschützt werden, daher war die Thür von starkem, festem Eichenholz, mit breiten Nägeln beschlagen. Sie stießen dennoch dagegen mit aller ihrer schwachen Kraft.

Die Stühle zersplitterten in ihren Händen, die Thür stand unversehrt.

»Wir sind doch verloren!«

»Und auch Stephan kommt nicht.«

»Nein, Du armes Kind, es ist keine Rettung mehr.«

Sie waren von der Thür zurück getreten – es war ja keine Rettung mehr für sie – und gingen in ihr Stübchen.

»Laß uns zusammen sterben, Schwester Luise.«

»Wir müssen, mein Kind. Auch Du.«

Sie setzten sich dicht zusammen und umfaßten Eine die Andere.

»So wollen wir den Tod erwarten, Arm in Arm.«

»Kannst Du ihm entgegen sehen, Du junges blühendes Leben?«

»Ja, Schwester, er bringt mich zu Stephan.«

»Und zu unserer guten Mutter.«

»Aber den armen Vater müssen wir zurück lassen.«

»O, auch er wird uns bald folgen. Was ist er hier allein ohne uns, ohne alle seine Lieben? Dann sind wir da oben alle zusammen, und kein Leid und kein Jammer drückt uns mehr.«

Sie konnten nicht weiter sprechen. Ein furchtbarer Krach durchtönte von unten das Haus. Eine ganze Mauer mußte eingestürzt sein, der Boden unter ihnen wankte, die Decke über ihnen erbebte.

»Der letzte Augenblick! Laß uns zu Gott beten, daß er es gnädig mit uns mache.«

Sie falteten die Hände, jede die ihrigen in die der anderen. Ihre Arme hielten sich fester umschlungen, ihre Herzen ruheten dicht an einander.

So beteten sie still zu Gott um gnädige Erlösung, um baldige Vereinigung mit den Lieben von denen sie getrennt waren.

Der Sturm heulte draußen, das Wasser tobte unter ihnen.

In dem Stäbchen war es still; in ihren Herzen war es ruhig.

Sie beteten still fort.

Draußen stürzte die Mühle zusammen. Sie war weniger fest gebaut, als das Wohnhaus; aber sie hatte diesem Halt gegeben.

Nun mußte es an das Wohnhaus kommen.

Die Decke erbebte heftiger, die Mauern drohten dem Einsturz.

Noch einmal krachte es laut durch das ganze Haus.

»Jetzt! Bist Du bereit, Charlotte?«

»Ich bin es.«

»O, wie klein wie elend ist dieses Leben! Lege Deine Lippen an die meinigen, mein Kind. So laß uns hinüber gehen. So! Jetzt!«

Es krachte zum dritten Male, dicht neben ihnen.

Aber eine menschliche Stimme wurde laut.

»Stephan!« schrie das Mädchen laut auf. »Stephan! Stephan! Er kommt, uns zu retten; er ist draußen an der Thür. Es war die Thür, welche krachte. Er stößt sie ein. Sie weicht, sie fällt!«

Sie war aufgesprungen.

In dem frischen jugendlichen Herzen geht doch nichts über das Leben und die Liebe.

Sie war an die Thür geeilt, in den Gang vor der Thür.

Die Thür, die zu der Brücke, dem Garten in's Freie führte, war zertrümmert, sie stürzte ein.

Stephan stand darin. »Du bist gerettet, Charlotte.«

Sie sank sprachlos in seine Arme.

»Wo ist die Schwester?« rief er.

Sie hatte die Frage nicht mehr gehört; ohnmächtig lag sie in seinen Armen, ihre Kraft war gebrochen. Wie hätte es anders sein können?

»Fort!« rief er. »In einer Minute ist es zu spät.«

Und »Fort!« rief hinter ihm eine andere Stimme.

Ein hoher, blasser Mann drängte ihn zur Seite, flog an ihm vorüber, eilte in das Stübchen.

Der Baron Bilau und der Knappe Stephan hatten sich in den schrecklichen Momenten der Gefahr draußen gefunden, den einzigen Weg der Rettung der unglücklichen Schwestern erkannt, und Einer dem Andern beigestanden, ihn zu bahnen. Sie hatten ihr Ziel erreicht.

Beide?

»Luise,« sagte der blasse Mann zu der bleichen Frau, »sterben wir hier zusammen? Oder verlassen wir Hand in Hand, wie jenes glückliche Paar diesen Ort des Schreckens? Oder willst Du allein leben? mich hier zurück lassen? Entscheide! Ich unterwerfe mich in Allem Deinem Willen.«

In dem armen menschlichen Herzen geht nie und nimmer etwas über die Liebe und das Leben.

Sie reichte ihm die Hand.

»Führe mich hinaus, Fritz.«

»Mein Weib?«

»Dein Weib.«

Sie verließen Hand in Hand die Stube, den Gang, das Haus.

Die schwache Frau, die so lange und so viel und so schwer, so furchtbar schwer gelitten hatte, war doch stärker als das frische Kind, dessen Leben nur Glück und Liebe gewesen war.

Sie hatten die Brücke überschritten Jenseits der Brücke waren sie gerettet, alle Vier.

Eine Minute später stürzte das Haus ein und die Fluthen begruben seine Trümmer.


Als des Durchstechens des Dammes schuldig, war jener Brandstätter eingezogen, der den nämlichen Damm vor vielen Jahren schon einmal durchstochen hatte. Er war fast unmittelbar vor dem Durchbruch des Wassers in der Nähe der That gesehen worden. Seine Angabe, nur Neugierde habe ihn hingeführt, er habe den Ort seines früheren Verbrechens sich einmal wieder ansehen wollen, wurde eben für eine leere Ausrede gehalten. Dagegen glaubte man eine neue Rache für die erlittene zwanzigjährige Haft ihm zutrauen zu müssen.

Seine Unschuld wurde dennoch anerkannt.

Der Gefährte und Gehülfe des Knappen Konrad, hatte zwar wohl Diebstähle ohne sonderliche Beschwerde auf sein Gewissen nehmen können, bei dem Anblick der einstürzenden Mühlengebäude aber, bei dem Gedanken, daß mindestens drei Menschenleben mit zu Grunde gehen müßten, bei dem Jubel des neben ihm stehenden rothhaarigen Burschen über den dreifachen Mord, hatte ihn ein Schauder, ein Entsetzen ergriffen, das er nicht wieder verwinden konnte. Als er dann hörte, daß zwar die drei Menschenleben gerettet seien, daß aber ein Anderer, Unschuldiger, die Strafe des furchtbaren Verbrechens erleiden solle, da hatte ihn nichts mehr zurück halten können, sich und den Knappen als die Thäter den Gerichten anzuzeigen.

Er wurde zu fünfzehnjähriger, der Knappe zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurtheilt.


Der Baron Bilau wurde begnadigt.

Seine stolze Mutter mußte dann noch einmal, förmlich und feierlich, um die Hand der Müllerstochter für ihren Sohn werben.

Am Tage der Trauung konnte sie mit dem alten Müller Leuthold die Braut zum Altare führen.

Erst ein Jahr später wurde die immer frisch blühende Charlotte mit ihrem Knappen Stephan getraut.

Früher war die Mühle nicht fertig geworden, die der Vater an Stelle der zerstörten ihnen neu aufbauen ließ.

Auch hatte das Mädchen gesagt: Zwei Schwestern dürfen nicht in dem nämlichen Jahre heirathen. Es soll nicht gut thun

Etwas abergläubisch war sie. –

Der Baron Bilau verzog mit seiner jungen Frau nicht in einen fernen Welttheil. In der Welt giebt sich Vieles, und wo das junge, schöne, liebenswürdige durch Leiden und durch Buße veredelte und gesühnte Paar erschien da wurden sie mit Liebe und Verehrung aufgenommen.



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