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Der Damm am schwarzen Moor.

Der Knappe Konrad und sein Gefährte Andreas hatten bei ihrer verbrecherischen Arbeit nicht gesäumt. In ehrlicher Arbeit ist der Mensch so gern und so oft lässig, in der verbrecherischen nie. Sie wird ihm nicht schwer, nicht sauer, er kann sie nicht schnell, nicht eilig genug fördern.

Und sie fördert sich, wie das Unglück und das Verbrechen immer.

Auch die Arbeit der beiden Verbrecher auf dem Moordamme hatte sich gefördert, in Wind und Wetter, trotz Wind und Wetter.

»Verschnaufen wir einen Augenblick, Andreas,« sagte der Knappe.

Sie ließen die Spaten ruhen. Die vorbereitende Arbeit der Hacken war schon längst beendigt.

Der Knappe überschaute die Arbeit, die hinter ihnen lag. Er war zufrieden.

Quer über die ganze Breite des Dammes war der Boden durch Hacken aufgewühlt; in einer Länge von beinahe neun in einer Breite von drei Fuß. Nur nach der Seite des Moores hin war, einen starken Fuß breit, die Krone unversehrt gelassen.

In dem aufgewühlten Boden hatten die Verbrecher gegraben. Die Erde hatten sie zu beiden Seiten mit dem Grabscheit hinaus geworfen und hatten so in jener Breite von drei Fuß eine Rinne gebildet, die eben so tief war. Sie glich einem Graben.

Bis zur Mitte des Dammes war dieser Graben fertig.

»Drei Viertel der Arbeit ist gethan,« sagte der Knappe Konrad. »In einer kleinen halben, schon in einer starken Viertelstunde, können wir mit dem Reste fertig sein. Wir haben nur noch diese vier Fuß lang weiter zu graben und die Erde auszuwerfen, dann ist der Graben fertig. Dann dort am Wasser die Krone durchstochen! Nur einen halben Fuß tief! Das Wasser reicht beinahe bis oben an den Rand. Hui, wie wird das hineinstürzen! Auf den ersten Spatenstich. Wie wird es den Graben aufreißen! Den ganzen Damm aus einander, in zwei Theile! Wie wird es dann weiter stürzen! Nichts in der Welt hält es mehr. In einer Minute ist es an der Mühle, in drei Minuten schüttelt es sie. Der Grund wankt, die Mauern schlagen an einander, sinken zusammen; Dach und Decke stürzen darüber nieder. Alles, was drinnen, Alles, was darunter ist, wird begraben, kommt elendiglich unter den Trümmern in dem wilden Wasser um. Wer will sein Leben retten können? Ha, das hochmüthige Gesindel, dem ich nicht gut genug war! – Vorwärts, Bursch; in einer Viertelstunde muß es geschehen sein. Das Herz brennt mir im Leibe. Voran! Voran!«

Er hatte wild den Spaten ergriffen.

»Zu allen Teufeln!« fluchte er auf einmal wilder, »zu allen Teufeln, wäre denn doch Alles vergebens? Was war das wieder?«

»Man hörte durch das Brausen des Windes und das Rauschen des Wassers einen nahenden Schritt, den Schritt eines einzelnen Menschen. Er war schon oben auf dem Damme; aber sehen konnte man in dem dichten Schnee noch nichts.

»Er kommt näher,« sagte der Knappe zu seinem Gefährten; »er wird hierher kommen. Wer es sein mag? Aber sei es, wer will, uns bleibt jetzt nur eins übrig. Er muß in das Wasser, in das Moor, unter die Weiden, Andreas, und so, wie er nahe genug ist, mit den Hacken auf ihn losgeschlagen, nach dem Kopfe! Hast Du Deine Hacke?«

»Ich habe sie.«

»Aufgepaßt also!«

Sie hatten Beide die Grabscheite fort gelegt, und die Hacken in die Hand genommen und hielten sie schlagfertig. Jetzt auch der Eine. Das Verbrechen hatte begonnen. So verbargen sie sich in den Weiden, hinter denen unmittelbar sie arbeiteten

Der Schritt auf dem Damme kam näher. Ein langer Mensch, mehr nicht, war durch den dichten Schnee zu unterscheiden. Er ging langsam, wie vorsichtig und prüfend, nach allen Seiten schien er sich umzusehen. Er kam den beiden verborgenen Verbrechern näher und hätte ihren, sie seinen Athem hören müssen, wenn Stille um sie her geherrscht hätte.

Sie lagen zum Angriffe bereit.

Er konnte, trotz jener Vorsicht, die Gefahr, die ihm drohte nicht ahnen.

Noch einen Schritt, und er trat aus den Weiden heraus, und er sah den Graben, der schon mehr als zur Hälfte fertig war, er war auch im Bereiche der Hacken der Verbrecher und es war um ihn geschehen.

Er blieb stehen und sah sich noch einmal nach allen Seiten umher.

Dann kehrte er langsam zurück.

Warum er gerade nur so weit gegangen war? Wer konnte, außer ihm, es wissen? Aber das Werk der beiden Verbrecher war zum zweiten Male gerettet. Schlechte Werke gelingen oft besser, als gute.

»Gehen wir ihm nach?« flüsterte der Knappe seinem Gefährten zu.

»Bei Leibe nicht; ich kenne ihn.«

»Du? Wer ist es?«

»Der Brandstätter. Ich habe mit ihm im Zuchthause gesessen.«

»Zum Teufel, das ist nicht mit Geld zu bezahlen!«

»Das meine ich auch.«

»Er hat hier nichts gesehen. Aber wie wir ihn hier gesehen haben, so ist er auch von anderen Leuten auf dem Wege gesehen, wer braucht ihm da noch lange zu beweisen, daß er hier die Sache angerichtet hat? Er ist schon fort; mag er in Ruhe gehen. Aber nun desto rascher an's Werk.«

Sie wurden noch einmal unterbrochen

Ein schneller Schritt flog von der Mühle her in die Haide hinein; ein zweiter eilte hinter ihm her. Beiden folgte der Galopp eines Pferdes.

Aber die beiden Verbrecher blieben unberührt und unbemerkt und sie arbeiteten bald emsig weiter.

»Wenn es auch der Brandstätter ist, dem sie da nachsetzen,« sagte Andreas, »sie bekommen ihn nicht, der ist mit allen Hunden gehetzt; die Haide ist groß und die Nacht dunkel.«

In einer Viertelstunde mußten sie mit ihrer Arbeit fertig sein.



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