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14.
Napoleons Stoß gegen Blücher

Champaubert, Montmirail, Château-Thierry, Vauchamps

Während des Vormarsches der Verbündeten über den Rhein und nach Frankreich war das russische Korps des Generals von Wintzingerode in der Stärke von 13 000 Mann in Holland eingerückt. Daselbst war General Decaën wieder von Napoleon abberufen und nunmehr dem General Maison die Führung der französischen Kräfte anvertraut worden. Allein auch diesem energischen General wollte es trotz der ihm geschickten Verstärkungen nicht gelingen, sich gegen Bülows Preußen zu halten. Außer den Russen Wintzingerodes waren jetzt auch das neugebildete III. deutsche Armeekorps unter dem Herzog von Weimar und 6000 Engländer unter General Graham in Holland einmarschiert. Dadurch wurde es möglich, das Korps Bülows nunmehr zur schlesischen Armee nach Frankreich zu ziehen. Die Preußen brachen am 30. Januar aus der Gegend von Breda auf, um über Mons den Anschluß an die Truppen Blüchers zu suchen. Leider wurde die 8000 Mann und 1400 Pferde starke Brigade Borstell unter Befehl des Herzogs von Weimar in Holland zurückgelassen. Die Russen Wintzingerodes folgten später ebenfalls nach Frankreich nach.

Am Tage nach der siegreichen Schlacht von la Rothière hielt man bei den Verbündeten einen großen Kriegsrat über die wichtige Frage: Was nun?

Blücher hatte jetzt Napoleon geschlagen und vertrat mit seiner Umgebung, den Generalen Gneisenau, Müffling, Yorck, Sacken usw., den Gedanken einer Verfolgung der Franzosen bis zur Vernichtung ihrer Armee, zur Absetzung ihres Kaisers und zur Einnahme von Paris.

Dies war auch die entschiedene Ansicht und der Wille des Kaisers Alexander. Darum hatte er wohl zugestimmt, dem alten Blücher den Oberbefehl über den größten Teil der Armeen zu übergeben und ihn nach seiner Art den Krieg vollenden zu lassen. Dagegen paßte dies gar nicht zu den Wünschen des Kaisers Franz, der Diplomaten und selbst vieler Generale. Ersterer wollte seinen Schwiegersohn Napoleon auf dem Throne erhalten und nur zu einem annehmbaren Frieden bewogen sehen, die Diplomaten nach der Schule und dem Beispiele Metternichs wollten nur um jeden Preis einen raschen Frieden, weil sie überhaupt das russische Übergewicht und das Aufblühen des preußischen Einflusses auf Grund der Siege der preußischen Waffen fürchteten und viele Generale, wie Schwarzenberg und sogar der Adjutant des Königs von Preußen, General von Knesebeck, überschätzten noch die Macht Napoleons und rieten aus Besorgnis vor energischen Schritten ab. Deshalb war das Ergebnis des Kriegsrates in Brienne eine neuerliche Teilung der Streitkräfte der Verbündeten. Es wurde beschlossen, daß die nunmehr aus den Korps von Yorck, Sacken, Olsuwiew, sowie den vom Rheine her anmarschierten Korps von Kleist (Preußen) und Kapzewitsch (Russen) bestehende schlesische Armee sich nordwärts an die Marne zu wenden, die Hauptarmee aber die Verfolgung Napoleons zu übernehmen habe. Erstere sollte über la Ferté sous Jouarre, letztere über Troyes gegen Paris vordringen. Es hatten also der Kaiser Alexander und der sich stets ihm anschließende König Friedrich Wilhelm wenigstens erreicht, daß der Krieg und der Marsch gegen die feindliche Hauptstadt fortgesetzt wurden. Dem Kaiser Franz und der so überaus zahlreichen Friedenspartei war es aber gelungen, durch Verzögerungen und Verlangsamung der kriegerischen Unternehmungen es Napoleon zu ermöglichen, daß er sich der nach la Rothière fast sicheren Vernichtung entziehen und neu kräftigen konnte. Mit Ausnahme Wredes, der mit seinen Bayern wenigstens das Dorf Rosnay energisch angriff und, wenn auch vergeblich, versuchte, den Marschall Marmont über die Voire zu werfen, war von einer eigentlichen Verfolgung kaum die Rede. Daher gelang es auch den Franzosen, nach einigen glücklichen Rückzugsgefechten, sich ganz dem Bereiche der Hauptarmee zu entziehen und aus deren Augen zu verschwinden.

Die Lage Napoleons war nach dem Tage von la Rothière eine fast verzweifelte. Seine Armee, fürchterlich mitgenommen, dem Hunger und den Strapazen fast erliegend, glaubte nicht mehr an das Kriegsglück ihres Kaisers und wälzte sich in düsterer Mutlosigkeit gegen Troyes zurück. Tausende von neu eingestellten Rekruten verließen ihre Fahnen. Dazu kam noch ein an und für sich ganz unbedeutender, doch maßgebender Umstand. Infolge der vielen verschiedenen preußischen, russischen, österreichischen und deutsch-kleinstaatlichen Uniformen wußte man im Lager der Verbündeten oft nicht sicher, ob man verbündete oder feindliche Truppen vor sich habe. Deshalb führte man als Erkennungszeichen eine weiße Binde um den linken Arm ein. Weiß war aber die Farbe der alten französischen Herrscher aus dem Hause Bourbon. Deren Anhänger benützten nun diesen geringfügigen Zufall, um in der Armee Napoleons zu verbreiten, die Verbündeten wollten, wie das weiße Zeichen sicher verrate, die alte Königsfamilie wieder in Frankreich auf den Thron setzen. Napoleon schickte seinen vertrauten Minister Caulincourt nach Chatillon, wo die verbündeten Monarchen weilten, mit der Vollmacht, um jeden Preis Waffenstillstand oder selbst mit Opfern Frieden zu erlangen. Allein trotzdem versäumte er nichts, um seine kriegerischen Aussichten zu verbessern.

Schon sein Rückzug war ein Meisterstück. Er wich nämlich nach der Schlacht bei la Rothière nicht in gerader Richtung an der Aube zurück, sondern bog schon bei Lesmont in scharfem Bogen gegen Südwesten um, damit er Troyes erreichen und sich den eventuell gegen Paris vordringenden Verbündeten zum zweiten Male vorlegen könnte. Dort trafen ihn jedoch neue Hiobsposten. Macdonald hatte Châlons und Vitry vor den ihm nachfolgenden Truppen Yorcks räumen müssen und Caulincourt schickte Mitteilung, daß die verbündeten Monarchen verlangten, Frankreich sollte in seine alten Grenzen von 1792 eingeengt werden. Dagegen aber waren die großen Schläge, welche er in militärischer Beziehung gefürchtet, nicht eingetreten. Schwarzenberg und Blücher waren ihm nicht mit vereinter Macht gefolgt, um ihn zu vernichten; ersterer hatte ihm sieben volle Tage Ruhe gelassen und letzterer sich gegen seinen Unterfeldherrn Macdonald gewendet. Außerdem, und das war die Hauptsache, trafen täglich kriegserprobte, tüchtige Regimenter der spanischen Armee ein. Bis zum 7. Februar hatte er nicht nur die Verluste von und nach la Rothière ersetzt, sondern sogar seine Streitkräfte nicht unbeträchtlich vermehrt. Zudem liefen von Macdonald Meldungen ein, daß Blüchers Armee in vereinzelten Teilen vordringe.

Wenn er dieselben nacheinander schlagen und zurückwerfen könnte? Dann ließe sich Zeit gewinnen und das Vertrauen von Volk und Heer neu beleben!

Kaum war dieser Gedanke in ihm aufgetaucht, so ging er auch sofort mit seiner unvergleichlichen Tatkraft an die Ausführung desselben. Caulincourt erhielt ohne jede weitere Erklärung die Mitteilung, daß er, der Kaiser, die vorgeschlagenen Bedingungen verwerfe, und mit frischem Mute machte er sich an die Ausführung seines Planes. Als er die Depesche an Caulincourt abgeschickt hatte und der Herzog von Bassano mit ihm darüber sprach, entgegnete er in fröhlichster Stimmung:

»Jetzt ist von ganz anderen Dingen die Rede, als sich in so schimpfliche Bedingungen fügen. Ich bin in diesem Augenblick dabei, Blücher in Gedanken zu schlagen. Er rückt über Montmirail vor. Ich breche auf und werde ihn morgen, werde ihn übermorgen schlagen. Die Lage der Dinge muß sich gänzlich ändern und dann werden wir sehen!«

So am 7. Februar abends der am 1. Februar vollständig besiegte, mit der Vernichtung seines ganzen Heeres fast sicher bedrohte Kaiser Napoleon! –

In nicht besonders guter Laune kehrte der alte Blücher am 2. Februar von dem schon erwähnten Kriegsrat in Brienne zurück. Noch am gleichen Tage ließ er das Korps Sacken und die Division Olsuwiew 15 Kilometer in der Richtung auf Châlons abmarschieren und folgte ihnen nach, nur: »um möglichst schnell von der Gesellschaft los zu sein«.

Seine Aufgabe war erstens, dem Marschall Macdonald in die Flanke zu marschieren, um dessen Verbindung mit der Armee Napoleons bei Troyes zu verhindern, und zweitens die Korps von Kleist und Kapzewitsch an sich zu ziehen.

Unterdessen waren Yorck und Wittgenstein mit ihren Korps bis nach St. Dizier gelangt und hatten diese Stadt eingenommen. Nunmehr erhielt letzterer Befehl, sich wieder an die Hauptarmee anzuschließen, ersterer sollte sich in der Richtung auf Châlons und Vitry gegen Macdonald wenden. Am 3. Februar gelang es der preußischen Kavallerie, den Feind bei la Chaussée zu überfallen. Noch vor Tagesanbruch waren die preußischen Reiter aufgebrochen. Als man die Tritte ihrer Rosse und das Rasseln ihrer Säbelscheiden vernahm, wollten die Franzosen sich noch eiligst in Schlachtordnung aufstellen; da tauchten im Morgennebel dunkle Linien auf, die sich mit Windeseile näherten. Plötzlich schrien Tausende von Preußenkehlen »hurra, hurra« und gleich darauf hieben deutsche Säbel auf welsche Schädel. Bald war die ganze Kavallerie Macdonalds geworfen und mußte sich nach Châlons zurückziehen. Yorck ließ die Brigade Pirch vor Vitry und marschierte mit allen übrigen Truppen gegen Châlons. Am 4. Februar nachmittags war das ganze Korps gegen diese Stadt aufmarschiert. Yorck selbst erkundete, wo sich der Sturm am besten vornehmen lasse. Vorsichtig, wie er immer war, hatte er zuerst noch ein nächtliches Bombardement versucht. Dieses bewirkte an mehreren Stellen Brände. Während desselben hatte die zweite Brigade die Vorstadt St. Memmie erstürmt und nach heftigem Kampfe sich behauptet. Verpflegung gab es nicht. Man untersuchte die Häuser und fand glücklicher- oder unglücklicherweise einen riesigen Keller mit vielen Tausenden von Champagnerflaschen. Da mußten die Ostpreußen kosten und noch viele Male weiter. Schließlich war die ganze Brigade so angezecht, daß Yorck, der ob solcher Szenen nicht wenig wetterte, sie durch die Brigade Horn ablösen lassen mußte. Bei der war bald das gleiche Lied los. Hatten beide Brigaden doch an diesem Abend über 50 000 Flaschen Champagner ausgetrunken! Hätte jetzt der Feind einen Ausfall gemacht, wer weiß, was geschehen wäre! Allein bei den Franzosen spielte die gleiche Geschichte, denn auch sie waren in große Champagnerkeller geraten. Ein glückliches Ereignis verhütete, daß ernste Folgen daraus entstanden. Die Einwohnerschaft von Châlons schickte nämlich eine Deputation zu Yorck und bat um Einstellung des Feuerns. Er sagte es zu, wenn Macdonald abzöge. Derselbe war damit einverstanden und ließ Châlons und Vitry räumen. Am nächsten Tage hielten Yorcks Truppen ihren Einzug. Dort gönnte aber der alte Isegrim, der seinen Leuten ob der gestrigen Champagnersuite tüchtig zürnte, ihnen keine Ruhe. Noch am selben Tage mußten sie weiter gegen Epernay, denn es war der Befehl Blüchers zum Vormarsche gegen Paris eingetroffen.

Bei der Ausführung dieses Vormarsches machte nun Blücher auch einmal einige Fehler, die sich bitter rächten. In erster Linie vertraute er zu fest darauf, daß Schwarzenberg auf Grund der in Brienne getroffenen Vereinbarung nunmehr sofort hinter dem geschlagenen Napoleon nach- und auf Troyes vorrücken, also die linke Flanke der schlesischen Armee decken werde. Dann nahm er an, daß die Franzosen so zersprengt wären, daß sie bis vor Paris an gar keinen Widerstand mehr denken könnten. Infolge dieser beiden falschen Voraussetzungen ließ er die einem Napoleon gegenüber so sehr notwendige Vorsicht etwas außer acht, dachte nur daran, Macdonald abzuschneiden, und ging in vier getrennten Korps gegen Paris vor. Weit voraus marschierte auf der Straße über Montmirail gegen la Ferté sous Jouarre das russische Korps von Sacken. Einen ganzen Tagemarsch dahinter folgte die Infanteriedivision Olsuwiew, bei der sich der Feldmarschall selbst befand, noch einen Tagemarsch rückwärts folgten die Korps von Kleist und Kapzewitsch und einen vollen Tagemarsch rechts seitwärts im Marnetal rückte Yorck vor. Während dieser Zeit wich Macdonald gegen Paris aus. Napoleon war bis Nogent an der Seine zurückgegangen. Schwarzenberg, der um vier bis fünf Tagemärsche gegen die schlesische Armee zurückblieb und dadurch deren linke Flanke vollständig bloßgab, beabsichtigte überdies, den hinter Troyes vermuteten Feind links zu umgehen und zog deshalb den mit der Erhaltung der Verbindung zwischen beiden Armeen beauftragten Kosakengeneral Seslawin ebenfalls an sich. Am 9. Februar abends standen die verschiedenen Armeeabteilungen wie folgt:

Im Norden an der Marne bei Dormans Yorck, südlich davon zwischen Montmirail und la Ferté sous Jouarre Sacken, hinter diesem bei Champaubert Olsuwiew, dahinter fast ohne Bedeckung Blücher in Etoges, noch weiter zurück bei Vertus Kleist, hinter diesem Kapzewitsch, die Hauptarmee immer noch bei Troyes, Napoleon nördlich Nogent, Macdonald vor Sacken bei la Ferté sous Jouarre.

In der Nacht zum 10. trafen im Hauptquartier Blüchers bestimmte Nachrichten über den Anmarsch Napoleons gegen seine linke Flanke ein. Der Marschall erkannte sofort die ihm drohende Gefahr und schickte schleunigst an alle Korps den Befehl: »Schneller Rückzug gegen Vertus, um hier die ganze schlesische Armee zu sammeln.«

Es war zu spät.

Am 10. Februar nachmittags sechs Uhr saßen der alte Blücher und sein Stab beim Abendessen in dem einzigen Wirtshaus des kleinen Dorfes Etoges. Im Orte befanden sich außer der Stabswache nur einundzwanzig Reiter zur Bedeckung des ganzen Hauptquartiers der schlesischen Armee. Der Marschall war sehr schlecht gelaunt und äußerte sich ohne Scheu über den Grund hiervon.

»Ist doch die reinste Schweinewirtschaft bei dem Schwarzenberg. Läßt der den Kerl von einem Bonaparte ruhig bei Troyes stehen und sich verstärken, wo er doch einfach zuschlagen und ihm vernichten konnte. Und nun will er ihm noch links umgehen und läßt mir allein in der Luft hängen! Jetzt haben wir die Stänkerei, daß der Napoleon mir am Ende noch zwischen meine Korps hereinstößt. Millionen Donnerwetter! Und an allem ist dieser Metternich schuld. Ich sollte diese Schubiake von Diplomaten in meinem Hauptquartier haben! Ich wollte ihnen – Gott verdamm' mir!«

Während keiner der anwesenden Generale dem ergrimmten Marschall etwas entgegnete und eine kleine Stille eingetreten war, wurde plötzlich die Saaltüre mit äußerster Hast aufgerissen, ein mit Schmutz bedeckter russischer Offizier stürzte herein und rief fast atemlos: »Olsuwiews Korps ist überfallen, Champaubert von französischer Reiterei, welche Kanonen bei sich führt, eingenommen, unsere Infanterie in die Flucht geschlagen, der Feind kann jeden Augenblick in Etoges eintreffen!«

Das war eine nette Überraschung! Wie der Blitz sprangen der Feldmarschall und die Offiziere in die Höhe, die Herren eilten schleunigst in das Freie, Gneisenau und Müffling entsendeten Reiter gegen das kaum vier Kilometer entfernte Champaubert, um Nachrichten einzuziehen.

Die Korps der schlesischen Armee konnten gerade in diesem Augenblick kaum ungünstiger verteilt sein, als sie es waren. Sie standen nämlich über 60 Kilometer auseinander. Gerade in der Mitte, wo der Feind andrängte, bei Champaubert, befand sich die schwächste Macht, nämlich die kaum 5000 Mann Infanterie starke Division Olsuwiew mit nur 24 Geschützen und ohne Reiterei. Wenn man nur gewußt hätte, was der Vorstoß des Feindes bedeute? Man hielt den Überfall für eine Demonstration des Gegners, um dem so sehr bedrängten Macdonald etwas Luft zu machen und schickte an alle Korps Befehl, stehen zu bleiben, bis man über die feindlichen Bewegungen im klaren sei.

Nun ritt Blücher mit seinem Stabe gegen Vertus zurück. Während des Marsches traf ein zweiter russischer Offizier ein. Derselbe berichtete: »Wir ahnten nichts von der Nähe des Feindes, als derselbe heute vormittag um elf Uhr plötzlich mit gewaltigen Massen über den Petit-Morin-Bach vordrang und unsere dortigen Posten auf Champaubert zurückwarf. Bald erkannte man seine Überlegenheit. Wir hätten uns jetzt noch in den Wald von Etoges zurückziehen können. Allein General von Olsuwiew wies alle Rückzugsvorschläge ab, indem er bemerkte, er habe noch genug an dem, was er von Euer Exzellenz und von General von Sacken nach seiner zu frühen Räumung von Brienne gehört hätte. Wir erfuhren durch Gefangene, daß wir den Kaiser Napoleon selbst mit seiner ganzen Armee gegen uns hätten. Da war es Zeit, nun doch den Rückzug anzutreten. Aber die Franzosen hatten uns unterdessen die Wege sowohl zu Euer Exzellenz als zum Korps des Generals von Sacken schon abgeschnitten. Daraufhin beschloß General von Olsuwiew, sich zum Walde von Etoges durchzuschlagen. Es gelang aber nur einem Teil des Korps. General von Olsuwiew selbst und der größte Teil der Infanterie wurden gefangen. Ich schlug mich zugleich mit dem General Karnilof durch und erhielt von diesem Befehl, was ich soeben berichtete, Euer Exzellenz zu melden.«

Das waren schlechte Nachrichten. Sehr verstimmt hörte sie der alte Blücher an und sprach kein Wort. In kurzer Zeit traf er in Vertus ein, wo er beim Korps Kleist blieb. Nach und nach kamen auch die Versprengten von der Division Olsuwiew an und schließlich erfuhr man, daß von derselben nur die Generale Karnilof und Udom, etwa 1600 Mann und 15 Geschütze entkommen waren. Leider nahm man im Hauptquartier Blüchers noch immer an, daß die Hauptkräfte des Feindes doch gegen Schwarzenberg stehen müßten, da dieser sonst sicher nachdrängen würde. Darauf fußend, erhielten die Korps von Kleist und Kapzewitsch den Befehl, sich nach links zu wenden, um durch eine Bedrohung der linken Flanke des gegen Champaubert vorgedrungenen Feindes diesen zum Rückzuge gegen Sezanne zu zwingen. Allein man täuschte sich wieder.

Mit 35 000 Mann hatte der französische Kaiser die schwache Abteilung des Generals von Olsuwiew angegriffen und sie, wie wir erfahren, nahezu vernichtet. Jetzt stand er mitten in der schlesischen Armee und wußte, daß er rechts von sich Blücher mit den Korps Kleist und Kapzewitsch sowie den Resten der Division Olsuwiew, zusammen höchstens 17 000 Mann, links von sich Sacken mit etwa 20 000 und vor sich Yorck mit ungefähr 16 000 Mann hatte. Er beschloß sofort Sacken auf den Leib zu rücken und schickte noch am Abend des 10. nach dem Gefechte bei Champaubert den General Nansouty mit der Gardereiterei und einer Infanteriebrigade gegen Montmirail vor. Er selbst folgte am andern Morgen, am 11. Februar, früh fünf Uhr mit der Armee nach. Gegen Blücher blieb Marmont mit 10 000 Mann stehen. Nachdem der Kaiser Montmirail passiert hatte, erfuhr er, daß eine russische Kolonne von Westen her im Anmarsch sei. Es war die Vorhut Sackens. Als dieser nämlich das Gefecht von Champaubert und den Anmarsch Napoleons erfahren, beschloß er schleunigst umzukehren und sich zu Blücher durchzuschlagen. Zu diesem Zwecke ließ er Yorck ersuchen, ihn zu unterstützen. Nun begingen beide Generale große Fehler. Sacken wollte sich über Montmirail den Weg bahnen. Yorck hielt ein solches Unternehmen für zu gewagt und schlug den Rückzug nach Château-Thierry und über die Marne vor. Sacken hörte darauf nicht, sondern griff an. Yorck unterstützte ihn nicht in dem Maße, wie es nötig gewesen wäre, und die Folge dieses Zwiespalts in den Meinungen der Führer waren die Niederlagen bei Montmirail und Château-Thierry.

Napoleon hatte am 11. Februar vormittags eine günstige verdeckte Stellung bei Montmirail genommen. Mehr als die Hälfte seiner Kräfte hielt er zurück, um einem etwaigen Seitenstoße Yorcks zu begegnen. Nun rückten die Russen an. Es war die Vorhut unter General Fürst Tscherbatoff. Beim Dorfe Marchais standen die französische Division Riccard, dahinter die beiden Gardedivisionen von Ney, zur Seite die Gardereiter Nansoutys. Bodenloser Schmutz und fast grundlos weicher Boden erschwerten das Vorgehen der Russen. Aber sie nahmen den Wald von Marchais und wollten das Dorf selbst angreifen. So lange hatte Napoleon mit Gegenmaßregeln gezögert, weil er die Ankunft auch seiner letzten Division abwarten wollte. Jetzt aber befahl er: En avant la vieille garde!

Und dieselbe ging, gehoben durch den Siegesmut des vergangenen Gefechtes, vorzüglich vor. Ney selbst und die Generale Friant und Guyot führten sie an, um mehrere lästige russische Batterien zu vertreiben und das Dorf la Haute Epine zu nehmen. Trotzdem die Russen sich verzweifelt wehrten, erlagen sie und mußten zurück. Die nunmehr links umgangene Kolonne des Generals Tscherbatoff brach aber jetzt aus dem Walde vor und stürmte im ersten Anlauf das Dorf Marchais. Marchais fiel aber von neuem in die Hände der Franzosen. Wieder stürmten Tscherbatoffs Russen an und warfen den Gegner aus dem Orte. Noch einmal hieß es: » En avant la garde! En avant! Vive l'empereur!« Von neuem gehört das Dorf den Franzosen. Nein, noch nicht! Die russischen Jäger greifen an und wie! Schließlich bleibt Marchais doch in russischem Besitz.

Soweit wäre die Sache ganz gut gewesen und sie hätte vielleicht sehr gut enden können, wenn der alte Isegrim Yorck schneller herbeigekommen und nun mit gehöriger Kraft gegen den rechten Flügel der Franzosen vorgegangen wäre. Aber er hatte Aufenthalt durch schlechte Wege, beeilte sich auch nicht heranzukommen und einen Angriff auf den Feind zu unternehmen.

Die Russen hielten sich nicht nur mit großer Tapferkeit in Marchais, sondern sie drohten sogar aus diesem Dorfe vorzubrechen. Nun griff der Kaiser selbst ein und befahl einen allgemeinen Angriff sämtlicher Divisionen auf die ganze russische Stellung. Einem solchen Massenangriff konnten die Russen nicht widerstehen. Sie wichen und wurden nun mit großen Verlusten in den Wald von Courmont geworfen. Jetzt erkannte Sacken, daß er überhaupt weichen müsse. Wieder schickte er zu Yorck und ließ dringend bitten, mit den Preußen anzugreifen, um einen geordneten Rückzug seiner Russen zu ermöglichen. Nun sah Yorck doch ein, daß er nicht mehr zögern dürfe, und ließ die Brigade Pirch vorgehen. Bald gelang es den Franzosen nicht mehr, Fortschritte zu machen, so daß hinter den kämpfenden Preußen der Rückzug der Russen gegen Château-Thierry stattfinden konnte. Es war eine harte Aufgabe. Die Geschütze blieben im Schmutze stecken. Schließlich mußten ganze Schwadronen absitzen, um deren Pferde vorspannen zu können. Ebenso ging es beim Train. Dazu die Dunkelheit. Man mußte in bestimmten Entfernungen Feuer anzünden, nur um wenigstens die Marschrichtung zu erkennen. Trotz aller Anstrengung blieben einzelne Geschütze und ein Teil der Bagage stehen. Die Verluste waren sehr bedeutend und bestanden bei den Russen aus 3000 Toten, Verwundeten und Gefangenen, 13 Geschützen und einem Teil der Bagage, bei den Preußen aus 900 Toten und Verwundeten; auch die Franzosen hatten über 2000 Tote und Verwundete verloren.

Napoleon hatte also zwei der entschlossensten und fähigsten Generale der Verbündeten, freilich unter Daransetzung seines letzten Mannes, geschlagen und zum Rückzug gegen die Marne gezwungen. Das genügte ihm aber noch nicht. Er wollte sie während des Überganges über den Fluß noch einmal fassen und dabei ihnen tüchtig zusetzen. Sackens Korps begann als das erste am 12. Februar früh den Übergang bei Château-Thierry. Vom Korps Yorcks nahmen zur Deckung desselben die Brigaden Pirch und Horn nebst einer russischen Brigade eine Stellung etwa 7 Kilometer vorwärts Château-Thierry. Napoleon selbst erkundete seinen Feind und erkannte sofort, daß er ihm in der Front nichts anhaben könne. Daher beschloß er, ihn rechts zu umgehen. Er mußte die Vorbereitungen dazu aber im Sehbereich der Preußen treffen. Yorck und Sacken waren selbst anwesend und errieten sofort, um was es sich handle. Ersterer wollte durch eiligen Rückzug der durch die Umgehung drohenden Gefahr ausweichen. Sacken aber verlangte längeres Verweilen in der Stellung, weil ein großer Teil seiner Bagage noch nicht jenseits des Flusses war, und versprach, Kavallerie auf den gefährdeten linken Flügel zu senden. Um neue Vorwürfe des russischen Generals zu vermeiden, fügte sich Yorck. Plötzlich zeigte es sich, daß eine Masse von wenigstens 4000 Reitern von links her ankam. Mit Ausnahme der Smolenskischen Dragoner zogen sich eben die russischen Kavallerie-Regimenter zurück. Schnell wurden die brandenburgischen Husaren und die Reservekavallerie von Jürgaß an ihre Stelle geschoben. Da kam die feindliche Reiterei schon angesaust.

»Husaren marsch, marsch!« So kommandierte Oberstleutnant von Sohr, der Tapfere von Möckern, an der Spitze seines Regiments. Sie warfen die ihnen entgegenkommenden französischen Husaren über den Haufen. Auch die litauischen Dragoner sprengten an und bald klapperten Preußensäbel auf den glänzenden Helmen französischer Kürassiere. Aber neue feindliche Regimenter stürmten daher. Jetzt wurden die Preußen geworfen. Bei den Litauern geriet sogar der »tolle Platten« in Gefangenschaft, die Nationalkavallerie wich, dann auch die Brandenburger, und die Russen, welche durch ihr Einhauen vielleicht den Sieg dieses Reiterkampfes erzielen konnten, ritten ohne einen Schwertstreich zu tun ab nach den Brücken von Château-Thierry. Der linke Flügel der Brigade Horn war vollständig preisgegeben. Jetzt erschien es höchste Zeit, den Rückzug anzutreten. Kaum hatte man sich in Bewegung gesetzt, so tauchten neue feindliche Reiterregimenter auf, um sich nun auf Horns Infanterie zu werfen. In geschlossenen Massen führte General Horn die Bataillone zurück. Drohte ein Angriff, so hieß es: »Karree halt! Legt an! Feuer!« Kein preußisches Linien-Bataillon erlag den französischen Reitern. Außer der Reiterei bedrohte jetzt auch die alte Garde unter Mortier die von allen Seiten umringten Preußen. Der Rückzug mußte beschleunigt werden. Die Brigade Pirch hatte endlich Château-Thierry erreicht und war in Sicherheit. Um so schlimmer sah es für die Bataillone Horns aus, auf die sich nun alles stürzte. Aber weder der löwenherzige Mut des Generals, noch das Vertrauen der Truppen in diesen Führer ließen nach. So erreichten alle Bataillone mit Ausnahme eines der Leibfüsiliere und eines der westpreußischen Grenadiere die deckenden Mauern. Mit diesen beiden Bataillonen blieb Horn selbst noch zurück, um noch Teile der leider zersprengten Landwehr des Regiments von Wolzogen aufzunehmen. Neue feindliche Kavallerie sprengte von allen Seiten an, die beiden Bataillone schienen verloren.

Plötzlich erscholl es: »Hurra! Heurich! Heurich!« Es war dies ein damals gebräuchlicher Ruf und galt nur der Reiterei. Er begrüßte hier die Brandenburgischen Husaren des Oberstleutnant Sohr, die sich den verfolgenden Franzosen entzogen hatten und plötzlich neben den bedrängten Infanteristen auftauchten. Sohr selbst ritt an das Bataillon, in dem sich Horn befand, heran und rief den Leuten zu: »Füsiliere seid außer Sorgen. Solange noch ein brandenburgischer Husar lebt, verlassen wir euch nicht. Wir wollen denen (den Franzosen) zeigen, daß wir Preußen sind.« Dann sprengte er vor sein Regiment und »Marsch, marsch« auf den Feind. Nun ließ wieder Horn halten und feuern, während es bei den Husaren »Appell« blies und diese sich neu sammelten. Kaum waren sie in Ordnung, so attackierten sie wieder, was nun die Bataillone zu weiterem Rückmarsch benützten. So ging es im Wechsel fort.

Frische Reitermassen drohten. Die Husaren waren gerade nicht bereit, die Patronen fast alle verschossen. Da kommandierte General von Horn kurz entschlossen: »Zur Attacke, Gewehr rechts – auf die Kavallerie – fällt das Gewehr – marsch, marsch – hurra, hurra!« Überrascht rissen die französischen Kürassiere vor dieser sie angreifenden Infanterie aus. Endlich erreichten auch die letzten beiden Bataillone und ihre getreuen Kampfgenossen, die Husaren Sohrs, die Brücke und das jenseitige Ufer. Der Feind wollte auch hier folgen. Einige auf Befehl Yorcks umgekehrte Bataillone wiesen ihn aber ab. Damit endete auch dieses für die Verbündeten sehr unglücklich ausgefallene Rückzugsgefecht. Die beiden Korps hatten wieder an 3000 Mann und 3 russische Kanonen sowie viel Bagage verloren. Die letzten zwei Tage hatten also an 7000 Mann gekostet.

Ganz Frankreich faßte wieder frischen Mut, als es die Siegesnachrichten vernahm und die vielen Gefangenen in Paris eingeführt wurden, Napoleon triumphierte. Dem großen Schlachtenmeister waren aber die Siege vom 10., 11. und 12. Februar noch nicht genug. Nun beschloß er, umzukehren und sich gegen Blücher selbst zu wenden. Seiner Armee konnte er jetzt alles zumuten. Sie jubelte und war zu den größten Anstrengungen bereit, denn sie glaubte von neuem an den Glücksstern ihres Kaisers und war mehr denn je für ihn begeistert. Noch am Abend des 12. Februars erließ Napoleon unter Berufung auf die Siege von Champaubert, Montmirail und Château-Thierry einen allgemeinen Aufruf zu den Waffen ( levée en masse) und schickte an Caulincourt Weisung, auf einen Frieden nur auf den Frankfurter Grundlagen einzugehen.

Am 13. beschäftigte sich der Kaiser noch mit der Organisierung des Volkskrieges, während er dem Marschall Mortier die Herstellung der von den Russen zerstörten Brücke bei Château-Thierry und die Erstürmung des jenseitigen von den Verbündeten besetzten Ufers anbefahl. Er wollte, ehe er abmarschierte, Sacken und Yorck noch einen tüchtigen Hieb geben. Da kam ein Adjutant angesprengt und meldete, daß Blücher gegen den bei Etoges zurückgelassenen Marschall Marmont angriffsweise vorgegangen sei und dessen Truppen bis Champaubert zurückgedrängt habe.

Hierauf befahl er, daß die Truppen in der Nacht zum 14. nach Montmirail zu marschieren hätten und begab sich selbst mit seinem Stabe umgehend dorthin. Marmont rief er bis Vauchamps zurück und suchte, und zwar mit Erfolg, durch dieses Manöver sowie durch Spione bei Blücher die Ansicht zu erwecken, daß er, der Kaiser, sich wieder gegen Schwarzenberg gewendet und man in Marmonts Truppen nur eine schwache Arrieregarde vor sich habe. Am 14. früh vereinte er seine von Château-Thierry angekommenen Korps mit dem Marmonts und nahm bei Vauchamps eine verdeckte Stellung, um den anmarschierenden Blücher zu erwarten.

Im Hauptquartier der schlesischen Armee befand man sich am 11. und 12. Februar in der peinlichsten Lage. Man erhielt durchaus keine Nachrichten von Yorck und Sacken, da ja die Franzosen die Verbindung des Gros der schlesischen Armee mit diesen Korps abgeschnitten hatten. Daß dieser Zustand der Ungewißheit dem alten Marschall Vorwärts Seelenqualen verursachte, wie er sie nie erlebt, kann man sich denken. Endlich gab daher Gneisenau, vielleicht gegen besseres Wissen, seinem steten Drängen nach und es wurde beschlossen, über Etoges vorzudringen, um nun endlich doch zu erfahren, was Napoleon denn gegen die beiden Generale der Verbündeten ausgerichtet. Deshalb rückte man am 13. gegen Etoges an.

Das Ausweichen der Truppen Marmonts bestärkte in der Ansicht, Napoleon sei schon wieder gegen Schwarzenberg gezogen und man habe es nur noch mit dessen Nachhut zu tun. Der wollte man aber noch etwas am Zeuge flicken. Also am 14. Februar weiter vor gegen Bauchamps und Montmirail.

Das Kleistsche Korps war das erste. Kapzewitsch folgte. Bei Vauchamps traf die Vorhut des Brigadegenerals von Zieten auf feindliche Plänkler und warf sie. Welche Gefahr ihr hinter dem Wald und Berg bei dem Dorfe drohte, ahnte sie nicht. Daselbst standen schon mehr als 20 000 Franzosen kampfbereit aufmarschiert. Unter diesen befanden sich 8000 Reiter.

Nun verstärkten die Franzosen ihre Plänkler und es entstand ein hinhaltendes Gefecht. Napoleon wollte es so, damit sich seine Truppen etwas von dem anstrengenden Nachtmarsch erholen konnten. Schließlich waren 5 Bataillone Zietens in den Kampf verwickelt. Nun aber griff eine feindliche Brigade das von den Preußen besetzte Vauchamps, eine andere das Wäldchen daneben an. Dennoch konnte General von Zieten sich halten, als ihm 3000 Russen zu Hilfe kamen. Plötzlich aber bemerkte er, daß er auf beiden Seiten von gewaltigen Kavalleriemassen umgangen werde. Es entwickelten sich Reiterkämpfe, in welchen preußische Geschütze verloren, aber wieder zurückerobert wurden.

Unterdessen bewirkten das Korps von Kleist rechts, das von Kapzewitsch links ihren Aufmarsch. Jetzt aber entwickelte Napoleon seine ganze Macht. Verzweifelt wehrten sich die Bataillone Zietens, allein sie wurden durch die Übermacht geworfen und mußten das Dorf räumen. Kaum gelangten sie jedoch auf das freie Feld, da wurden sie von allen Seiten von übermächtiger Kavallerie angegriffen und großenteils niedergeritten. Fünf Bataillone wurden hier vor der Front ihrer noch im Aufmarsch begriffenen Korps fast vollständig vernichtet. Nur Hauptmann von Neumann mit zwei Jägerkompanien schlug sich glänzend durch und erreichte die russische Unterstützung.

Während dieses Untergangs fast der ganzen Vorhut von Zieten erfuhr der Feldmarschall durch einen gefangenen feindlichen Gardekapitän, daß er die ganze Macht Napoleons gegen sich habe, und wie Sacken und Yorck in den letzten Tagen mitgespielt worden war.

Da hatte ja jedes weitere Vordringen keinen Zweck mehr, mußte aber die größte Gefahr mit sich bringen. Zudem erkannte man, daß ganz gewaltige Massen feindlicher Kavallerie um beide Flügel der Verbündeten herumritten und deren Trains und Bagagen bedrohten. Also zurück!

Schwer wurde dem Feldmarschall ein solcher Befehl, aber er mußte ihn geben. Die Bataillone erhielten ihn und marschierten ab.

Zu einem Bataillon des 7. Reserveregiments konnte man nicht mehr durchdringen. Es blieb. Nun war es – etwa 310 Mann stark – der Wut des mächtigen Feindes allein preisgegeben. Aber Major von Wienskowski verzagte nicht. Er ließ die Tore des besetzten Gehöftes verrammeln und Schießlöcher durch die Mauern schlagen.

Erst nach verzweifelter Gegenwehr ergaben sich die Tapferen. 160 waren tot. Was den Rest von 150 betrifft, so lag die Mehrzahl derselben, und dabei alle Offiziere, schwer verwundet zwischen den gefallenen Kameraden.

siehe Bildunterschrift

Der Opfertod der Preußen unter Major von Wienskowski in Vauchamps

Der Opfertod der Preußen Wienskowskis ist würdig, in der Dichtung unseres Volkes fortzuleben. Wahrlich, auch wir Deutsche haben unsere Thermopylen, unseren Leonidas und unsere Spartaner.

Unterdessen marschierten die beiden Korps zurück. Die Verbündeten hatten für ihr Geschütz nur eine Straße. Da brachen von der Seite die feindlichen Kavalleriemassen los. Die Reiter des Grafen Hacke hielten den ersten Stoß aus. Dem zweiten erlagen sie und wurden auf die Chaussee geworfen. Dort fiel das Geschütz in die Hände der Franzosen. Aber die Jäger des Hauptmanns von Neumann, sowie ein glückliches Kartätschfeuer befreite dieselben wieder.

»Jetzt zurück in den Wald. Wenn der erreicht ist, sind wir gerettet!« Es schoben sich aber immer mehr feindliche Kavallerieregimenter zwischen diesen Wald und die zurückmarschierenden Truppen ein. Der Weg zum Walde war bald ganz verlegt. Da kann nichts helfen, als ein allgemeiner Sturm.

»Wo ist der Feldmarschall?« Er fehlte, der alte Blücher fehlte.

siehe Bildunterschrift

Prinz Wilhelm von Preußen bei Bar-sur-Aube

Entsetzt teilte sich der Stab und suchte seinen Feldherrn. Beim letzten Bataillon, zwischen diesem und dem Feinde mitten im ärgsten Kugelregen ritt er im Schritt. Die Ereignisse des Tages, die schlechten Nachrichten über seine Generale und die jetzige Lage der Korps, die nur mit einer Katastrophe zu enden schien, hatten ihn an seinem Glücke verzweifeln lassen, er beschloß, nicht lebend in des Feindes Hand zu fallen. Eine Ordonnanz wurde neben ihm erschossen, ihn und sein Pferd traf keine Kugel. So fand ihn sein Adjutant von Nostitz. Der ahnte, was in dem Alten vorging.

»Wenn Euer Exzellenz sich hier, wo noch nichts verloren ist, totschießen lassen, so wird die Geschichte auch nicht viel Rühmliches davon zu sagen haben.«

Blücher sah den kühnen Sprecher ernst an. Er erkannte aber die Wahrheit der Worte und bemerkte: »Nun, so lassen Sie uns weiter reiten.« Beide trabten jetzt zurück und begegneten bald Gneisenau. Blücher war wieder froh gelaunt und rief: »Na, Gneisenau, nun es heute noch nicht mit mir zu Ende gegangen, hat's damit auch noch lange Zeit. Es wird nun schon wieder gehen und wir werden noch alles wieder gut machen.«

Nun begann der große Sturm. Alle Tambours schlugen den Sturmmarsch, die Musiken spielten und dann hieß es: »zur Attacke Gewehr rechts« und vorwärts gegen den Wald, »hurra, hurra!«

Aber auch die gesamte französische Kavallerie jagte von drei Seiten heran. Hierauf bei den Preußen: »Karree halt! Legt an! Feuer!«

Das ganze Kleistsche Korps kam unter dem Wechsel von Abwehr und Angriff glücklich in den Wald. Der Kavallerie Grouchy gelang es nicht, auch nur ein einziges preußisches Bataillon zu sprengen. Das war eine Folge der altpreußischen Disziplin, durch welche treffliche Offiziere mit braver Mannschaft so Vorzügliches leisten konnten.

Im Walde hielt man, bis auch Kapzewitsch mit seinem Korps und den Resten von Zietens Brigade heran war. Drei preußische Bataillone der Brigade Prinz August setzten der weiteren Verfolgung des Feindes ein Ziel, und nun konnte man ungestört bis Bergères zurückmarschieren.

Das war der 14. Februar. Er hatte den Preußen fast die Hälfte des Kleistschen Korps – 4000 Mann, 7 Geschütze und 9 Munitionswagen –, den Russen 2000 Mann und 9 Geschütze gekostet.

Durch die Tage von Champaubert, Montmirail, Château-Thierry und Vauchamps am 10., 11., 12. und 14. Februar hatte die schlesische Armee also 15 000 Mann und 27 Geschütze verloren. Das waren harte Schläge, aber doch noch lange keine vernichtenden gewesen.

Napoleon stand in seinem Lande und bei seiner Armee wieder groß da, und zwar mit Recht. Die Hauptursache an den Niederlagen der schlesischen Armee trägt freilich die Untätigkeit Schwarzenbergs, der mit 130 000 Mann ruhig stehen blieb und es geschehen ließ, daß sich Napoleon mit nur 35 000 Mann auf die einzelnen Korps Blüchers werfen konnte. Dann sind unleugbar durch die Zersplitterung der schlesischen Armee, durch schädliches Zögern während der Angriffe der französischen Armee und durch falsche Schlüsse seitens Blüchers und seines Stabes große Fehler begangen worden. Das schnelle Erfassen der Lage, die Ergreifung der entsprechenden Maßregeln und darnach die tatkräftige Ausführung derselben von seiten Napoleons gehört mit zu den leuchtendsten Beispielen von genialer Feldherrnkunst.

Dennoch ging es von nun an mit Napoleons Glücksstern wieder abwärts. Warum? Weil er sich in Blücher täuschte. Weil er gar nicht mehr mit ihm und seiner Armee rechnete.

Dagegen hegte man schon am 16. im Stabe der schlesischen Armee wieder die entschiedensten Angriffsgedanken. Das drückt sich am besten in dem Briefe aus, den Blücher am 16. Februar 1814 von Châlons aus an den preußischen Minister Graf Hardenberg schrieb, der in der Umgebung König Friedrich Wilhelms im Hauptquartier der Hauptarmee weilte. Dieser Brief lautet: »Meine drei Korps von Yorck, Sacken und Kleist haben alle drei verschieden mit Napoleon geschlagen, es sind ville menschen gebliben, aber ich habe meinen Zweck erreicht und den Feind mit seiner gantzen magt fünf tage hier festgehalten. Hat die große Armee diese Zeit, wo ihr nichts bedeuttendes entgegenstand, nicht benützt, so ist es zu beklagen. Die Stunde hat nun geschlagen, ein hauphtschlag muß so balld als möglich geschehn; stehn wihr und zaudern, so zehren wir alles uf und bringen daß vollk zur verzweifflung, und alles steht in masse wider uns uf. Der guhte außgang kann nicht zweiffelhaft sein, aber der guhte augenblick muß nicht verseumt werden, so lange wahr der Kaiser Napoleon mich an Kavallerie sehr überlegen, aber nun da ich morgen und übermorgen die vier Korps von Yorck, Sacken, Kleist und Wintzingerode vereinige, so hat die sache eine andere gestallt und ich marchire den 19ten gerade uf meinen gegner los, helld er sich so Schlage ich ihm, daß können sie sicher glauben, aber die große armeh muß nun vorwärts oder die sache kan nachtheil haben.

würken sie doch nach aller ihrer Kraft dahin, daß wihr die Sache entscheiden, die nation ist zu allem gewonnen, wenn wir den Kaiser Schlagen, und er gewinnt sie, wenn wihr zaudern. Blücher.«

So der besiegte Feldherr der schlesischen Armee zwei Tage nach dem Gefecht von Vauchamps.


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