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11.
Die Verfolgung. Hanau. Im Innern Deutschlands

Am 18. Oktober abends war, wie wir schon gehört haben, das Korps Yorcks aus der Stellung nördlich Leipzig abmarschiert und hatte nach einem ziemlich beschwerlichen Nachtmarsche am 19. früh sieben Uhr Halle erreicht. Im Laufe des Nachmittags liefen die ersten Siegesnachrichten aus Leipzig selbst ein. Nun hielt es den alten Isegrim nicht länger. Er hatte schon sein redliches Teil losgeschimpft, daß er nicht zum Sturme auf Leipzig mitwirken durfte. Jetzt aber bot sich ihm treffliche Gelegenheit, den Rückzug der französischen Armee möglichst zu belästigen und dazu war er der rechte Mann. Nachts um drei Uhr brach er selbst mit der seit der Verwundung des Generals von Katzeler dem Grafen Henkel unterstellten Avantgarde auf. Der Graf selbst und die schwarzen Husaren waren nicht zur Stelle. Wie wütend der alte Isegrim darüber war, kann man sich denken. Er ließ den Adjutanten, der die Sache aufklären wollte, gar nicht zu Worte kommen, befahl das Anreiten der Avantgarde und marschierte mürrischen Kopfes in derselben mit. Plötzlich kam ein Husar angesprengt.

»He da, Husar, wohin?«

»Zum Befehlshaber des Gros der Avantgarde.«

»Das bin jetzt ich selbst. Was soll es?«

»Der Herr Graf läßt befehlen, die Avantgarde soll ihm in beschleunigtem Marsche an die Unstrut folgen.«

»Ja, ist denn der Graf schon vorausgeritten?«

»Zu Befehl, Exzellenz. Wir sind unter der Führung des Grafen hinter einer feindlichen Kolonne nachgejagt, haben ein polnisches Infanteriebataillon angegriffen und gesprengt und dadurch 4000 Gefangene befreit.«

In diesem Augenblick kam ein dem Grafen nachgerittener Adjutant zurück und bestätigte die Meldung. Bald darauf erschien Graf Henkel selbst. Mit entblößtem Haupte empfing er den anreitenden Oberst und rief zu seinem Gefolge: »Meine Herren, lassen Sie uns dem Grafen Henkel ein Vivat bringen.« Damit war die gute Laune allerseits wiederhergestellt.

Bald darauf kamen die Spitzen dieser Reiterschar an einem kleinen Hofe südlich Mücheln vorbei.

»Du, Marlak, sieh nur wie sonderbar! Dort reicht der Bauer an einer Stange einen Korb in den Taubenschlag hinauf.«

»Richtig. Und jetzt greift eine Hand heraus und nimmt den Korb in Empfang. Der Kerl hält gewiß darin Franzosen versteckt. Die fangen wir.«

Schnell sprengten etwa zehn Husaren in den Hof, in dessen Mitte sich auf einer Holzsäule ein großer Taubenschlag befand. Der Bauer stand mit der harmlosesten Miene mitten in seinem Besitze.

»Sie haben Franzosen bei sich versteckt!«

»Ich? Kein Gedanke daran.«

»So? Das werden wir gleich sehen. Finden wir welche, dann marschieren Sie als Kriegsgefangener mit.«

Während nun zwei Mann den Bauern bewachten, der ein ganz vergnügtes Gesicht machte, stiegen andere ab und brachten eine Leiter daher. Erst jetzt, als der Bauer merkte, daß es sich um seinen Taubenschlag handele, erschrak er lebhaft und wollte das Ersteigen desselben verhindern. Natürlich erreichte er gerade das Gegenteil. Schnell war ein Husar oben, riß die Türe des großen Schlages auf und – lachte, so sehr er nur konnte, gerade hinaus. Bald erschien ein und dann noch ein zweites Bauernmädchen und stiegen, so schnell sie konnten, die angelehnte Leiter hinab. Natürlich schüttelten sich die Husaren vor Lachen und umringten diese seltsamen, übrigens ganz sauberen Tauben. Ihr Entdecker war ihnen gefolgt und nun ging ein Fragen los, wie sie denn in eine so luftige Behausung kämen.

»O, der Vater hält uns schon seit acht Tagen im Taubenschlag versteckt, damit wir nicht den Franzosen oder den herumstreifenden Kosaken zu Gesicht kommen sollten. Wir haben es aber herzlich satt, in dem häßlichen Taubenschlag zu sitzen.«

Neues Gelächter der Husaren. Unter solchen Umständen wurde auch der Bauer freigelassen, aber aufgefordert, seine Töchter jetzt nicht mehr einzusperren, denn von den Preußen und Russen hätten dieselben nichts zu befürchten und die Franzosen dürften die Rückkehr hierher wohl vergessen. Widrigenfalls würde der Bauer selbst in seinen eigenen Taubenschlag gesetzt. Die Husaren mußten weiter.

»Adieu, Landsmänninnen. Schade, daß wir so eilen müssen. Wir wären so gerne noch einige Zeit hier geblieben.«

Sie trabten weiter gegen die Unstrut. –

Der Masse der französischen Armee war General Bertrand mit seinem Korps vorausgeeilt, um den Weg gegen Westen zu bahnen. Am 20. fand er den Übergang über die Saale bei Kösen von den Österreichern des Feldzeugmeisters Gyulay besetzt. Ein Blick auf die Karte belehrte den französischen General, daß es den Österreichern ein Leichtes gewesen, ihm von Pegau aus auf näheren Wegen zuvorzukommen. Nun mußte er erwarten, hier auf starke Massen zu stoßen, welche wahrscheinlich den Auftrag hatten, der französischen Armee den Saaleübergang überhaupt zu verwehren. Deshalb griff er nur vorsichtig an und ließ dem Kaiser die Lage melden, damit derselbe mit der Armee nördlich Naumburg bei Freiburg übergehen sollte. Erst nach längerem Kampfe erkannte man, daß die Brücke österreichischerseits unverhältnismäßig schwach besetzt war, man griff daher energischer an und nahm den Übergang. Nach einiger Zeit aber, als österreichische Verstärkungen eingetroffen waren, verloren die Franzosen die Brücke wieder, und das Korps Bertrand wurde gezwungen, die Saale nördlich Naumburg zu überschreiten.

Unterdessen hatte der Kaiser seine weichenden Kolonnen von Weißenfels aus gegen Freiburg geleitet und dort auf der vorhandenen und zwei rasch neu geschlagenen Brücken den Übergang über die Unstrut bewirkt.

Kaum hatte er – am 21. Oktober um drei Uhr – das jenseitige Ufer erreicht und den dortigen Höhenrand erstiegen, als preußische Schützen auf einer nicht besetzten Höhe erschienen und das Feuer auf die Brücke eröffneten. Gleich darauf sausten preußische Kanonenkugeln um Napoleon herum und einige Granaten schlugen dicht neben ihm in die Erde. Der Kaiser war wieder vollständig Schlachtenmeister geworden, er erkannte eine Stelle, von wo er die Preußen in der Flanke fassen konnte, ließ da Geschütze auffahren, schickte einige Bataillone über die Unstrut zurück dem Feinde entgegen, und bald mußte der alte Yorck erkennen, daß er mit seiner schwachen Avantgarde noch lange nicht imstande war, einem Napoleon eine Schlappe beizubringen. Immerhin hatten die Preußen 18 Geschütze, deren Bespannung nicht mehr ausreichte, sie weiter zu bringen, verschiedene Munitionswagen und etwa 1000 Verwundete oder Ermattete zu Gefangenen gemacht. Ihr eigener Verlust in diesem Gefecht bei Freiburg betrug ebenfalls ungefähr 1000 Mann.

Leider erwies sich der Feldzeugmeister Graf Gyulay auch hier so wenig tätig, daß es den Franzosen gelang, schon bei Eckartsberge wieder auf die große Straße nach Erfurt zu kommen.

Wie leicht hätte man in jenen Tagen die ganze Napoleonische Armee aufreiben und damit trotz der Tatkraft und dem Genie des Kaisers den ganzen Feldzug von 1814 verhüten können. Nach der furchtbaren Überspannung aller Kräfte gab man sich bei den Verbündeten so sehr der Freude über die großen Erfolge bei Leipzig hin, daß man an eine energische Verfolgung vorerst gar nicht dachte. Nur Blücher marschierte noch mit seiner Armee am 19. nach Schkeuditz, am 20. dort über die Elster und am 21. nach Weißenfels. Aber auch er kam zu spät, denn Napoleon war an beiden Tagen schon früh drei Uhr aufgebrochen und bis zum Abend marschiert.

Die Massen der böhmischen Armee erreichten erst am 22. Oktober die Saale. Der König von Preußen reiste an diesem Tage nach Berlin, um sich seinem jubelnden Volke zu zeigen und traf erst in Frankfurt wieder bei den Monarchen ein.

Hinter der schlesischen und böhmischen Armee folgte die des Generals von Bennigsen. Der Kronprinz von Schweden brach erst am 22. und 23. mit seinen Korps aus Leipzig auf. Von einer Verfolgung konnte da natürlich keine Rede mehr sein. Er wandte sich gegen Hannover, gab aber auf Befehl Kaisers Alexander das russische Korps Woronzof ab, das den König Hieronymus von Westfalen endgültig aus Kassel verjagte und dann in Hannover wieder zur Nordarmee stieß.

Als man schließlich das geringe Resultat der Verfolgung beim Oberkommando der Verbündeten, wo man über eine Kavallerie von 50 000 Pferden verfügte, doch erkannte, setzte der Kaiser von Rußland die Bildung eines Reiterkorps von 7000 Pferden und 28 Geschützen durch und sandte dieses unter Wittgenstein den Franzosen nach. Es konnte nur noch Versprengte und Marode zusammenbringen. Die Fühlung der Verbündeten mit ihrem weichenden Feinde ging vollständig verloren.

Dafür erwartete diesen am Main ein neuer Gegner, Graf Wrede mit seinen Bayern und Österreichern.

Schon am 8. Oktober hatte sich Bayern der deutschen Sache zugewendet, mit Österreich ein Bündnis geschlossen und am 14. Oktober an Frankreich den Krieg erklärt. Daraufhin war dem bayerischen General Graf Wrede auch das bisher am Inn ihm gegenüber gestandene österreichische Korps unterstellt worden. Den tapferen General drängte es, noch rechtzeitig zu kommen, um im Kampfe gegen die Franzosen zu zeigen, wie ernst Bayern gewillt war, für die Befreiung Deutschlands einzutreten. Deshalb führte er mit etwa 14 000 Österreichern und 22 000 Bayern vom 17. bis 24. Oktober Märsche aus, wie sie selten in der Kriegsgeschichte vorkommen, indem er auf schlechten Wegen in der schon sehr rauhen Jahreszeit in acht Tagen mehr als 300 Kilometer zurücklegte, dann sofort die Beschießung der von den Franzosen besetzten Festung Würzburg begann und die Stadt am 26. nahm. Auf die Wegnahme der hochgelegenen Zitadelle mußte er verzichten.

Unterdessen rückte Napoleon von Erfurt her auf Frankfurt am Main los. Wrede, bei dem auch eine Abteilung Kosaken eingetroffen war, erfuhr dies rechtzeitig und beschloß sofort, einem Teile der Franzosen den Weg zu verlegen. Er wußte aber nicht genau, auf welcher Straße die feindliche Hauptmacht anrücken würde und entsandte deshalb die Division Rechberg nach Frankfurt, während er selbst nach Hanau marschierte.

Am 28. Oktober früh acht Uhr traf die bayerische Avantgarde vor Hanau ein. Ein Bauer lief den Chevaulegers entgegen und erzählte ihnen, daß Franzosen in der Stadt seien.

»Dies ist ja gerade unser Fall!«

Wie erstaunten die Herrn aus Welschland, als plötzlich die bayerischen Reiter zu den Toren hereinsprengten und ihnen erklärten, sie seien gefangen. Ein General, mehrere Obersten und eine beträchtliche Zahl anderer Offiziere sowie Mannschaften wurden von den Chevaulegers zurückgesendet. Nun erschien aber eine etwa 5000 Mann Infanterie, 1000 Reiter und 8 Geschütze starke feindliche Kolonne. Dreimal attackierte das Chevaulegers-Regiment, mußte aber schließlich vor der Übermacht weichen und die Stadt räumen.

Am Abend traf ein Bataillon bayerischer Infanterie ein, warf die schwache noch in Hanau stehende Besatzung wieder hinaus und machte mit verschiedenen nunmehr ankommenden Abteilungen der bayerischen Division Lamotte noch einen nächtlichen Überfall auf die Vorstadt, in der 20 Offiziere und über 500 Mann des Feindes gefangen wurden.

Am 29. konzentrierten sich die Truppen, welche Wrede zur Hand hatte, in Hanau. Eine etwa 4000 Mann starke feindliche Abteilung wurde zersprengt. Jetzt standen hier ungefähr 30 000 Mann vereint, um Napoleon, der mit etwa 80 000 Mann und 200 Geschützen anrückte, in die Flanke zu fallen. Daß dieser mit seiner Hauptmacht direkt auf Hanau marschierte, wußte man nicht. Man vermutete ihn im Marsche über Wetzlar und Koblenz, weshalb auch Blücher vom Fürsten Schwarzenberg nach Gießen und Wetzlar entsendet worden war, um dort dem Kaiser selbst den Weg zu verlegen. Statt dessen stieß derselbe mit seinen Massen auf Wrede, während Blücher auf Grund dieses Befehles des Oberkommandos einen Luftstoß machte.

Am 30. Oktober früh standen die Truppen Wredes zwischen der Stadt Hanau und dem Main einerseits und dem ausgedehnten Lamboy-Wald anderseits. Eine bayerische Brigade war in diesen Wald vorgeschoben. Mit Tagesanbruch schon griff Napoleon letztere Brigade mit großer Übermacht an und drängte sie in mehrstündigem Kampfe durch den Lamboy-Wald auf ihre Hauptstellung zurück. Bald wimmelte der ganze Wald von Franzosen, welche nun aus demselben hervorbrechen wollten. Dies ging aber nicht so ohne weiteres. Vor seiner Mitte hatte Wrede seine ganze Artillerie, 50 Geschütze, aufgestellt und diese große Batterie donnerte nun los. Dennoch griffen die Franzosen mit äußerster Tapferkeit an. Es war aber vergebens, die Batterie und die vor ihr aufgestellten bayerischen und österreichischen Plänkler wiesen alle Versuche des Gegners ab. Jetzt stürmte das Korps des Marschalls Victor heran. Wieder umsonst. An der bayerisch-österreichischen Tapferkeit scheiterte auch dieser Versuch. Napoleon wollte aber um jeden Preis durchbrechen.

»General Drouot. Schaffen Sie mir so viele Geschütze zur Stelle, daß sie diese Bayern in Grund und Boden schmettern!« Auf Nebenwegen brachte General Drouot wirklich 50 schwere Kanonen vor den linken Flügel der Bayern. Diese Feuerschlünde waren anfangs durch Gebüsche verdeckt. Man hatte ihr Auffahren gar nicht bemerkt. Plötzlich eröffneten sie das Feuer und je mehr sie ihr Feuer steigerten, desto mehr Geschütze schwiegen bei den Verbündeten. Diese waren aber nicht zusammengeschossen, sondern sie hatten keine Munition mehr, denn die Munitionskolonnen standen noch etwa 90 Kilometer entfernt bei Uffenheim hinter Würzburg zurück.

Zugleich brachen französischerseits die alte Garde, an der Spitze die Division Curial, sowie eine Masse von 12 000 Reitern aus dem Walde vor, um die Mitte der Verbündeten zu sprengen. Allein dies schüchterte dieselben keineswegs ein. Ihre Artillerie sandte den anrückenden Massen die letzten Granaten und Kartätschen entgegen und dann stürzten sich in der Front die bayerisch-österreichischen Reiterregimenter und in der Flanke die Kosaken Tschernitscheffs auf sie und warfen sie wirklich ein Stück zurück. Freilich war der Erfolg kein nachhaltiger, denn die schneidigen Verfolger gerieten in das verheerende Feuer der großen französischen Batterie. In diesem Augenblick schickte Napoleon noch einmal die Garde vor.

Wrede blieb nichts übrig, als den Rückzug anzuordnen. Nach mehr wie zwölfstündiger, wahrhaft heldenmütiger Gegenwehr wichen seine Bayern und Österreicher über die Kinzig. Um den Abzug zu decken, ging der rechte Flügel noch einmal angriffsweise vor; denn die Franzosen, besonders ihre Reiterei, drängten lebhaft hinter den Verbündeten nach. Bei der entschlossenen Haltung der Bayern und Österreicher aber war es nirgends möglich, einzudringen. Angesichts des Feindes nahmen die Verbündeten auf dem linken Ufer der Kinzig Stellung und brachten hier die Nacht zu.

Napoleon, der in der Schlacht zwar nur 36 000 Mann verwendet, aber drei weitere Korps als Reserve herangezogen hatte, konnte diesen Tag einen Siegestag der französischen Waffen nennen.

Er hatte Gegner von ebenbürtiger Tapferkeit über die Kinzig zurückgedrängt. Freilich verdankte er seinen Erfolg teilweise dem Umstande, daß die bayerische Artillerie gerade in dem Augenblick, wo sie am notwendigsten war, aus Munitionsmangel versagte. Der Sieg bei Hanau wurde in Frankreich über die Maßen aufgebauscht und in allen Blättern war es zu lesen, daß der verwundete Löwe nochmals den Gegner zu Boden geschlagen.

Napoleon setzte am 31. früh seinen Marsch mit den Garden fort und überließ es Marmont, mit seinem und Bertrands Korps ihm den Rücken freizuhalten. Ersterer wollte, einem Befehle seines Kaisers folgend, die Bayern in den Main werfen. Da kam er aber an die Unrechten. Trotz der Kraft des Vorstoßes von Bertrand, trotz des bei den Bayern immer noch herrschenden Munitionsmangels gelang es den Franzosen nirgends, sie zu werfen. Im Gegenteil. Sofort, nachdem Wrede merkte, daß ein großer Teil der Franzosen gegen Frankfurt abgezogen sei, befahl er, Hanau von neuem zu stürmen. Von seiner außerordentlichen persönlichen Tapferkeit hingerissen, setzte er sich selbst an die Spitze von acht österreichischen Bataillonen, führte dieselben vor, achtete nicht der höchsten Gefahr und erstürmte das Nürnberger Tor. Bald war die ganze Stadt vom Feinde gereinigt. Allein an der Kinzigbrücke kam es zu neuen ernstesten Kämpfen. Wieder stellte sich Graf Wrede an die Spitze und drang auf die Brücke. Da wurde er von einem Geschoß getroffen und schwer verwundet, so daß er sich zurückschaffen lassen und den Oberbefehl an den österreichischen Feldmarschall-Leutnant Baron Fresnel abgeben mußte. Baron Fresnel gab das weitere Vordringen auf, weil die Franzosen, nachdem sie sich auch über die Lamboy-Brücke wieder zurückgezogen, letztere angezündet hatten.

Dies war die Schlacht bei Hanau, welche also aus zweitägigen Vorkämpfen am 28. und 29. und zwei Hauptkämpfen am 30. und 31. Oktober bestanden hatte.

Der Verlust betrug bei den Verbündeten 9000, bei den Franzosen 15 000 Mann. War so auch kein Sieg der ersteren errungen, so hatten doch besonders die Bayern sich im Kampfe gegen die französische Übermacht ausgezeichnet bewährt, und dem Feinde war ein bedeutender Verlust an Mannschaften zugefügt worden.

Dem ist zuzuschreiben, daß Napoleon nur mit etwa 70 000, noch dazu aufs äußerste erschöpften, zum großen Teile kranken oder den Keim des Nervenfiebers in sich tragenden Kriegern an den Rhein kam. Von den noch bei Leipzig vorhandenen 700 Geschützen hatte er etwa 200 gerettet. Die zahlreichen Festungsbesatzungen und in Deutschland verstreuten größeren oder kleineren Heerestrümmer waren abgeschnitten und ihrem Schicksale überlassen – kurz die französische Macht in Deutschland war gebrochen, Deutschland war frei.

Der mächtige Feind war aber noch nicht völlig so niedergeworfen, daß man mit ruhiger Sicherheit der Zukunft entgegensehen konnte. Vor allem kam es jetzt darauf an, sich der noch im französischen Besitz befindlichen Festungen in Polen und Deutschland zu bemächtigen. Es waren dies Modlin, Zamosk, Danzig, Stettin, Küstrin, Glogau, Hamburg, Magdeburg, Wittenberg, Torgau, Dresden, Erfurt, die Marienfeste bei Würzburg, Wesel und Mainz. Die in denselben verteilten Truppen mochten immer noch eine Stärke von 115 000 bis 120 000 Mann ausmachen. Bald zwang aber der Hunger den Marschall St. Cyr in Dresden zu einer Kapitulation. Dadurch fielen 2 Marschälle, 31 Generale, 1759 Offiziere und 33 744 Mann in die Hände der Verbündeten.

Ebenso erlagen Modlin, Zamosk, Stettin und Torgau Ende des Jahres 1813 infolge von Mangel an allem Notwendigen.

In Danzig hielt sich General Rapp unter den schwierigsten Verhältnissen bis zum 1. Januar 1814. Auf das hartnäckigste hatte er alle Außenwerke und den Hauptwall verteidigt. Schließlich überstieg die Not alle Grenzen, und der tapfere Verteidiger mußte sich nach einer etwa ein Jahr dauernden Gegenwehr ergeben. 14 Generale, 15 107 Offiziere und Mannschaften gingen nach Rußland in Gefangenschaft, gegen 10 000 Kranke und Verwundete blieben in den Lazaretten der Stadt zurück, 1300 Geschütze wurden erbeutet.

Glogau, Magdeburg, Hamburg, Erfurt, die Zitadelle bei Würzburg, Wesel und Mainz hielten sich in das neue Jahr hinein bis zum Frieden und der Wiedereinsetzung der Bourbons in Frankreich. Dann durften diese nunmehr Ludwig XVIII. untertänigen Truppen bewaffnet mit allen Ehren, nur mit veränderter Kokarde nach Frankreich abziehen.

Während anfangs November 1813 der Kronprinz von Schweden gegen die Dänen marschierte, dieselben besiegte und sie zur Abtretung von Norwegen an Schweden zwang, verdrängte der österreichische Feldmarschall-Leutnant von Hiller den Vizekönig Eugen aus Illyrien und noch schneller und entschiedener ging es mit der Macht der Franzosen in Spanien zu Ende.

Unterdessen hatten die verbündeten Monarchen sich in Frankfurt niedergelassen und von dort aus auf den Vorschlag des österreichischen Ministerpräsidenten Fürsten Metternich am 9. November dem französischen Kaiser Friedensvorschläge gemacht. Diesen zufolge sollte er Frankreich, Rheinpreußen, Rheinhessen und Rheinbayern sowie Nizza und Savoyen behalten, alles übrige aber abtreten. Ferner war der Rheinbund aufgelöst und mit jedem Staate desselben ein Vertrag geschlossen worden.

Marschall Blücher war darüber, daß man an Napoleon eine solche Zahl deutscher Länder abtreten wollte, wütend, und auch in diesem Empfinden kann man ihn mit Recht die Verkörperung der ganzen Volksseele nennen. Plötzlich kam er von Höchst nach Frankfurt geeilt und wetterte drein. Seine Ausdrücke waren von einer manchmal wahrhaft komischen Derbheit. Da hieß es unter anderem: »Was soll bei solcher Federfuchserei herauskommen?«, »Das linke Rheinufer den Welschen lassen? So etwas können nur Hundsfötter ausgeheckt haben. Niederträchtig, ganz diplomatisch-niederträchtig«, »Das Schelmenstückchen, welches der Metternich eingefädelt, soll nicht zu Ende gespielt werden, Gott verdamm mir«. »Nach Paris wollen wir und mit dem Bonaparte ein Ende machen, und wir werden es tun, dem Metternich zum Trotz und Tort ...«

Eine solche Sprache und noch dazu aus dem Munde nicht nur des volkstümlichsten, sondern, wie man jetzt auch an den höchsten Stellen einsah, des fähigsten und schneidigsten sämtlicher Feldherrn der Verbündeten schmetterte alle Gegenreden nieder. Dazu kam noch, daß die Antwort Napoleons auf die Friedensvorschläge nicht entsprechend ausgefallen war. Deshalb wurde bei der entscheidenden Beratung am 1. Dezember zu Frankfurt die Aufgabe der am 9. November festgestellten Friedensbasis, die Weiterführung des Krieges und der Winterfeldzug jenseits des Rheins beschlossen.

Blücher war also durchgedrungen. Aber nicht nur er allein jubelte hierüber, sondern sein ganzes Heer, ganz Preußen und das ganze deutsche Volk.

Nun wurden mit möglichstem Eifer, aber unter Geheimhaltung des gefaßten Planes die Vorbereitungen für den kommenden Winterfeldzug getroffen. Bald waren die Truppen wieder soweit ergänzt und mit dem Nötigsten versehen, daß man mit Vertrauen der Wiedereröffnung des Feldzuges entgegensehen konnte.

Das Jahr 1813 hatte die Befreiung des deutschen Vaterlandes vom fränkischen Joche gebracht. Das Jahr 1814 sollte ihm die Sicherheit eines langen Friedens verschaffen, um sich in Ruhe von der Not der letzten schweren Jahre erholen zu können.

Bei den Armeen, besonders bei der schlesischen, herrschte jetzt aber kein anderer Gedanke, als der:

»Vorwärts nach Frankreich, vorwärts nach Paris.«


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