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Störtebeker.
Sagen vom »Hof der Jungfrau Maria« (Marienhof)

1. Die Sagengeschichte des Störtebeker.

Zu den Lieblingen der Sage deutscher Küste von der Stubbenkammer auf Rügen bis Emden am Dollart gehört der Seeräuber Klaus Störtebeker. In ihm hat das Volk sich jene Piratenscharen verkörpert, welche unter dem Namen der Viktualier oder niederdeutsch Vitalier, insbesondere bei den Ostfriesen als Kommunisten oder Likedeler noch heute verschrien, über ein halbes Jahrhundert lang Ostsee und Nordsee dem Fahrensmann unheimlich machten.

Die Vitalienbrüder kamen auf, als nach dem Tode Waldemars III. von Dänemark († 1375) die Ansprüche zweier Anwärter auf die dänische Krone, Olafs, des norwegischen Königssohnes und Enkels von Waldemar, und Albrechts, des Herzogssohnes von Mecklenburg und Königs von Schweden, einander gegenüber standen. Olaf starb 1387, und für ihn trat seine Mutter, die berühmte Königin Margaretha von Dänemark, Herrscherin Norwegens, handelnd ein. In der Schlacht bei Falköping 1389 geriet König Albrecht in ihre Gefangenschaft, und Stockholm wurde darnach hart belagert. Um dasselbe zu entsetzen, rüstete Mecklenburg. Die Städte Rostock und Wismar erließen eine Aufforderung an alle Seefahrer, mit ihren Kaperbriefen ausgerüstet die Küsten Dänemarks und Norwegens zu plündern, zugleich aber auch das bedrängte Stockholm mit Lebensmitteln oder Viktualien zu versehen. Rasch strömten die Freibeuter herbei und nannten sich wegen ihres Auftrages zu Gunsten Stockholms die Viktualienbrüder; aber hinter diesem unschuldigen Namen verbarg sich die gierigste Raublust. »Es ist nicht zu beschreiben«, sagt eine alte Chronik, »was des losen und bösen Volkes zu Hauf lief aus allen Landen. Da waren Bauern und Bürger, Hofleute, Beamte und anderes Volk; denn alle, die nicht arbeiten wollten, ließen sich bedünken, sie würden von den armen dänischen und norwegischen Bauern reich werden.« – Nachdem durch den Friedensschluß zwischen Margaretha und den Mecklenburgern 1395 die Vitalier auch den letzten Schein der Rechtmäßigkeit ihres Bestehens verloren hatten, fuhren sie dennoch fort, die Küsten zu brandschatzen und den Seehandel zu stören. Sie waren eine solche scheußliche Plage des Kaufmanns, daß sich noch im selben Jahre die Hansestädte auf der Tagfahrt in Lübeck zu ihrer Vernichtung verbanden. Den vereinten Anstrengungen vermochte das Raubzeug in der Ostsee nicht standzuhalten, ein Haufen verlor sich auf abenteuerlicher Fahrt in Moskowien, ein zweiter unsicherte die hispanischen Küsten, und der dritte, mächtigste, erkor sich die Nordsee zum Tummelplatz seiner Schandtaten. Hier wählte er die vielen Schlupfwinkel an der Küste Ostfrieslands 1395 zu seinem Aufenthalte. Die Parteiung der Häuptlinge dieses Landes bot den Piraten willkommene Gelegenheit zur Einmischung. Die Häuptlinge ihrerseits fanden in den kampferprobten und tollkühnen Mannen eine kräftige Stütze zur eigenen Machtgewinnung, wie sie andererseits unmittelbar durch den unerläßlichen Beuteanteil und mittelbar durch den reichen Zufluß von billig zu erwerbendem Geld und Gut sich zu bereichern gedachten.

Im Jahre 1400 beschlossen die Hansestädte, zur Sicherung der Nordsee eine Flotte auszurüsten. Dieselbe erreichte am 25. April die Westerems. Hier erfuhr sie, daß Vitalier auf der Osterems wären. Sofort wurden dieselben aufgesucht, zum Kampf gezwungen und überwältigt. Von fast 200 Seeräubern wurden 80 niedergemacht; auf der Flucht gerieten dann noch 25 in die Gewalt der Hanse, welche am 11. Mai zu Emden dem Scharfrichter verfielen. Während die Hansen vor Emden ankerten, gelang es 200 zu Loquard seitwärts der Westerems sich versteckt haltenden Vitaliern, nach Norwegen zu entfliehen. Als Anführer dieses Haufens wird Gödeke Michels genannt, dem ein Mitanführer beigesellt war, der nach Koppmann's scharfsinniger Ausführung kein anderer als Klaus Störtebeker gewesen sein kann (Jahrbuch der Kunst zu Emden, IV. Bd. 2. Heft. Seite 40).

Hatte in Ostfriesland der erste Schlag das Raubgesindel hart getroffen, so brachte ihm das folgende Jahr 1401 zwei weitere böse Niederlagen bei. Zu Beginn der Schiffahrt fuhr ein Hamburgisches Geschwader nach Helgoland, fand und eroberte hier vor der Elbe die Hulk Störtebekers, welcher mit dem Piratenoberst Wichmann nebst noch 70 Gesellen gefangen genommen und später auf dem Grasbrook zu Hamburg enthauptet wurde. Dagegen fanden auf einer zweiten Expedition zu Ende des Jahres der Hauptpirat Gödeke Michels und sein Nebenmann, der Magister »an den seven Künsten« Wigbold samt ihren Untergebenen auf der Weser, und gleich darauf der Rest ihrer Gesellen auf der Jade das Ende ihres berüchtigten Treibens.

Nach Wismarschen Geschichtsquellen ergibt sich, daß Nikolaus Störtebeker 1380, und Gödeke Michels 1395 daselbst anwesend waren; ob sie, die von dort aus zu Schiff gegangen sein werden, gebürtige Wismaraner gewesen sind oder nicht, wird wohl unausgemacht bleiben. Soweit führten wir den historischen Störtebeker in der Feder. Die Sage hat sich ein ganz anderes, ein phantastisch ausgestattetes Bild von ihm geformt.

Betrachtet man den Sagenkreis im allgemeinen, so ergibt sich zunächst folgendes. Die Kämpfe gegen die Nordseepiraten um 1400 werden zusammengeschmolzen, und die Besiegung aller wird als Sieg über einen für alle dargestellt. Da nach den Quellen Gödeke Michels der bedeutendere Anführer war, wenigstens länger und häufiger der Piraterie beschuldigt wurde, als Störtebeker, so hat eine Verschiebung des Tatbestandes zu Gunsten des Letzteren stattgefunden, welche ihm entschieden das Übergewicht zuweist. Es ist mir freilich noch fraglich, ob nicht in der Tat Störtebeker an Gestalt und Gewalt die andern Führer der Raubschiffe überragte, da dergleichen Attribute doch bei der Menge den Ausschlag zu geben pflegen und weniger die geistige oder diplomatische Stärke. Daß er im Trinken, vulgo Saufen den Kumpanen über war, beweist ja schon sein Name selber, wie die traditionelle Überlieferung seiner Zechgelage und Zechbrüder. Im übrigen läßt die Sage Störtebeker und Michels in innigstem Bunde stehen, wie es denn auch noch im ostfriesischen Volksmunde heißt:

Störtebeker und Güdje Micheel
      De beiden, de roofden likedeel
To Water un (nich?) to Lanne,
      Hen dat et Gott in Himmel verdroot,
Do wurden se beide to Schanne.

Die Sagenbildung setzt dort ein, wo die Tatsachen anfangen, unbekannter und damit ungenau weitererzählt zu werden. Die Sage erwächst also aus der Geschichte, nicht umgekehrt. In ihr liegt deshalb ein gut Teil Historie versteckt. Wenn als Historie nämlich nur dasjenige gelten soll, was in Aktenstücken niedergeschrieben worden ist, so kann eigentlich keinem, der nicht Schreiber oder Leser derselben ist, die Historie bekannt sein. In Wirklichkeit verhält es sich indessen doch anders, und was traditionell von den Anteilhabern der Zeitgeschichte auf weitere Kreise übergeht, ist nicht minder berechtigt, als Historie zu gelten. Auch in unserem Falle sind z. Ex. in Ostfriesland die Sagen nicht nur Phantastereien, sondern mehrenteils Familientraditionen, die sich von den Häuptlingstagen herunter in deren Geschlechtern erhalten und vererbt haben. Dabei ist zu beachten, daß in unserer Gegend die ältesten Personen Deutschlands leben, bei denen eine 80- bis 90jährige Lebensdauer eben keine Seltenheit ist, so daß seit 1400 gar nicht viele Generationen darüber zu vergehen brauchten.

Die Aufzeichnungen über die Besiegung Störtebekers beginnen, wie überall, bei einzelnen Zeitgenossen mit der Niederschrift der entweder von ihnen selbst oder ihnen Näherstehenden bestandenen Erlebnisse im Kampfe oder aber der umlaufenden Erzählungen über die Helden der Affäre. Man darf dazu als wahrscheinlich annehmen, daß die ruhmreiche Begebenheit eines durchschlagenden Sieges über die gefürchteten Korsaren nach alter deutscher Weise mittelst eines Volksliedes auf Flügeln des Gesanges verbreitet wurde. Es wird dann ungefähr anderthalb Jahrhunderte gedauert haben, bis sich der Druck desselben bemächtigte und als »schönes, neues Lied, getruckt in dieses Jahr« auf Märkten und Messen verbreitete. Ursprünglich niederdeutsch gedichtet, hat sich dieses Lied dennoch nur in oberdeutscher Umarbeitung erhalten. Der Historiker J. H. Möhlmann gab dasselbe in seinem »Archiv für Friesisch-Westfälische Geschichte und Altertumskunde« (Leer 1841. S. 47-53) wieder heraus. Er sagt dazu: »Wir geben es aus einem auf 4 Blättern in klein Oktav, etwa 1550 erschienenen Abdrucke, wahrscheinlich aus einer Regensburgischen, sonst Straubingschen Offizin. Der Titel ist mit einem Holzschnitte geziert, die Schlacht zwischen Störtebeker und den Hamburgern vorstellend, und das Exemplar, ein fliegendes Blatt als Marktschreierlied gedruckt, ist um so wahrscheinlicher das einzig erhaltene, als offenbar das Lied in Oberdeutschland nicht dasselbe Interesse gewähren konnte, welches der Gegenstand in Niederdeutschland erregen mußte, daher dort wohl weniger aufbewahrt wurde, hier aber in schlechter hochdeutscher Übersetzung unmöglich gefallen konnte, da man der Arbeit es zu sehr ansieht, wie viel Mühe es gekostet habe, die hochdeutschen Verse herauszubringen, die dennoch manche plattdeutsche, selbst veraltete Wörter enthalten.«

Bereits mit diesem alten Liede wie mit den chronistischen Aufzeichnungen von Albert Krantz beginnen die sagenhaften Gebilde zur Störtebekergeschichte aufzutreten. Den Quellen zufolge war es insbesondere der Hamburger Ratsherr Nikolaus Schoke, dem der Hauptpreis des Sieges gebührte, und das Karveelschiff »bunte Ko«, welches dem Geschwader gegen die Piraten einverleibt war, hatte zum Schiffsführer den Hermann Nyenkerken, dem ein anderer Schiffsführer, Simon van Utrecht, zur Seite focht. Demgegenüber erzählen nun die Obgenannten, daß Simon van Utrecht der Sieger gewesen sei, und die bunte Kuh spielt als sein Attribut die Hauptrolle in dem Kampfe:

16.
Die Bunde Ku auß Flandern kam,
Wie balde sie das gerüchte vernam,
mit ihren starken Hörnern;
Sie gieng brausen all durch die wilde See,
Den Hollich wolte sie zerstören.

17.
Der Schiffer wol zu dem Steurman sprach:
»Treib auff das Ruder zur Steurbort an,
so bleibet der Hollich bey dem Winde,
Wir wöllen jm lauffen sein Vorkastel entzwey,
Das sol er wol befinden.«

18.
Sie lieffen jm seim Vorkastel entzwey,
»Trawen«, sprach sich Gödiche Michael:
»Die Zeit ist nun gekommen,
das wir müssen fechten vmb vnser beider leib,
es mag uns schaden oder frommen.«

19.
Störtzebecher der sprach sich allzuhandt
»Jr Herren von Hamborg, thut uns keinen gewalt,
Wir wöllen euch das gut auffgeben,
wollt jr uns stehen für unsere leib,
vnd fristen vnser junge leben.«

20.
»»Ja trawen,« sprach sich Simon van Vtrecht,
Gebt euch gefangen – –«
usw.

Der vollständige Gang dieses alten Liedes ist so interessant, daß sich's lohnen dürfte, denselben hier in Kürze anzugeben. Störtebeker und Gödeke Michael ziehen zum »heidischen Soldan«, der seine Tochter verheiratet. Bei der Gelegenheit findet eine »Wirtschafft« statt, auf der es hoch hergeht, insbesondere das »Hamborger Bier« stark begehrt ist. Um für das ausgegangene Ersatz zu schaffen, fahren die beiden Gesellen in »die Westersehe« (Nordsee), wo »die reichen Kauffleute von Hamborg« ihnen »das Gelach wol bezahlen« sollen. Hier laufen sie »ostwertz bey langest das Leich« (Ufer?), um dem Kauffahrer aufzulauern. »Ein schneller Bote – von klugem Rath« (Sinn) erfährt ihre Absicht und kommt »zu Hamborg eingeloffen«, sucht den »Eltisten Bürgermeister« auf und findet allda »den Rath zu Hauffe.« Er berichtet demselben mit beredter Zunge die Nähe des Feindes »an wilder Awe – für der Thür«, da bleibe den »Edelen Herren« nur »zweier Kür« (Wahl), entweder ihn schlagen oder sich schlagen zu lassen. Als der Rat den unbekannten Warner und Ratgeber anzweifelt und die Glaubwürdigkeit seiner Nachricht in Frage stellt, erbietet sich der Bote, auf dem »Vorkastell« des auszusendenden Orloggers mitzufahren: »so lange das jr ewer Feinde sehet All zu denselben stunden, Spüret jr ein einigen wanckel an mir, so senket mich gar zu grunde.« So mit teurem Eide und eignem Leben sich bekräftigend, findet er Gehör, und schleunigst wird ein Geschwader von »drey Schiffen« seewärts gesandt »all nach dem newen Werke« (Insel Neuwerk vor der Elbe). Ein dichter Nebel deckt die See, doch als die Sonne den Schleier zerreißt und das Wetter klar und sichtig wird, finden sie die Piraten auf der Weser, wohin sie sich mit einem erbeuteten »Holch mit Wein« zurückgezogen haben, um sich in aller Ruhe bezechen zu können. Störtebeker erblickt die Verfolger zuerst und ruft ins Gelage hinein: »Höret auff jr gesellen und trincket nu nicht mehr, dort lauffen drey Schiff in genner (jener) See, vns grawet vor den Hamburger Knechten; kommen vns die von Hamburg an die port (Bord), mit jnen müssen wir fechten.« – Aber an ein Entwischen ist nicht mehr zu denken, sie sind entdeckt und werden gestellt, wie es solchem Raubzeug geziemt. Da gilt es zu fechten auf Leben oder Tod, »drey tage und auch drey nacht« währt der blutige Kampf. Endlich stößt die »Bunde Ku auß Flandern« mit ihren »starken Hörnern« dem Piraten das Vorderkastell ein, und Störtebeker erbietet sich in dieser Lage: »Wir wöllen euch das gut auffgeben«, wenn ihnen die Sicherheit ihres Leibes und Lebens gewährleistet werde. Simon von Utrecht jedoch verlangt unbedingte Unterwerfung »auf ein Recht« (Gerichtsspruch), womit sie gefangen genommen werden. »Da sie auff die Elbe kamen, nicht viel gutes sie da vernamen: sie sahen die Köpfe stecken« – und bei diesem unzweideutigen Empfange vermuten sie wohl nichts anderes, als »zu Hamborg in die Hechte gebracht« zu werden, welches Gefängnis sie »nicht lenger denn eine Nacht« beherbergt. Nach kurzem Prozeß werden die Korsaren am andern Morgen dem Henker überliefert, der »sich Rosenvelt hieß«, während »von Frawen und Junckfrawen jr todt also sehr geklagt« wird. Der Rat tut ihnen indessen »die ehr« an, daß er sie in ihren besten Gewändern und mit Vorantritt von »Pfeiffen und Trummen den trawren berg auffgehen« läßt. Herr Rosenfeld läßt nun sein Richtschwert arbeiten, »er hieb manichen stoltzen Held mit gar so frischem mute. Er stund in seinen geschnürten Schuhen biß zu den Enkeln in dem Blute.« – Mit einer Anrede (Str. 26) an Hamburg: »Das magstu von Golde eine Krone tragen, den preis hast du erworben« – schließt dieses Lied, das offenbar an die Tatsachen anknüpfend mit poetischer Lizenz seine plastische Schilderung ausführt. Wie's mir scheinen will, hat diese Krone, die Hamburg zu tragen verdient, jenem weitverbreiteten Sagenzuge zum Leben verholfen, der auf den Reichtum der Räuber hindeutend Störtebeker um seinen Kopf feilschen läßt, indem er dem Rat der Stadt Hamburg eine goldene Krone dafür anbietet. Eine spätere Zeit wußte dann diese Krone am Katharinenturm aufzufinden, obgleich die Historie den dortigen güldenen Kranz erst 1658 erscheinen läßt. Aus der Krone wurde an andern Orten eine goldene Kette. Störtebeker erbot sich darnach, wenn der Rat ihm das Leben schenken wolle, aus seinen Schätzen eine goldene Kette zu beschaffen, mit welcher man den Dom, nach andrer Sage den Hafen, ja selbst die ganze Stadt umspannen könne. Daß die Schätze des Piratenhauptmanns unermeßlich groß waren, weiß eine große Anzahl Sagen anzugeben. In Ostfriesland war Marienhafe sein Standquartier, Man vergl. dazu auch die »Sagengeschichte des Störtebeker« in meinen »Sagen und sagenhaften Erzählungen aus Ostfriesland« (Aurich, 1869) S. 10-14, sowie »Die alte Kirche zu Marienhafe in Ostfriesland« (Emden 1845) S. 8-19, 22. den Domhof (die sog. Wyk) daselbst ließ er mit einer kolossalen Mauer umsichern, in der vier bronzene Tore waren, auch ließ er einen Kanal bis an die Kirche graben, um zu Schiffe dahin gelangen zu können. Im Turme, dessen zweites Stockwerk noch heute den Namen der Störtebekerskammer trägt, befand sich die stark befestigte Wohnung des Seekönigs, der hierher ganze Flotten voll Beute schleppte, so daß es weit und breit im Lande umher großen Überfluß an Geld und Gut gab. Damit der Turm den einlaufenden Schiffen als Bake dienen möge, hatten die Führer ihn bedeutend erhöhen lassen. Aus gleicher Absicht ließen sie auch die Kirche an der einen Seite mit Kupfer, an der andern mit Schiefer decken. Fuhren sie nun von Marienhafe das gleichfalls heute noch den Namen Störtebekerstief führende Wasser hinunter dem Meere zu, so konnten sie die Kirche nimmer sehen, denn der Turm davor deckte sie. Waren sie aber erst auf dem Watt und lenkten nach Norden, so sahen sie die mit Kupfer gedeckte Kirchendachseite und nannten davon die Stelle, wo sie sich befanden, den Kapersand; steuerten sie aber südlich, so bekamen sie die mit Schiefer gedeckte Seite in Sicht und erkannten daran, daß sie auf dem Leysand waren. Das war aber alles sehr klug ausgedacht, denn wenn sie nun bei der Rückkehr vom Meere mit Beute beladen einlaufen wollten und auf diese Merkzeichen achteten, so mußte ihnen die schwierige Einfahrt gelingen. Auf halbem Wege lag dann ein anderer Schlupfwinkel, eine Steinburg, genannt der Wykhof, wo in den gewölbten Kellern große Schätze versteckt lagen. Als das alte Haus vor Jahren erneuert wurde, soll der derzeitige Besitzer große Töpfe voll Gold gefunden haben. Nach anderer Sage hat Störtebeker seine Schätze in den Woldedünen zu Borkum versteckt gehabt, und sind dieselben bis auf heute nicht gefunden worden. Man sagt aber auf der Insel davon den Reim:

Indien de Woldedünen kunnen spreken,
Sull het Borkum noit an Geld gebreken.

– Andererseits weiß man, daß Störtebeker seinen Raub auf eine viel sinnreichere Art zu verstecken wußte. Denn als nach seiner Hinrichtung eine Durchsuchung seines Schiffes erfolgte, welche völlig fruchtlos verlief, schlug einer der dazu mitverordneten Zimmerleute aus Unmut mit der Axt in den Mast. Mit dem Splitter flog das Versteck auf, denn der ausgehöhlte Mast war wiederum mit geschmolzenem Golde ausgefüllt. Nach anderer Überlieferung wären es drei Masten gewesen, von denen der eine mit Gold, der zweite mit Silber und der dritte mit Kupfer ausgefüllt war. – Zu Hagen in Westfalen erzählt man sich davon aber diese Sage: Seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts gab es dort eine angesehene Familie Hakenberg, aus welcher die Gogrefen erwählt wurden. Der erste Hakenberg war ein Schifferknecht gewesen, der mit Störtebeker und Michael gefangen genommen, wegen seiner Jugend aber von den Hamburgern freigelassen ward. Nach der Hinrichtung seiner Gesellen kaufte dieser eins der aufgebrachten alten Piratenschiffe, in dessen Mastbäumen er den Schatz jener verborgen wußte. Nachdem er das Gold in Sicherheit gebracht hatte, kam er nach Hagen und nahm hier seinen Wohnsitz. Von seinen Reichtümern stiftete er mehrere Vikarien und gelangte so zur Ruhe, zu Ehre und zu Ansehen. Vgl. auch »Pieler. Das Ruhrtal«. (Arnsberg 1871.) S. 77. – Stiftungen werden übrigens dem Störtebeker und seinen Gesellen zugeschrieben, so zu Franeker oder Stavoren in Westfriesland; eine ewige Messe im Dom zu Stockholm, Gott zu Lobe, dem heiligen Blute und verschiedenen Heiligen zu Ehren; ferner zu Sevilla in Spanien; sodann von Störtebeker und Gödeke Michael je sieben Fenster im Dome zu Verden zur Abbüßung der sieben Todsünden, und außerdem daselbst eine jährliche Spende von Brot und Heringen, welche noch vor kurzem an die Armen, sowie an alle beim Dom angestellten Diener verteilt worden sein soll. Vgl. im »Ostfries. Monatsblatt« (2. Jahrg. Emden 1874) S. 153-159 die Abhandlung von Dr. Metger: »Ein Beitrag zur Geschichte Störtebekers«.

Da der Seeraub vor Zeiten ein ebensowenig unehrenhaftes Geschäft war, als das »Rüten un Rowen« der Ritterschaft am Lande, so konnte es nicht ausbleiben, daß die Hauptträger desselben ihren nicht unter ihnen zu leidenden Zeitgenossen als reisige Männer, ja wohl gar als ruhmreiche Helden erschienen. Es hat daher auch nichts Auffälliges, daß sich eine ganze Reihe von Örtern als die Heimat des Störtebeker berühmte. Die Sagen aber von der Herkunft verteilen sich über das ganze Küstengebiet von Ostfriesland bis Rügen. Im Emslande gibt man ihm zwei bis drei Geburtsorte, darnach wäre er ein Norder, ein Osteeler und ein Sieler Kind gewesen. Im Brookmerlande weiß man indessen, daß er aus Hamburg stammte. Er hatte aber schon frühe daselbst das Rauferhandwerk getrieben, und es hierdurch, wie durch Saufen und Spielen, dahin gebracht, daß ihn ein hochwohlweiser Rat der Stadt verwies. Da aber fing das frevle Treiben erst recht bei ihm an. Er ging nämlich zu dem Vitalierhauptmann Gödeke Michael und bot diesem seine Dienste an. Dieser gab ihm nun, um seine Kraft zu erproben, eine eiserne Kette zum Zerreißen. Das war dem Störtebeker indes ein Leichtes und Gödeke stellte ihn bald zum Unterhauptmann seiner Flotte an. Vor allem ließ er nun seinen vollen Haß an den Hamburgern aus, weswegen ihm diese todfeind wurden. Im Stifte Verden wird dagegen tradiert, daß zwar Störtebeker ein Edelmann aus Pommern, Gödeke Michael aber zu Dauelsen bei Verden geboren sei. Da beide sich an anderen Orten nicht allzu sicher gefühlt hätten, so wären von ihnen auf Halsmühlen und zu Walle (2 Ortschaften in der Nähe von Dauelsen) zwei Höfe angekauft, von wo aus sie ihre Züge angetreten haben sollten. Aber nicht genug damit, auch zu Kloster Heiligenrade (im Amte Syke), zu Seeborg an der Weser und zu Langwedel bei Verden trieben die Herren ihr Unwesen, wenngleich die Bremer niemals von ihnen belästigt wurden. Anders sagt F. W. Wiedemann in seiner Geschichte des Herzogtums Bremen (Stade 1864) von ihrer Herkunft aus. Nach ihm soll Störtebeker in der Tat aus dem Stifte Verden, Gödeke Michael dagegen aus dem Lande Kehdingen herstammen. Und der diese Sagen anführende, eben zitierte Dr. Metger läßt als Resultat seiner Störtebekerstudien die Ansicht laut werden: »Störtebeker war unstreitig aus dem Stifte Verden gebürtig.« Nach Koppmann »Der Seeräuber Klaus Störtebeker in Geschichte und Sage« in »Hansische Geschichtsblätter« (Jahrg. 1877), die für die Geschichte das neueste und beste Quellenmaterial geben, wogegen die Sage nur lückenhaft vorgeführt wird. hat sich der Anspruch des Kirchspiels Walle im Stifte Verden die meiste Geltung zu verschaffen gewußt: »Gödeke Michels wurde zum Mitgliede der ritterbürtigen Familie Michelken gemacht, die in demselben ansässig war, und ein Wappen, das im Dom zu Verden zu sehen war, ward auf Störtebeker bezogen. Gödeke Michels heißt es, war der Besitzer der Burg Eissel; schon 1583 schreibt Johann Renner (in seinem Chronicon der olden Stadt Bremen):

Götke was ein gelerder Mann
Gebaren von edelem Stam. –
By Etzel in dem Verder Sticht
Noch Götken wöste Borchstat licht.«

In demselben Kirchspiele lag auch die Burg Halsmühlen des Störtebeker; Halsmühlen aber hat seinen Namen davon, daß die Seeräuber dort am Halse straften, die ihnen den Gehorsam kündigten. Als nun 1570 am Ufer der Aller zur Weser eine Grube mit vielen Menschenköpfen ausgeworfen wurde, war der Administrator des Stiftes Verden, Bischof Eberhard, völlig davon überzeugt, daß man es hier mit den Opfern des hochnotpeinlichen Halsgerichts der Piraten zu tun habe.

Neben dem Stifte Verden nimmt auch Pommern die Herkunft der Korsarenführer für sich in Anspruch. Wie hier Gödeke Michels aus Michelsdorf bei Barth (Stralsund) hervorgegangen sein soll, so weist man Störtebeker der Stadt Barth selber zu. Nach anderer Aussage wäre er indessen ein pommerscher Junker gewesen, was sich mit dem einen Zuge der Verdener Sage decken würde. Auf Rügen, wo die Störtebekersagen ebenso lebhaft sind wie in Ostfriesland, Vergl. Temme. Sagen aus Pommern und Rügen. (Berlin 1849.)kennt man sogar die Hausstelle zu Ruschwitz auf Jasmund, wo Störtebekers Eltern wohnten. Hier erwuchs er als Bauernsohn und diente später als Herrenknecht zu Gut Ruschwitz, von wo er entwich, als die Vitalier aufkamen. Gödeke Michael wird dagegen nach der Barther Gegend verwiesen.

Es ist interessant, zu sehen, daß Rügen und Ostfriesland als seine Hauptzufluchtsstätten der Ost- und Nordsee so lebendige Traditionen von ihm hegen, was mir immerhin ein Beweis dafür zu sein scheint, daß er beiden Gegenden tatsächlich näher getreten sein muß. Um den Raum zu sparen, verweise ich bezüglich des ostfriesischen Sagenkreises auf mein bereits zitiertes Buch, wobei noch zu bemerken ist, daß dasselbe der volkstümlichen Darstellung zu Liebe viele Züge auslassen mußte, die teils in alten Tagen in verschiedenen historischen Schriften verflochten wurden, teils der neuern Sagenbildung angehören. Von letztern war mir ein von einem alten Veteranen, Geometer i.&nbsp;R. Conring zu Upgant bei Marienhafe mitgeteilter Zug äußerst interessant. Er wußte nämlich zu erzählen, daß Störtebeker, nachdem er die Tochter des mächtigsten Häuptlings Keno ten Brook zur Frau erhalten hatte, zu Upgant auf dem von Briesenschen Burgsitz wohnte. Hier sei ihm ein Sohn geboren und derselbe habe sich später wohnhaft in der Gegend niedergelassen. Vater und Sohn seien aber dem Urgroßvater seiner, des Erzählers, Frau, noch persönlich bekannt gewesen. Aus der von Briesenschen Familie seien die golddurchwirkten Pantoffeln und das reichgestickte Oberhemd Störtebekers an die Sammlungen für Kunst und Altertum in Emden übergegangen, wo man sie noch zeigt. Vergl. auch im »Ostfries. Monatsblatt« (3. Jahrg. 1875) S. 356 f. die Mitteilungen von W. J. Willms »Zur Geschichte der früheren adligen pp. Familien in Upgant«. Daß die unter dem Namen Störtebekers gehenden Gegenstände mit seiner Person nichts zu schaffen haben, sei nur nebenher bemerkt.

Wie nach der einen Sagenseite Störtebeker ein herrschaftliches Gemahl hatte, so weiß die andere von den Jungfrauen zu erzählen, die er zum Liebesdienst zwingen wollte. Davon heißt es in Ostfriesland: Zu Marienhafe in der Störtebekerskammer geht um die Mitternachtsstunde ein Geist um, der seinen blutigen Kopf unter dem Arm trägt. Das ist der Störtebeker, der im Grabe nicht ruhen kann, da er geköpft und in ungeweihter Erde eingescharrt ist. Es treibt ihn aber ein Fluch durch die Nacht, der so lange währt, bis er davon losgesprochen ist. Es hatte nämlich der liebeslüsterne Seeräuber ein schönes Fräulein aus vornehmem Stande ausersehen, ihm zu dienen. Als es aber seine Anträge entrüstet abwies, weil es bereits einem jungen Ritter verlobt war, brauchte er Gewalt und raubte die Schöne. Im Marienhafener Turmgewölbe glaubte er sie zwingen zu können, ihm zu Willen zu sein. Hier war keine Hilfe, kein Entrinnen möglich. Dennoch weigerte sich die Bedrängte, ihm anzugehören, und zog den Tod der Schande vor, indem sie sich aus dem Fenster des Gemaches in die sie verschlingende Flut stürzte. – Ganz ähnlich sagt man davon auf Rügen: In der Störtebekershöhle bei Stubbenkammer, wo der Bergeort der Piratenbeute war, ist es noch jetzt nicht geheuer, und man trifft allnächtlich um Mitternacht einen seltsamen Spuk darin. Insbesondere sieht man oft eine trauernde Jungfrau daraus hervorkommen, mit einem blutigen Tuche in der Hand. Mit diesem geht sie ans Meer, um die Blutflecken herauszuwaschen. Aber dies will ihr nicht gelingen, und sie kehrt dann seufzend in die dunkle Höhle zurück. Von dieser Jungfrau erzählt man, daß sie ein vornehmes Fräulein aus Riga gewesen sei, die hat Störtebeker einmal auf einem Raubzuge nach Liefland gefangen und mit hinweggeführt, gerade als sie ihrem Bräutigam sollte angetraut werden. Der Deutsch-Ordensmeister hat ihn mit vielen Schiffen verfolgt, jedoch umsonst. Störtebeker hat darauf das Jungfräulein in seine Höhle gebracht und sie darin beim Antreten eines neuen Zuges samt seinen Schätzen eingeschlossen. Von diesem Zuge ist er aber nicht heimgekehrt, und so hat die Jungfrau eines schrecklichen Todes sterben müssen. Die unermeßlichen Schätze, welche von ihr bewacht werden, haben schon manchen zum Aufsuchen gereizt, und ein Fischer, welcher durch seine Höflichkeit vor dem Fräulein der Ehre genoß, von ihr zum Besuch eingeladen und reichlich beschenkt zu werden, sah außer den Kostbarkeiten die bewegte Szene, daß ein Geisterschiff landete, aus welchem viele, viele Männer zur Höhle niederstiegen, alle das Haupt unterm Arme tragend. –

Nach einer andern Sage ließ man einst einen zum Tode verurteilten Missetäter in den tiefen Höhlenschlund hinab. Dieser fand unten einen großen, goldenen Kelch und als Wächter desselben einen riesigen schwarzen Hund. Es gelang ihm, sich des Bechers zu bemächtigen und wieder emporgezogen zu werden, trotzdem das Untier den Strick bis auf einige Fäden durchnagt hatte.

Die Beutezüge der Piraten sind gleichfalls der Sage anheimgefallen. Ost- und Nordsee gelten natürlich als ihre vornehmsten Tummelplätze, doch auch die Finken, worunter wohl die Finnen zu verstehen sind, mußten herhalten. Nach Schottland und England fuhren sie, um die reichbeladenen Kauffahrer aufzubringen, welche von und zur Elbe und Weser fuhren. Ein Edelmann von der Küste bei Yarmuth war ihr Verbündeter, gab ihnen erfolgreiche Winke und nahm teil an der Beute. In der Zuidersee kampierten sie auf dem Eiland Urk und lebten dort mit Weibern ehelich zusammen. Die Urker stammen daher von den Seeräubern ab und gelten als solche auch noch heute. Campen an der schwarzen Aa, welches es wagte, sie von Urk vertreiben zu wollen, mußte dafür bitter büßen. Nach Spanien und Portugal kamen sie auch, hier waren damals noch Heiden (Araber) im Lande, deren König sie besuchten. In der Mittellandssee kamen sie nach einem Sultan, aber hier gab es nichts zu verdienen. Aus diesem Grunde kehrten sie zur Nordsee zurück, wo sich der Fang besser lohnte. Im Winter lebten sie in Saus und Braus am Lande. Störtebeker, welcher wohl wußte, daß seine Feinde, die Pfeffersäcke und Tütendreher, ihm heimlich nachspürten, gebrauchte die Vorsicht, von einer Burg zur andern zu wechseln und sich nirgends lange aufzuhalten. Wo er den Hansen einen tollen Streich spielen konnte, unterließ er es nicht. Wo er Kauffahrer überfiel, ließ er die Mannschaft, soweit sie nicht zu ihm übergehen wollte, über die Klinge springen. Seine Zechgelage waren berüchtigt. Sein silberner Trinkbecher (Stürzebecher) war so groß, daß nur er allein ihn auf einen Zug zu leeren vermochte. War Störtebeker bei guter Laune, so forderte er überwundene Herrschaften auf, ihr Leben durch die kurzhändige Leerung seines Bechers zu retten. Diese Probe bestand aber nur ein Junker Sissinga aus Groningen, und ihm zu Ehren erhielt der Becher die Inschrift:

Ick Jonker Sissinga van Groninga
Dronk dees' Heusa in een Fleusa
Door myn Kraga in myn Maga.

Dieser Becher ist in Holland noch vorhanden. In Hamburg sind, wie uns Reinhold-Bärmann Vergl. »Dr. C. W. Reinhold und G. N. Bärmann. Hamburgische Chronik«. (Hamburg 1820) 1. Teil S. 218. und Koppmann belehren, noch verschiedene Störtebeker-Reliquien vorhanden, teils gewesen. Die Hamburger Schiffergesellschaft hat einen silbernen Stürzebecher, der jetzt im Schiffer-Armenhause aufbewahrt wird. Auf demselben ist die Gefangennahme Störtebekers bildlich dargestellt. Der Becher soll Störtebeker zugehört haben, der ihn aus dem 1398 geraubten Kirchengerät der Stadt Bergen habe schmieden lassen. – Ebenfalls der Schiffergilde zugehörend war jene bis 1842 noch vorhandene Holzfigur, welche einen Mohren darstellte und Störtebekers Page genannt wurde. – Störtebekers silberne Halskette mit einer Schrillpfeife für Signale an Bord soll bis 1842 auf der Stadtkämmerei vorhanden gewesen sein. Seine Feldschlange von Eisen, 19 Fuß lang, wurde auf dem Zeughause aufbewahrt, dort befand sich auch der Harnisch des Kaperhauptmanns und das Schwert, mit dem er hingerichtet wurde. Beides kam später ins Arsenal des Bürgermilitärs und ist jetzt im Besitz der Sammlung hamburgischer Altertümer. Von dem Verbleib der Reliquien des heil. Vincentius, welche die beiden Anführer aus Spanien geholt hatten und die sie, um hieb- und schußfest zu sein, unter ihrem Wams auf bloßer Brust trugen, ist weiter nichts bekannt. – Münzen aus dem auf sie vererbten Nachlaß des Gödeke Michels bewahrt noch die Familie Borgwardt in Michelsdorf, der jener ursprünglich entstammte. – Von einer goldenen Ankerkette, die Störtebeker auf der Huder Wisch bei Schwabstedt in Schleswig an Pfählen um den Raum hatte ziehen lassen, auf dem er mit seinen Gesellen ein Gelage hielt, ist bekannt, daß dieselbe im Moor versenkt liege. Denn als das Gelage durch den plötzlichen Überfall seiner Feinde schleunigst abgebrochen werden mußte, fand sich keine Zeit mehr, die schwere Kette fortzuschaffen. Durch die Versenkung entging sie der Beschlagnahme. – Störtebekers Siegel ist in Norden.

Das tragische Ende der Korsaren gab der Sage Stoff zu den verschiedensten Erzählungen. Als Eidam des Häuptlings Keno ten Brook wohnte Störtebeker der Verhandlung bei, welche die hanseatischen Abgesandten mit diesem Beschützer der Kaperei pflogen, und worin sie mit Bedrohung des Krieges ihm die Teilnahme an den Raubzügen zu verleiden suchten. Man befand sich auf der Oldeborg bei Butaë, dem ten Brookschen Stammsitze. Keno versprach, sich dem Willen der Städte zu fügen, und drückte zur Bekräftigung mit seinem Schwertknauf das Siegel unter das vereinbarte Dokument. Natürlich war ihm nicht im mindesten daran gelegen, sein Versprechen auch zu halten. Die Hansen zogen ab, und Störtebeker, jähzornig auffahrend, stellte seinen Schwiegervater zur Rede, worauf dieser ihn mit der Versicherung beschwichtigte, daß er von seinem Gelöbnis nichts erfüllen werde. In ihrem lauten Gespräche hatten sie die Tritte eines Nahenden überhört, der zurück kam, um seine vergessenen Handschuhe zu holen. Dieser lauschte dem Wortwechsel und erfuhr so den Treubruch des Keno. Die Folge davon war der Sturz desselben und die Flucht des Störtebeker, der von hierab wie ein gehetztes Wild leben mußte, bis sein Ende nahte.

Nachdem die Kaper bei Neuwerk vor Anker gegangen waren, schlich sich ein Blankeneser Evermann hinter das Admiralschiff und goß die Oesen, in denen sich das Steuer dreht, mit geschmolzenem Blei fest. Wie nun der Störtebeker die Feinde nahen sieht, hält er es an der Zeit, ihnen aus dem Wege zu gehen, kann aber sein Schiff nicht herum bringen. Er merkt gar bald, wo es steckt und kocht eiligst einen Topf voll Öl, um damit wieder das Blei zu schmelzen. Dabei rückten die Hamburger aber immer näher und er muß den Kampf annehmen, der volle drei Tage dauert, ehe die Seeräuber überwunden sind. – Hierzu gibt es einige Varianten ohne Bedeutung.

Als nun bald nachher die Hinrichtung stattfinden sollte, hat's den Störtebeker doch gedauert, daß alle seine Kameraden seinetwegen ihr Haupt auf den Block legen sollten und hat gebeten: Wenn ihr mich geköpft habt, so laßt mich gehen. Diejenigen meiner Kameraden, an denen ich ohne Kopf noch vorüberkomme, mögen am Leben bleiben. – Diese Bitte ist ihm denn auch gewährt worden. Als ihm der Kopf nun heruntergeputzt ist, fängt er wirklich an zu gehen und kommt an elf seiner Gesellen vorüber. – Nach Hamburger Lesart ist er kopflos bis an den fünften Mann gekommen, da aber hat ihm der Henker einen Klotz vor die Füße geworfen, so daß er fallen mußte und nicht wieder hat aufkommen können. – Eine der letzten Überlieferungen dieser Richtung ist dann noch diese: Als der Scharfrichter nach der entsetzlichen Blutarbeit an der übergroßen Anzahl gefragt wurde, ob er müde sei? hat er die frevle Antwort gegeben, er könne wohl noch den ganzen Rat abhauen; worauf der Übermütige von dem jüngsten Ratmanne auf Befehl des so ungebührlich beschiedenen Rates augenblicklich selbst enthauptet wurde.


Was im ostfriesischen Volksmunde umgeht, findet hier seine Stelle. Zuerst hat Mithoff in seinen »Ostfr. Baudenkmälern« folgendes Gedicht hervorgebracht, wozu van Senden die Sage über den Kopfstoß plattdeutsch bringt.

II. Der Turm zu Marienhafe.

Es saust der Wind, es wogt das Meer,
Claus Störtebeker zieht einher:
Er fuhr aus Beutelust hinaus
Und kehrt zurück vom blut'gen Strauß.

Ein Turm zeigt ihm von fern den Port,
Marienhafe heißt der Ort.
Jetzt ruft er: Alle Mann auf Deck!
Da stehn die Räuber, wild und keck.

Er teilet aus den reichen Fang,
Sie stimmen an den Siegessang,
Vollendet hat sein Schiff den Lauf,
Marienhafe nimmt ihn auf.

Ihm dient als Hort, als schützend Dach
Im Turm ein überwölbt Gemach.
Noch heut zeigt man dem Wandrer dort
Des Störtebekers Zufluchtsort.

III. Die Sagengeschichte des Störtebeker in Ostfriesland.

Störtebeker un Güdje Micheel
De beiden roofden like Deel
To Water un nich to Lanne,
Bet dat et Gott in'n Hemel verdroot
Do worden se beid' to Schanne.

So heißt es zu Anfang eines alten Volksliedes, welches noch in einigen Gegenden unseres Landes zu Hause ist, und wo man diesen Reim auch nicht mehr kennt, da sind doch Störtebekers und Gödeke Michaels Namen und Taten in frischer Erinnerung geblieben.

Das sind nämlich gar wilde, kühne und verwegene Seeräuber gewesen, die lange Zeit die Ostsee und Nordsee unsicher gemacht und viel unschuldig Blut vergossen haben. Besonders aber hat sich in dieser Hinsicht der Störtebeker hervorgetan: »Was ein guter Haken werden will, krümmt sich schon bei Zeiten.« So ist's auch Störtebeker ergangen.

Er hat schon früh in Hamburg das Rauferhandwerk getrieben und es hierdurch, wie durch Saufen und Spielen, bald dahin gebracht, daß ihn die Hamburger der Stadt verwiesen. Da hat aber das Leben bei ihm erst recht angefangen. Er ist nämlich darauf zu dem Vitalienbruder Gödeke Michael gegangen und hat diesem seine Dienste als Seeräuber angeboten. Dieser hat ihm nun, um seine Kraft zu prüfen, eine eiserne Kette zum Zerreißen gegeben. Das ist dem Störtebeker indes ein Leichtes gewesen und Gödeke Michael hat ihn darauf ohne weiteres in seinen Dienst genommen und ihn bald zum Mitbefehlshaber seiner Flotte gemacht. Mit vielen starkbemannten Schiffen sind sie nun, bald zusammen, bald jeder für sich, auf Raub ausgegangen.

Auf ihren mannigfachen Kreuz- und Querzügen sind sie denn auch nach Ostfriesland gekommen. Hier fanden sie bei einigen Häuptlingen gute Aufnahme. Keno ten Brook erlaubte ihnen sogar, in dem damals noch an der See liegenden und ihm zugehörenden Flecken Marienhafe sich zu verschanzen. Dies taten sie denn auch, befestigten den Turm und die Kirche und hatten somit einen Bergeort für ihre Beute, sowie einen Schlupfwinkel für sich in Zeiten der Not gewonnen. Damit der Turm ihnen als Bake dienen möchte, haben sie selbigen auch bedeutend erhöht. Aus gleicher Absicht haben sie auch die Kirche an der einen Seite mit Kupfer, an der andern Seite mit Schiefer gedeckt. Fuhren sie nun von Marienhafe das Störtebekertief hinunter dem Meere zu, so konnten sie nimmer die Kirche sehen: denn der Turm davor deckte sie. Waren sie aber erst auf dem Watt und lenkten nach Norden, so sahen sie die mit Kupfer gedeckte Seite der Kirche und nannten dann die Stelle, wo sie sich befanden: »Koopersand«; steuerten sie aber ein wenig südlich, so bekamen sie die mit Schiefer gedeckte Seite der Kirche in Sicht, und daran erkannten sie, daß sie auf dem »Leysand« waren. Das war aber alles sehr klug ausgedacht; denn wenn sie nun bei der Rückkehr vom Meere mit Beute beladen einlaufen wollten und dann nur auf die einmal gemerkten Zeichen achteten, so konnten sie nimmer die rechte Einfahrt verfehlen.

Mit den Häuptlingen nun standen sie in gutem Einvernehmen. Dem Störtebeker hat sogar der mächtige Keno ten Brook seine Tochter zur Ehe gegeben. Sonst sind ihnen aber alle seefahrenden Völker feind gewesen, absonderlich aber die Hamburger. Diese haben ihnen auch manchmal hart zugesetzt und viele Leute getötet und Schiffe abgenommen. Doch dem Störtebeker haben sie nichts anhaben können, denn dieser trug jederzeit die Reliquien des heiligen Vincentius unter dem Wams, also daß er hieb- und schußfest war.

Der Störtebeker trug seinen Namen von einem großen, ellenhohen Becher, den er in einem Zuge zu leeren vermochte. Machte er nun Gefangene, so mußten sie, wenn sie nicht über Bord geworfen werden wollten, entweder ein hohes Lösegeld zahlen, oder den großen Becher in einem Zuge leeren. Die letztere Probe hat aber nur ein Junker Sissinga aus Groningen bestanden. Diesem zu Ehren trug der Becher die plattdeutsche Inschrift:

Ick Jonker Sissinga van Groninga,
Dronk dees Heusa in een Fleusa
Door meen Kraga in meen Maga.

Als der Störtebeker schon lange gewirtschaftet hatte, ist er zu einer Zeit nach Spanien gesegelt. Da hier aber die Beute nicht sonderlich groß gewesen, hat er es vorgezogen, wieder nach der Elbmündung zu fahren, und gemeint, die Hamburger würden ihn mehr verdienen lassen. Diese hatten aber davon Bericht erhalten und sich deshalb bei Helgoland mit ihrer Flotte aufgestellt, um den Seeräuber standesgemäß zu empfangen. Des hat sich aber der Störtebeker nicht versehen, sondern ist ruhig bei der Insel Neuwerk vor Anker gegangen. Hier hat sich nun ein von den Hamburgern abgeschicktes Blankeneser Everschiff hinter das Admiralschiff »Der rote Teufel« geschlichen und demselben die Röhre, in welcher sich das Steuerruder dreht, durch geschmolzenes Blei festgelötet, worauf die Hamburger mit ihrer Flotte herangesegelt sind.

Wie nun der Störtebeker es an der Zeit hält, ihnen aus dem Wege zu gehen, kann er sein Schiff nicht herum drehen. Er merkt zwar bald, wo es steckt und kocht eiligst einen Topf voll Öl, um damit das Blei wieder zum Schmelzen zu bringen. Doch die Hamburger sind auch nicht müßig gewesen während der Zeit. Sie haben bereits seine Schiffe geentert, ehe er sein Vorhaben ausführen kann, und nun beginnt ein mörderischer Kampf. Da die Räuber merken, daß es ihr Leben gilt, schlagen sie tapfer drein und es kostet den Hamburgern viele Leute und volle drei Tage Zeit, bis sie die Räuber zur Übergabe zwingen.

Darauf haben sie dieselben im Triumphe nach der Stadt geführet und alsbald alle zum Tode verurteilt. Wie nun der Störtebeker sein Todesurteil vernommen hat, hat es ihm keine sonderliche Freude gemacht und er hat dem Rat gelobet, wenn man ihn freiließe, so wolle er eine so große goldene Kette herbeischaffen, womit man ganz Hamburg umspannen könne. Der Rat aber hat solches entschieden ausgeschlagen.

Als nun bald nachher die Hinrichtung stattfinden sollte, hat's den Störtebeker doch gedauert, daß alle seine Kameraden seinetwegen ihr Haupt auf den Block legen sollten und hat gebeten: »Wenn ihr mir den Kopf abgeschlagen habt, so laßt mich gehen. Diejenigen meiner Kameraden, an denen ich ohne Kopf noch vorüberkomme, die mögen am Leben bleiben.« Diese letzte Bitte ist ihm denn auch gewährt. Als ihm der Kopf nun heruntergeputzt worden ist, fängt er auch wirklich an zu gehen und kommt noch an elf seiner Gesellen vorüber. Da strauchelt er und fällt tot nieder. Den elfen hielt man Wort; die übrigen aber, ihrer zwei und siebzig, wurden alle unter Trommelschlag und Pfeifenklang und unter dem Weinen und Klagen der Hamburger Frauen und Jungfrauen enthauptet. Ihre Köpfe wurden als Siegeszeichen dem Elbstrand entlang auf Pfähle gesteckt.

Aller Raub, den der Störtebeker zusammengebracht, fand sich zu Goldbarren gegossen in den hohlen Masten der Raubschiffe vor. Das Hemd und die Pantoffeln Störtebekers wurden bis auf den heutigen Tag aufbewahrt und werden in Emden gezeigt. Zu Marienhafe aber spukt es noch zur Nachtzeit, und dies wird also erzählt:

Wenn die Turmuhr die Mitternachtsstunde verkündet, hört man in den untern Räumen des Turmes ein gewaltiges Poltern und lautes Stöhnen; zuweilen auch sieht man dort eine männliche Gestalt wandeln, welche ihren blutigen Kopf unter dem Arm trägt. Das ist ein Räuber aus der Schar Störtebekers, der, hingerissen von der Schönheit eines edlen weiblichen Wesens nach demselben freite und, da sie seinen Antrag ablehnte, weil sie bereits einem jungen Ritter verlobt war, mit seinen Helfershelfern sie raubte, entführte und in den Turm zu Marienhafe brachte. Aber die Unglückliche zog den Tod der Schande vor, und stürzte sich aus dem Fenster des Gemaches in die sie verschlingende Flut.

Der Räuber wurde später enthauptet, aber das Grab konnte ihn nicht halten, er muß wandeln bis zum jüngsten Tage.

   

Eine andere Fassung ist mitgeteilt durch J. W. Leiner aus Berum in der Zeitschrift »Frisia« (1845, Nr. 29-30), betitelt:

IV. Der Turmgeist zu Marienhafe.

Ums Jahr 1413 regierte Keno ten Brook über einen größeren Teil Ostfrieslands, in dessen Gebiet auch der Flecken Marienhafe fiel. Dieser Ort lag damals dem Meer nahe und die Wellen rauschten bis an die Feldmark des Dorfes. Kühne, fremde (?) Seeräuber verbargen ihre Beute in dem Turm dieses Orts, den sie erhöht und befestigt hatten.

Ein Anführer dieser Korsaren ward unterm Volke sehr gefürchtet, ein wilder Räuber war's, dem Raub, Mord und Brand tägliches Bedürfnis waren. Einst segelte sein Schiff auf der Weser und ankerte in der Nähe eines waldigen Tales; er erblickte die Burg eines Ritters in der Nähe und sah auf dem Söller derselben ein Mädchen von wunderbarer Schönheit. Ungesehen von ihr, beobachtete er sie und fand sie so reizend, daß in ihm das Begehren nach ihrem Besitz sofort aufloderte. Nachdem er durch Kundschafter das Nötigste hatte erforschen lassen, brachte er unter der Maske eines Kapitäns eines größeren Hamburgischen Kauffahrteischiffes seine Werbung um ihre Hand an.

Er war zurückgewiesen worden. Seine Wut kannte keine Grenzen, er nannte sich beschimpft, entehrt, und schwur fürchterliche Rache. »Ihr Leben oder das meinige!«

Das Ritterfräulein hatte einen Verlobten, dessen Burg in der Nähe sich befand. Es war ein junger Ritter ohne Furcht und Tadel, und die Maid liebte ihn innig und treu. An einem Abend, als die waldumkränzten Bergesgipfel im Mondlicht zauberisch erglänzten, wandelten die Verlobten arglos in den Alleen des Burggartens. Da teilt sich das Gebüsch; wilde, bärtige Männer stehen vor ihnen; ein kurzer, heftiger Kampf, der Geliebte liegt ermordet am Boden, das Fräulein wird an Bord des Raubschiffes geführt und entführt und findet sich nach kurzer Zeit mit dem verschmähten Liebhaber auf offener See. Noch einige Zeit, und der Turm zu Marienhafe birgt die neue Beute.

Der Korsar ließ die Geraubte in ein trauliches Gemach seiner Festung führen, indem er wähnte, sie mit Liebkosungen kirren zu können. Sie entrang sich aber seinen Armen, seinen Gluten, entzog sich den brennenden Küssen der Wollust und eilte ans Fenster, ehe der Glücktrunkene ihre Absicht erraten konnte. Mit einem Schwunge stand sie auf der Außenbrüstung und – stürzte sich, so der Schande entgehend, heldenmütig in die laut aufbrausende Flut.

Lautlos stand der wilde Mann an der Mauer – ahnte er die göttliche Regierung? – Der Mut wollte nachlassen, aber mit Gewalt zog er sich wieder zu ihm hinauf, doch er hatte kein Glück mehr im Kampf, gefangen genommen, wurde er mit dem Schwerte enthauptet. Aber ungesühnt blieb sein Verbrechen, darum hat sein Geist im Grabe keine Ruhe und muß bis zum jüngsten Gericht als Gespenst herumirren. Sobald die Glocke mit dumpfen Schlägen Mitternacht verkündet, hört man im Innern des Turms furchtbaren Höllenlärm. Vielen ist sogar die Gestalt des Unholds, den abgehauenen blutigen Kopf unterm Arm haltend, erschienen. Manche wollen auch die weiße Gestalt des Fräuleins gesehen haben.

V. Ik laat di wüppen!

As de Toren to Marienhofe rede was, het sück idereen darover freit, un mennigeen het sien Kummherut, as 'n seggt, anschoten, un is na boven up den Toren gaan, um sück dat Wark antokieken. Darover was dat hilge Paaskedag worden, un twee Jungs ut 't Loog, de 's mörgens bi de Miss' mit sungen harrn, wussen nicks beters antofangen, as na de Toren to gaan. Dar maakden se nu een Weddenskupp, well up 't eerst mit sien Klumpen an d' Foten boven up d' Toren komen kunn. Dar gungt hen, hest nich, so löppst nich! un dat schälde gien Duum, of se kwammen beide togliek toven an. Darover gung dat van kiefen, well 't wunnen harr, un gieneen wull togeven. Up 't leste kregen s' nanner in de Haar, un slogen sück as arme Düfels, un de starkste kreeg sien Maat van achter to faten, un mit des stunnen se an de Butenkant. »Hebb ik 't wunnen?« reep he, un drückde hum an de Müür. »Nä!« reep de anner, »'n Schät hest du!« Un na Woorden un Tegenwoorden worden s' all kribbkopter, un t'lest sä de Starke: »Dann laat ick di wüppen!« »Good«, röchelde de anner, »ick hebb wunnen!« Un dar leet sien Kamerad hum fallen, un de Jung schoot up d' Kopp hendaal. »Düfel, wat 'n Fahrt!« Fahrt – hier die »Fallgeschwindigkeit« bezeichnend. sä de Nakieker to sück sülm, un keek ördentliek verschrickt ut. Man unse leeve Herrgott hullt sien Hand boven, un de Faller kwamm gelükkig un bequam up 't Hof to liggen, un harr nicks blessürt as sien Holsken, de wassen stücken fallen. As he nu weer upstunn, un de anner noch boven up de Toren staan sagg, reep he un kreet d'rbi: » Per Deum sanctum ego dicam praeceptori«, dat is: »Ick willt bi Gott den Mester seggen, dat du mien Holsken stükken maakt hest.« S. Beningas Chronik von Ostfriesland (Edit. Harkenroht) S. 356-7. – Die Sage kehrt an vielen Orten etwas verändert wieder.

VI. De Marjenhaver Toren.

G. H. van Senden.

Ick will ut en olde oostfreeste Kronik,
      Van Eggerit Beninga schreven,
Jo ins wat vertellen; Ji heft siens gelik
      Noch wal nümmer hört in jo Leven.

Ji kennt Marjenhave int Brokmerland,
      Un ji kennt ook de hoge Toren,
De jammerlik leßt 1821. dör de Blitz kwamm in Brand,
      Un do sien Kopp het verloren.

Int Jahr, do man schreef veerteinhunnert un twee,
       Wur de Toren dar upgetagen
Dör Klaas Störtebeker, een Rover up See,
       De loseerde dar in de Dagen.

Mit Ringen van Ihsder, un deep in de Grund
       Stunn de Toren dicht an de Hafen,
War Störtebeker sien Schepen an bund; –
       Man he was noch neet klar van baven.

Un Klaas, de ging eens dar ut sien Kluus,
       Wull halen de Hambörger Schepen,
Man nümmer kwamm he hier wär to Huus,
       De wassen hüm vööls to geslepen.

So stunn nu de Toren bi söventig Jahr;
       Dat much woll all mennig verdreten.
Toleßt sä Graf Ulrich: De Toren sall klar,
       Dat do ick bi Strafe jo heten!

Nu kwamm der boll Junk un Old up de Been; –
       Denn dwingen geit gauer as beden –
Se sleepden mit Pannen, mit Kalk un mit Steen
       Un reppden de Handen un Leden. Glieder.

Se timmerden laat, un se timmerden vroog,
       Der was Geld int Land un 't was Frede;
Un üm dat nu elk sien Last geren droog,
       Was dat grote Wark ook boll rede.

Un do nu de Toren stunn rede un klar,
       't was nett in de hillige Dagen
Van Sünt Jaabk', Sünt Marten of een van de Schar, –
       Dar mag ick neet wider na fragen:

Do trucken de Minsken van wiet un van siet
       Up hör Sönndags na Marjenhave
To Foot un to Pär, un haast elk namm sück Tiet,
       Dat he keek of gunk na baven.

De een, de stunn baven un keek övert Land,
       Över Meeden un Wolden un Felden,
Sagg Torens un Karken un Börgen bekannt
       Un Loogen, to vööl üm to melden.

De anner stunn baven un keek in de See,
      Keek wiet över Watten un Dieken,
Sagg Börkem un Bant un Nördernee
      As wull he sien Ogen utkieken.

Un do se so keken, un freiden sück dran,
      Was Twist unner Jungens verhaven:
Se weddeden, wel mit sien Holsken wol an
      Hett erste kunn klimmen na baven.

Nu ginkt mit Gebalske de Trappen in d' Höcht,
      Se sprungen, se lepen, se kropen,
Dar wurr mit alle Kraft versöcht,
      Sück swögend vörbi to lopen.

De Eene, de't wunn, froog nu an üm sien Geld:
      Man d' Anner wull hüm dat verkekeln.
Erst bleef dat bi Kiven; man bol wurrt gestellt
      Up schüppen un wrösseln un rekeln.

»O, Jungens! o denkt üm de Stä, war ji staht,
      So dicht an de Kant, 't kunn jo slippen!«
Man slaande Jungens, de hört na geen Rat;
      Se söchden noch 't Been sick to wippen.

Un do se sick schaven un wippden dat Been,
      Wurr d' eene na buten gehaven:
Un eer sick de anner dat wol harr versehn,
      Sleit he weg – un fallt der van baven! –

He suust dör de Lücht, un he plumpt as 'n Steen
      Der entelk up't Karkhoff tohopen.
Man Wunner! – he leeft noch – he kummt wär to Been
      Un söcht sine Klumpen, to lopen!

He fund se bi Stücken, man nimmt se doch up,
      Röppt kritend: »Dat sall ick neet swigen!«
Dat segg ick de Mester, dat kummt up dien Kopp,
      Du sallst dien Betalung woll krigen!«

Dat is dat Vertellsel ut d' olle Kronik
      Van Eggerik Beninga schreven,
Nu wedd ick, dat Ji der noch geen siens gelik
      Heft hört of leest in Jo Leven.


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