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Deutsche Seehelden zur Römerzeit

I. Deutsche Seehelden aus alter Zeit.

Unter dem Soldatenkaiser Probus, der von 276 bis 282 nach Christi Geburt das gewaltige römische Reich regierte, ereignete sich ein merkwürdiges Abenteuer. In der grauenvollen Verwirrung, welche der Herrschaft des Kaisers Aurelian vorausging, waren germanische Völker nicht allein tief in Gallien eingedrungen, sondern hatten sich die am Rheine wohnenden Franken wie die Friesen selbst in das Weltmeer gewagt, Spanien heimgesucht, den Eingang ins Mittelmeer erkundet und Tarragona (Barcelona gegenüber) geplündert. Kaiser Probus hatte hierauf Gallien von dieser Geißel befreit und Tausende aus dem germanischen Rheinfranken in die fernsten römischen Provinzen und bis nach dem Schwarzen Meere (Pontus Euxinus) verpflanzt. Aber Sehnsucht nach der nordischen Heimat und altgewohnten Freiheit ergriff die am äußersten Ende der Römerwelt Angesiedelten und trieb sie zu einem Wagstück, welches kaum glaublich wäre, stimmten nicht alle Nachrichten überein. Sie bemächtigten sich so vieler Schiffe, als sie vermochten, vertrauten sich dem unbekannten Meere und schreckten die Küsten von Asien und Griechenland, landeten in Afrika; abgewehrt durch die Besatzung von Karthago, schifften sie nach Sizilien hinüber, plünderten Syrakus, fanden den Ausweg bei Gades (Gibraltar), und erreichten, indem sie Spanien, Portugal und Frankreich umfuhren, glücklich die vaterländische Küste. Die Römerwelt war starr vor Erstaunen, und wären die Heldenlieder, welche Karl der Große gesammelt, nicht verloren gegangen, so fände sich gewiß eines darunter, welches diesen merkwürdigen deutschen Argonautenzug besungen. Aber auch unbesungen ist dieser Zug das erste prachtvolle Zeugnis, daß zu einer deutschen Seemacht die Hauptsache da war: der deutsche Seemann.

Und wie sah die Nautik dieser Seehelden aus! Betrachten wir uns das Urschiff der deutschen Nordsee. Es war ein kleines, scheinbar gebrechliches Fahrzeug auf einem Kiele von knorrigen Eichen, die schwanken Rippen mit Weidengeflecht oder Tierhäuten verbunden, Tierfelle das Segel. In seiner anfänglichen Gestalt nahm dieses Fahrzeug nicht mehr als drei Mann auf, ausgebildeter und mit Ruderbänken versehen, höchstens dreißig. Mit diesen Schiffen drangen die Deutschen in die innersten Schlupfwinkel der Flüsse ein, nahmen es aber auch mit der ungestümen See auf. Sämtliche zweiunddreißig Winde der Schiffsrose haben uralte deutsche Namen und der deutsche Naturseemann verstand mit je einem Winde nach zwanzig verschiedenen Richtungen zu fahren. Ohne Magnetnadel, ohne Seekarten, mit geringer Kenntnis der Gestirne, welche oft noch der Nebel verdeckte, den Vogelflug, das Treibholz des Meeres und ähnliche Erscheinungen mit scharfem Auge beobachtend, so fand der seefahrende deutsche Waghals jeden Weg, den er finden wollte. So beunruhigten die Friesen, die Chauken, die Bataver die Küsten des Römerreiches in Frankreich und Spanien, wo sie ebenso wohlbekannte als gefürchtete Gäste waren. Noch war von einem national-einheitlichen Seestaat nicht die Rede, aber schon tat er die ersten tieferen Atemzüge in den Unternehmungen jenes Chaukenanführers Ganaskus gegen die gallischen Küsten (50 nach Chr. Geb.), jenes Claudius Civilis (70 nach Chr. Geb.), welcher seinen batavischen Freiheitskampf auch mit Flotten unterstützte, jenes Carrausius (287 nach Chr. Geb.), welcher Britannien angriff und sich eine Zeitlang als Kaiser behaupten konnte. In diesen Namen finden wir schon repräsentiert, was wir heute einen deutschen Admiral nennen würden, und ihr planvolles Zusammenfassen größerer Kraftleistungen zu einem einheitlichen Ziele ist des Namens einer National-Unternehmung nicht unwert. Es sind die ersten nicht ganz geringfügigen deutschen Marinetaten. Und wie die deutschen Landheere der Völkerwanderung die römischen Provinzen eroberten, so eroberte bald auch eine deutsche Flotte ein römisches Inselreich: – Britannien. Wir meinen den Zug der Angelsachsen unter Hengist und Horsa (um 450 nach Chr.). In diesem Geschichtsabschnitt faßte das deutsche Schiff schon hundertfünfzig Mann und hatte Vorder- und Hinterkastell – mit einem Worte, es war eine technische Verbindung des deutschen Urschiffs mit der römischen Galeere, diesem Kinde des Mittelmeeres. Denn wie Germanikus sehr bald nach der Natur der Nordsee sein Römerschiff umbauen lernte, so hatten auch die Deutschen gelernt, das Brauchbare und Vollkommene der Galeere ihren Verhältnissen anzupassen. Ihre Nautik stand schon in den Anfängen der Wissenschaft.

Der Seezug der Friesen unter dem Titel: »Der Friesen Römerfahrt« ist wie folgt in Vers und Reime gebracht worden:

II. Der Friesen Römerfahrt.

Friedr. Sundermann.

1. Die Verbannung.

Man sagt: Die Not lehrt beten! –
      Auch kämpfen lehrt die Not:
Den meerumbrausten Friesen
      Zwang sie ins kleine Boot:
Gebrechlich, rank, verbogen, –
      Doch fest der Eichenkiel;
Zerbrach selbst Haut und Rippe,
      Der Schwimmer kam auf ihm ans Ziel.

Im Kampf mit seinem Dränger
      Wuchs sturmesfest heran
Zum unbezwung'nen Zwinger
      Der Seegestade Mann;
In nerv'ger Faust das Ruder,
      Zerteilte er die Flut;
Im scharfgeschnitt'nen Schiffe
      Kühn trotzte er der Wogen Wut.

An ferner Küste landen
      Sah man zu Probus Zeit
Die wilden Sturmesreiter,
      Die Berserker im Streit; Berserker – panzerbloß, ungepanzert, ohne alle Verteidigungsmittel. So hieß ursprünglich ein Enkel des gewaltigen nordischen Kriegsfürsten Stärkodder. Von ihm ging der Name auf alle kampfwütigen Nordländer über. Ein Berserker war derjenige Krieger, der eine bis zur Raserei gesteigerte Tapferkeit bewies.
Gallien und Hispanien
      Durchzuckt' ihr scharfer Schlag,
Daß schon aeterna Roma »Das ew'ge Rom«; diesen stolzen Titel führt die Stadt seit der Kaiserzeit vor ungefähr 1900 Jahren. Auch für sie gilt freilich das Wort: »Einst wird kommen der Tag, wo die heilige Ilias hinsinkt!« Rom ist weder ewig noch unfehlbar.
      Erzitterte dem gleichen Tag.

Da galt es Unheil wenden,
      Des starken Unholds Wehr
Auf immer unterbinden:
      Losreißen ihn vom Meer! –
Und kaiserliche Adler
      Durchrauschten unser Land,
Zerfleischten und vertrieben
      Zehntausende vom Nordseestrand.

Ans Joch gefesselt, zogen
      Im Karren Weib und Kind,
Die auf des' Weltmeers Wogen
      Getrotzt in Flut und Wind;
Ohnmächtig, zähneknirschend
      Trug sie der schwere Fuß,
Vom Schergenhieb erlahmend,
      Zum fernen Pontus Euxinus. Der Pontus Euxinus ist das Schwarze Meer zwischen Europa und Asien, dessen westliche und nordwestliche Küsten von Donau, Dniepr, Dniestr und anderen breitausmündenden Flüssen teilweise versumpft werden.

Ungastlichem Gebreite
      Gab man die Müden preis,
Hohnlachend sie verweisend
      Auf ihrer Hände Fleiß:
»Mäht hier das Schilf im Sumpfe,
      Baut Schiffe Euch daraus,
Und segelt, wie vor Zeiten
      Damit auf Raub und Beute aus!« –

Wohl glaubte sie zu beugen
      Der Römer leichten Kaufs,
Kannt' aber nicht die Härte
      Vom Eisen ihres Knaufs,
Kannt' nicht das Stahl der Klinge:
      Den festen, freien Sinn,
Trutzig und ungebrochen! –
      Wahr Dich, Du stolze Siegerin!

2. Der Aufbruch.

Den wild verweg'nen Recken
      Im unwirtlichen Land
Auf meilenweite Strecken
      Verteilt am Pontusstrand:
Kein bitt'rer Los gefunden
      Ward nun und nimmermehr!
Die allertiefsten Wunden
      Gehauen brannten nicht so sehr.

Die Weiber hetzten, schürten
      Geheimen Herzensbrand:
»Die uns gewaltsam führten,
      Sind nur aus welschem Land!
Welsch ihre Bubentücke!
      Welsch, was sie sich erfrecht!
Verbrannt ist jede Brücke –
      Zahlt ihnen heim nach Rächerrecht!«

Kaum, daß ein Jahr entschwunden
      Im wüsten Skythenland, Der griechische Geschichtschreiber Herodot nennt das Land nördlich vom Schwarzen Meere Skythien, das spätere Sarmatien, jetzt Süd-Rußland.
Sah man getrennt verbunden
      Das Volk vom Friesenstrand,
Fünfhundert Rächer brachen
      Niconiums festes Tor, Römerstadt am Ausflusse des Danastris, heute Odessa.
Erwürgten und erstachen,
      Was ihnen kam dem Schwerte vor.

Entsetzen lähmt' den Bürger,
      Scheu suchte er Asyl,
Daß er dem wilden Würger,
      Dem Schwerte nicht verfiel; –
Und so im blut'gen Rahmen
      Zum Hafen lenkt' der Zug,
Ein Dutzend Kiele Ursprünglich für Schiff; später eine besondere Schiffsart mit breitem Deck und großem Raum für Fracht; hier als Frachtschiff angenommen. nahmen
      Die Meereswölfe hier im Flug.

Hei! wie die Segel schwellen,
      Die Ruder schlagen ein
Jetzt auf des Pontus Wellen
      Im Morgensonnenschein!
Ob ungefüg' die Rümpfe,
      Ob ungestüm der Wind:
Sie fahren an die Sümpfe
      Und borden Mann und Weib und Kind.

Da strahlen Freudenblicke
      Aus jedem Angesicht;
Gelöst vom Bann und Stricke,
      Schreckt sie die Fremde nicht;
Sie atmen Meeresdüfte,
      Sie tanzen auf der Flut
Frei durch die freien Lüfte! –
      Wahrt nun, ihr Römer, Gut und Blut!

3. Der Ausbruch.

Auf fremden Meerespfaden
      Bangt manchem Fahrensmann
Vor Klippen, Felsgestaden,
      Kampf, Irrsal, Sturmesbann:
Tollkühne Wogenpflüger
      Der Meermaid Frisia
Sind allenthalben Sieger
      Den Winden, Wellen, Waffen da.

Wie schlüpften sie behende
      Im Isterdelta um,Ister: die Donau, Isterdelta die Donaumündungen.
Und hausten ganz elende
      Gleich zu Niconium;
NicopolNicopolis war die Hauptstadt der römischen Provinz Mösia, das heutige Nikopoli in Bulgarien. selbst, die Feine,
      Mösia's Kronjuwel,
Ward schier zerhaun in Steine,
      Kein Hieb ging an den Römern fehl.

Die reiche Küstenflotte
      Bei Tomi Tomi, Stadt in Mösia. Rom ließ sich durch seine Flotten die Produkte der Pontusländer heranholen. übermannt,
Ward von der flinken Rotte
      Geentert und verbrannt;
Galeeren zum Geleite
      Gewann man zornesmut,
Besetzte sie zum Streite
      Und schiffte kecker durch die Flut.

Das ist ein fröhlich Stürmen
      Im Well- und Waffentanz!
Du mit den stolzen Türmen
      Erzittere, Byzanz! Byzanz oder Byzantium, das heutige Konstantinopel, vom thrakischen Fürsten Byzas gegründet; römisch seit 148 v. Chr.
Der Mordstahl zuckt hernieder,
      Blut fließet stromesgleich,
Der Rache grimme Hyder
      Zerfleischt am Bosporus das Reich. Rom hatte sich in den letzten Jahrhunderten vor Christus bis hierher ausgedehnt und verlegte selbst 330 n. Chr. seine Residenz nach Byzanz oder Roma Nova (Neurom).

Nicht ruhen und nicht rasten!
      Ist ferner Losungswort.
Fittiche an den Masten
      Beflügeln jeden Bord;
Der Bug zum Inselmeere
      Gekehrt, wirft Schaum an Deck;
Die Schwerter, Schilder, Speere
      Erklingen rings an Bord und Heck.

Was Wunder, daß ein Grausen
      Die Völker rings ergriff:
Ein Ruck! ein Sturmesbrausen!
      Und vorwärts ging's zu Schiff! –
Was nie die Welt gesehen,
      Tat hier der Friese kund.
Starr sah man staunend stehen
      Die stolze Roma überwund.

4. Eine Landfahrt.

In Saus und Braus ersiegen
      Schoenus sie, Sarons Port; Die Landenge von Corinth hat östlich den saronischen Golf, westlich den corinthischen. Schönus war der Haupthafen im saronischen Golf, wo Waren, und durch Maschinen selbst Schiffe über die Landenge, die dort am schmälsten ist, gebracht wurden. In der Nähe lagen Waldungen, darunter der Hain Craneum.
Im heitern Hafen wiegen
      Die Kiele Bord an Bord;
Die Wimpel, Weiber, Wachen
      Sind Hüter hier am Hain,
Vom Bug die schupp'gen Drachen Die Schiffsschnäbel waren wie Drachen geformt, eine sehr beliebte Verzierung und Anspielung der Nordländer.
      Verwundert schaun in's Land hinein.

Die Männer sind gestiegen
      Den Isthmus stracks hinan; Isthmus, die Landenge.
Sie möchten schneller fliegen
      Auf ihrer Sturmesbahn,
Sie möchten bald erspähen
      Bekanntern Küstenrand,
Sie möchten, daß sich blähen
      Die Segel heim zum Nordseestrand.

Da stehn sie auf den Hügeln
      Am Golfe von Corinth: Am corinthischen Golf lag der Hafen Lechäum.
»Hui! könnten wir auf Flügeln
      Herüber nur geschwind!? –
Einhundert Tage fahren
      Wir schon auf flottem Kiel,
So treffen wir nach Jahren
      Erst wieder heim am fernen Ziel.« –

»Die welschen Prahler haben –
      Seht den verfallnen Schacht –
Ein Sundbett angegraben,
      Doch keinen Ernst gemacht! Der römische Kaiser und tolle Verschwender Caligula (37-41 n. Chr.) traf kostspielige Vorbereitungen zum Durchbruch der Landenge von Corinth. Nach ihm plante der reiche Römer Herodes Attikus um 120 n. Chr. den Durchstich derselben. Das angefangene Sundbett ist noch heute sichtbar, wo man unter General Türr's Leitung die Landenge wirklich durchgeschnitten hat.
Auf! laßt uns ihnen zeigen,
      Was Manneswille schafft!
Schirmer der nord'schen Eichen,
      Versagt uns Wodan Wodan (Odin) war der hehrste Gott der germanischen Völker. nicht die Kraft!«

Nun geht es an ein Bauen
      Und Rüsten hier und dort,
Die wackern Friesenfrauen
      Verstehn ein halbes Wort; –
Bald sehn die Ephyräer Corinth hieß ehedem Ephyra.
      Seltsamen Wanderzug:
Die Schiffe rücken näher,
      Auf Walzen rollen Kiel und Bug.

An Tauen ziehn die Knaben
      Im Wechsel Schar um Schar;
Jauchzend die Mädchen traben
      Daneben Paar bei Paar;
Die Weiber still geschäftig
      Mühn, wo die Fahrt sich hemmt;
Die Männer schieben kräftig,
      Die breiten Schultern angestemmt.

So fährt der Friesenhaufen
      Vorüber an Corinth,
Aus den Tabernen Tabernen sind Schenken, Weinhäuser. laufen
      Die Griechen hohngesinnt;
Den nordischen Barbaren Mit diesem melodischen Sammelnamen deckten die Römer die von der lateinischen Kultur noch unbefleckten Völker.
      Nachsenden sie den Fluch:
»Zum Hades Hades ist die Unterwelt, die Welt der Verdammten. mögt ihr fahren!« –
      Nach Gades Gades ist der Name für das heutige Cadix in Spanien, in der Nähe der Meerenge von Gibraltar. freilich möcht' der Zug.

»Hurra!« – Jöniens Jönien sind die Westteile und Westinseln Griechenlands; das jönische Meer ist das Meer zwischen Griechenland und Unteritalien. Wogen
      Empfangen Schiff auf Schiff;
Zakynthus Zakynthus ist die jetzige Insel Zante am Ausgange des Meerbusens von Corinth. wird umzogen,
      Motto: Schlag zu und triff! –
Vom frischen Ost getragen,
      Und doppelt frisch an Mut,
Die frohen Rotten jagen
      Die Flotten durch Sikeliens Das Jönische Meer hieß auch Mare Siculum oder das sikelische Meer. Flut.

5. Die Rast.

»Trifurzer – Erzhalunken! –
      Ergastularii –
Züchtlinge! – Tiefgesunkne
      Seebestien! – Hundevieh!« –
So holde Namen boten
      Erbost die Römer an
Mit Noten und mit Zoten
      Dem eingedrung'nen Fahrensmann.

Der kehrte sich den Henker
      An weibisches Gebrumm
Der Ränker und der Zänker
      Rundum in Bruttium. Die unterste Halbinsel Italiens.
Mit hündisch-eklem Bücken
      Bei tückischem Gebiß
Darboten ihre Rücken
      Heraclea und Sybaris. Durch Schwelgerei berüchtigte Städte am Meerbusen von Tarent.

Wo die Orangen glühen
      Im dunkelgrünen Hain,
Die Mandeln rötlich blühen,
      Aufflammt ein heißer Wein,
Im sonnbestrahlten Garten,
      Im Land Italia,
Verfielen diese harten
      Seemänner auf Allotria.

In Torkel und Taberne In Kelter und Schenke.
      Bei Weib und Wein und Tanz
Vergaßen sie der Ferne,
      Der Heimat Inselkranz;
Versäumten sie die Siege,
      Verpraßten ihre Kraft,
Verwirrten ihre Riege,
      Und rührten weder Schwert noch Schaft.

Doch wie allmählich steigend
      Aufkämpft aus tiefer Nacht, –
Sich ihren Meister zeigend –
      Des Nordlichts Flammenpracht;
Wie wenn geweckt vom Grollen
      Des Donn'rers weit vor Tag
Die Feuerbälle rollen,
      Und prasselnd fallen Schlag auf Schlag:

So gab ein leises Flüstern
      Vom nahen Ueberfall –
Nach dem die Römer lüstern –
      Gewalt'gen Widerhall:
»Halloh! Schart euch zusammen!
      Es gilt der Wölfin Rom, Die Sage will, daß die Begründer der Stadt Rom als Knaben ausgesetzt und von einer Wölfin gesäugt worden seien. Die Wölfin ist das Wahrzeichen Roms.
Die Donar Donar: der Donn'rer, der germanische Donnergott, das Gewitter. mög' verdammen
      Unterzugehn im Feuerstrom!«

Der grimme Herzog Eber Auf den See- und Heereszügen der nordischen Völker übernahmen Herzöge die Anführung.
      Herrscht' es den Seinen zu;
Da hatten Wein und Weiber
      Und Würfel plötzlich Ruh.
»Setzt ein! holt durch die Remen!« Schiffsbefehle. Remen oder Riemen sind Ruder.
      »Hoiho!« – Aufspritzt der Schaum!
»Jetzt mag sich Rom bequemen,
      Zu folgen uns mit Peitsch' und Zaum.«

6. Die Schwäche.

Nun gilt es jagen, eilen,
      Wer eher kommt, Hurra!
Nicht lang darf man verweilen
      Im Land Sicilia:
Messana wird verhauen,
      Catana obendrein,
In Syracusä schauen
      Sie von den Molen nur hinein. Die kleineren Häfen Messana (jetzt Messina) und Catana (jetzt Catania) standen an Befestigung der bedeutenden Seestadt und Festung Syrakusä (jetzt Syrakus) weit nach, letztere konnte nicht im Fluge genommen werden.

Denn überm Meere glänzen
      Sah man im Sonnenschein
Ein stolzes Schloß, es kränzen
      Das hohe Stadt und Hain:
Byrsa, Karthagos Feste,
      Einst stolzer noch erschaut,
Als Hannibal, der beste
      Der Punier, hoch es aufgebaut.

Hinüber fliegt die Bande
      Den Spähern hintennach;
Auf afrikanschem Sande
      Trifft sie der erste Schlag;
Die sybaritschen Lüste
      Ursachten blasses Blut,
An dieser heißen Küste
      Nordischen Männern nimmer gut.

Nordafrikansche Krieger
      Von Sudans weitem Plan
Sind solchen Feinden Sieger,
      Wo sie der Küste nahn;
Karthago bleibt erhalten
      Und Utika hält Stand;
Das tolle Köpfespalten
      Verdirbt manch' Waffen und Gewand.

So allzuweit verschlagen Doppelsinnig, da sie sowohl bis Afrika gekommen als auch hier zurückgewiesen waren.
      Valediziert Valedizieren – Abschiednehmen. der Chor,
Vor Rom sich zu erjagen,
      Was er an Ruhm verlor;
Eber, der grimme Degen,
      Sprach: »Urtikation Anspielung auf die Niederlage vor Utika.
Der Nesselschlag – gelegen
      Schafft er Regeneration!« Erneuerung, Wiederherstellung.

7. Der Ueberfall.

Und wie die Segel schwellen,
      Vom rauhern West belebt,
Die Augen sich erhellen,
      Die schwere Brust sich hebt:
»Das ist nicht mehr der rote
      Südwind vom Wüstenland, Der Scirocco.
Das ist ein Heimatsbote,
      Vom nahen Ozean gesandt!«

»Vorwärts denn! Romas Härte,
      Der Stolzen, einst gedämpft
Von Brennus' schwerem Schwerte, Im Jahre 389 vor Chr. wurde Rom durch die Gallier unter Brennus zerstört. Als die Römer bei Ablieferung der Kontribution an den Sieger sich über das unrichtige Abwägen der Kostbarkeiten beklagten, löste Brennus sein schweres Schwert nebst Wehrgehenk von der Seite und warf es auf die Wage mit den Worten: »Wehe den Besiegten!«
      Sei nun von uns bekämpft!« –
Neapolis zur Seiten,
      Vesuvius' PinieDie über dem Feuerberge Vesuv stehende Rauchwolke hat bei stillem Wetter die Gestalt eines Pinienbaumes.
Drohend die Drachen reiten
      Gen Ostia die tyrrhensche See.Die tyrrhenische See ist das Meer zwischen Sicilien und Italien. Ostia ist der Hafen Roms am Ausflusse des Tiberflusses.

Auf Sturmeswellen fliegen
      Im Mare InferumDas untere Meer zwischen Sardinien und Unteritalien.
Die tollen Gäste, biegen
      Herum nach Antium;Eine Seestadt der Volsker, nahe vor Rom.
Als sie Misenum nahen,
      Der Flottenstation,Der Kaiser Augustus errichtete hier zum Schutz des Mare inferum und Roms um Chr. Geburt eine Flottenstation.
Da streichen an den Raën
      Die Segel sie in Spott und Hohn:

»Gruß euch, ihr tapfern Mannen!
      Augustus steh euch bei,
Daß, eh' ihr fahrt von dannen,
      Triton Der Meeresgott. euch gnädig sei!
Euch hat er, da wir eilen,
      Noch ein'ge Tage Zeit
Gestattet zum Verweilen! –
      Drum nochmals Gruß! Ade, ihr Leut!« –

Mit vollen Segeln jagen
      Sie in den Tiber ein,
Zerstören mit Behagen
      Des Pharus Leuchtfeuer. Feuerschein;
Den Villen Lusthäuser der Reichen am Gestade
      Kräht hell der rote Hahn,
Den Lüstlern dort im Bade
      Wird alle Schwäche abgetan.

Die heil'ge Insel Der Tiber macht bei seiner Mündung eine Insel, die heilige Insel genannt, weil sie dem Heilgotte Aeskulap geweiht war; hier gab es kostbare Anlagen. weihen
      Sie als besondern Ort:
Götter und Helden Die vielen dort aufgestellten Steinbilder (Statuen) derselben. reihen
      Sie rund herum den Port:
»Neigt euch!« – ein Stoß, da liegen
      Die Statuen zugleich,
Und noch ein Stoß, da fliegen
      Sie hohlen Schlags in Consus' Ein Beiname des Meeresgottes Neptun. Reich.

»Jetzt, Welsche, mögt ihr beten
      Zum unbekannten Gott,
Denn Donar ist vonnöten
      Uns, der Barbarenrott';
Auch werdet ihr nicht loben,
      Wie er sich dienen läßt!« –:
Die Flammen züngeln oben
      Ringsum! – Das war das Opferfest!

8. Die Abwehr und Heimkehr.

Ein Siecher bang erzittert,
      Wenn er, geschärft den Sinn,
Unheimlich Dröhnen wittert,
      Nicht weiß: Woher? wohin? –
So lag die Urbs Rom wurde im Gegensatz zu seinen Provinzen auch einfach »die Stadt« genannt.] in dumpfer
      Erschütt'rung diese Frist,
Hinbrütend wie ein stumpfer
      Geselle ohne Mut und List.

Schon nahen die Barbaren
      Mit dem Hurrageschrei,
Die wüsten Horden fahren
      Dem Almo Ein Flüßchen, welches unterhalb Roms in den Tiber fällt. schon vorbei,
Schon schwenken sie die Äxte
      Und Schwerter –: doch sieh hin! –
Sie kommen aus dem Texte? –
      Was wirrt der Wilden wüt'gen Sinn?

Vom Aventin Der dem Meere zunächst gelegene Hügel Roms, welcher ziemlich steil zum Tiber abfällt. geritten
      Kam flink ein Reiterhauf;
Sein Führer aus der Mitten
      Sprengt vor im Sturmeslauf,
Sprengt an des Tibers Fluten
      Und ruft mit Donnerton:
»Gebunden sind die Ruten
      Zur Zücht'gung eurer Rebellion!«

»Zurück! schon sind die Klingen
      Der Tapfersten gezückt,
Das Totenlied zu singen,
      Die lebend sie zerstückt!
Schon kommt herabgeschwommen
      Der Schiff' und Männer Wall –
Da seht! – die Ersten kommen! –
      Tod euch! – Schmach eurem Überfall!« –

Rief's, faßte fest die Zügel
      Und sprang, dem Trupp vereint,
Gehoben hoch im Bügel,
      Von oben in den Feind!
Ein Knäuel, wild verworren
      Erwuchs dem Reiterstück,
Das wie ein böser Knorren
      Zum Bruche bracht' der Tollen Glück.

Was soll ich weiter singen
      Und sagen diesem Tag? –
Wohl wüteten die Klingen –
      Der Römerheld – erlag!
Stromab die Friesen zogen,
      Sie schlugen sich zum Meer,
Das schon auf raschen Wogen
      Roms Küstenflotte trug daher.

Zerhauen und zersplissen,
      Zerfetzt, gehetzt, verstreut,
Zerschlagen und zerrissen
      Ward diese Flotte heut!
Das war der Akt, der letzte,
      Den Latiums Küsten Die Landschaft, in welcher Rom lag. sahn,
Dann zog der argverletzte
      Seehaufen heimwärts seine Bahn.

Entronnen den Gefahren
      Hielt er verschnaufend Rast
Im Schutz der Balearen, Die Inseln der berühmten Schleuderer im iberischen Meere, ostwärts Spaniens, auf halbem Wege zur Meerenge von Gibraltar.
      Ein ungebet'ner Gast;
Erfragte im Verweilen
      Weg und Viatikum, Zehrung, Reisegeld.
Um vorwärts dann zu eilen
      Gen Calpe und Brigantium. Calpe, die spanische »Säule des Herkules« oder Gibraltar. Brigantium, jetzt Corunna in Asturien am atlantischen Ozean zum Golf von Cantabrien oder Biscaya.

Hoiho! im Ozeane,
      Wie weitet sich die Brust!
Wie weht die rote Fahne!
      Wie wogt das Meer vor Lust! –
»Gegrüßt! ihr wackern Leute« –
      Jauchzt Well' um Welle laut –
»Nicht jagtet ihr nach Beute,
      Ihr strittet tapfer um die Braut!«

»Dem giftgeschwoll'nen Drachen,
      Der Land und Volk verschlang,
Zertratet ihr den Rachen,
      Daß ihm ward angst und bang.
Nun fahrt gerüst, ihr Mannen
      Und Helden wohl bewährt,
Was Welsche euch ersannen,
      Geahndet ward's mit scharfem Schwert!«

Hei! wie die Wasser brausen
      Hochauf im Siegeston!
Glückhaft die Winde sausen:
      Sie sind's! Sie kommen schon!«
Gischend im Häff erbranden
      Die Riffs in alter Art:
»Willkomm daheim!« – Sie landen! –
       Das war der Friesen Römerfahrt!


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