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Titus Flavius Domitianus.

1. Domitianus wurde am 24. Oktober, während sein Vater zum Konsul designiert war und am nächsten Monat sein Amt antreten sollte, in der sechsten Stadtregion im Quartier zum Granatapfel » Zum Granatapfel«, ad malum Punicum, hieß die Gegend als Quartier. S. Realencyklopädie VI, 1, S. 528. Vielleicht war es auch nur Name eines Platzes., in einem Hause geboren, welches er später in den Tempel des Flavischen Geschlechts verwandelte. Seine Knaben- und erste Jünglingszeit soll er in solcher Dürftigkeit und Schande verlebt haben, daß er kein einziges Silbergefäß in seinem Gebrauch hatte; auch steht es hinreichend fest, daß Clodius Pollio, ein Mann prätorischen Ranges, auf welchen das Gedicht Neros geht, das den Titel »Der Einäugige« führt, von ihm ein eigenhändiges Billet aufbewahrt und zuweilen gezeigt hat, in welchem er ihm eine Nacht versprochen hatte. Auch haben einige behauptet, Domitian sei ebenso von Nerva, der später Nachfolger wurde, gemißbraucht worden. Im Vitellianischen Kriege flüchtete er sich mit seinem Vaterbruder Sabinus und einem Teile der vorhandenen Truppen aufs Kapitol. Als aber die Feinde eindrangen und der Tempel in Brand geriet, brachte er die Nacht heimlich bei dem Tempelaufwärter zu, worauf er am folgenden Morgen in der Verkleidung eines Isispriesters Siehe oben Otho, Kap. 12. inmitten einer Gesellschaft dieser Diener eines eitlen Götzendienstes entwischte und sich jenseit des Tiber zu der Mutter eines Schulkameraden mit nur einem Begleiter begab, wo er sich so gut verborgen hielt, daß die Spürhunde, welche ihm auf dem Fuße gefolgt waren, ihn trotz aller Nachforschungen nicht ausfindig machen konnten. Ausführlicher Tacitus, Historien III, 74. Erst nach dem Siege (seines Vaters) kam er aus seinem Versteck hervor, wurde als Cäsar begrüßt und übernahm das Ehrenamt eines Stadtprätors mit konsularischer Gewalt, doch nur dem Namen nach, denn die wirkliche Ausübung der Rechtspflege übertrug er seinem nächsten Kollegen. Im übrigen übte er die ganze Machtgewalt seiner Stellung als kaiserlicher Prinz auf eine so übermütige Weise aus, daß er schon damals zeigte, was man künftig von ihm zu erwarten habe. So erlaubte er sich – um nur einige Beispiele zu erwähnen – gegen die Ehefrauen vieler Personen die gröbsten Unanständigkeiten, entführte sogar die Domitia Longina ihrem Ehemanne, dem Älius Lamia, und nahm sie selbst zur Frau; auch vergab er an einem Tage über zwanzig Stellen für Rom und für die Provinzen, so daß Vespasian wiederholt äußerte:» er wundere sich, daß er nicht auch ihm einen Nachfolger schicke«.

2. Auch einen Feldzug gegen Gallien und gegen die germanischen Länder Man sehe darüber Tacitus, Historien IV, 68; 85-86. Er kam nicht weiter als bis Lyon, da Cerealis den Feldzug gegen den Civilis bereits beendet hatte. unternahm er, obschon ganz unnötigerweise und gegen den Rat der Freunde seines Vaters, bloß um sich an Leistungen und Ansehen seinem Bruder gleichzustellen. Darüber wurde er von seinem Vater gehörig ausgescholten; und um ihn an seine Jugend und seine Stellung zu erinnern Domitian war damals erst achtzehn Jahre alt. mußte er seitdem bei seinem Vater wohnen und dessen und des Bruders Prachtsessel, wenn beide sich öffentlich zeigten, in einer Sänfte folgen, wie er denn auch den judäischen Triumphzug beider auf einem weißen Pferde begleitete. Von seinen sechs Konsulaten bekleidete er nur eins als ordentlicher »Ordentliche« ( ordinarii) hießen die Konsuln, die am ersten Januar ihr Amt antraten und die Ehre hatten, daß nach ihnen das Jahr bezeichnet wurde. Ihnen entgegengesetzt sind die Ergänzungskonsuln ( suffecti) und die Titularkonsuln ( honorarii). Konsul und auch dies nur, weil sein Bruder zurücktrat und seine Bewerbung unterstützte. Auch er selbst wußte sehr geschickt den Bescheidenen zu spielen; vor allem heuchelte er Neigung zur Poesie, mit der er sich früher nie zu tun gemacht hatte und die er später mit Verachtung von sich warf; ja, er trat sogar öffentlich mit Vorträgen auf. Alles, um, wie Tacitus sagt (Historien II, 86), die innersten Neigungen seiner Seele zu verhüllen und zu zeigen, daß er sich bessern wolle. Plinius (in der Vorrede zu seiner Naturgeschichte) und der freilich gegen Domitian kriechend schmeichlerische Quintilian (X, 1,91) sprechen mit Achtung von seiner Geschmacksbildung. Vgl. auch Valerius Flaccus, Argonautica I, 12. Nichtsdestoweniger setzte er, als der Partherkönig sich Hilfstruppen gegen die Ulanen und einen von Vespasians Söhnen zum Feldherrn erbat, alles in Bewegung, um mit dieser Sendung beauftragt zu werden. Und als sich die Sache zerschlug, versuchte er andere Könige des Orients durch Geschenke und Versprechungen zu bewegen, daß sie eine gleiche Forderung stellen möchten. Als sein Vater starb, schwankte er längere Zeit, ob er nicht den Soldaten das doppelte Geldgeschenk anbieten sollte, und nahm keinen Anstand, öffentlich auszusprechen: » sein Vater habe ihn im Testament zum Mitregenten ernannt, aber man habe das Testament verfälscht«. Seitdem hörte er nicht auf, seinem Bruder heimlich und offen Fallstricke zu legen, bis zu der Stunde, wo er den von schwerer Krankheit Ergriffenen, bevor derselbe noch den Geist verhaucht hatte, für tot ohne Beistand liegen zu lassen befahl. Ja, auch dem Toten erwies er außer der Vergötterung keine Art von Ehre, erlaubte sich vielmehr, in Reden und Edikten zum öftern seiner mit hämischen Seitenhieben zu erwähnen.

3. Im Anfange seiner Regierung pflegte er täglich eine Stunde sich in sein geheimes Kabinett zurückzuziehen, wo er nichts tat, als Fliegen fangen, die er an seinem sehr scharfgespitzten Schreibgriffel aufspießte, was den Vibius Crispius auf die Frage: » ob jemand drinnen beim Kaiser sei?« die witzige Antwort geben ließ: » Nicht einmal eine Fliege!« Sein nächster Schritt war, daß er seine Gattin Domitia, die ihm in seinem zweiten Konsulate einen Sohn geboren und die er im nächstfolgenden Jahre zur Augusta ernannt hatte, verstieß, weil sie sich sterblich in den Schauspieler Paris Auf diesen damals in Rom sehr beliebten Schauspieler verfaßte der Dichter Martial ein überaus anmutiges Epitaph (Sinngedichte XI, 14). Domitian ließ ihn ermorden. Näheres über ihn Realencyklopädie V, S. 1168. verliebt hatte; indessen konnte er die Trennung von ihr nicht aushalten und nahm sie nach kurzer Zeit, unter dem Vorwande, daß das Volk es lebhaft wünsche, wieder als seine Gemahlin auf. Was sein Verhalten in der Regierung anlangt, so zeigte er sich längere Zeit bald so, bald so, als eine zu gleichen Teilen von Lastern und Tugenden zusammengesetzte Mischung, bis er zuletzt auch seine Tugenden in Laster verkehrte. Soweit sich eine Vermutung wagen läßt, war er wider seine angeborene Natur aus Not raubsüchtig und aus Furcht blutdürstig.

4. Schauspiele gab er häufig und mit großer Pracht und reicher Ausstattung nicht nur im Amphitheater, sondern auch im Circus, wo er außer den hergebrachten Wettrennen der Zwei- und Viergespanne auch ein doppeltes Gefecht, zu Pferde und zu Fuß, im Amphitheater sogar auch ein Seegefecht veranstaltete. Tierhetzen und Gladiatorenkämpfe gab er selbst nachts bei Fackellicht, und nicht nur Mimen, sondern auch Frauen traten dabei als Kämpfer auf. Daneben war er stets ein so fleißiger Zuschauer der Spiele, welche die Quästoren geben mußten, und die er, nachdem sie kurze Zeit nicht mehr gegeben worden waren, wieder eingeführt hatte, daß er (jedesmal) dem Volke erlaubte, sich zwei Gladiatorenpaare aus seiner eigenen Fechterbande Die er für seine eigenen Festspiele unterhielt. zu erbitten, die er dann zum Beschluß mit dem vollen Hofgepränge in die Schranken führen ließ. Während der ganzen Zeit, die das Gladiatorenkampfspiel dauerte, stand ihm vor den Füßen ein in Scharlach gekleideter Zwerg mit einem ungewöhnlich kleinen und mißgestalteten Kopfe, mit dem er vielfältig plauderte, oft auch über ernste Dinge. Wenigstens hörte man einmal, wie er die Frage an ihn richtete: » ob er wohl wisse, warum es ihm beliebt habe, bei der nächsten Amtsbesetzung die Provinz Ägypten dem Metius Rufus zu übertragen?« Er gab auch Seegefechte, wo beinahe vollständige Flotten auftraten, zu welchem Ende er ein Bassin in der Nähe des Tiber hatte ausgraben und mit Sitzreihen umbauen lassen, und wohnte denselben, trotz der stärksten Regengüsse, von Anfang an bis zu Ende bei. Auch die Feier der Säkularspiele beging er, indem er die Zeit nicht von dem Jahre an rechnete, wo Claudius, sondern von dem, wo früher Augustus sie gefeiert hatte. Vgl. Claudius, Kap. 21. Augustus hatte sie im Jahre 737 der Stadt, Claudius im Jahre 800 begangen. Domitian feierte sie im Jahre 841. Bei dieser Feier setzte er am Tage, wo die Wettrennen im Circus gehalten wurden, um mit den hundert Rennen fertig zu werden, die Zahl der zurückgelegten Bahnstrecken für jedes einzelne Rennen von je sieben auf je fünf herab. Domitian, der hundert Rennen gab (weil es eben die Feier des Säkularfestes galt), während sonst nur fünfundzwanzig gegeben wurden, verkürzte die Bahnstrecke, damit alle Rennen an einem Tage gehalten werden könnten. Während nämlich sonst bei jedem Rennen die elliptische Bahn siebenmal umfahren werden mußte, setzte er die Zahl auf fünfmal herab. Ferner stiftete er dem Kapitolinischen Jupiter einen alle fünf Jahre wiederkehrenden Festwettstreit dreifacher Art: in der Musik, im Wettrennen und in der Gymnastik, und zwar mit bedeutend mehr Preisen, als jetzt gegeben, werden. Man stritt auch mit prosaischen Aufsätzen in lateinischer und griechischer Sprache »Auch«, d. h. außer den poetischen Leistungen, mit welchen man um den Preis stritt. Diese Art des poetischen und prosaischen Kunstwettstreits gehört unter die Abteilung der »Musik«, die hier so viel ist, wie alle Musenkunst., und außer den Zithersängern traten auch Chorkitharisten und einzelne Virtuosen des Zitherspiels auf. Im Stadium stritten um den Preis im Wettlauf auch Jungfrauen. Den Vorsitz bei den Wettkämpfen führte er, angetan mit griechischen hochsohligen Halbschuhen crepidae. S. Realencyklopädie II, S. 58. Domitian erschien in griechischer Festtracht (hochsohlige Schuhe und griechisches Festgewand), weil die Spiele einer griechischen Einrichtung nachgeahmt waren. Er ehrte übrigens den Kapitolinischen Jupiter, weil ihm derselbe einst das Leben gerettet hatte., einer griechisch geschnittenen Purpurtoga, auf dem Haupte eine goldne Krone mit den Bildnissen des Jupiter und der Juno und Minerva. Neben ihm saßen der Jupiterpriester und die Priesterschaft der Flavialen Priester des Tempels, den er seinem Geschlechte erbaut hatte. in gleicher Kleidung, nur daß sich auf ihren Kronen auch sein eigenes Bildnis befand. Er feierte ferner alljährlich das fünftägige Fest zu Ehren der Minerva S. zu August, Kap. 71., für die er eine Priesterschaft eingesetzt hatte, aus welcher die jedesmaligen Vorsitzer bei der Festfeier durchs Los gewählt wurden und die Pflicht hatten, glänzende Tierhetzen und scenische Aufführungen und dazu noch Wettstreite von Rednern und Dichtern zu veranstalten. Eine Geldspende gab er dem Volke dreimal, jedesmal dreihundert Sesterzien 65,26 Reichsmark. auf den Mann, und den Zuschauern der Festspiele einen reichlichen Schmaus. Ja, bei dem Feste der sieben Hügel Es ward im Dezember gefeiert und war ein Freudenfest, wie unser Weihnachten, wo man einander beschenkte. Genaueres s. Realencyklopädie VI, 1, S. 500-501., wo er unter Senat und Ritterschaft große Eßkörbe und unter das Volk kleinere Speiseportionen verteilen ließ, machte er selbst mit dem Essen den Anfang. Diesen Volksfestschmaus beschreibt der Dichter Statius, der ihn selbst mitmachte, in einer seiner »Silven«, wo er auch des letztern Umstandes, daß der Kaiser mitaß, erwähnt. Vgl. Statius, Silven (Wälder) I, 6, und Martial VIII, 50. Tags darauf ließ er Anweisungen auf die verschiedenartigsten Geschenke auswerfen, und weil der größere Teil davon unter die Sitzreihen des Volkes gefallen war, so ließ er durch Ausruf bekannt machen, daß auf jede Sitzabteilung des Ritter- und Senatorenstandes noch fünfzig solcher Täfelchen verteilt werden sollten.

5. Sehr viele prächtige Bauwerke, welche das Feuer verzehrt hatte, stellte er wieder her, unter ihnen auch das Kapitol, das neuerdings erst wieder durch eine Feuersbrunst heimgesucht worden war; doch setzte er in den Inschriften auf alle nur seinen Namen allein, ohne der ersten Erbauer irgendwie zu gedenken. Wirklich neu baute er den Tempel auf dem Kapitol, welchen er »Dem Wächter Jupiter« weihte, sowie das Forum, welches jetzt das Nervaforum heißt, ferner den Tempel des Flavischen Geschlechts, nebst einem Stadium, einem Odeum und der Naumachie, aus deren Steinen später die abgebrannten Seitenumgebungen des Circus Maximus wiederaufgebaut wurden.

6. Von seinen Feldzügen unternahm er einige freiwillig, die anderen gezwungen. Freiwillig den gegen die Katten, gezwungen einen gegen die Sarmaten, welche eine Legion samt deren Legaten niedergehauen hatten, und zwei gegen die Daker: den ersten, um die Niederlage des Konsularen Oppius Sabinius, den zweiten, um die des Cornelius Fuscus, des Präfekten der Prätorianerkohorten, dem er den Oberbefehl des Krieges gegen dieses Volk erteilt hatte, zu rächen. Ueber die Katten und Daker hielt er nach mehreren Gefechten von ungleichem Erfolge einen doppelten Triumph. Nach Beendigung des Feldzugs gegen die Sarmaten begnügte er sich, dem Kapitolinischen Jupiter seine Lorbeerkrone darzubringen. Den innern Aufruhr, welchen Lucius Antonius, der Präfekt von Obergermanien, angezettelt hatte, unterdrückte er, ohne persönlich einzuschreiten, mit Hilfe eines wunderbaren Glückszufalls, indem gerade in der Stunde des Entscheidungskampfes plötzlich der Rhein aufging und die Truppen der Barbaren, die im Begriff standen, zum Antonius zu stoßen, am Übergange verhinderte. Von diesem Siege erhielt er früher durch Vorzeichen, als durch Boten Kunde. An demselben Tage nämlich, wo der Entscheidungskampf gekämpft ward, umfaßte ein gewaltiger Adler seine Bildsäule zu Rom mit den Flügeln und ließ ein helles Jubelgeschrei hören; und nicht lange darauf verbreitete sich die Nachricht, Antonius sei erschlagen, mit solcher Bestimmtheit, daß viele sogar steif und fest behaupteten, sie hätten seinen nach Rom gebrachten Kopf gesehen.

7. Auch in den bisherigen Gewohnheiten des Volkslebens neuerte er vieles. Die Austeilung von Speiseportionen Siehe zu Nero, Kap. 16, und zu Augustus, Kap. 74. Domitian stellte die vorneronische Sitte der »richtigen«, d. h. regelrechten Volksspeisungen an Tausenden von Tischen wieder her. hob er auf und führte die Gewohnheit, richtige Mahlzeiten zu geben, wieder ein. Den früheren vier Parteien der Circusbanden S. oben Caligula, Kap. 55. fügte er zwei neue, die vom goldenen und die vom purpurnen Bandstreif, hinzu. Die Histrionen verwies er von der öffentlichen Schaubühne, erlaubte ihnen jedoch, ihre Kunst in Privathäusern zu üben. Das Kastrieren von Personen männlichen Geschlechts verbot er. Die Preise der Verschnittenen, die bei den Sklavenhändlern noch vorhanden waren, ermäßigte er. Als einmal ein sehr gutes Weinjahr neben großem Mißwachs von Getreide eintrat, glaubte er, daß über dem zu weit getriebenen Weinbau der Ackerbau vernachlässigt werde, und gab deshalb das Edikt: »keiner solle in Italien einen neuen Weinberg anlegen, und in den Provinzen sollten dieselben ausgehauen und höchstens die Hälfte übrig belassen werden«; doch gab er diesem Edikte keine weitere tatsächliche Folge. Einige der höchsten Stellen D. h. solche, die sonst nur an Männer senatorischen Ranges verliehen wurden. vergab er an Freigelassene und römische Ritter. Er verbot, zwei Legionen in einem Lager zu vereinen, auch durfte kein Soldat mehr als tausend Sesterzien 217,50 Reichsmark. bei der Legionskasse deponieren, weil es sich zeigte, daß Lucius Antonius, der zwei Legionen in einem Standlager hatte, bei seinem Aufstandversuche auch durch die große Summe der von seinen Soldaten deponierten Gelder unterstützt worden war. Vgl. Kap. 6. Auch erhöhte er die Löhnung der Soldaten um ein Vierteil, indem er ihnen drei Goldstücke zulegte. S. Realencyklopädie VI, 1, S. 1428. Sie erhielten also den vierten Teil ihrer bisherigen Löhnung mehr.

8. Recht sprach er fleißig und sorgfältig, häufig auch auf dem Forum vom Tribunal herab, in außerordentlicher Sitzung. Er kassierte ungerechte, nach Gunst gefaßte Entscheidungen der Centumviralrichter. S. Vespasian Kap. 10. Den Rekuperatoren schärfte er wiederholentlich ein, sich in Rechtshändeln, wo es die Freilassung eines Sklaven galt, nicht auf Scheingründe und Durchstechereien einzulassen. S. Realencyklopädie V, S. 421 und I, 872. Vgl. Vespasian, Kap. 4. Richter, die sich mit Geld bestechen ließen, strafte er jedesmal samt dem ganzen Kollegium, zu dem sie gehörten. Er gestattete ferner den Volkstribunen, einen Ädilen, der sich schmutzig und geizig gezeigt hatte, auf Unterschleif anzuklagen und über ihn vom Senate ein Untersuchungsgericht zu fordern. Auch die Magistrate der Hauptstadt und die Vorsteher der Provinzen hielt er so gründlich in Ordnung, daß sie niemals ehrlicher und gerechter gewesen sind, als unter seiner Regierung, während wir viele derselben nach seiner Zeit aller möglichen Verbrechen angeklagt gesehen haben. Nachdem er die Verschärfung der Sittenzucht in die Hand genommen hatte Als Censor im Jahre der Stadt 837, d. h. 83 nach Chr. Geb., hob er den eingerissenen Mißbrauch auf, zufolge dessen sich jeder auf die Ritterplätze setzte. Schmähschriften, die man öffentlich verbreitete, um angesehenen Männern und Frauen etwas anzuhängen, ließ er vernichten und belegte obenein die Verfasser mit entehrenden Strafen. Einen Mann quästorischen Ranges stieß er aus dem Senate, weil man demselben nachsagte, daß er ein passionierter Pantomime und Tänzer sei. Anrüchigen Frauen nahm er das Recht, sich einer Sänfte zu bedienen und Legate und Erbschaften anzutreten. Einen römischen Ritter, der seine Frau wieder geheiratet, nachdem er sie verstoßen und ihr einen Ehebruchprozeß gemacht hatte, strich er aus der Richterliste. Mehrere Senatoren und Ritter ließ er nach dem Scantinischen Gesetz verurteilen. Dies Gesetz des Volkstribunen Scantinius verpönte unnatürliche Wollust. Keuschheitsvergehen der Vestalischen Jungfrauen, die selbst von seinem Vater und Bruder ungeahndet geblieben waren, bestrafte er auf verschiedene Weise und sehr streng: die vor seiner Regierung vorgefallenen mit dem einfachen Tode, die späteren mit der altherkömmlichen Todesstrafe. D. h. mit dem Lebendigbegraben. Beschreibungen dieser furchtbaren Strafe geben Plinius (Briefe IV, 11) und Plutarch im Numa. Denn während er den Schwestern Ocellata sowie der Veronilla die Wahl der Todesart frei ließ und ihre Verführer verbannte, ließ er später die Cornelia, die Oberpriesterin der Vestalinnen, die früher freigesprochen, dann nach längerer Zwischenzeit aufs neue angeklagt und überwiesen worden war, lebendig begraben und ihre Liebhaber auf dem Comitium mit Ruten zu Tode peitschen, mit alleiniger Ausnahme eines Mannes von prätorischem Range, den er, weil seine Schuld auch bei der zweiten Anklage unerwiesen und eine unzuverlässige Aussage gegen sich selbst ihm nur durch die peinliche Frage der Folter abgepreßt war, zur Strafe des Exils begnadigte. Und um keine Verletzung der den Göttern schuldigen Ehrfurcht ungeahndet zu lassen, ließ er ein Denkmal, welches einer seiner Freigelassenen seinem Sohne aus Steinen erbaut hatte, die für den Tempel des Kapitolinischen Jupiter bestimmt waren, durch Soldaten niederreißen und die darin befindlichen Gebeine und Aschenreste ins Meer werfen.

9. Zu Anfang hatte er einen solchen Abscheu vor allem Blutvergießen, daß er, als ihm einst, während sein Vater noch abwesend war, der Virgilische Vers Der Vers ist aus Virgil, Landbau II, 535-540, und dient dort zur Bezeichnung des Goldenen Zeitalters. Der ganze Zug ist wahrscheinlich nur ein boshafter Witz auf Domitians jugendliche Sentimentalität, die allerdings psychologisch interessant ist und an Robespierres ganz ähnlichen Charakter erinnert, der auch in der Jugend kein Blut sehen konnte und gegen die Todesstrafe eiferte. einfiel:

» Eh' noch ein frevelnd Geschlecht Schmaus hielt vom getöteten Farren«, –

ein Edikt zu erlassen beabsichtigte: » man solle keine Ochsen opfern«. Auch von Habgier und Geiz war an ihm als Privatmann nie und als Kaiser lange Zeit hindurch keine Spur zu bemerken, ja im Gegenteil gab er häufig große Beweise nicht nur von Uneigennützigkeit, sondern sogar von Liberalität. Er bedachte alle seine Umgebungen mit den reichlichsten Geschenken, und seine Hauptermahnung an sie war: nur nicht filzig zu handeln. Erbschaften, die ihm von Leuten, welche Kinder hatten, vermacht worden waren, nahm er nicht an. Sogar ein Legat im Testamente des Ruscius Cäpio, der bestimmt hatte, daß sein Erbe jährlich den Senatoren beim Eintritt in die Kurie Mann für Mann eine bestimmte Summe Geld verabreichen sollte, erklärte er für ungültig. Die Prozesse, welche länger als fünf Jahre vor seinem Regierungsantritt beim Ärarium anhängig gemacht worden waren Sueton sagt wörtlich: »welche – beim Ärar gehangen hatten«. Die Namen der Angeklagten wurden nämlich im Ärar (dem Archivgebäude) ausgehängt in der Reihenfolge, wie sie von den Anklägern denunziert worden waren., schlug er samt und sonders nieder und erlaubte ein Wiederaufnehmen derselben nur binnen Jahresfrist, und zwar unter der Bedingung: daß den Ankläger, wenn er seine Sache nicht gewinne, die Strafe des Exils treffen sollte. Den quästorischen Schreibern, welche gewohnheitsmäßig, obschon wider das Clodische Gesetz, Handelsgeschäfte trieben, erließ er für das Vergangene die Strafe. Die Landstücke, welche bei der Ackerverteilung an die Veteranen hier und da übrig geblieben waren, überließ er ihren alten Besitzern im Wege des Verjährungsrechts. Den falschen Anklagen beim Fiskus steuerte er dadurch, daß er auf solche eine schwere Strafe setzte, und allgemein trug man sich mit dem Ausspruche, den er einmal getan: » Ein Kaiser, der die Angeber nicht züchtigt, ruft sie hervor

10. Allein auf diesem Wege der Milde und der Enthaltsamkeit verblieb er nicht. Dennoch verfiel er bedeutend früher in Grausamkeit, als in Habsucht. So tötete er einen Schüler des Pantomimen Paris, einen noch unreifen und eben damals sehr kranken jungen Menschen, bloß deshalb, weil er durch Talent und äußere Gestalt an seinen Lehrer erinnerte. Vgl. oben Kap. 3. Desgleichen den Hermogenes von Tarsus wegen gewisser in seiner Geschichte gemachten Anspielungen; selbst die Abschreiber des Werkes Wie man heutzutage in manchen Ländern neben den Verfassern und Verlegern auch die Drucker eines mißliebigen Werkes bestraft. ließ er ans Kreuz schlagen. Einen Familienvater, der im Amphitheater von einem Thraker geäußert hatte: »derselbe sei zwar wohl dem Mirmillo, aber nicht dem Munerarius gewachsen« Um die Anzüglichkeit dieser Äußerung zu verstehen, muß man wissen, daß der Kaiser Domitian gegen die »Thraker« genannten Gladiatoren für die »Mirmillonen« (s. Caligula, Kap. 32) Partei nahm. Der Kaiser als Spielgeber hieß munerarius, ein Wort, das Kaiser Augustus zuerst brauchte. Jener arme Schelm sagte also mit seinem Witze bloß: Gegen kaiserliche Ungunst kann der beste Fechter nicht ankämpfen. – Der jüngere Plinius spielt auf diese Grausamkeit an in seinem Panegyrikus auf den Kaiser Trajan (Kap. 33) und jubelt förmlich darüber, daß man doch jetzt wenigstens ohne Gefahr diese oder jene Partei im Theater nehmen dürfe., ließ er aus den Sitzreihen in die Arena schleppen, ihm eine Tafel mit der Inschrift: » Ein Thrakerfreund, der die Majestät gelästert hat!« umhängen und ihn dann von Hunden zerreißen. Viele Senatoren und unter ihnen eine große Anzahl Konsulare ließ er ums Leben bringen: so den Civica Cerealis, während derselbe als Prokonsul in Asien war, den Salvidienus Orsitus und den Acilius Glabrio, die im Exile lebten, unter dem Vorwande, daß sie auf Empörung sännen. Die übrigen durch die Bank um der frivolsten Ursachen willen: wie z. B. den Älius Lamia wegen einiger zwar zweideutigen, aber doch bereits vor langer Zeit geäußerten und an sich unschuldigen Witzreden, weil er, nachdem ihm seine Frau entführt worden war Vom Domitian. S. oben Kap. 1., zu jemand, der seine Stimme lobte, gesagt hatte: » Ich halte Diät!« und weil er dem Titus, da dieser ihn zu einer zweiten Ehe aufforderte, die Antwort gegeben hatte: » Willst du vielleicht auch eine Frau nehmenBeide Bonmots des Lamia sind im Original griechisch. Das erste enthält nichts als eine witzige Anspielung auf die Tatsache, daß ihm der damalige kaiserliche Prinz seine Frau genommen: »Ich muß wohl eine gute Stimme haben, da ich so gut pausiere.« (Sänger enthielten sich, um die Stimme zu schonen, des Liebesgenusses.) Der zweite erinnert witzig an dasselbe Faktum. Aber es war hinreichend, daß man über sein eigenes Unglück Witze machte, um – als Majestätsbeleidiger bestraft zu werden. Den Salvius Coccejanus (ließ er hinrichten), weil er den Geburtstag des Kaisers Otho, seines Vatersbruders, gefeiert hatte; den Metius Pomposianus, weil es im Publikum hieß, sein Horoskop prophezeie ihm den Thron, und weil er stets eine aus Pergament gemalte Karte des Erdkreises und die aus dem Livius ausgezogenen Reden Solche Auszüge und Sammlungen der Reden aus den älteren Historikern ( conciones genannt) kamen damals in die Mode, sie dienten später zum Schulgebrauch. Vgl. Egger a. a. O. S. 353-54. der Könige und Feldherren bei sich führe und seinen Sklaven die Namen Mago und Hannibal gegeben habe; den Sallustius Lucullus, Legaten von Britannien, weil er erlaubt habe, eine neue Art von Lanzen Lucullische zu nennen; den Junius Rusticus, weil er eine Lobschrift auf den Pätus Thrasea und auf den Helvidius Priscus veröffentlicht und sie » die reinsten Männer« genannt habe. Bei Gelegenheit dieses letzteren Prozesses entfernte er zugleich alle Philosophen aus Rom und Italien. Er tötete auch den Helvidius, des älteren Helvidius Sohn, indem er ihn beschuldigte: er habe in einer Bühnenfarce Exodium scenicum, »scenisches Exodium«, war der Name der Farcen, die als »Nachspiele zur römischen Tragödie« gegeben wurden. S. Mommsen, Römische Geschichte II, S. 419 ff. unter der Person des Paris und der Önone Paris verstieß seine Gattin Önone. des Kaisers Ehescheidung von seiner Frau durchgehechelt; den Flavius Sabinus, einen von seinen beiden Vettern, weil ihn am Tage der Konsularkomitien, wo er zum Konsul designiert worden war, der Herold aus Versehen nicht als Konsul, sondern als Imperator öffentlich ausgerufen hatte. Allein bald nach dem Siege über den Aufstand (des Antonius) nahm seine Grausamkeit zu; er unterwarf viele Anhänger der Gegenpartei, um die noch verborgenen Mitwisser zu entdecken, einer neuen Art Folter, indem er ihnen die Schamteile mit Feuer verbrennen, einigen auch die Hände abhauen ließ. Tatsache ist es ferner, daß er nur zwei von den bedeutenderen begnadigte: einen Tribunen, der das Recht des breiten Purpurstreifs hatte Laticlavius. S. oben zu Nero, Kap. 26., und einen Centurio; beide hatten nämlich, um ihre Unschuld darzutun, den Nachweis geführt, daß sie unnatürlicher Lust ergeben seien und deshalb weder bei den Feldherren, noch bei den Soldaten irgend welches Ansehen hätten genießen können. Beiläufig ist diese Stelle ein wichtiger Beweis, wie der Kern des Volkes auch damals über unnatürliche Laster urteilte. Damit fällt allerdings manches, was Sueton nicht nur von einem Galba u. a., sondern selbst von Cäsar erzählt oder nacherzählt.

11. Seine Grausamkeit war aber nicht nur furchtbar groß, sondern auch tückisch und unvermutet. Seinen Kassierer rief er am Tage zuvor, ehe er ihn ans Kreuz schlagen ließ, in sein Kabinett, nötigte ihn, neben sich auf seinem Bette Platz zu nehmen, und verabschiedete ihn als einen unbesorgten und fröhlichen Menschen; ja, er erzeigte ihm sogar die Gnade, ihm einige Gerichte von seiner Tafel zu überschicken. Den Konsularen Arretinus Clemens, einen seiner Vertrauten und Spione, behandelte er in demselben Augenblicke, wo er im Begriff stand, ihn zum Tode zu verurteilen, mit der früheren, ja wo möglich mit noch mehr Gunst, bis er an ihn zuletzt, als er mit ihm in derselben Sänfte saß, beim Anblick seines Anklägers die Frage richtete: » Beliebt dir's, daß wir diesen nichtswürdigen Sklaven morgen verhören?« Und um die Geduld der Menschen auf das beschimpfendste zu mißbrauchen, sprach er niemals eine Verurteilung aus, ohne sie durch einen gnädigen Eingang zu befürworten, so daß es bald kein sichereres Zeichen eines grausamen Ausganges gab, als die Milde des Anfangs seiner Rede. So hatte er einmal einige auf Majestätsbeleidigung Angeklagte vor den Senat gestellt und durch die vorausgeschickte Bemerkung: » heute werde er erfahren, wie teuer er dem Senate sei,« es leicht durchgesetzt, daß der Senat die Todesstrafe sogar zu der Hinrichtung nach der Väter Weise Siehe darüber Nero. Kap. 49. verschärfte. Sofort schritt er, erschreckt durch die Furchtbarkeit dieser Strafe, um sich weniger verhaßt zu machen, gegen die Ausführung mit folgenden Worten – ich halte es nämlich für zweckmäßig, seine eigenen Worte anzuführen – als Fürsprecher ein: » Gewährt mir, versammelte Väter, vermöge eurer Liebe zu mir, was euch freilich, wie ich weiß, zu gewähren schwer werden wird, daß ihr den Verurteilten die freie Wahl der Todesart gnädigst gestattet. Denn dadurch werdet ihr eueren Augen ein schreckliches Schauspiel ersparen und zugleich jedermann kundgeben, daß ich der Senatssitzung beigewohnt habe.«

12. Bei der Erschöpfung der Staatskasse durch die kostbaren Bauwerke und Festspiele sowie auch durch die Soldzulage, welche er den Soldaten verwilligt hatte, machte er anfangs den Versuch, zur Erleichterung der Ausgaben für die stehenden Heere die Zahl der Soldaten zu verringern. Allein da er sah, daß er sich dadurch den Angriffen der Barbaren aussetzte und daß ihn jene Maßregel doch nicht aus der Geldklemme befreite, so begann er ohne Scheu rücksichtslos alles zu plündern. Das Vermögen der Lebenden wie der Verstorbenen wurde in einem fort auf jede beliebige Anklage und Anschuldigung hin mit Beschlag belegt. – Es genügte, jemand die unbedeutendste Handlung oder Äußerung gegen die Majestät des Kaisers Schuld zu geben. Man konfiszierte Erbschaften, die den Kaiser gar nichts angingen, sobald sich auch nur ein Mensch fand, welcher aussagte: er habe es aus dem Munde des Verstorbenen bei dessen Lebzeiten vernommen, der Kaiser sei sein Erbe. Vorzüglich hart wurde die Beitreibung der Judensteuer gehandhabt. Über die Behandlung der Juden unter Domitian s. Salvador a. a. O. T. II, S. 419-422. Man denunzierte beim Fiskus sowohl die, welche, ohne sich als Juden zu bekennen, nach jüdischer Weise lebten Dies sind wahrscheinlich die Christen., als die, welche durch Verheimlichung ihrer Abstammung sich der Zahlung der ihrem Volke auferlegten Steuer zu entziehen versucht hatten. Ich erinnere mich, als ganz junger Mensch zugegen gewesen zu sein, als vor dem Prokurator und einem zahlreich versammelten Kollegium ein neunzigjähriger Greis sich besichtigen lassen mußte, ob er beschnitten sei! Von Jugend auf hatte Domitian nichts Freundliches in seinem Wesen, vielmehr war er hochmütig, trotzig und in Worten und Handlungen maßlos. Als die Cänis S. oben Vespasian, Kap. 3., seines Vaters Konkubine, ihn bei ihrer Rückkehr von Istrien, wie sie immer getan, küssen wollte, reichte er ihr die Hand (zum Kusse) dar. Unzufrieden darüber, daß seines Bruders Schwiegersohn Flavius Sabinus, Bruderssohn des Vespasian, vermählt mit Titus' Tochter Julia. auch weiß gekleidete Dienerschaft hielt, rief er die (Homerischen) Worte aus:

»Nimmer Gedeih'n bringt Vielregiment« –. Homer, Ilias II, 204.

13. Als er nun gar erst zum Throne gelangt war, vermaß er sich sogar, im Senate prahlend auszusprechen: » er sei es, der sowohl seinem Vater wie seinem Bruder den Thron gegeben, sie hätten ihm denselben nur wiedergegeben«, und bei der Wiederverheiratung mit seiner geschiedenen Frau die Worte zu brauchen: » sie sei von ihm auf seinen Göttersitz pulvinar, d. h. das Lager, auf welchem die Bildnisse der Gottheiten bei Festopfern ihren Platz erhielten. Die von Sueton hier getadelte Frechheit des Ausdrucks erinnert an Börnes Spott über die Ausdrücke » allerhöchst« und ähnliches. berufen«. Auch hörte er es gern, als im Amphitheater am Tage des großen Festschmauses Vgl. oben Kap. 4. das Volk ihn mit dem Zurufe begrüßte: » Heil unserem Herrn und unserer Herrin!« Ja, er ging noch weiter. Als bei dem Festwettstreite zu Ehren des Kapitolinischen Jupiter Den er gestiftet hatte. S. oben Kap. 4. alle Anwesenden ihn einstimmig baten: daß er den Palfurius Sura, den er aus dem Senate gestoßen und der eben jetzt den Siegespreis im Wettstreite der Redner erhalten hatte, wieder in den Senat aufnehmen möchte, würdigte er sie nicht einmal einer Antwort, sondern ließ ihnen bloß durch Heroldsruf ein: » Schweigt!« zurufen. Mit gleichem Hochmute bediente er sich, wenn er im Namen seiner Prokuratoren ein Briefformular diktierte, der Anfangsworte: » Unser Herr und Gott befiehlt, daß das und das geschehe.« Infolgedessen wurde es Brauch, daß ihn überhaupt, weder schriftlich, noch mündlich, irgend jemand anders anredete. Statuen durften ihm auf dem Kapitol nur goldene und silberne errichtet werden, und zwar von bestimmtem Gewichte. »Deshalb glänzten damals,« wie Plinius der jüngere in seinem Panegyrikus auf Trajan sagt, »alle Eingänge, Treppen und das Innere der Tempel von silbernen und goldenen Statuen.« Vgl. Plinius, Panegyrikus 52. Janus- und Triumphbogen mit Viergespannen und Triumphalzeichen darauf errichtete er in allen Regionen der Stadt in solcher Größe und Zahl, daß man einmal an einen auf griechisch schrieb: » Es ist genug!« Konsulate ließ er sich siebzehn übertragen, eine Zahl, die vor ihm niemand bekleidet hatte. Die sieben mittelsten bekleidete er hintereinander, doch alle nur dem Namen nach und keins über den ersten Mai hinaus, mehrere sogar nur bis zum dreizehnten Januar. Nachdem er zwei Triumphe gehalten und den Beinamen Germanicus angenommen hatte, taufte er den September- und Oktobermonat nach seinen beiden Zunamen in Germanicus und Domitianus um, weil er in dem einen die Regierung angetreten hatte und in dem anderen geboren war. Er war geboren am vierundzwanzigsten Oktober 805 und bestieg den Thron am dreizehnten September 834 der Stadt.

14. Durch solches Betragen ein Gegenstand der Furcht und des Hasses für alle Welt, ward er endlich ermordet infolge einer Verschwörung seiner nächsten Freunde und Freigelassenen, an der sich auch seine Gemahlin beteiligte. Schon lange hatte er von dem Jahre und Tage seines Lebensendes, ja selbst von der Stunde und Art seines Todes eine gewisse Ahnung; in seiner Jugend hatten ihm Chaldäer alles vorausgesagt. Sogar sein Vater hatte ihn einmal über Tische, als er keine Schwämme essen wollte, ausgelacht, daß er sein Geschick nicht besser wisse und nicht vielmehr sich vor Eisen fürchte. Deshalb befand er sich beständig in Angst und Schrecken, und der geringste Verdacht machte auf ihn einen unerhörten Eindruck. So glaubt man, nichts habe so sehr dazu beigetragen, daß er das Edikt über die Ausrottung der Weinberge zurücknahm, als die Verbreitung einer Schrift, in welcher sich die (griechischen) Verse befanden:

»Nagst du mich auch bis zur Wurzel, so werd ich doch Frucht genug tragen.
Um, wenn zum Opfer du fällst, Cäsar, zu sprengen mit Wein!« »Eigentlich war dieses Epigramm des griechischen Dichters Euenos an einen Ziegenbock gerichtet. Die Rebe sagt darin zum Bocke, der sie benagt: ›Wenn du mich auch bis zur Wurzel abfrissest, so‹ etc. Die Alten gossen beim Opfer Wein aus.« Bremi. Vgl. Ovid, Festkalender I, 357.

Aus derselben Furcht lehnte er auch eine ganz neue und eigens für ihn vom Senate ausgesonnene Ehre ab, obschon er sonst nach dergleichen Ehrenbeweisen sehr begierig war. Der Senat hatte nämlich beschlossen: daß, so oft er das Konsulat bekleiden würde, römische Ritter, durchs Los zu solcher Ehre erwählt, im Feierkleide und mit Kriegslanzen vor ihm, zwischen den Liktoren und Gerichtsdienern, vorausziehen sollten. Als nun aber die Zeit der befürchteten Gefahr herannahte, wurde er von Tag zu Tage besorgter. Er ließ die Wände der Hallen, in denen er spazieren zu gehen pflegte, mit Lichtstein bekleiden, um durch den Glanz desselben alles, was hinter seinem Rücken vorging, durch die Spiegelbilder wahrnehmen zu können. Über diesen »Lichtstein« ( lapis phengites) sagt Plinius in seiner Naturgeschichte 36, 46: »Unter Neros Regierung fand man in Kappadokien einen Stein so hart wie Marmor, welcher von weißer Farbe und auch an den Stellen, wo gelbe Adern eintraten, durchsichtig war, und deshalb Phengitis (Durchscheiner) genannt wurde.« Nero schon wandte diesen Stein an; doch ist die Beschreibung, welche Plinius dann weiter gibt, unklar. Vgl. Ein Jahr in Italien 3, S. 150 ff. Auch verhörte er die Gefangenen meist nur insgeheim und unter vier Augen, wobei er sich sogar ihre Ketten in die Hand geben ließ. Und um es seinen Hofbedienten einzuschärfen, daß man sich selbst durch ein edles Beispiel nicht verleiten lassen dürfe, Hand an das Leben des Herrn zu legen, so verurteilte er den kaiserlichen Sekretär Epaphroditus zum Tode, weil es allgemein hieß, er habe dem Nero, als sich derselbe nach seiner Absetzung den Tod zu geben versuchte, dazu hilfreiche Hand geliehen. Vgl. Nero, Kap. 49.

15. Endlich ließ er sogar den Flavius Clemens, seinen Vetter, einen wahrhaft kläglich unbedeutenden Menschen Wörtlich: »einen Menschen von der verächtlichsten Trägheit«. Sueton hebt diesen Zusatz deshalb hervor, um das grausame Verfahren Domitians, der selbst einen so unschädlichen Menschen nicht verschonte, noch stärker zu bezeichnen. Mehrere Ausleger haben geglaubt, Sueton bezeichne mit jener Bemerkung den Clemens als einen »Christen«, doch ist gar kein Grund zu solcher Annahme vorhanden., dessen Söhne er bereits in ihrer frühesten Jugend öffentlich als seine Nachfolger bezeichnet, ihre früheren Namen verändert und den einen Vespasianus, den andern Domitianus zu nennen befohlen hatte, fast unmittelbar nachdem derselbe das Konsulat bekleidet hatte, plötzlich auf einen überaus geringen Verdacht hin ums Leben bringen. Durch diese Tat vorzüglich beschleunigte er seinen eigenen Untergang. Natürlich! Da jetzt niemand von seiner Umgebung sich mehr für sicher halten konnte. Volle acht Monate hintereinander schlug der Blitz so oft ein, daß er zuletzt auf die fort und fort ihm gemachten Anzeichen ausrief: » Nun, so treffe er denn wen er will!« Es schlug ein in das Kapitol und den Tempel des Flavischen Geschlechts; desgleichen in seinen Palast aus dem Palatin, und zwar in sein Schlafgemach. Durch die Gewalt des Sturmes wurde sogar die Inschriftplatte von der Basis seiner Triumphalsäule losgerissen und fiel auf ein in der Nähe befindliches Denkmal herab. Der Baum, welcher, als Vespasian noch Privatmann war, sich von seinem Falle wiederaufgerichtet hatte S. oben Vespasian, Kap. 4., stürzte jetzt plötzlich von neuem zur Erde. Die Pränestinische Fortuna S. oben Tiberius, Kap. 36., der er sich während seiner ganzen Regierungszeit beim Antritt jedes neuen Jahres zu empfehlen, und die ihm immer einen und denselben glückverheißenden Orakelspruch zu geben gewohnt gewesen war, gab ihm im letzten Jahre einen sehr unheilvollen, in welchem auch von Blut die Rede war. Die Minerva, welcher er eine abergläubische Verehrung widmete, erschien ihm im Traum und erklärte ihm, daß sie seine Hauskapelle verlasse und ihn nicht länger beschützen könne, weil sie von Jupiter entwaffnet worden sei. Nichts aber machte einen so tiefen Eindruck auf ihn, als die Antwort, die ihm der Astrolog Askletarion gab. Er fragte den Mann, von dem Angeber ausgesagt hatten und der es auch geständig war, daß er öffentlich prahlerisch von dem, was er durch seine Kunst von der Zukunft vorausgesehen, gesprochen habe: » ob er denn wisse, welches Ende ihn selber erwarte?« und als jener zuversichtlich erwiderte: » er werde in kurzer Zeit von Hunden zerrissen werden«, gab Domitian Befehl, ihn zwar allerdings sofort zu töten, aber ihn auch zugleich, um die Nichtigkeit seiner Kunst zu beweisen, aus das sorgfältigste zu bestatten. Wozu namentlich das Verbrennen der Leiche auf dem Scheiterhaufen gehörte, wodurch das »Zerrissenwerden von Hunden« unmöglich wurde. Als man damit beschäftigt war, geschah es, daß durch ein plötzliches Sturmwetter der Scheiterhaufen umgeworfen wurde und Hunde den halbverbrannten Leichnam zerrissen, und daß der Kaiser die Sache bei Tafel durch den Mimen Latinus, der sie zufällig im Vorbeigehen mit angesehen hatte, unter den übrigen Tagesneuigkeiten erfuhr.

16. Als man ihm am Tage vor seinem Tode Trüffeln präsentierte, befahl er, sie auf morgen aufzuheben, indem er hinzusetzte: » wenn ich sie anders dann noch werde essen können!«, und zu seiner nächsten Umgebung gewendet versicherte er: » am nächstfolgenden Tage werde sich der Mond im Wassermann mit Blut beflecken und eine Tat geschehen, von der die Menschen auf dem ganzen Erdkreise reden würden«. Gegen Mitternacht überfiel ihn ein so jäher Schrecken, daß er aus seinem Bette aufsprang. Darauf verhörte er morgens früh einen ihm aus Germanien zugeschickten Vogelschauer, der, über die Bedeutung eines Blitzes befragt, einen Regierungswechsel vorausgesagt hatte, und verurteilte denselben zum Tode. Dieser Haruspex hieß Larginus Proculus. Domitians Mörder befreite ihn, und Nerva beschenkte ihn reichlich. Als er darauf eine auf seiner Stirn befindliche schlimm gewordene Warze etwas zu heftig kratzte und Blut herausfloß, rief er aus: »O wär es doch damit abgemacht!« Nämlich mit diesem Blute. Dann fragte er, wieviel Uhr es sei, worauf man ihm statt der fünften Stunde, vor der er sich immer fürchtete, die sechste meldete. Während er jetzt voll Freude, daß nun, wie er meinte, alle Gefahr vorüber sei, eben im Begriff war, sich eilig zum Bade zu begeben, hielt ihn sein Kammerherr Parthenius auf durch die Meldung: es sei jemand da, der eine wichtige Botschaft habe, welche keinen Aufschub leide. Er ließ daher alle Anwesenden abtreten und zog sich in sein Kabinett zurück, woselbst er ermordet wurde.

17. Über den Mordplan und seine Ausführung ist etwa folgendes zur Kunde gekommen. Als die Verschworenen noch unschlüssig waren, wann und wie, d. h. namentlich: ob sie ihn bei Tafel oder im Bade angreifen sollten, erbot sich Stephanus, Intendant der Domitilla Schwestertochter Domitians und verheiratet mit Flavius Clemens., der damals auf Unterschleif von Geldern angeklagt war, die Sache einzuleiten und auszuführen. Er umwickelte einige Tage lang, um Verdacht zu vermeiden, seinen linken Arm, als wenn derselbe leidend sei, mit Wolle und Binden, zwischen die er, als die Stunde kam, einen Dolch einschob. Hierauf meldete er an, daß er die Anzeige von einer Verschwörung zu machen habe, ward also vorgelassen und stieß dem Kaiser, als derselbe die Schrift, welche jener ihm überreicht hatte, las und wie vom Donner gerührt war, den Dolch in den Unterleib. Als er sich trotz seiner Verwundung zur Wehre setzte, fielen der Kornikular Ein Soldat, der bereits eine Dienstauszeichnung trug und den Rang eines Subalternoffiziers hatte. Clodianus und Maximus, ein Freigelassener des Parthenius, sowie Saturius, der oberste Kammerdiener, nebst einem Gladiator über ihn her und machten ihm mit sieben Wunden den Garaus. Ein Page, der gerade, wie gewöhnlich, bei dem Altar der Laren des kaiserlichen Schlafzimmers S. oben die Bemerkung zu Augustus, Kap. 7. Aufseherdienst verrichtete, pflegte noch überdies zu erzählen. Domitian habe ihm gleich auf die erste Verwundung zugerufen, ihm einen unter dem Kopfkissen liegenden Dolch zu reichen und die Dienerschaft zu rufen; er habe aber zu Häupten des Bettes nichts als den Griff eines Dolches und überdies alles verschlossen gefunden. Unterdessen habe der Kaiser sich auf den Stephanus gestürzt, ihn zur Erde niedergerissen und lange mit ihm gerungen, indem er sich bald bemühte, ihm den Dolch zu entwinden, bald ihm, trotz seiner zerfleischten Finger, die Augen auszubohren. Er ward ermordet am achtzehnten September, im fünfundvierzigsten Jahre seines Alters, im fünfzehnten seiner Regierung. Seinem Leichnam, der in einem gemeinen offenen Sarge von gewöhnlichen Totengräbern hinausgetragen worden war, erwies seine Amme Phyllis auf ihrer Villa an der Latinischen Straße die letzte Ehre, seine Reste jedoch setzte sie heimlich im Tempel der Flavischen Familie bei und tat sie zu der Asche von Titus' Tochter Julia, welche sie gleichfalls erzogen hatte.

18. Er war von hohem Wuchse; die Züge seines stark geröteten Gesichts drückten Anstand aus; seine Augen waren groß, aber etwas kurzsichtig. Im übrigen war er ein schöner und stattlicher Mann, besonders in seinen jüngeren Jahren, und zwar in seiner ganzen Körperbildung, mit Ausnahme der Füße, deren Zehen etwas zu kurz waren. Später entstellte ihn auch Kahlköpfigkeit sowie ein zu starker Bauch und allzu dünne Beine, die jedoch nur infolge einer langen Krankheit so abgemagert waren. Er wußte so gut, daß der bescheidene Ausdruck seines Gesichts ihn den Menschen empfahl, daß er einmal im Senate selbstgefällig von sich sagte: » Bis jetzt hat euch wenigstens meine Gesinnung und mein Gesicht gefallen.« Seine Kahlköpfigkeit verdroß ihn so, daß er es übel nahm und auf sich bezog, wenn dieselbe einem anderen im Scherz oder bei einem Zanke zum Vorwurf gemacht wurde. Und doch finden sich in dem Schriftchen, das er über die Pflege der Haare veröffentlichte und einem Freunde widmete, folgende Worte, mit denen er jenen und sich selbst zugleich zu trösten versucht, eingeschaltet:

» Siehest du nicht, wie ich selber so groß und schön an Gestalt bin? Homer, Ilias 21, 108. Und dennoch erwartet mich dasselbe Schicksal meiner Haare, und ich trage es mit Standhaftigkeit, daß mein Haar mich schon in der Jugend zum Greise macht. Bedenke, daß nichts anmutiger ist als Schönheit, aber auch nichts vergänglicher!«

19, Gegen körperliche Anstrengung war er sehr empfindlich, weshalb er denn auch kaum jemals einen Gang zu Fuße in der Stadt machte. Zu Felde und auf dem Marsche ritt er selten, sondern fuhr meist. Waffenübungen Bogen und Pfeil gehörten nach römischen Begriffen nicht zu den eigentlichen Kriegswaffen (Lanze, Wurfspeer, Schwert). liebte er gar nicht, dagegen war er ein überaus eifriger Bogenschütze. Es gibt noch viele, welche zugeschaut haben, wie er oft Hunderte von wilden Tieren aller Art auf seinem albanischen Lustsitze erlegte und zuweilen absichtlich die Köpfe von einigen so traf, daß die zwei Pfeilschüsse wie zwei Hörner in denselben feststaken. Zuweilen schoß er einem in der Ferne stehenden Knaben, der als Ziel seine rechte ausgespreizte Hand bieten mußte, mit solcher Geschicklichkeit durch die Zwischenräume der Finger, daß alle Pfeile, ohne ihn zu verletzen, hindurchgingen. Man erzählt Ähnliches von dem bekannten preußischen Prinzen Louis Ferdinand (der bei Saalfeld blieb), der vielleicht nicht ahnte, wer sein Vorgänger in dieser Art barbarischer Virtuosität war.

20. Die wissenschaftlichen Studien ließ er gleich nach seiner Thronbesteigung liegen, obschon er allerdings die im Feuer aufgegangenen Bibliotheken mit großen Kosten wieder erneuern ließ, indem er von allen Seiten Exemplare der verloren gegangenen Werke aufkaufte und Leute nach Alexandrien schickte, welche neue Abschriften nehmen und andere korrigieren mußten. Nichtsdestoweniger legte er sich nie darauf, Kenntnis der historischen oder poetischen Literatur zu erwerben oder sich auch nur die notwendige Fertigkeit im Stil zu verschaffen. Außer den Denkwürdigkeiten und politischen Schriften des Kaisers Tiberius las er nichts. Seine Briefe sowie seine Reden und Edikte ließ er von anderen abfassen, und doch sprach er gewählt und machte zuweilen sehr bemerkenswerte Bonmots. » Ich wollte,« sagte er z. B. einmal, » ich wäre so schön, wie Metius sich vorkommt!«; und von dem Haupthaare jemandes, das bald rötlich, bald grau gefleckt war, sagte er: » Es ist Schnee, auf den man Weinmet gegossen hat.«

21. » Die Lage der Fürsten«, pflegte er zu sagen, » sei höchst beklagenswert, weil man ihnen in betreff ihrer sicheren Kunde von einer Verschwörung nicht eher Glauben schenke, als bis sie ermordet seien.«

In seinen Mußestunden pflegte er sich mit Brettspiel zu vergnügen, selbst an Festtagen und in frühen Morgenstunden. Auch badete er früh und aß sich beim Frühmahl vollkommen satt, so daß er bei der Hauptmahlzeit nicht leicht etwas, außer einem matianischen Nach dem römischen Ritter Matius, einem gebildeten Freunde des Cäsar und August, und Schriftsteller über Kochkunst und Gartenbau, benannt. S. Realencyklopädie unter dem Wort. Apfel und einem mäßigen Trunk, der sich in einer Karaffe befand, zu sich nahm. Er gab häufige und reichliche Gastgelage, aber man speiste sehr rasch, jedenfalls nicht über Sonnenuntergang hinaus; auch hielt er nach der Tafel weiter keine nächtlichen Trinkgelage, vielmehr machte er bis zur Schlafenszeit nur bloß noch sich Leibesbewegung, indem er allein an einem Orte, dem niemand nahen durfte, spazieren ging.

22. Ausschweifend im geschlechtlichen Genusse, pflegte er seinen täglichen Umgang mit Frauen wie eine Art gymnastischer Übung mit dem Namen »Bettturnen« zu benennen. Auch sagte das Gerücht ihm nach, daß er seine Konkubinen selbst epiliere und sich unter den gemeinsten Lustdirnen bade. Seines Bruders Tochter, die ihm, als sie noch Jungfrau war, zur Ehe angetragen wurde, weigerte er sich hartnäckig zu heiraten, weil er sich bereits in den Banden seiner Gattin Domitia befand; als dieselbe aber mit einem anderen vermählt worden war, war er es, der sie verführte, und zwar noch bei Titus' Lebzeiten. Später, nachdem sie Vater und Gatten verloren hatte, trug er seine Leidenschaft für sie offen zur Schau; ja, er wurde sogar die Ursache ihres Todes, indem er sie zwang, als sie von ihm schwanger geworden war, die Frucht abzutreiben.

23. Seine Ermordung nahm das Volk gleichgültig, das Militär dagegen sehr übel auf, indem es ihm sofort den Namen »der Göttliche« beizulegen sich unterfing, ja sogar bereit war, seinen Tod zu rächen, wenn ihm nicht Anführer gefehlt hätten. Einige Zeit nachher setzte es doch seinen Willen durch, indem es hartnäckig auf die Bestrafung der Anstifter des Mordes drang. Dahingegen der Senat zeigte eine solche Freude, daß alle Mitglieder sich eiligst in die Kurie begaben und sich nicht enthalten konnten, dem Toten die schmachvollsten und bittersten Verwünschungen nachzurufen. Ja, man ließ sogar Leitern in die Kurie bringen und seine Schildbilder S. oben zu Caligula, Kap. 16. und Büsten vor der Versammlung Herunterreißen und an Ort und Stelle zertrümmern und beschloß zuletzt, daß seine Inschriften allerorten ausgekratzt und jede Erinnerung an ihn vernichtet werden solle. Eine lebendige Schilderung dieser rächenden Zertrümmerung aller Statuen und Denkmäler des Tyrannen lesen wir bei Plinius dem jüngeren (Panegyrikus, Kap. 52), der als Augenzeuge nach der Natur malte: »Mit ordentlicher Wollust schmetterte man die Köpfe mit den übermütig stolzen Gesichtszügen gegen den Erdboden, setzte man die Brecheisen in Bewegung, hieb man mit Beilen darein, als ob jeder Schlag Blut und Schmerzen hervorzubringen vermöchte. Niemand vermochte das Freudegefühl über solche, wenn auch späte, Rache so zu mäßigen, daß er nicht mit Befriedigung gesehen hätte, wie man die Glieder zerstückte und verstümmelte und zuletzt alle die scheußlich verunstalteten Bildnisse in die Flammen warf, um sie einzuschmelzen und ihr Material zu Nutz und Freude der Menschen zu verwenden.« – Noch jetzt gibt es Inschriften mit dem ausradierten Namen Domitians. Wenige Monate vor seiner Ermordung hatte eine Krähe auf dem Kapitol die griechischen Worte gerufen: » Alles wird gut sein!« Und es fehlte nicht an einem Dichter, der dies Vorzeichen in folgenden Versen deutete:

Neulich die Krähe, die saß auf Tarpejas Giebel; sie konnte
»Alles ist gut!« nicht schrein, darum rief sie: » Es wird.«

Auch erzählt man, Domitian selbst habe geträumt, daß ihm hinten am Nacken ein goldener Buckel ausgewachsen sei, und sei überzeugt gewesen, dies bedeute, daß nach ihm der Zustand des Staates glücklicher und erfreulicher sein werde, wie das allerdings durch die Rechtlichkeit und Mäßigung der folgenden Herrscher zur glücklichen Wahrheit geworden ist.


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