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Marcus Salvius Otho.

1. Die Vorfahren Othos stammen aus der kleinen Stadt Ferentinum von einer alten und angesehenen Familie, die zu den Fürsten Etruriens gehörte. Sein Großvater, Marcus Sallvius Otho, dessen Vater ein römischer Ritter und dessen Mutter von dunkler, vielleicht nicht einmal freigeborener Herkunft war, wurde durch die Gunst der Livia Augusta, in deren Hause er aufgewachsen war, zum Senator gemacht, kam aber doch nicht über die Rangstufe der Prätur hinaus. Sein Vater, Lucius Otho, von Mutterseite einem sehr glänzenden, mit vielen bedeutenden Adelsfamilien verwandten Geschlechts angehörend, war ein solcher Liebling Tibers und ihm so ähnlich in der Gesichtsbildung, daß man ihn ziemlich allgemein für dessen Sohn hielt. Die hauptstädtischen Ehrenämter, das Prokonsulat von Afrika und mehrere außerordentliche Militärkommandos Präfekturen mit Armeekommandos, die der Kaiser außer der Reihe an geeignete Personen übertrug. verwaltete er auf das gewissenhafteste. Er hatte den Mut, in Illyricum einige Soldaten, die bei der Empörung des Carnillus Gegen Kaiser Claudius. S. Claudius 13, und 35. aus Reue über ihre Teilnahme an derselben ihre Vorgesetzten als Anstifter des gegen Claudius gerichteten Abfallversuchs ermordet hatten, mit dem Tode zu bestrafen, und das vor dem Hauptquartier in seiner Gegenwart, obschon er recht gut wußte, daß sie von Claudius für eben diese ihre Tat im Range befördert worden waren. Dadurch mehrte er zwar seinen Ruhm, minderte aber seine Gunst, die er indessen bald wiedergewann, indem er den Mordanschlag eines römischen Ritters gegen das Leben des Claudius durch den Verrat einiger Sklaven entdeckte. Sueton erwähnt dieses Anschlags im Leben des Claudius (Kap. 13) nicht. Vielleicht war es der römische Ritter Gajus Nonius, von dem Tacitus, Annalen 11, 22 spricht. Denn nicht nur zeichnete ihn dafür der Senat durch die überaus seltene Ehre aus, daß ihm eine Statue im Palatium errichtet wurde, sondern auch Claudius selbst erhob ihn in den Patrizierstand und hielt ihm dabei eine recht glänzende Lobrede, in welcher er unter anderem sagte: » Er ist ein Mann, wie ich mir selbst meine Kinder nicht besser wünschen kann.« Von seiner Gattin Albia Terentia, einer Frau von glänzender Familie, hatte er zwei Söhne, den Lucius Titianus und einen jüngeren, Marcus, der seinen Zunamen (Otho) führte. Auch eine Tochter gebar sie ihm, die er, noch ehe sie ganz das mannbare Alter erreicht hatte, mit Drusus, des Germanicus Sohn, verlobte.

2. Der Kaiser Otho wurde geboren den achtundzwanzigsten April unter dem Konsulate des Camillus Arruntius und des Domitius Aenobarbus. Gleich beim Beginn des Jünglingsalters zeigte er einen solchen Hang zur Geldverschwendung und zu ausgelassenen Streichen, daß er von seinem Vater mit mancher Tracht Prügel zurechtgesetzt wurde. Man sagte ihm nach, daß er sich meist nachts (mit seinen Gesellen) auf den Straßen umhertrieb und jeden schwachen oder angetrunkenen Menschen, der ihm in den Wurf kam, packte und mit ihm ein Fuchsprellen mittels eines ausgebreiteten Mantels Der Mantel, auf den man den zu Prellenden legte, war das Sagum, der römische Kriegs- und Reisemantel, daher diese Art Belustigung auch sagatio hieß. veranstaltete. Nach dem Tode seines Vaters machte er sich an eine bei Hofe viel geltende kaiserliche Freigelassene, in die er sich, um seine Gunstbewerbungen noch wirksamer zu machen, sogar verliebt stellte, obschon sie bereits eine alte abgelebte Person war. Durch ihre Vermittelung wurde er dem Nero nahe gebracht, bei dem er durch die vollkommene Übereinstimmung ihrer Charaktere sehr bald den ersten Platz unter dessen Freunden einnahm; wie einige wollen, gesellte sich dazu auch unzüchtiger Umgang miteinander, und sein Einfluß stieg zu einer solchen Höhe, daß er einmal einen wegen Unterschleif bereits verurteilten Konsularen gegen Erlegung einer großen Geldsumme, noch ehe er seine förmliche Begnadigung erlangt hatte, unbedenklich in den Senat einführte, um sich bei demselben für seine Wiederaufnahme zu bedanken. Die wegen Unterschleifs rechtskräftig Verurteilten wurden aus dem Senate ausgestoßen. S. Leben Cäsars 43.

3. Von Nero in alle seine geheimsten Anschläge eingeweiht, war er es, der an dem Tage, auf welchen derselbe die Ermordung seiner Mutter angesetzt hatte, um jeden Verdacht abzulenken, beiden ein überaus fröhliches Gastmahl gab. Ebenso ging er mit der Poppäa Sabina, der damaligen Geliebten Neros, die ihrem Ehemanne entführt und einstweilen zu ihm gelangt war, um sie in sein Haus aufnehmen zu können, eine Scheinehe ein. Aber nicht genug, daß er sie verführt hatte, faßte er eine solche Leidenschaft für sie, daß er selbst den Gedanken, Nero zum Rivalen zu haben, nicht ertragen konnte. Wenigstens glaubt man, daß er die mit ihrer Abholung Beauftragten nicht ins Haus ließ, ja sogar dem Nero selbst, als er sich vor seiner Tür einfand und unter vergeblichen Bitten und Drohungen seinen anvertrauten Schatz zurückforderte, die Tür nicht öffnete. Genaueres über Othos Liebeshandel mit der Poppäa findet man bei Plutarch, Galba 19, und Tacitus. Sie war die schöne Tochter der schönsten Frau ihrer Zeit; Tacitus, Annalen 13, 45. Nero begnügte sich darauf, die Ehe zu trennen und ihn selbst unter dem Vorwande einer ehrenvollen Sendung nach Lusitanien als Legat von Rom zu entfernen. Weiter mochte er nicht gehen, damit nicht durch eine schärfere Strafe die ganze angestellte Komödie ans Licht käme; und doch geschah dies durch das bald im Publikum verbreitete Distichon:

Warum, fragt ihr, ist Otho verbannt durch erlogne Beförd'rung?
Eh'bruch trieb er bereits hier mit der eigenen Frau.

Er verwaltete übrigens seine Provinz mit dem Range eines Quästors zehn Jahre lang, und zwar mit seltener Mäßigung und Enthaltsamkeit.

4. Als endlich die Stunde der Rache kam, war er der erste, der sich dem Unternehmen des Galba anschloß. Zu gleicher Zeit nährte er auch selbst die Hoffnung auf den Kaiserthron, wozu ihn allerdings die Lage der Umstände, aber noch weit mehr die Verheißung des Astrologen Seleucus Tacitus und Plutarch nennen den Astrologen Ptolemäus. ermutigte. Dieser hatte ihm vor Zeiten die Versicherung gegeben, daß er den Nero überleben werde; jetzt kam er unaufgefordert plötzlich zu ihm und versprach ihm wiederum, daß er binnen kurzer Frist auch den Kaiserthron besteigen werde. So ließ er denn nichts unversucht, sich alle Welt durch Dienstleistungen und sonstige Bestechungsmittel zu verpflichten. So oft er den Kaiser bei sich zur Tafel empfing, verteilte er unter die diensthabende Kohorte der Leibwache Mann für Mann ein Goldstück und suchte nebenbei noch auf jede andere Weise sich die Soldaten zu verbinden. Einem, der mit seinem Gutsnachbar einen Grenzstreit hatte Es war ein Subalternoffizier der Garde, Coccejus Proculus. Siehe Tacitus. und ihn zum Schiedsrichter nahm, kaufte er das ganze Grundstück und schenkte es ihm als freien Besitz, so daß es bald kaum einen Soldaten mehr gab, der nicht die Überzeugung hegte und laut aussprach: »er allein sei der Thronfolge würdig«.

5. Nun hatte er gehofft, Galba werde ihn adoptieren, und erwartete täglich, daß es geschehen werde. Als jener aber den Piso vorgezogen und er sich in der Hoffnung getäuscht sah, entschloß er sich zur Anwendung von Gewalt, wozu ihn außer dem Ärger über die erlittene Zurücksetzung auch noch die Größe seiner Schuldenlast anspornte. Er pflegte nämlich unverhohlen zu äußern: » nur als Kaiser könne er sich aufrecht halten, und es liege ihm nichts daran, ob er unter dem Schwerte des Feindes in der Feldschlacht oder unter den Anklagen seiner Gläubiger falle«. Die Parallele hierzu aus der Geschichte des letzten Jahrhunderts wird sich jeder selbst ziehen können. Wenige Tage zuvor hatte er einem Sklaven des Kaisers, als Preis für eine demselben verschaffte Intendantenstelle, eine Million Sesterzien 217 520 Reichsmark. 10 000 Sesterzien = 2175 Reichsmark; 50 000 Sesterzien = 10 876 Reichsmark. abgepreßt. Mit dieser kleinen Summe ging er an ein so großes Unternehmen. Zuerst vertraute er seinen Anschlag fünf Subalternoffizieren Sogenannte Spekulatoren. S. zu August Kap. 74. der Garde, dann zehn anderen, von welchen jeder der fünf ersteren ihm zwei zugeführt hatte. Jedem derselben wurden zehntausend Sesterzien bar ausbezahlt und fünfzigtausend weitere versprochen. Durch diese wurden weitere Teilnehmer der Verschwörung geworben, doch nicht sehr viele, da man der Zuversicht lebte, daß sich, wenn es zum Losschlagen komme, zahlreiche einfinden würden.

6. Otho hatte im Sinn gehabt, sogleich nach der Adoption sich des Lagers zu bemächtigen und den auf dem Palatium zu Nacht speisenden Galba zu überfallen. Aber diesem Plane trat die Rücksicht für die an dem Tage diensttuende Kohorte entgegen, die man nicht mit noch größerem Hasse beladen wollte, da bereits, während sie die Palastwache hatte, Kaiser Gajus ermordet und Nero verlassen worden war. Die Zwischenzeit Von der Adoption des Piso an bis zum Tage von Galbas Ermordung. Sie betrug vier Tage., welche von da bis zur Ausführung verfloß, verlor man durch allerhand unglückliche Vorzeichen und durch die Warnung des Seleucus. Endlich, als der Tag festgesetzt war, wies er die Verschworenen an, ihn auf dem Forum in der Nähe des Saturnustempels bei dem Goldenen Meilensteine Eine von August auf dem Forum errichtete Säule, bei welcher alle Landstraßen, welche durch die verschiedenen Tore nach Rom führten, zusammentrafen. Tafeln von vergoldeter Bronze, welche die Hauptorte und Entfernungen der hier zusammenlaufenden Straßen enthielten, gaben ihr den Namen. zu erwarten, und machte dann dem Galba seine Aufwartung, wurde wie gewöhnlich von demselben mit einem Kusse empfangen, wohnte auch dem Opfer, welches der Kaiser vornahm, bei und hörte die Voraussagungen des Opferschauers. Als darauf sein Freigelassener meldete, die Architekten seien da – es war dies das verabredete Zeichen, – verabschiedete er sich unter dem Vorwande, daß er ein zum Kauf gebotenes Haus besichtigen wolle und begab sich spornstreichs durch ein Hintertor des Palastes nach dem bestimmten Platze. Andere sagen, er habe einen Fieberanfall vorgeschützt und den ihm zunächst Befindlichen aufgetragen, ihn damit zu entschuldigen, wenn nach ihm gefragt werden sollte. Er warf sich eiligst in eine verschlossene Frauensänfte und eilte so dem Lager zu. Als den Trägern die Kräfte ausgingen, stieg er aus und lief zu Fuß weiter. Dabei ging ihm ein Schuh auf, was einen Aufenthalt verursachte, bis er von seiner Umgebung, der das zu lange dauerte, auf die Schultern genommen, als Kaiser begrüßt und unter glückverheißenden Zurufen und gezogenen Schwertern zum Hauptquartier getragen wurde, während sich auch unterwegs die Begegnenden, ganz als wären sie Mitwisser und Teilnehmer der Sache, an den Zug angeschlossen hatten. Sofort schickte er Soldaten ab, um den Galba und Piso niederzuhauen, und sprach statt aller Versprechungen zur Gewinnung der Geneigtheit der Soldaten in seiner Anrede an dieselben nichts weiter als die Worte aus: » er werde nur das als sein Eigentum betrachten, was sie ihm übrig lassen würden«.

7. Darauf trat er, als der Tag sich bereits neigte, in die Senatsversammlung, legte dort einen kurzen Rechenschaftsbericht ab: daß er von der Straße weg durch die Soldaten entführt und mit Gewalt genötigt worden, die Regierung zu übernehmen, und daß er willens sei, dieselbe nach dem allgemeinen Willen zu führen, und begab sich dann in das Palatium. Als er währenddem außer anderen Schmeicheleien der Beglückwünschenden vom niedersten Pöbel auch mit dem Namen Nero gerufen wurde, gab er nicht nur kein Zeichen, daß ihm dieser Name mißbehage, sondern fügte sogar, wie einige melden, den Diplomen und seinen ersten Briefen an die Befehlshaber der Provinzen den Beinamen Nero seinem Namen bei. Jedenfalls litt er es, daß Neros Bildnisse und Statuen wiederaufgerichtet wurden, und setzte dessen Prokuratoren und Freigelassene wieder in ihre alten Ämter ein. Auch war das erste, was er als Kaiser unterzeichnete, eine Verwilligung von fünfzig Millionen Sesterzien 10 876 000 Reichsmark. zur Vollendung des Goldenen Hauses. Es heißt, daß er in dieser ersten Nacht, im Schlafe durch Träume erschreckt, laute Jammerrufe ausgestoßen habe, daß ihn die Herbeieilenden auf der Erde vor seinem Bette liegend gefunden und daß er durch alle möglichen Sühnungsmittel die Manen Galbas, dessen Erscheinung ihn von seinem Lager aufgestört und hinabgeworfen, zu begütigen versucht habe, daß er ferner tags darauf zur Zeit der Opferbeschauung einen schweren Fall getan und wiederholt die griechischen Worte vor sich hingemurmelt habe: » Was hatte ich auch auf der langen Flöte zu blasen?« Griechisches Sprichwort von denen, die sich mit etwas zu tun machen, dem sie nicht gewachsen sind. Entsprechend wäre in unserer Sprache etwa: »Was mußte ich auch die erste Geige spielen?« So erklärt auch Dio Cassius (Xiphilinus) 64, 7.

8. Etwa um dieselbe Zeit hatten die in Germanien stehenden Heere dem Vitellius den Huldigungseid geleistet. Als Otho dies erfuhr, beauftragte er den Senat, eine Gesandtschaft an sie abzusenden, welche die bereits geschehene Wahl eines Kaisers anzeigen und zur Ruhe und Eintracht ermahnen sollte. Nichtsdestoweniger trug er durch Unterhändler und Briefe sich dem Vitellius zum Mitregenten und Schwiegersohn an. Als aber sich herausstellte, daß der Krieg unvermeidlich sei und die von Vitellius vorausgeschickten Truppen und Generale bereits herannahten, da erhielt er von den Prätorianern einen Beweis ihrer Gesinnung und Anhänglichkeit an ihn, der nahezu die Niedermetzelung des Senats herbeiführte. [Er hatte befohlen, die siebzehnte Kohorte der zu Ostia stationierenden Marinetruppen nach Rom zu führen] und angeordnet, daß die [zu ihrer Ausrüstung notwendigen] Waffen durch Seesoldaten dorthin gebracht und zu Schiff befördert werden sollten. Ich habe diese offenbar verdorbene und durch Auslassungen unverständlich gewordene Stelle so ergänzt, wie es die von Tacitus (Historien I, 80) und Plutarch (Otho, Kap. 3) gegebene ausführliche und genaue Darstellung dieses Vorfalls notwendig zu machen scheint. Die Waffen, mit welchen die Truppen zu Ostia versehen werden sollten, wurden nachts aus dem Zeughause im Lager der Prätorianer genommen und auf Wagen verladen. Die Prätorianer glaubten, hier sei Verrat des Senats gegen Otho im Spiele und erhoben sich meuterisch gegen ihre eigenen Offiziere. Als man diese Waffen bei Einbruch der Nacht aus dem Zeughause im Prätorianerlager hervorholte, faßten einige Verdacht, daß hier Verrat im Spiele sei, und machten Lärm. Sofort liefen alle ohne einen eigentlichen Führer nach dem Palatium, indem sie mit Ungestüm die Köpfe der Senatoren verlangten. Sie warfen die Tribunen zurück, welche ihnen Einhalt zu tun versuchten, hieben sogar einige nieder, und mit Blut bespritzt, wie sie waren, drangen sie unter dem Rufe: »wo der Kaiser sei?« bis in den Speisesaal Wo Otho in großer Gesellschaft tafelte. Man lese die drastische Schilderung dieser furchtbaren Nachtscene bei Tacitus a. a. O. und gaben sich erst zufrieden, nachdem er sich ihnen gezeigt hatte.

Den Feldzug selbst begann er mit großer Energie und selbst mit übergroßer Eile, ohne Rücksicht auf die Vorbedeutungen, selbst nicht darauf, daß die Ancilien So hießen die » heiligen Schilde«, welche in dem Heiligtum des Mars verwahrt und alljährlich im März von den Saliern hervorgeholt und dreißig Tage lang in Prozession unter Gesängen und Tänzen durch ganz Rom getragen wurden. Während dieser Zeit hielt man jede Unternehmung für unglücklich. Selbst Ehen zu schließen vermied man. Vgl. Ovid, Festkalender 3, 393. zwar bereits durch die Straßen getragen, aber noch nicht wieder in das Heiligtum zurückgebracht worden waren, was von uralters her für ein unglückliches Zeichen gehalten wird; desgleichen an einem Tage, wo die Verehrer der Göttermutter ihre Trauergesänge und ihr Wehklagen beginnen Über den Kult der Cybele (Rhea) bei den Römern und das vom 24. bis 30. März alljährlich gefeierte Fest, sowie die Klagegesänge und die Geißelungen ihrer Priester, der sogenannten Galli, s. Realencyklopädie VI, 1, S. 407., und überdies unter möglichst ungünstigen Vorbedeutungen. So z. B. lieferte ein dem Pluto von ihm dargebrachtes Opfertier sehr gute Zeichen, während doch bei einem solchen Opfer Eingeweide, welche das Gegenteil anzeigen, die besseren sind; bei seinem Ausmarsche aus der Stadt wurde er durch die Überschwemmungen des Tiberstromes aufgehalten, und beim zwanzigsten Meilensteine fand er sogar die Heerstraße durch den Einsturz von Gebäuden versperrt.

9. Mit derselben Unbesonnenheit beschloß er, obschon kein Mensch darüber in Zweifel war, daß man den Krieg in die Länge ziehen müsse, da der Feind durch Hunger und ungünstige Ortsverhältnisse bedrängt wurde, so bald als möglich eine Entscheidungsschlacht zu liefern; sei es nun, daß er die Pein längerer Ungewißheit nicht ertragen konnte und nebenbei die Hoffnung hegte, vor der Ankunft des Vitellius einen Hauptschlag führen zu können, oder daß er nicht imstande war, die Hitze seiner Soldaten zu zügeln, welche eine Schlacht forderten. Doch nahm er persönlich an keinem Treffen teil, sondern blieb in Brixellum Eine feste Stadt am Poufer, im Cisalpinischen Gallien, jetzt Bresello. zurück. In drei, allerdings kleinen, Gefechten: in der Nähe der Alpen, bei Placentia und beim Kastorshain, welches der Name einer Ortschaft ist, blieb er Sieger Die »Alpen« sind die »Seealpen«; Placentia, das heutige Piacenza; der Kastorshain genannte Ort lag nach Tacitus (Historien II, 24) an der Postumischen Straße, zwölf römische Millien [17,742 km] von Cremona.; in dem letzten und bedeutendsten, bei Bedriacum Ein Flecken zwischen Verona und Cremona, dessen Lage nicht mehr genau zu ermitteln ist., ward er, und zwar durch List, geschlagen. Man hatte nämlich Aussicht auf eine mündliche Unterhandlung gemacht, und die Soldaten, die, gleich als ob der Friede unterhandelt werden sollte, aus dem Lager hervorgekommen waren, hatten sich plötzlich ganz unvorhergesehenerweise und in dem Augenblicke, wo sie sich mit den Feinden begrüßten, zum Schlagen gezwungen gesehen. Vgl. Tacitus, Historien II, 42; Plutarch, Otho 12. Sofort faßte er den Entschluß, zu sterben: wie viele, und zwar nicht ohne Grund, meinen, mehr, weil er sich nicht überwinden konnte, den Kampf um die Herrschaft auf Kosten des Reiches und mit dem Blute seiner Soldaten fortzusetzen Suetonius zeigt sich durch Einstimmen in dieses historische Urteil über Othos Beweggründe zum Selbstmorde, die nach Niebuhr allein in der vollkommenen Blasiertheit des frivolen, durch alle Ausschweifungen erschöpften Lüstlings wurzelten, als einen sehr geringen Menschenkenner. Othos Tat ist die eines feigen Schwächlings, des würdigen Freundes und Genossen des Komödianten Nero, nur daß er seine Rolle im Tode besser spielte, als der letztere., als aus irgend einer Verzweiflung an seiner Lage oder aus Mißtrauen gegen seine Truppen. Denn er hatte noch seine ganzen in Reserve bei sich zurückbehaltenen Streitkräfte unangerührt zur Hand, und aus Dalmatien wie aus Pannonien und Mösien waren noch andere im Anmarsch begriffen; ja, selbst die Geschlagenen waren keineswegs so entmutigt, daß sie nicht, um ihre Scharte auszuwetzen, zu jeder kühnen Unternehmung, selbst ohne alle Unterstützung, bereit gewesen wären.

10. Es machte diesen Krieg mein Vater Suetonius Lenis, als Tribun mit dem schmalen Purpurstreif Weil er aus einer plebejischen Familie war, durfte er nicht den breiten Purpurstreifen ( latus clavus) tragen, der sonst den Militärtribunen zukam, weil dieselben meist aus dem Ritterstande waren. S. die Einleitung., bei der dreizehnten Legion, mit. Dieser pflegte späterhin häufig zu erzählen: Otho habe auch vor seiner Thronbesteigung einen solchen Abscheu vor Bürgerkrieg gehabt, daß er einmal, als jemand bei seinem Gastmahle von dem Ausgange des Brutus und Cassius sprach, zusammengeschaudert sei; auch würde er nie sich gegen Galba erhoben haben, wenn er nicht fest geglaubt hätte, daß die Sache ohne Krieg ausgemacht werden könne. Damals [nach der Schlacht von Bedriacum] sei er zu dem Entschluß, sein Leben wegzuwerfen, durch das Beispiel eines gemeinen Soldaten angespornt worden, der, als er die Niederlage des Heeres meldete und niemand ihm Glauben schenkte, sondern die einen ihn der Lüge, die anderen der Feigheit, als ob er aus der Schlacht entflohen sei, beschuldigten, sich vor Othos Füßen in sein Schwert stürzte. Bei diesem Anblick habe er, pflegte mein Vater zu sagen, ausgerufen: » nicht länger wolle er so tapfere und treue Männer mehr aufs Spiel setzen!« So redete er denn seinem Bruder und seinem Brudersohne sowie seinen Freunden einzeln zu, daß jeder von ihnen nach Möglichkeit für sich sorgen möchte, entließ sie mit Kuß und Umarmung und zog sich in sein geheimes Kabinett zurück, wo er zwei Briefe schrieb: ein Trostschreiben an seine Schwester, aber auch ein Schreiben an Neros Witwe Messallina, die er zu heiraten vorgehabt hatte und der er jetzt seine Leiche und sein Andenken empfahl. Dann verbrannte er seine sämtlichen Briefschaften, damit sie nicht irgend jemand bei dem Sieger zu Gefahr und Nachteil gereichen möchten. Desgleichen verteilte er unter seine Hausbedienten Geldsummen aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln.

11. Als er nun, so vorbereitet zum Tode und bereits mit der Ausführung seines Vorhabens beschäftigt, während der Voranstalten dazu die Nachricht erhielt, daß man an diejenigen, welche sich anschickten, ihn und das Lager zu verlassen, als wären sie Deserteure, Hand anlege und sie festhalte, sagte er: » Nun, so wollen wir denn unserem Leben noch diese Nacht zusetzen!« Dies waren buchstäblich seine Worte. Zugleich verbot er, irgend wem Gewalt anzutun, und gab bis zum späten Abend bei offenen Türen seines Schlafgemachs jedermann, der ihn sprechen wollte, Audienz. Dann stillte er seinen Durst durch einen Trunk kalten Wassers, ergriff zwei Dolche, prüfte deren Schärfe, steckte den einen unter sein Kopfkissen und tat dann bei verschlossenen Türen einen ruhigen und festen Schlaf. Erst gegen Tagesanbruch erwachte er aus demselben und durchbohrte sich mit einem einzigen Stoße unter der linken Brustwarze. Als seine Diener bei dem ersten heftigen Seufzer in das Schlafgemach drangen, hauchte er, die tödliche Wunde bald zuhaltend, bald aufdeckend, seine Seele aus und ward sofort schnell – denn so hatte er es vorgeschrieben – begraben, im achtunddreißigsten Jahre seines Alters, am fünfundneunzigsten Tage seiner Regierung.

12. Dieser Seelengröße Othos entsprachen sein Körper und sein Äußeres keineswegs. Er wird nämlich geschildert als von mäßiger Größe, mit schlechten, einwärts gebogenen Füßen, in seiner Toilette fast von weibischer Koketterie, indem er sich die Haare am Leibe ausrupfen ließ und auf dem Haupte wegen seines spärlichen Haarwuchses eine sorgfältig angepaßte und befestigte Perücke trug, daß kein Mensch sie von eigenem Haar unterscheiden konnte. Das Gesicht ließ er sich täglich rasieren und mit feuchtem Brot abreiben, was er von dem ersten Flaum an getan haben soll, um nie einen Bart zu haben. Auch das Isisfest soll er häufig in dem leinenen, von dem Kultus vorgeschriebenen Gewande öffentlich besucht haben. Daher möchte ich es ableiten, daß sein Tod, der mit seinem Leben so gar nicht im Einklang stand, noch größere Verwunderung erregt hat. Viele der anwesenden Soldaten küßten unter heißen Tränen Hände und Füße seiner aus dem Scheiterhaufen liegenden Leiche, nannten ihn rühmend »den tapferen Mann«, »den einzigen Kaiser« und gaben sich dann auf der Stelle dicht bei dem Scheiterhaufen selbst den Tod. Auch von den abwesenden Soldaten töteten sich auf die Nachricht viele aus Schmerz im gegenseitigen Zweikampfe. Ein großer Teil der Menschen endlich, die den Lebenden verwünscht hatten, zollten dem Toten Lobsprüche; ja, man ging so weit, allgemein die Behauptung aufzustellen: » Galba sei von ihm nicht sowohl darum getötet worden, weil er selbst habe herrschen, sondern weil er die Republik und die Freiheit habe wiederherstellen wollen.«


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