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Tiberius Claudius Drusus Cäsar.

1. Den Vater Claudius Cäsars, den Drusus, der erst Decimus, dann Nero mit Vornamen hieß, gebar die Livia, welche bereits schwanger war, als sie den Augustus heiratete S. Leben Augusts Kap. 22., im dritten Monate nach der Hochzeit, und es ging das Gerücht, daß er ein wirklicher, im früheren Ehebruche erzeugter Sohn seines Stiefvaters sei. Wenigstens lief gleich bei seiner Geburt der griechische Vers um:

» Wer Glück soll haben, kriegt auch ein Dreimonatkind!«

Dieser Drusus war in seiner Eigenschaft als Quästor und Prätor Oberanführer im Rhätischen, dann im Germanischen Kriege Den Krieg des Drusus gegen die Vindeliker in den Rhätischen Alpen besingt Horaz in der vierten Ode des vierten Buches. Er fällt in das Jahr 739 der Stadt (15 v. Chr.), der Deutsche Krieg drei Jahre später (742-743 d. St.). Der Name Drusenthal bei Bozen in Tirol erhält noch die Erinnerung an den ersten Feldzug. und zugleich der erste aller römischen Feldherren, welcher den nördlichen Ocean beschiffte. Jenseit des Rheins führte er ganz neue Kanalarbeiten aus, ein ungeheueres Werk, das noch heutigestags seinen Namen führt. Fossa Drusiana, zwei Meilen lang, zur Verbindung des Rheins mit der Yssel, um durch die Zuydersee in die Nordsee zu gelangen. Großartige Deichwerke des Drusus erwähnt Tacitus, Historien V, 19; Annalen XIII, 53. Er brachte dem Feinde vielfache Niederlagen bei, warf ihn in das Allerinnerste der Wildnisse zurück und gab die weitere Verfolgung desselben erst auf, als die Erscheinung eines Barbarenweibes von übermenschlicher Größe dem Sieger in lateinischer Sprache weiter zu gehen verboten hatte. Für diese Thaten erhielt er das Recht der Ovation und die triumphalischen Ehrenzeichen. Nach der Prätur trat er sofort das Konsulat an, nahm den Feldzug wieder auf und starb in dem Sommerlager, welches davon das verfluchte genannt ward. Sein Leichnam wurde von den angesehensten Personen der Munizipien und Kolonieen bis zum Weichbilde von Rom getragen, wo ihn die Dekurien der Schreiber in Empfang nahmen; das Begräbnis erfolgte auf dem Marsfelde. Außerdem errichtete ihm das Heer einen Ehrengrabhügel, um welchen seitdem alljährlich die Truppe einen feierlichen Umzug hielt und die gallischen Staatsgemeinden Festopfer veranstalteten. Vielleicht ist es dieses Kenotaph, von dem Tacitus spricht (Annalen II, 3), als zwischen Rhein und Lippe befindlich. Ein anderes Drususdenkmal bei Mainz erwähnt Eutrop VIII, 8. – Auf dem Leichenzug nach Italien begleitete Tiberius seines Bruders Leiche zu Fuß. Sueton, Tiberius 7. Außerdem beschloß der Senat die Errichtung eines marmornen, mit Trophäen geschmückten Bogens auf der Appischen Straße und die Erteilung des Beinamens Germanicus für ihn selbst und seine Nachkommen. Er soll aber nach der allgemeinen Meinung von ebenso kriegerisch hochstrebender, als bürgerfreundlicher Sinnesart gewesen sein. Denn nicht zufrieden damit, über den Feind den Sieg davonzutragen, habe er auch immer noch nach der Gewinnung von Auszeichnungen persönlicher Tapferkeit » Auszeichnungen persönlicher Tapferkeit« sind die spolia opima, welche derjenige römische Feldherr gewann, der eigenhändig einen feindlichen Heerführer erlegte und ihm die Waffenrüstung nahm. Siehe Paulys Real-Encyklopädie VI, a, S. 1380. gestrebt und nicht selten germanische Heerführer mit höchster Lebensgefahr im dichtesten Getümmel aufgesucht; und andererseits soll er nie ein Hehl daraus gemacht haben, daß er, sobald es in seiner Macht stehe, die alte republikanische Verfassung wiederherstellen werde. Dies ist der Grund, glaube ich, weshalb einige Schriftsteller sich zu der Behauptung verstiegen haben: er sei dem Augustus verdächtig und von demselben aus der Provinz abberufen und, da er zu gehorchen zögerte, durch Gift aus dem Wege geräumt worden. Ich habe dies mehr deshalb erwähnt, weil ich es nicht unbemerkt lassen wollte, als weil ich es irgend für wahr oder auch nur für wahrscheinlich hielte, da Augustus seinen Stiefsohn nicht nur so lange derselbe lebte, so sehr geliebt hat, daß er ihn bei allen Gelegenheiten als Miterben seiner eignen Kinder erklärte, wie er das einmal im Senate ausgesprochen hat, sondern auch in der öffentlichen Lobrede, welche er demselben nach seinem Tode hielt, die Götter anflehte: » sie möchten seine beiden Cäsaren Die beiden oft erwähnten Prinzen ( principes juventutis) Gajus und Lucius Cäsar, Augusts Enkel und Thronerben, von ihm offiziell seine »Söhne« genannt. S. Tiber 23. dem Verstorbenen ähnlich machen und ihm selbst dereinst einen eben so ehrenvollen Ausgang des Lebens gewähren, als sie jenem gewährt hätten«. Ja, es war ihm nicht genug, daß er die Verse der rühmenden Inschrift für den Grabhügel selbst verfaßte und in Erz graben ließ, sondern er verfaßte noch eigens in Prosa eine Lebensbeschreibung des Verstorbenen zur Verewigung seines Andenkens.

2. Von Antonia der jüngeren hatte er zwar viele Kinder, aber nur drei überlebten ihn: Germanicus, Livilla und Claudius.

Claudius wurde unter dem Konsulate des Julius Antonius und des Fabius Africanus am ersten August zu Lugdunum Das heutige Lyon. geboren, an demselben Tage, an welchem dort dem Augustus zuerst ein Altar errichtet wurde Das letztere war zwei Jahre früher geschehen, im Jahre 741 der Stadt (13 v. Chr.)., und erhielt die Namen Tiberius Claudius Drusus. Bald darauf, als sein ältester Bruder in die Julische Familie adoptiert worden war, nahm er dazu den Namen Germanicus an. Schon als zartes Kind verlor er den Vater, und während der ganzen Zeit seines Knaben- und jugendlichen Mannesalters hatte er mit vielfachen hartnäckigen Krankheiten zu kämpfen, wodurch Körper und Geist zugleich dermaßen geschwächt wurden, daß er selbst im vorgerückten Mannesalter für keinerlei öffentliche oder private Berufsthätigkeit geschickt erachtet wurde. Geraume Zeit, und selbst als er längst das Alter der Mündigkeit erreicht hatte, stand er noch unter fremder Vormundschaft und unter einem Pädagogen. Wir würden bei einem Prinzen dafür »Gouverneur« sagen. In betreff des letzteren klagt er selbst in irgendeiner seiner Schriften: » derselbe sei ein Ausländer und ehemaliger Marstallaufseher gewesen und ihm mit Fleiß in der Absicht beigegeben worden, ihn bei aller und jeder Gelegenheit aus das grausamste zusammenzunehmen«. Wegen dieser seiner Schwächlichkeit erschien er auch bei dem Gladiatorspiele, das er mit seinem Bruder zusammen zum Gedächtnis seines Vaters dem Volke gab und wobei er den Vorsitz führte, in einen Kapuzmantel Ein solches palliolum, den griechischen Capuchonmantel, trugen nur Kranke und Weichlinge oder Kurtisanen. Öffentlich damit zu erscheinen, konnte nur Krankheit bei Männern entschuldigen. Quintilian XI, 3, 144. eingehüllt, was nie zuvor gesehen war; und am Tage, wo er die männliche Toga anlegte, ließ er sich um Mitternacht ohne alle feierliche Begleitung in einer Sänfte auf das Kapitol tragen.

3. Nichtsdestoweniger legte er sich von früher Jugend an mit nicht geringerem Eifer auf die schönen Wissenschaften und gab davon häufig sogar öffentliche Proben. Doch auch aus diesem Wege gelang es ihm nicht, zu irgendwelchem Ansehen zu gelangen oder bessere Hoffnung für die Zukunft zu erwecken. Die eigene Mutter Antonia pflegte ihn »eine Mißgeburt von Menschen« zu nennen und von ihm zu sagen, »die Natur hätte ihn nur skizziert, nicht vollendet«; und wenn sie jemand den Vorwurf der Dummheit machen wollte, so pflegte sie zu sagen: » er sei einfältiger, als ihr Sohn Claudius«. Seine Großmutter Augusta behandelte ihn stets mit höchster Verachtung, redete mit ihm nur in den seltensten Fällen, und wenn sie ihn zu ermahnen hatte, so geschah es immer in einem kurzen und bittern Billette oder mündlich durch dritte. Seine Schwester Livilla verwünschte, als sie vernahm, daß er einst regieren werde, laut und öffentlich ein so unglückliches und unwürdiges Geschick des römischen Volkes. Wie endlich sein Großoheim Augustus im guten und bösen über ihn urteilte, werden am besten folgende Stellen aus dessen Briefen beweisen, die ich deshalb ausdrücklich hierhin setze:

4. »Ich habe deinem Verlangen gemäß, meine Livia, Rücksprache mit Tiberius darüber genommen, wie es mit deinem Enkel Tiberius (Claudius) bei den Festspielen des Mars Diese Spiele wurden von August zu Ehren des Mars Ultor (siehe Augusts Leben 29) im Jahre der Stadt 765 gefeiert, als Claudius, der hier mit seinem Vornamen Tiberius genannt wird, bereits einundzwanzig Jahre alt war. gehalten werden soll. Wir sind beide darin einig, daß wir ein für allemal einen festen Plan darüber fassen müssen, nach welchen Grundsätzen wir in Bezug auf ihn verfahren sollen. Denn, ist er überhaupt präsentabel und, um mich so auszudrücken, komplett Die beiden von mir gebrauchten Fremdwörter entsprechen zweien von Augustus gebrauchten griechischen Ausdrücken, welche beide einen Menschen bezeichnen, der, wie man zu sagen pflegt, seine fünf Sinne beisammen hat, d. h. dem man die Qualität, ein vollständiger Mensch zu sein, nicht absprechen kann. Auch im folgenden, wo Augustus sich des Griechischen bedient, habe ich dies anzudeuten versucht., warum sollen wir Anstand nehmen, ihn alle Grade und Ehrenstellen stufenweise durchmachen zu lassen, die sein Bruder durchgemacht hat? Halten wir ihn aber für imbezill und defekt an Leib und Seele, so dürfen wir den Leuten, die dergleichen zu persiflieren und zu ridikulisieren gewohnt sind, keinen Stoff geben, sich über ihn, wie über uns, lustig zu machen. Stabilieren wir die Sache nicht ein für allemal, so werden wir immer in Angst schwitzen, wenn wir in jedem einzelnen Falle, wo es sich um seine Beförderung handelt, darüber verhandeln sollen, ob wir ihn zur Bekleidung von Ehrenstellen fähig halten oder nicht. Für den gegenwärtigen Fall, auf den sich deine Anfrage bezieht, haben wir nichts dawider, daß er bei den Marsfestspielen die Besorgung der Priestertafel übernimmt, vorausgesetzt, daß er sich dazu versteht, sich von dem jungen Silanus, der ohnehin sein Verwandter ist, beraten zu lassen, damit er nichts thut, was möglicherweise auffallen und lächerlich werden könnte. Daß er bei den Cirkusspielen in der kaiserlichen Loge S. Augusts Leben 45 zu Anfang. erscheint, halten wir nicht für passend, denn da wird er in der ersten Reihe der Zuschauerplätze zu sehr allen Blicken exponiert sein. Daß er am Latinerfeste den Zug auf den Albanerberg mitmacht oder während desselben in der Stadt bleibt, scheint uns auch nicht passend. Denn warum wird er nicht Stadtpräfekt, wenn er im stande ist, seinen Bruder auf den Berg zu begleiten? Über den wenige Stunden von Rom entlegenen Albanerberg, wo von uralters her das große Latinerfest gefeiert wurde und wo noch jetzt die Spuren der gepflasterten Feststraße zu sehen sind, die zu dem Tempel des Jupiter Latiaris führte, siehe Ein Jahr in Italien I, S. 414-419. Während der Dauer dieser (vier) Festtage wurde ein eigener Präfekt für die Hauptstadt ernannt. Da hast du, meine Livia, unsere beiderseitigen Ansichten, denen zufolge es das beste scheint, ein für allemal einen festen Plan in dieser ganzen Angelegenheit zu fassen, um nicht immer zwischen Furcht und Hoffnung zu schweben. Du kannst, wenn du willst, auch unserer Antonia diesen Teil des Briefes zu lesen geben.«

In einem anderen Briefe heißt es:

»Den jungen Tiberius werde ich allerdings, so lange du abwesend bist, täglich zu Tische einladen, damit er nicht mit seinem Sulpicius und Athenodorus allein speist. Ich wünsche nur, er möchte mit mehr Bedacht und weniger ideologisch Das hier von Augustus gebrauchte griechische Wort bezieht sich, wie die ganze Bemerkung, auf des armen Claudius Leben und Weben in pedantischer Gelehrsamkeit und seinen ausschließlichen Verkehr mit Gelehrten solchen Schlages, wie Sulpicius (s. unten Kap. 41) und Athenodorus gewesen zu sein scheinen. sich irgend jemand auswählen, dessen Gestikulation, Haltung und Gang er nachahmt, der arme Tropf, der »In allen ernsten Dingen gar so linkisch ist« Ein griechischer Vers..

Wo sein Verstand nicht auf falscher Fährte schweift, da tritt die angeborene Noblesse seines Naturells sehr deutlich hervor.«

Desgleichen heißt es in einem dritten Briefe:

»Wie es möglich war, daß mir dein Enkel, als er seinen rednerischen Vortrag hielt Es ist von einer sogenannten declamatio, einem rhetorischen Vortrage, die Rede, dergleichen uns der ältere Seneca aufbewahrt hat., hat gefallen können, darüber, meine Livia, bin ich, so wahr ich lebe, noch heute in Erstaunen! Denn ich begreife noch heute nicht, wie ein Mensch, der im gewöhnlichen Leben so inkohärent spricht, beim rednerischen Vortrage alles, was zu sagen ist, so kohärent vorbringt.«

Es ist nun zur Genüge bekannt, welche Bestimmung Augustus in Bezug auf ihn getroffen hat und daß er ihn, so lange er lebte, zu keiner höheren Würde, als zu der eines Auguralpriesters, beförderte, ja ihn auch in seinem Testamente nur unter den Erben dritten Grades, fast unter den Fremden, erwähnte, wie er ihm denn auch nur ein Legat von 800 000 Sesterzien 108 760 Reichsmark. vermachte.

5. Sein väterlicher Oheim Tiberius verlieh ihm auf sein Ansuchen um Ehrenstellen bloß die konsularischen Ehrenzeichen. D. i. die Fasces, die Toga mit dem Purpurstreif, den elfenbeinernen Ehrensessel u. s. w., also nur die Zeichen, nicht das Amt selbst. Auf sein dringenderes Ersuchen um das wirkliche Ehrenamt selbst schrieb er nur zurück: » er schicke ihm hierbei vierzig Goldstücke für das Saturnalien- und Sigillarienfest«. »Die Antwort des Tiberius ist sehr bitter. Statt seine Bitte, ihn zum wirklichen Konsul zu machen, zu erfüllen, schickt er ihm etwas Gold, um sich an den Festen, wo selbst der Sklave fröhlich war, einen frohen Tag zu machen.« Bremi. – Richtiger wohl: um seinen Freunden Geschenke machen zu können, dergleichen man sich gegenseitig an diesen Festen sandte. Die Sigillaria hatten ihren Namen von den kleinen Statuetten ( sigiIIa), mit denen man sich an diesem Feste (21. und 22. Dezember) das eine Fortsetzung der Saturnalien war, zu beschenken pflegte. Erst jetzt ließ er alle Hoffnung auf äußerliche Ehrenstellung fahren und lebte ganz der Muse teils in seinen Gärten und auf seinem vorstädtischen Besitztum, teils in seiner Villa in Campanien still für sich hin, wobei er durch den Verkehr mit allerlei Menschen niedersten Standes außer dem alten Vorwurfe der Thatlosigkeit sich auch noch den Makel der Trunksucht und des Spieles S. unten Kap. 33. zuzog.

6. Indessen, trotz dieser seiner Lebensweise versagte man ihm doch niemals weder im Privatleben die schuldige Aufmerksamkeit, noch sonst die Zeichen öffentlicher Ehrerbietung. So erwählte ihn der Ritterstand zweimal zum Patron eines im Interesse des Standes zu befürwortenden Gesuches, das eine Mal, als sich die Ritter von den Konsuln die Ehre erbaten, den Leichnam des Augustus auf ihren Schultern nach Rom zu tragen, und das andere Mal, als sie demselben ihren Glückwunsch über den Sturz Sejans darbrachten. Auch pflegten sie, wenn er ins Theater trat, ihm zu Ehren aufzustehen Also auch diese noch in Deutschlands Hoftheatern bestehende Sitte ist römischen Ursprungs. und die Regenmäntel abzulegen. Auch der Senat ehrte ihn durch den Beschluß, ihn unter die Zahl der durchs Los erwählten Priester des vergötterten Augustus Über dieses Kollegium der Priester des Augustus siehe Tacitus, Annalen I, 54. als außerordentliches Mitglied aufzunehmen; und bald darauf, als eine Feuersbrunst sein Haus verzehrt hatte, beschloß der Senat den Wiederaufbau desselben auf Staatskosten und verlieh ihm das Recht, im Senat unter den Mitgliedern konsularischen Ranges zu stimmen. Diesen Beschluß jedoch hob Tiberius auf unter dem Vorwande, daß Claudius geistesschwach sei, und was das Haus betraf, so verhieß er, den Schaden aus eigenen Mitteln zu ersetzen. Bei seinem Tode jedoch setzte er ihn unter den dritten Erben zu einem Drittel ein, bedachte ihn mit einem Legat von nahezu zwei Millionen Sesterzien 435 000 Reichsmark. und empfahl ihn überdies ausdrücklich unter seinen übrigen Verwandten den verschiedenen Heeren und dem Senate und Volke von Rom.

7. Unter der Regierung endlich des Gajus, seines Brudersohnes, der im Anfange seines Regiment die günstige Meinung der Menschen auf alle mögliche Weise zu gewinnen bemüht war, gelangte er sogar zu Staatsämtern, bekleidete mit dem Kaiser zusammen zwei Monate lang das Konsulat, wobei ihm das glückliche Vorzeichen begegnete, daß, als er zum erstenmal von Liktoren begleitet das Forum betrat, ein vorüberfliegender Adler sich ihm auf die rechte Schulter setzte. Auch traf ihn das Los, ein zweites Konsulat vier Jahre später zu bekleiden »Caligula ernannte nämlich mehrere Konsuln auf einmal. Diese mußten dann miteinander losen, in welcher Reihenfolge sie das Konsulat bekleiden sollten.« Bremi.; desgleichen führte er mehrmals an Gajus Stelle den Vorsitz bei den Schauspielen, wobei das Volk ihm bald: » Heil dem Oheim des Kaisers!« bald: » Heil dem Bruder des Germanicus!« zurief.

8. Trotz alledem blieben ihm auch jetzt Kränkungen nicht erspart. Vgl. Caligula 23. Denn wenn er einmal etwas zu spät zur Tafel kam, pflegte ihm nur mit genauer Not, und nachdem er um die ganze Tafel herumgegangen war, ein Platz verstattet zu werden. So oft er nach dem Essen einnickte – was ihm gewöhnlich begegnete –, warf man mit Oliven- und Dattelkernen nach ihm, ließ ihn auch wohl, wie im Scherz, von den Lustigmachern Vgl. Tiberius 61. mit ihren Peitschen und Pritschen aufwecken. Auch pflegte man ihm, wenn er schnarchte, Socken Socci sind griechische Fußbekleidung. In der Kaiserzeit waren sie oft mit Edelsteinen besetzt. über die Hände zu ziehen, damit er sich beim plötzlichen Erwachen das Gesicht zerriebe.

9. Aber selbst Gefahren war er ausgesetzt. Gleich anfangs, noch während seines Konsulates, war er nahe daran, abgesetzt zu werden, weil er die Anfertigung und Aufstellung der Statuen des Nero und Drusus, der Brüder des Kaisers, zu saumselig besorgt hatte. Und als er nach Entdeckung der Verschwörung des Lepidus und Gätulicus S. Caligula 24 und 8. mit anderen Abgeordneten nach Germanien gesendet wurde, um dem Kaiser Glück zu wünschen, war er sogar nahe daran, das Leben zu verlieren, weil Caligula darüber in die höchste Wut geriet, daß man gerade seinen Oheim zu ihm schicke, als gelte es, einen Knaben zu erziehen. Ja, es fehlte nicht an Schriftstellern, welche damals erzählten: er sei bei seiner Ankunft, wie er ging und stand, in den Fluß D. i. den Rhein, wo Caligula damals stand. gestürzt worden. Seitdem gab er im Senat immer als der letzte unter den Konsularen seine Stimme ab, indem man ihm, um ihn zu beschimpfen, immer nach allen anderen befragte. Ja, sogar eine Klage wegen Fälschung eines Testamentes wurde (vom Prätor) angenommen, obschon auch er dasselbe mit unterschrieben hatte. Endlich zwang man ihn auch, acht Millionen Sesterzien 1 740 200 Reichsmark. für seinen Eintritt in das neue Priesterkollegium Für den Kultus des »Gottes« Caligula! Vgl. Caligula 22. zu zahlen, wodurch er in solche Armut versank, daß er, unfähig, seinen gegen den Staatsschatz eingegangenen Verbindlichkeiten nachzukommen, seinen Namen und seine Güter förmlich nach dem Hypothekenschuldgesetze mittelst Ediktes der Präfekten Die Präfekten sind die Vorsteher des Ärariums, bei welchem Claudius seine Güter verpfändet hatte. Da er nicht zahlen konnte, wurden sie öffentlich durch Anschlag an einer Säule zum Verkauf gestellt, was für einen kaiserlichen Prinzen allerdings höchst beschimpfend war, wenn es auch nur eine Form ( in vacuum) blieb, da niemand die Güter des eventuellen Thronerben kaufen mochte. Bei der Übersetzung dieser schwierigen Stelle, folge ich in betreff der Worte in vacuum der Ansicht von Salmasius und Friedrich August Wolf. schimpflicherweise in der Verkaufsanzeige an der Säule hängen sehen mußte.

10. Nachdem er unter solchen Verhältnissen den größten Teil seines Lebens verbracht hatte, gelangte er in seinem fünfzigsten Jahre durch den wunderbarsten Zufall zur Regierung. Als er samt der übrigen Umgebung durch die Verschworenen von der Person des Gajus unter dem Vorwande, daß derselbe allein sein wolle, entfernt worden war, hatte er sich in den sogenannten Pavillon des Hermes zurückgezogen. Nicht lange darauf durch den Lärm des Mordes erschreckt, schlich er sich auf das nächstgelegene Belvedere Das Solarium im oberen Stock römischer Paläste war verbunden mit großen gartenartigen Balkonen. S. Becker, Gallus I, S. 95; Hand zu Statius' Wäldern I, 3, S. 422. und verbarg sich zwischen den Doppelvorhängen der Thüre. So versteckt fand ihn ein zufällig durch die Gemächer eilender gemeiner Soldat Er hieß Gratus, wie Josephus erzählt, und war einer von den Gardisten, die in der ersten Verwirrung nach den Mördern ihres Kaisers suchten. Josephus hat in seinen »Jüdischen Altertümern« (XIX, 2, 3) den ganzen Hergang sehr lebendig geschildert., der seine Füße bemerkte, wollte wissen, wer er sei, erkannte ihn, zog ihn aus seinem Versteck mit Gewalt hervor und begrüßte den ihm zu Füßen Fallenden mit dem Titel Imperator. Dann führte er ihn zu seinen anderen Kameraden, die noch völlig im ungewissen waren, was sie thun sollten, und bloß Drohungen ausstießen. Von ihnen ward er in eine Sänfte gesetzt und, weil seine Diener entflohen waren, auf ihren Schultern, wobei sie einander abwechselten, ins Lager getragen, während er selbst voll Niedergeschlagenheit und Angst war und die ihm begegnenden Menschenhaufen ihn bejammerten, als werde er, der unschuldige, zur Hinrichtung geführt. Im Lager angekommen, übernachtete er in der Hauptwache, zwar mit bedeutend mehr Sicherheitsgefühl, aber doch ohne große Hoffnung auf die Zukunft. Und seine Gelangung zum Throne. Denn Konsuln und Senat hatten mit den Stadtkohorten das Forum und Kapitol besetzt und waren willens, die allgemeine Freiheit wiederherzustellen; ja, er selbst ward durch die Volkstribunen entboten, sich in der Kurie einzufinden und seinen Rat abzugeben, gab aber zur Antwort: » er werde gewaltsam durch den Drang der Umstände zurückgehalten«. Allein als am folgenden Tage der Senat über dem ermüdenden Meinungsstreite der verschiedenen Parteien in der Versammlung sich saumselig im energischen Handeln für das Unternommene zeigte und die umstehende Volksmenge ihrerseits ihr Verlangen nach einem einheitlichen Regenten, und zwar mit Nennung des Namens, bereits lebhaft kund gab, da gestattete Claudius, daß die in Waffen versammelten Soldaten ihm den Huldigungseid leisteten, und versprach zugleich jedem einzelnen derselben fünfzehntausend Sesterzien 3052 Reichsmark., – der erste Kaiser, der die Treue seiner Soldaten auch um Geld erkaufte.

11. Nach Befestigung seiner Herrschaft wußte er nichts Wichtigeres zu thun, als die Erinnerung an zwei Tage, während deren man über die Veränderung der Verfassung beratschlagt hatte, zu vernichten. So verkündigte er denn Vergebung und Vergessenheit für alles während derselben Gesagte und Gethane; und – er hielt sein Wort. Nur einige Tribunen und Centurionen aus der Zahl der gegen Gajus Verschworenen ließ er umbringen, teils des Beispiels wegen, teils weil er erfahren hatte, daß sie auch seinen Tod verlangt hatten. Seine nächste Sorge ging darauf, seine Verwandten gebührend zu ehren, wie er denn keinen Schwur heiliger achtete und öfter brauchte, als den: » Beim Augustus!« Seiner Großmutter Livia ließ er die Ehre der Vergötterung, und beim Cirkusaufzuge einen von Elefanten gezogenen Wagen Auf dem ihre Bildsäule gefahren wurde. S. Caligula 15; Tiberius (s. das. Kap. 15) hatte ihr jene Ehre verweigert., ähnlich dem des Augustus, dekretieren, seinen Eltern ein öffentliches Totenfest und dazu für seinen Vater jährliche Cirkusspiele an dessen Geburtstage und für seine Mutter einen Staatswagen, der ihr Bildnis an dem Cirkusfeste führte, und den von ihr bei ihren Lebzeiten abgelehnten Beinamen Augusta. Zum Gedächtnisse seines Bruders, das er bei jeder Gelegenheit feierte, ließ er bei dem Neapolitanischen Festwettstreite Über dieses Fest s. August 98. auch eine griechische Komödie aufführen und erteilte demselben nach einstimmigem Spruche der Richter den Siegerkranz. Diese griechische Komödie war wohl eine Dichtung des Germanicus selbst, Lessen dichterisches Talent Ovid so ausbündig feiert (Briefe aus Pontus IV, 8, 68). Vgl. oben Caligula Kap. 3. Selbst dem Marcus Antonius huldigte er durch eine ehrenvolle und dankbare Erwähnung, indem er in einem Edikte kundgab: » er wünsche um so dringender seines Vaters Drusus Geburtstag festlich begangen zu sehen, als derselbe auch der Geburtstag seines Großvaters Antonius sei«. Den marmornen Ehrenbogen beim Theater des Pompejus, den der Senat dem Tiberius dekretiert, aber unvollendet gelassen hatte, ließ er fertig bauen. Und obgleich er alle Verordnungen des Gajus aufhob, so verbot er doch, den Tag von dessen Ermordung, obschon es der Tag seines Regierungsantritts war, unter die Festtage aufzunehmen.

12. Dagegen bewies er sich in betreff der Erhöhung seiner eigenen Würde sehr mäßig und bürgerlich, enthielt sich des Vornamens Imperator, lehnte übergroße Ehrenbezeigungen ab und beging selbst das Vermählungsfest seiner Tochter und den Geburtstag seines von derselben geborenen Enkels in aller Stille und nur mit einer häuslichen Feier. Keinen Verbannten berief er zurück ohne Verwilligung des Senats. Daß er den Oberbefehlshaber der Leibwache und die Tribunen derselben mit als Begleiter in die Kurie nehmen dürfe Schon Tiber hatte dasselbe in Anspruch genommen. Tacitus, Annalen VI, 15. und daß die richterlichen Entscheidungen seiner Prokuratoren Kaiserliche Finanzbeamte in den Provinzen. Vgl. Tacitus, Annalen XII, 60. gültig sein sollten, erbat er sich vom Senate als eine Vergünstigung. Das Recht, Markttage zu halten, erbat er für seine Privatlandgüter von den Konsuln. Den gerichtlichen Untersuchungen der Behörden wohnte er, wie einer von den Räten, häufig bei. Wenn dieselben öffentliche Schauspiele gaben, stand auch er mit den übrigen Zuschauern auf und begrüßte sie achtungsvollst mit Zuruf und Handbewegung. Als die Volkstribunen vor ihm erschienen, während er zu Gericht saß, entschuldigte er sich gegen dieselben, daß er sie wegen des engen Raumes notgedrungen stehend Vortrag halten lassen müsse. Darum gewann er denn auch in kurzer Zeit so viel Liebe und Gunst, daß bei der Nachricht, er sei auf der Reise nach Ostia meuchlerisch ermordet worden, das Volk in großer Bestürzung nicht eher aufhörte, das Militär als Verräter und den Senat als Vatermörder auf das furchtbarste zu verwünschen, bis einer und der andere und bald mehrere Personen von den Magistraten auf die Rednerbühne geführt wurden, welche die Versicherung gaben, der Kaiser sei unversehrt und bereits der Stadt nahe.

13. Dessenungeachtet blieb er doch auf die Dauer nicht von allen Nachstellungen verschont, sondern sah sowohl von einzelnen, als von Verschwörern und endlich durch offenbaren Bürgerkrieg sein Leben angegriffen. Ein Mensch aus dem Volke wurde mitten in der Nacht mit einem Dolche in der Nähe seines Schlafgemachs betroffen; auch zwei Individuen aus dem Ritterstande, die mit einem Dolche und einem Jagdmesser ihm auflauerten, der eine, um ihn beim Ausgange aus dem Theater, der andere, um ihn bei einem Opfer am Marstempel anzufallen. Eine Verschwörung gegen sein Regiment stifteten Gallus Asinius und Statilius Corvinus, die Enkel der Redner Pollio und Messalla, mit Zuziehung mehrerer seiner eigenen Freigelassenen und Sklaven an. Einen Bürgerkrieg erregte Furius Camillus Scribonius, Legat von Dalmatien, der jedoch bereits fünf Tage später sein Leben verlor, weil die eidbrüchigen Legionen durch das Wunderzeichen zur Reue gebracht wurden, daß, als sie ihren Marsch zu dem neuen Kaiser antreten wollten, – sei es durch irgend einen Zufall oder durch göttliche Fügung – weder der Adler aufgeputzt werden, noch die Feldzeichen auf irgend eine Weise aus dem Boden gezogen und fortgebracht werden konnten. Der goldene oder silberne Adler, das Legionsfeldzeichen, stand mit dem unteren Teile des starken Speerschaftes, auf dem er saß, fest in die Erde eingerammt in der Nähe des Prätoriums (des Feldherrngezeltes), und es war ein böses Omen, wenn er sich nur schwer vom Adlerträger oder auch wohl gar nicht herausziehen ließ. An festlichen Tagen schmückte man ihn mit Blumen und putzte ihn glänzend mit Öl und wohlriechenden Salben. Plinius, Naturgeschichte XIII, 4.

14. Konsulate bekleidete er außer dem früheren vier, die beiden ersten hintereinander, die folgenden in Zwischenräumen von je vier Jahren; das letzte führte er ein halbes Jahr, die übrigen nur zwei Monate lang, das dritte aber, was noch bei keinem Kaiser vorgekommen war, als erwählter Stellvertreter eines verstorbenen Konsuls. Recht sprach er sowohl während seiner Konsulate, als auch wenn er diese Ehrenstelle nicht bekleidete auf das allerfleißigste, sogar an seinen und der Seinigen Familienfesttagen So z. B. am Hochzeitstage seiner Tochter, wie Dio Cassius erzählt. und zuweilen selbst an altgeheiligten Fest- und Feiertagen. Auch band er sich nicht immer streng an die Vorschriften der Gesetze, sondern modifizierte die Härte oder Gelindigkeit der Strafen den Umständen und der Billigkeit gemäß nach seinem natürlichen Gefühl. So z. B. erlaubte er denen, welche in Civilprozessen über Mein und Dein durch ihre Forderung das in der Gerichtsformel enthaltene Maß überschritten und dadurch ihren Prozeß verloren hatten, denselben von neuem anzustrengen, wogegen er andererseits bei solchen, die eines größeren Betrugs überwiesen worden waren, das gesetzliche Strafmaß überschritt und sie zum Kampfe mit wilden Tieren verurteilte.

15. Bei der Instruktion und Entscheidung gerichtlicher Verhandlungen war er von einer wunderlichen Ungleichheit des Geistes: bald umsichtig und scharfsinnig, bald unbedachtsam und übereilt, zuweilen sogar läppisch und einem Blödsinnigen ähnlich. Als er die Dekurien der Richter für den gerichtlichen Geschäftsgang musterte und dabei einen fand, der beim Namensaufrufe sich stellte, ohne von der ihm nach dem »Privilegium der Väter von drei Kindern« zustehenden Befreiung Gebrauch zu machen, strich er ihn, als einen, der allzustarke Neigung zum Richten habe, aus der Liste. Ein Gesetz (die sogenannte Lex Papia Poppaea) gab denjenigen, welche drei eheliche Kinder hatten, unter anderem das Recht, vom Richteramte befreit zu sein. Vgl. Realencyklopädie IV, S. 980 ff. und S. 659. – Sueton selbst bat um die Verleihung dieses Privilegiums, obschon er keine Kinder hatte. S. Einleitung S. VIII. Einen andern, der von seinen Widersachern aufgefordert wurde, seinen eigenen Prozeß vor den Kaiser zu bringen, und der dagegen behauptete, seine Sache gehöre nicht vor einen außerordentlichen Richter, sondern vor den ordentlichen Gerichtshof, nötigte er, seinen Prozeß auf der Stelle selbst zu entscheiden, damit er in eigener Sache ein Beispiel geben könne, welch ein billiger Richter er in fremder Sache sein werde. Eine Frau, die ihren Sohn nicht anerkennen wollte, brachte er, da die Beweisgründe auf beiden Seiten unzulänglich waren, dadurch zum Eingeständnis, daß er ihr aufgab, den jungen Menschen zu heiraten. In Abwesenheit der einen Partei entschied er sehr leicht zugunsten der anwesenden, ohne einen Unterschied zu machen, ob jemand aus eigener Schuld oder durch irgend einen zwingenden Umstand den Termin versäumt haben mochte. Etwas anders erzählt von Dio Cassius LX, 28. Als jemand ausrief: »dem Fälscher müsse man die Hände abhauen«, gab er das leidenschaftliche Verlangen kund, den Henker mit Messer und Henkertisch herbeizuschaffen. Als bei dem Prozesse eines Fremden, der angeklagt war, sich fälschlich das Bürgerrecht angemaßt zu haben, zwischen den Advokaten ein unnützer Streit darüber entstanden war, ob derselbe in der Toga oder im Pallium vor Gericht erscheinen solle, entschied er, um ein glänzendes Beispiel seiner Unparteilichkeit zu geben: der Mann solle wiederholt, je nachdem der Ankläger oder der Verteidiger sprach, die Kleidung wechseln. Die Toga durfte nur der römische Bürger tragen; das Pallium war die Tracht des Fremden. Man glaubt sogar, er habe einmal bei einem Rechtshandel sein Urteil schriftlich Also nicht in Übereilung mündlicher Rede. dahin formuliert: » er stimme für die Partei, welche die Wahrheit gesprochen habe«. Durch solche Vorfälle verringerte er sein Ansehen so sehr, daß er öffentlich und bei jeder Gelegenheit zum Gegenstande der Verachtung wurde. So z. B. sagte einmal jemand, der einen aus der Provinz von ihm vorgeladenen Zeugen entschuldigte, lange Zeit bloß: derselbe befinde sich in der Unmöglichkeit, zu erscheinen, ohne das Weshalb näher zu bezeichnen, und fügte erst nach langem Fragen hinzu: » Er ist verstorben, ich denke, mit deiner Erlaubnis!« Ein anderer, der ihm Dank dafür abstattete, daß er erlaube, einen Angeklagten zu verteidigen, schloß diese Danksagung mit den Worten: » Freilich ist das der Brauch!« Auch das vernahm ich seinerzeit häufig von älteren Leuten, daß die Anwälte seine Geduld dermaßen zu mißbrauchen gewohnt gewesen, daß sie ihn, wenn er von seinem Tribunale herabstieg, nicht nur mit lauter Stimme zurückriefen, sondern ihn auch wohl am Zipfel der Toga oder zuweilen gar, indem sie ihn am Beine faßten, zurückhielten. Hierüber wird man sich weniger wundern, wenn man hört, daß ein armseliger prozeßführender Grieche in der Hitze des Streits sich das Wort entfallen ließ: » Auch du bist ein alter Tropf!« Die Worte sind im Original griechisch. Von einem römischen Ritter aber, der sträflicher Unzucht mit Frauen, wiewohl fälschlich und von Feinden, die ihm anders nicht beizukommen wußten, angeklagt war, ist es eine Tatsache, daß derselbe, als er gemeine Lohndirnen zum Zeugnis wider sich aufgerufen sah, dem Kaiser Schreibgriffel und Schreibtafel, die er gerade in Händen hatte, unter den bittersten Vorwürfen seiner Einfalt und Grausamkeit dergestalt ins Angesicht schleuderte, daß er ihm die Wange nicht unbedeutend verletzte.

16. Auch die Censur bekleidete er, die seit den Censoren Plancus und Paullus Sie waren Censoren im Jahre Roms 731. Später hatte August die Amtsverrichtungen der Censoren ausgeübt, doch ohne den Titel anzunehmen. lange nicht mehr gehalten worden war; aber auch hier verfuhr er ungleich und in Grundsätzen und Handlungsweise ohne Konsequenz. Bei der Rittermusterung z. B. ließ er einen jungen Mann, der voller Makel war, von dem aber sein Vater aussagte, daß er mit ihm vollkommen zufrieden sei, ohne Tadelbemerkung durchschlüpfen, indem er sagte: » der habe seinen eigenen Censor!« Einem andern, der als Verführer und Ehebrecher berüchtigt war, gab er bloß die Warnung auf den Weg: » er möge seine Jugendstreiche entweder etwas seltener oder etwas vorsichtiger machen, denn«, fügte er hinzu: » weshalb weiß ich, was du für eine Mätresse hast?« Und als er einmal auf Fürbitten seiner Vertrauten einem Ritter den bei dessen Namen bereits hinzugefügten Vermerk Die beschimpfende nota . wieder erließ, sagte er: » Jedenfalls bleibt die Ausradierung sichtbar!« Einen Griechen aus glänzender Familie, den angesehensten Mann der ganzen Provinz Griechenland, der indessen der lateinischen Sprache nicht mächtig war, strich er nicht nur aus der Richterliste, sondern nahm ihm sogar obenein das Bürgerrecht; wie er denn überhaupt nicht litt, daß irgend jemand anders, als mit eigenem Munde, so gut er eben konnte, und ohne Beistand Rechenschaft von seinem Wandel ablegte. Zugleich notierte Durch die in der vorhergehenden Anmerkung erwähnte nota censoria, den beschimpfenden Vermerk. »Notieren« ( notare) ist daher der stehende Ausdruck. er viele und manche ganz wider alles Vermuten und aus einer Ursache ganz neuer Art, nämlich: weil sie ohne sein Vorwissen und ohne Urlaub sich aus Italien entfernt hätten, einen sogar auch deshalb, weil derselbe in einer römischen Provinz sich im Gefolge eines Königs gezeigt hätte; wobei er anführte, daß in der Vorzeit Rabirius Postumus, der dem Ptolemäus, um sein Geld, das er demselben geborgt, zu retten, nach Alexandria gefolgt sei, sich dadurch eine Anklage auf Majestätsbeleidigung zugezogen habe. Cicero verteidigte diesen Mann, der vom Könige ein Hofamt angenommen hatte, in einer gerichtlichen Rede. – Das Verbot, ohne Einwilligung des Kaisers außer Italien zu reisen, bestand für die Senatoren schon unter Augustus. Viele andere, die er gleichfalls notieren wollte, erfand er wegen der großen Nachlässigkeit seiner Agenten zu seiner eigenen noch größeren Schande fast durchweg unschuldig. Leute, denen er Hagestolztum oder Kinderlosigkeit oder Dürftigkeit zum Vorwurf machen wollte, erwiesen sich als Ehemänner, Väter und wohlbegütert; ja, einer, der angeschuldigt wurde, er habe mit einem Dolche einen Selbstmordversuch gemacht, entkleidete sich und zeigte seinen unverletzten Leib öffentlich vor. Merkwürdige Züge in seiner Censur waren auch noch folgende: daß er einen kostbar gearbeiteten silbernen Reisewagen, der auf der Sigillarstraße »Eine Straße in der siebenten Region von Rom, wo Bildwerke verkauft wurden.« Bremi. zum Verkaufe stand, anzukaufen und vor seinen Augen zu zertrümmern befahl; ferner: daß er an einem Tage zwanzig Edikte veröffentlichte, darunter zwei, in deren einem er erinnerte: » für die bevorstehende reiche Weinlese die Fässer gut zu verpichen«, in dem andern: » daß gegen den Biß der Viper nichts so gut tue, als der Saft des Taxusbaumes«.

17. Feldzüge unternahm er nur einen und dabei nicht eben bedeutenden. Der Senat hatte ihm nämlich die triumphalischen Ehrenzeichen zuerkannt; da ihm aber diese Ehrenauszeichnung der fürstlichen Majestät nicht entsprechend erschien und er sein Absehen auf die Auszeichnung eines ordentlichen Triumphs gerichtet hatte, so wählte er, um denselben zu erlangen, vorzugsweise Britannien aus, gegen welches sich seit dem vergötterten Julius keiner versucht hatte Vgl. Tacitus, Agricola 13; Dio Cassius LX, 19. und welches gerade damals wegen der Nichtauslieferung von Überläufern in unruhiger Bewegung war. S. oben Caligula 44. Auf der Fahrt dorthin von Ostia aus war er zweimal durch einen heftigen Nordweststurm dem Untergange nahe, das eine Mal an der Küste von Ligurien, das zweite Mal in der Nähe der Stöchadischen Inseln. Die heutigen Hyèrischen Inseln unweit Marseille. Er machte deshalb den Rest des Weges von Massilien bis Gesoriacum Das heutige Boulogne. zu Lande, setzte von dort über und unterwarf ohne Schwertstreich und Blutvergießen binnen weniger Tage Dio Cassius sagt: in sechzehn Tagen. einen Teil der Insel, worauf er im sechsten Monat nach seiner Abreise wieder nach Rom zurückkehrte und einen glänzend ausgestatteten Triumph hielt. Zu diesem Schauspiele erlaubte er nicht nur den Statthaltern der Provinzen, sondern selbst mehreren Verbannten, sich nach Rom zu begeben; und unter den feindlichen Spolien heftete er an den Giebel seines Hauses auf dem Palatinischen Hügel neben der Bürgerkrone auch eine Schiffskrone als Denkzeichen des von ihm beschifften und gewaltsam gebändigten Ozeans. Hinter seinem Triumphwagen folgte seine Gemahlin Messalina in einem Prachtwagen. Dessen Gebrauch ihr, wie einst der Livia, durch Senatsbeschluß gestattet worden war; Dio Cassius LX, 22. Über den Triumph selbst vgl. Plinius, Naturgeschichte XXXIII, 16. Es folgten auch alle, die in diesem Kriege die triumphalischen Ehrenauszeichnungen erhalten hatten, doch sämtlich zu Fuß und in der Prätexta, nur Crassus Frugi auf einem reichgeschirrten Rosse und mit dem palmengestickten Triumphalgewande angetan S. die Bemerkung zu August 38., weil es das zweite Mal war, daß er jene Auszeichnung erhalten hatte.

18 und 19. Für die Hauptstadt im allgemeinen und für die Versorgung mit Lebensmitteln war er während seiner ganzen Regierung auf das sorgfältigste beflissen. Als der Ämilianische Stadtteil von einer überaus hartnäckig andauernden Feuersbrunst heimgesucht wurde, blieb er zwei Nächte lang im Diribitorium Ein ungeheures Gebäude im neunten Stadtquartier von Rom, von Agrippa angefangen, von Augustus vollendet, nach Dio Cassius »das größte Gebäude, das je unter ein einziges Dach gebracht worden war«. Es führte seinen Namen davon, daß in demselben die diribitores (Austeiler) dem Volke die Stimmtäfelchen und Spenden, den Soldaten ihren Sold austeilten. Von dort aus leitete Claudius diese Löschanstalten in Person., und da die zum Löschen verwendeten Soldaten und seine zahlreiche Dienerschaft nicht zureichten, ließ er aus allen Stadtteilen das Volk durch die städtischen Magistrate zur Hilfe herbeirufen, Körbe voll Geld vor sich hin setzen und feuerte so die Menge zum Retten an, indem er jeden nach Maßgabe seiner geleisteten Dienste sofort reichlich belohnte. Als aber einmal wegen andauernder Mißernten das Brotkorn sehr knapp geworden war, hielt ihn die Menge mitten auf dem Forum an, wobei er mit Schimpfworten und zugleich mit Brotstücken dergestalt beworfen wurde, daß er nur mit genauer Not, und zwar durch eine Hintertür, sich auf das Palatium zu retten vermochte, worauf er alle erdenklichen Vorkehrungen traf, um die Kornzufuhr auch für die Zeit der Winterstürme zu sichern. Näheres über diese im Jahre 51 nach Chr. Geburt herrschende Teuerung und den Tumult gegen Claudius erzählt Tacitus, Annalen XII, 43. Es war, sagt er, eine Tatsache, daß damals ganz Rom nur noch auf vierzehn Tage Lebensmittel hatte! Selbst Antoninus Pius und Theodosius wurden bei ähnlichen Veranlassungen von dem römischen Pöbel mit Steinwürfen heimgesucht. Vgl. Orosius VII, 6. So z. B. stellte er den Kornhändlern bestimmte Vorteile in sichere Aussicht, indem er den Verlust übernahm, wenn einer in der Sturmzeit mit seinen Schiffen Unglück hatte, und gewährte denen, die sich auf den Bau von Handelsschiffen legten, jedem nach seinen Verhältnissen, große Vergünstigungen: einem Bürger Befreiung von den Bestimmungen der Lex Papia Poppaea Das bekannte Ehegesetz, von dem bereits oben die Rede gewesen, und über welches man Montesquieus »Geist der Gesetze« 23, 21 und 27, 1 nachlesen mag., einem Latiner das römische Vollbürgerrecht, Frauen das Recht der Mütter von vier Kindern Solche römische Bürgerinnen genossen vielfache Vorrechte. Man sieht übrigens aus dieser Stelle, daß auch Frauen damals an der Spitze von Fabrikgeschäften standen.,– lauter Verordnungen, die noch heutigestags gelten.

20. Bauwerke schuf er mehr großartige und notwendige, als zahlreiche. Die hervorragendsten derselben sind: die von Gajus begonnene Wasserleitung; ferner der Emissar [Abzugskanal] des Fucinersees und der Hafen von Ostia, Werke, die er unternahm und vollendete, obschon er von den beiden letztgenannten wußte, daß Kaiser Augustus das erstere den Marsern trotz ihrer wiederholten Gesuche abgeschlagen, und daß der vergötterte Cäsar zwar die Idee zu dem letzteren mehrfach aufgenommen, aber wegen der Schwierigkeit immer wieder aufgegeben hatte. Für die Aqua Claudia Name der von Kaiser Claudius erbauten Wasserleitung. leitete er die kalten, reichströmenden Quellen, von denen die eine die blaue, die andere die Curtische und Albudinische heißt, sowie den Bach des Anio novus durch einen Steinbau bis nach der Stadt und verteilte dort ihr Wasser in vielen herrlich geschmückten Bassins. Die Ableitung des Fucinersees unternahm er ebensowohl wegen des davon erhofften Gewinns, als wegen des Ruhms, da sich Unternehmer fanden, welche die Ableitung auf ihre Kosten zu bewerkstelligen versprachen, wenn ihnen der Besitz des trocken gelegten Erdreichs zugestanden würde. Auf eine Länge von dreitausend Schritt 4,436 km. wurde der Berg teils durchgraben, teils durchhauen, und so brachte er mit Mühe und erst nach Verlauf von elf Jahren den Kanal zustande, obschon fortwährend volle dreißigtausend Menschen ohne Unterbrechung bei der Arbeit beschäftigt waren. Näheres über die Trockenlegung des Fucinus bei Dio Cassius im 62. Buche und bei Plinius XXXVI, 24, welcher letztere sagt, daß an der Größe dieses Werkes die Sprache des Beschreibers erlahme. Der See ist der heutige Lago di Celano. Den Hafen von Ostia erbaute er, indem er rechts und links ihn mit Molenarmen umgab und ihn am Eingange, wo der Grund und Boden schon tief lag, durch einen Damm schützte. Um diesen desto fester zu gründen, ließ er vorher ein Schiff, auf welchem ein großer Obelisk aus Ägypten hergebracht worden war, versenken, mehrere Pfeiler an den Seiten aufmauern und auf denselben einen riesigen Turm nach dem Muster des Leuchtturms von Alexandria aufführen, nach dessen nächtlichen Feuerzeichen die Schiffe ihren Kurs steuern könnten. Über diesen für Roms Verproviantierung durchaus notwendigen riesigen Hafenbau spricht Dio Cassius LX, 11.

21. Spenden verteilte er häufig unter dem Volke. Auch Schauspiele gab er viele und prächtige, nicht bloß die üblichen und an den gewöhnlichen Orten, sondern auch neu ausgesonnene und aus dem Altertum hervorgesuchte und an Plätzen, wo sonst niemand vor ihm. Die Spiele bei der Einweihung des Pompejustheaters, das er nach einem Brande wiederhergestellt hatte, leitete er von einem in der Orchestra errichteten Tribunale, nachdem er zuvor bei den oberhalb des Theaters befindlichen Tempeln geopfert hatte und von dort mitten durch den Zuschauerraum, während alle schweigend auf ihren Plätzen geblieben, hinabgegangen war. Das Theater des Pompejus war unter Tiber abgebrannt. Tiber und Caligula hatten es wiederhergestellt. Oberhalb desselben lag der Doppeltempel der Venus und der Victoria. Claudius scheint aus Bescheidenheit verlangt zu haben, daß das versammelte Volk, als er durch die Reihen schritt, um von seiner Tribüne herab das Zeichen zum Beginn der Spiele zu geben, sich nicht von seinen Plätzen erhob und ihn nicht mit Lebehochrufen empfing. Auch Säkularspiele veranstaltete er Tacitus, Annalen XI, 11; Realencyklopädie Band IV, S. 1210; Sueton, Augustus 31. unter dem Vorwande, daß Augustus sie vorweg gefeiert und nicht auf die richtige Zeit verspart hätte; und doch berichtet er selbst in seinem Geschichtswerke, Augustus habe dieselben, nachdem ihre Feier lange unterblieben, nach sorgfältiger chronologischer Berechnung wieder in die richtige Ordnung gebracht. Deshalb spottete man über den Ruf des Herolds, der zur Feier dieser Spiele mit der üblichen Formel einlud: » daß keiner der Lebenden sie geschaut und keiner sie wiederschauen werde«, während doch noch Leute da waren, welche sie geschaut hatten und sogar einige der Schauspieler, die damals aufgetreten waren, auch jetzt auftraten. So z. B. der Schauspieler Stephanion. S. Augustus 45. Circusspiele veranstaltete er häufig sogar auf dem Vatikan, wobei er zuweilen zwischen je fünf und fünf Rennen Bei den Circusspielen fanden täglich fünfundzwanzig Wagenrennen statt. eine Tierhetze als Zwischenspiel einschob. Im Circus Maximus, den er mit marmornen Schranken und vergoldeten Zielsäulen schmückte, während beide früher von Tuffstein und Holz gewesen waren, gab er den Senatoren, die sonst bald hier, bald da gesessen hatten, eigene Plätze und veranstaltete neben den Wettrennen der Wagen auch noch ein Trojaspiel und eine Jagd wilder Tiere aus Afrika, welche von einer Schwadron seiner Prätorianergarde, unter Anführung ihrer Tribunen und des Präfekten selbst, erlegt wurden. Dazu ließ er thessalische Reiter auftreten, welche wilde Stiere im Circus umherjagen, den ermüdeten auf den Nacken springen und sie bei den Hörnern auf den Boden niederreißen. Durch das Präsens zeigt Sueton an, daß diese Art von Stiergefecht, die zuerst Cäsar eingeführt hatte ( Plinius, Naturgeschichte VIII, 45), noch zu seiner Zeit üblich war. Gladiatorenspiele gab er zu wiederholten Malen und von der mannigfaltigsten Art: ein jährliches Zur Feier des Huldigungstages. S. Kap. 10. im Lager der Prätorianer ohne Tierhetze und Gepränge, ein ordentliches und vollständiges in der Septa S. zu Augustus 43. und ebendaselbst noch ein außerordentliches und kurzes, das nur wenige Tage dauerte und das er später mit dem Namen Sportula » Sportula, ist ein kleines Essen, das die Vornehmen bisweilen denen gaben, die ihnen aus Höflichkeit das Geleit nach Hause gegeben hatten oder ihnen einen Aufwartebesuch machten. Es wurde in Körbchen aufgetragen und nicht wie eine vollständige Mahlzeit in Gängen serviert.« Vgl. oben Augustus 74. (Nach Bremi.) benannte, weil er, als er es zum ersten Male gab, in der Ankündigung die Worte gebraucht hatte: » er lade das Volk sozusagen nur auf ein improvisiertes und unvorbereitetes Abendeßchen ein«. Bei keiner Art von Schauspiel war er so gemein mit den Leuten und ließ sich so behaglich gehen, als bei diesen, wo er sogar die den Siegern zu reichenden Goldstücke ganz wie das gemeine Volk, die linke Hand aus der Toga streckend, mit lauter Stimme an den Fingern abzählte, häufig durch Zureden und Zuruf die Leute zur Fröhlichkeit ermunterte, sie wiederholt mit »Herr« anredete, wobei er zuweilen auch wohl frostige und weit hergeholte Witze einflocht, wie er denn z. B., als sie nach dem Palumbus Palumbus (d. i. wilder Täuberich) war der Name eines berühmten Gladiators. verlangten, zur Antwort gab: » er werde ihn auftreten lassen, sobald man ihn gefangen haben würde«. Ganz gesund und passend war es dagegen, daß er einmal, als er einen Wagenlenker, für welchen dessen vier Söhne vorbaten, unter allgemeinem Beifalle mit dem Abschiede begnadigt hatte, unmittelbar darauf einen Anschlag erließ, in welchem er das Volk darauf hinwies: » wie gut es sei, Kinder groß zu ziehen, da man sähe, daß solche selbst einem Gladiator hilfreich und nützlich sein könnten«. – Ferner gab er auch auf dem Marsfelde das kriegerische Schauspiel der Eroberung und Plünderung einer Stadt sowie die Vorstellung der Unterwerfung der Könige von Britannien und führte dabei, mit dem Feldherrnmantel angetan, den Vorsitz. Ja, ehe er den letzten Durchstich zur Ablassung des Fucinersees vornehmen ließ, veranstaltete er zuvor ein Seetreffen. Als nun aber diese Seefechter den Ruf erschallen ließen: » Heil dir, Imperator, die Todgeweihten begrüßen dich!« und er darauf mit: » Heil euch!« geantwortet hatte und nach diesem Antwortrufe, den sie als Begnadigung auffaßten, keiner von ihnen kämpfen wollte, da war er anfangs geraume Zeit nahe daran, sie alle niederhauen und verbrennen zu lassen, bis er endlich von seinem Sitze aufsprang und mit seinem häßlichen Wackelgange Man sehe unten Kap. 30. um das ganze Bassin hin und wieder lief und sie bald mit bösen, bald mit guten Worten zum Kampfe antrieb. Bei diesem Schauspiele fochten ein sizilisches und ein rhodisches Geschwader gegeneinander, jedes zwölf Dreiruderer stark; und ein silberner Triton, der mitten aus dem Bassin vermittels einer Maschinerie sich emporgehoben hatte, blies mit der Trompete zum Angriff.

22. In betreff der religiösen Gebräuche sowie im Civil- und Militärwesen, desgleichen in betreff aller Stände, im Innern wie im Äußern, nahm er manche Verbesserungen vor, rief Veraltetes wieder ins Leben oder führte auch manches Neue ein. Bei der Vervollständigung der Priesterkollegien durch die Wahl neuer Mitglieder ernannte er keinen, ohne vorher einen Eid zu leisten. Nämlich darauf, daß er den von ihm Ernannten für den würdigsten halte. Desgleichen hielt er sorgfältig darauf, daß, so oft man ein Erdbeben in der Stadt verspürte, der Prätor eine Volksversammlung berufen und Gerichtsferien ansagen mußte und daß, so oft sich ein Unglücksvogel in der Stadt oder auf dem Kapitol blicken ließ, ein Bet- und Bußtag abgehalten wurde, dessen Feier er selbst in seinem Amte als Pontifex Maximus durch eine öffentliche Anmahnung an das Volk von der Rednerbühne eröffnete, wobei der große Haufe der Handarbeiter und Sklaven von der Versammlung ausgeschlossen wurde.

23. Die Zeit der Rechtspflege, die bis dahin in eine Winter- und Sommerperiode geschieden gewesen war Zwischen beiden lag eine Ferienzeit für die Richter. Claudius gab den letzteren nur eine einzige Ferienzeit, die, wie es scheint, in die Monate Dezember und Januar fiel. Dies sehen wir aus Sueton, Galba 14., zog er zu einer einzigen Periode zusammen. Das Erkennen in Fideikommißsachen, das auf die Stadt beschränkt war und alljährlich anderen Magistraten aufgetragen zu werden pflegte, übertrug er für immer und selbst in den einzelnen Provinzen bestimmten Amtsgewalten. Nämlich zwei neuen Prätoren für Rom und in den Provinzen den jedesmaligen Gouverneuren. Den von Tiberius herrührenden Artikel der Lex Papia Poppaea, welcher die Voraussetzung enthielt, daß ein Sechzigjähriger keine Kinder mehr zeugen könne, hob er auf. Er verordnete, daß den Unmündigen von den Konsuln außer der Ordnung »Sonst ernannte der Stadtprätor die Vormünder größtenteils aus den Verwandten, wenn nicht der Vater einen Vormund geordnet hatte.« Bremi. Vormünder gegeben würden und daß diejenigen, welche von den Vorstehern einer Provinz aus derselben verwiesen würden, auch von Rom und Italien fern gehalten werden sollten. Er selbst wandte gegen einige Individuen eine neue Art von Verweisung an, indem er ihnen verbot, sich über den dritten Meilenstein hinaus von Rom zu entfernen. Wenn er im Senat eine wichtige Angelegenheit zu behandeln vorhatte, so pflegte er in der Kurie seinen Platz in der Mitte der Konsulstühle auf dem Tribunensitze zu nehmen. Die Bewilligung der Urlaubsgesuche, welche man bisher bei dem Senat anzubringen pflegte, machte er von seiner Gnade abhängig.

24. Die konsularischen Auszeichnungen gewährte er auch den Prokuratoren, welche zweimalhunderttausend Sesterzien 43 500 Reichsmark. Gehalt bezogen. Wer die Senatorenwürde ausschlug Etwa um Handel treiben zu können, was den Rittern, aber nicht den Senatoren erlaubt war., dem nahm er auch die Ritterwürde. Den senatorischen Purpurstreifen erteilte er einmal, obschon er bei seinem Regierungsantritte versichert hatte, daß er keinen zum Senator ernennen werde, der nicht eines römischen Bürgers Urenkel sei, auch dem Sohne eines Freigelassenen, jedoch unter der Bedingung, daß derselbe zuvor von einem römischen Ritter adoptiert würde. Da er jedoch auch so noch Mißbilligung fürchtete, so berief er sich darauf, daß auch der Urahnherr seines Geschlechts, Appius Cäcus, der Censor, Söhne von Freigelassenen in den Senat aufgenommen habe; wobei ihm entging, daß zur Zeit des Appius und längere Zeit später Libertinen nicht diejenigen genannt wurden, welche von ihren Herren die Freilassung empfingen, sondern die freigeborenen Kinder derselben. Dem Kollegium der Quästoren legte er für die Übertragung des Wegebaus die Pflicht auf, ein Fechterspiel zu geben, nahm ihnen die Provinzen Ostia und Gallien und gab ihnen dafür die Aufsicht über die Schatzkammer im Saturnustempel zurück, welche in der Zwischenzeit die Prätoren oder die gewesenen Prätoren geführt hatten. Die triumphalischen Ehrenauszeichnungen gab er dem Silanus, dem Verlobten seiner Tochter, obschon derselbe noch nicht das mannbare Alter erreicht hatte Man vgl. Tacitus, Annalen XII, 3., älteren Personen gar in so großer Zahl und so leichthin, daß damals ein »Brief sämtlicher Legionen an den Kaiser« circulierte, der das Gesuch enthielt: es möchten doch den konsularischen Legaten zugleich mit ihrem Heerkommando auch sofort die triumphalischen Ehrenauszeichnungen verliehen werden, damit dieselben nicht auf alle und jede Weise Ursache zum Kriege suchen möchten. Offenbar handelte es sich hier um eine Spottschrift, die »im Namen aller Legionen« als briefliche Petition an den Kaiser abgefaßt war, um seinen an unsere Ordenverschwendung erinnernden Mißbrauch mit den ähnlichen Ehrenzeichen des römischen Despotismus zu persiflieren. Dem Aulus Plautius Der vor Claudius' Ankunft in Britannien daselbst den Krieg geführt hatte. erteilte er sogar die Ehre der Ovation, ging ihm bei seinem Einzuge in der Stadt entgegen und hielt sich, während seines Zuges zum Kapitol hinauf und von dort hinab, ihm zur Linken. Sueton sagt: »er schützte ihm die Seite« ( latus texit), eine Phrase, welche den in der Übersetzung gegebenen Sinn ausdrückt. Dem Gabinius Secundus, der die Chauken, ein germanisches Volk, besiegt hatte, gestattete er, den Beinamen »der Chaukische« (Chaucius) zu führen.

25. Die Kriegsdienstverhältnisse der Ritter ordnete er in der Weise, daß er nach dem Kommando einer Kohorte das einer Schwadron, nach der Schwadron die Stelle eines Legionstribunen erteilte. Die Avancementsordnung war also: 1. Chef einer Abteilung Reiterei der Hilfstruppen ( cohors); 2. Chef einer Abteilung römischer Reiter ( ala = 300 Mann); 3. Chef der ganzen Abteilung einer Legion, auch wohl zuweilen der Legion selbst. Ferner gründete er jenes besoldete Militär und jene Art imaginären (inaktiven) Kriegsdienstes, welcher »der überzählige« heißt, in welchem man abwesend und bloß dem Namen nach Dienst tat. Den Soldaten untersagte er sogar durch ein Senatsdekret, die Häuser der Senatoren zu betreten, um denselben ihre Aufwartung zu machen. Vielleicht um die damit verbundene Bettelei abzuschaffen. Freigelassene, welche sich als römische Ritter gerierten, bestrafte er mit Konfiskation ihres Vermögens; Undankbare, über welche sich ihre Patrone beklagten, versetzte er wieder in Sklaverei und erklärte den Advokaten derselben: er werde von ihnen selbst künftig keine Klage gegen ihre eigenen Freigelassenen annehmen. Als es vorkam, daß manche Herren ihre kranken und mit schweren Gebrechen behafteten Sklaven, um sich der Last ihrer weiteren ärztlichen Behandlung zu entziehen, auf der Insel des Äskulap Eine Tiberinsel mit einem Tempel des genannten Heilgottes. Siehe Livius II, 5 und Epitome zum XI. Buch. aussetzten, verordnete er, daß alle, die so ausgesetzt würden, frei sein und im Fall der Genesung nicht wieder ihren Herren zu eigen werden sollten und daß, wenn sich jemand beikommen ließe, seinen Sklaven, statt ihn auszusetzen, lieber zu töten, er als Mörder prozessiert werden solle. Die Reisenden hielt er durch ein Edikt dazu an, durch die italischen Städte nicht anders als zu Fuß oder in einem Tragsessel oder in einer Sänfte hindurch zu passieren. Diese Verordnung hatte bis dahin nur für die Hauptstadt bestanden. Nach Puteoli und Ostia verlegte er je eine Kohorte in Garnison, um gegen die zahlreichen Fälle von Feuersbrünsten Hilfe zu schaffen. Leuten fremder Nationalität verbot er, römische Namen, das heißt Geschlechtsnamen Römische Vor- und Zunamen zu führen war ihnen also erlaubt., zu führen; solche, die sich das römische Bürgerrecht unbefugterweise anmaßten, traf die Strafe des Henkerbeils auf dem Esquilinischen Felde. Die Provinzen Achaja und Makedonien, welche Tiberius zu kaiserlichen gemacht hatte S. Tacitus, Annalen I, 76., gab er dem Senate zurück. Den Lykiern, die fortwährend untereinander in verderblichster Weise haderten, nahm er die Freiheit, während er dieselbe den Rhodiern, die über ihre alten Vergehungen Reue bezeigten, wiedergab. Den Einwohnern von Ilium, als Stammvätern des römischen Volkes, erließ er auf ewige Zeiten alle Abgaben, nachdem er einen alten, griechisch geschriebenen Brief im Senate vorgelesen hatte, in welchem Senat und Volk von Rom dem Könige Seleucus Freundschaft und Bündnis nur unter der Bedingung zusicherten, wenn derselbe zuvor die Ilienser, ihre Blutsfreunde, von jeglicher Steuerbelastung frei gemacht haben würde. Die Juden, welche, aufgehetzt von Chrestus, fortwährend Unruhen machten, vertrieb er aus Rom. Die Stelle ist dunkel. Die Römer hielten die Christen für eine jüdische Sekte, und wie es scheint, war es zwischen den altgläubigen und den damaligen Reformjuden in Rom zu Gewalttätigkeiten gekommen, die den Kaiser zu dieser Maßregel veranlaßten. Daß Christus mit einem Wortspiele auch Chrestos (χρηστός) genannt war, lehrt Gieseler, Kirchengeschichte I, § 28, S. 97. Sueton spricht nur durch die Worte »aufgehetzt durch Christus« ( impulsore Chresto) aus, daß ein Jude dieses Namens den Antrieb zu den »Tumulten« gab, welche die Ruhe in Rom störten und die Ausweisung aller Juden herbeiführten. Über das Nähere s. Einleitung S. XXX-XXXIII. Den Gesandten der Germanen erlaubte er, in der Orchestra zu sitzen, wozu ihn die naive Äußerung ihres Selbstgefühls vermochte, mit welchem sie, als man ihnen ihre Sitze in den dem gemeinen Volke bestimmten Abteilungen des Amphitheaters angewiesen hatte, sobald sie der Parther und Armenier ansichtig geworden waren, welche auf den Senatsplätzen saßen, sich ohne weiteres auf ebendieselben Plätze begeben hatten, indem sie stolz erklärten: ihre Tapferkeit und ihr Rang seien um nichts geringer. Tacitus, der diesen Vorfall unter Neros Regierung berichtet, erzählt denselben ausführlicher Annalen XIII, 54. Die stolzen deutschen Häuptlinge hießen Verritus und Malorix. Den Druidenkultus bei den Galliern Beschrieben von Cäsar, Gallischer Krieg VI, 13-14. mit seiner unmenschlichen Grausamkeit schaffte er vollständig ab; dagegen versuchte er den eleusinischen Geheimdienst sogar von Attica nach Rom zu verpflanzen; auch veranlaßte er, daß in Sizilien der Tempel der Venus Erycina Auf dem Vorgebirge Eryx., der vor Alter zusammengestürzt war, aus römischen Staatsmitteln wiederhergestellt wurde. Bündnisse mit fremden Königen schloß er auf dem Forum ab, wobei ein Schwein geopfert und die alte Formel der Fetialen Die Priester, welche zur Zeit der Republik die religiöse Weihe der Staatsverträge, Kriegserklärungen u. s. f. vollzogen; Livius I, 24. angewendet wurde.

Indessen alle diese und andere ähnliche Maßregeln und überhaupt seine ganze Regierung waren zum großen Teil nicht sowohl sein eigenes Werk, als das seiner Frau und seiner Freigelassenen, während er selbst meistenteils überall nur das war, was er ihren Interessen oder ihren Launen gemäß sein sollte.

26. Verlobt war er in sehr früher Jugend zweimal: mit der Ämilia Lepida, Augusts Urenkelin, und mit der Livia Medullina, die auch Camilla mit Zunamen hieß und aus dem alten Geschlechte des Diktators Camillus stammte. Die erste verstieß er noch als Jungfrau, weil ihre Eltern den Augustus beleidigt hatten Vgl. oben Augustus 19 und 65.; die zweite verlor er an dem zur Hochzeit festgesetzten Tage durch Krankheit. Er heiratete die Plautia Urgulanilla, deren Vater die triumphalischen Auszeichnungen erhalten, und bald darauf die Älia Petina, deren Vater die konsularische Würde bekleidet hatte. Von beiden schied er sich wieder, jedoch von der ersteren wegen unbedeutender Mißhelligkeiten, von der Urgulanilla dagegen wegen ihrer schmählichen Ausschweifungen und wegen Verdachts eines Mordes. Nach ihnen nahm er die Valeria Messallina, seines Vetters Barbatus Messalla Tochter, zur Ehe. Diese ließ er hinrichten, nachdem er in Erfahrung gebracht hatte, daß sie neben anderen Schmählichkeiten und Schandtaten sich sogar in aller Form mit dem Gajus Silius, unter Aufnahme eines ordentlich von den Auguren vollzogenen Ehekontrakts über Aussteuer und Heiratsgut, vermählt hatte. Die ausführliche glänzende Schilderung dieser ans Romanhafte grenzenden wilden Episode lesen wir bei Tacitus, Annalen XI, 16-17. – Weiterhin Kap. 29 erzählt Sueton, daß in der damaligen »großen Welt« von Rom die boshafte Rede ging: der einfältige Claudius habe selbst bei jener Heiratskontraktaufnahme als Zeuge fungiert! Möglich ist's jedoch, daß Messallina, der ein solcher Zug ganz ähnlich sieht, allerdings das Raffinement so weit trieb, unter dem dort von Sueton angegebenen Vorwande, daß ihre Heirat mit Silius nur zum Schein geschehe, den eigenen Gemahl an seiner Schande aktiven Teil nehmen zu lassen. Zugleich erklärte er in einer Versammlung vor seinen Prätorianern: » dieweil er mit seinen Ehebündnissen kein Glück habe, werde er fortan im ehelosen Stande verharren, und wenn er nicht darin verharre, wolle er nichts dawider haben, von ihren eigenen Händen erstochen zu werden«. Er war aber doch nicht imstande, es durchzuführen, sondern trat sofort wieder in Unterhandlungen zu einer Ehe, sogar mit der Petina, die er früher verstoßen hatte, und mit der Lollia Paullina, die mit Gajus Cäsar verheiratet gewesen war. Allein die Lockungen der Agrippina, seiner Bruderstochter, die ihre nahe Verwandtschaft mit ihm zu Liebkosungen und Zärtlichkeiten zu benutzen wußte, reizten seine Sinnlichkeit so, daß er in der nächsten Senatssitzung einige Individuen anstiftete, den Antrag zu stellen: »man müsse ihn aus Gründen des Staatswohls zwingen, dieselbe zu heiraten, und zugleich überhaupt solche Verbindungen, die bis dahin als blutschänderische galten, für allgemein erlaubt erklären«. Kaum war ein Tag nach jener Erklärung verstrichen, so vollzog er die Heirat, doch fand er keinen, der seinem Beispiele gefolgt wäre, mit Ausnahme eines Freigelassenen und eines Primipilaren, dessen Hochzeit er selbst mit der Agrippina beiwohnte. Ausführlicher über diese letzte Heirat des Kaisers berichtet Tacitus. Annalen XII. 1-7.

27. Kinder hatte er von drei Frauen: von der Urgulanilla den Drusus und die Claudia, von der Petina die Antonia, von der Messallina die Octavia und einen Sohn, den er anfangs Germanicus, später Britannicus zubenannte. Den Drusus verlor er noch als Knaben zu Pompeji Wie wir aus dieser Notiz sehen, war das später verschüttete Pompeji ein auch von der kaiserlichen Familie besuchter Sommeraufenthalt., indem derselbe an einer Birne erstickte, die er im Spielen in die Höhe geworfen und mit dem Munde wieder aufgefangen hatte. Wenige Tage zuvor hatte er diesen Sohn mit einer Tochter Sejans verlobt; um so mehr wundere ich mich daher, daß manche Schriftsteller berichtet haben, derselbe sei von Sejan heimlich umgebracht worden. Die Claudia, deren Vater eigentlich sein Freigelassener Boter war, wurde auf seinen Befehl, obschon sie vor dem fünften Monate nach der Ehescheidung geboren und anfangs als sein Kind auferzogen worden war, ausgesetzt und der Mutter nackt vor die Türe gelegt. Die Antonia vermählte er mit Cnejus Pompejus Magnus, dann mit Faustus Sulla, zwei jungen Männern edelster Abkunft, die Octavia mit seinem Stiefsohne Nero, nachdem sie vorher dem Silanus verlobt gewesen war. Den Britannicus, der ihm am zwanzigsten Tage nach seiner Thronbesteigung während seines zweiten Konsulats geboren worden war, empfahl er schon damals noch im zarten Alter beständig sowohl den versammelten Soldaten, denen er ihn auf seinen Armen zeigte, als auch bei Gelegenheit von Schauspielen dem Volke, indem er ihn auf seinem Schoße sitzen oder vor sich stehen ließ und ihm unter dem Jubelrufe der versammelten Menge Heil und Segen wünschte. Von seinen Schwiegersöhnen adoptierte er den Nero; den Pompejus und den Silanus überging er nicht nur, sondern ließ sie sogar umbringen.

28. Unter seinen Freigelassenen standen bei ihm in besonderem Ansehen: Posides, ein Verschnittener, den er auch bei Gelegenheit seines britannischen Triumphes unter den verdienten Kriegsmännern mit der unbeschlagenen Lanze beschenkte Die »unbeschlagene Lanze« ( hasta pura), der Homerische Königsstab, war also, wie es scheint, Ehrenauszeichnung damaliger Zeit, etwa wie unser Marschallstab. – Von dem Reichtum und Luxus dieses Posides spricht Juvenal, Satiren 14, 91 und daselbst die Ausleger.; nicht minder Felix, den er zum Befehlshaber erst einer Reiterabteilung mit Bundestruppen, dann der römischen Reiterei und zuletzt zum Statthalter der Provinz Judäa erhob und der mit Königinnen verheiratet war Dieser Felix ist der in der Apostelgeschichte Kap. 24 erwähnte. Von seiner Grausamkeit und seinen Lastern spricht Tacitus, Historien V, 9 und Annalen XII, 54. Von den königlichen Prinzessinnen, mit denen er verheiratet war, kennen wir zwei, beide Drusilla geheißen, die eine die Tochter des Königs Juba von Mauretanien, die andere Tochter des Judenkönigs Agrippa. Josephus, Jüdische Altertümer 18, 7 und 20, 5.; desgleichen Arpocras, dem er das Recht erteilte, sich in Rom einer Sänfte zu bedienen und dem Volke öffentlich Spiele zu geben. Was sonst nur Männern ritterlichen Standes und Vermögens erlaubt war. Zu diesen kam noch Polybius, sein Hofgelehrter Sueton sagt » a studiis«, wodurch Polybius als derjenige bezeichnet wird, der dem Kaiser bei seinen gelehrten Studien und schriftstellerischen Arbeiten zur Hand ging. Der lateinische Ausdruck bezeichnet diese Stellung als ein Hofamt, wie im folgenden » ab epistolis« den Kabinettssekretär bezeichnet. Polybius fiel nach Dio Cassius (LX, 31) als ein Opfer der Messallina., den man häufig die Ehre genießen sah, in der Mitte zwischen den beiden Konsuln spazieren zu gehen. Am höchsten aber unter allen standen in der kaiserlichen Gunst Narcissus, sein Kabinettssekretär, und Pallas, sein Finanzintendant, die sogar durch Senatsbeschluß nicht nur mit ungeheuren Geldbelohnungen, sondern auch mit quästorischem und prätorischem Amtsrange ausgestattet wurden, zu welchem allem er bereitwillig seine Genehmigung erteilte, und denen er überdies noch so viel zusammenzuraffen und zu rauben gestattete, daß ihm, als er sich einmal über den Geldmangel im Schatze beklagte, die nicht unrichtige Antwort gegeben wurde: er würde Geld im Überflusse haben, wenn ihn seine beiden Freigelassenen zum Compagnon annehmen wollten.

29. Beherrscht, wie ich gesagt habe, von diesen Menschen und von seinen Frauen, spielte er eigentlich nicht den Fürsten, sondern den Diener. Wie es dem Interesse jeder dieser Personen oder auch ihrer Neigung und Laune entsprach, teilte er Ehrenstellen, Heerkommandos, Straflosigkeitserklärungen und Strafen aus und obenein meist, ohne recht zu wissen, was er tat. Und um nicht alle und jede geringfügigen Einzelheiten aufzuzählen – die widerrufenen Gnadenbezeigungen, die ungiltig erklärten richterlichen Urteile, die untergeschobenen oder auch offenbar geänderten Kabinettsbestallungen –, so ließ er z. B. den Appius Silanus, seinen Schwager, die beiden Julien, die eine des Drusus, die andere des Germanicus Tochter, auf ganz unbestimmte Anschuldigung und ohne ihnen Verteidigung zu gestatten, hinrichten; desgleichen den Cnejus Pompejus, seiner älteren Tochter Mann, und den Lucius Silanus, den Verlobten der jüngeren. Von diesen wurde Pompejus in den Armen eines von ihm geliebten Knaben erstochen, Silanus gezwungen, die Prätur am vierten Tage vor dem ersten Januar niederzulegen und am Neujahrstage, der zugleich der Tag von Claudius' und Agrippinas Vermählung war, den Tod zu erleiden. Die Todesurteile von dreißig Senatoren und mehr als dreihundert Richtern vollzog er mit solcher Leichtfertigkeit, daß er, als der Centurio ihm über die Hinrichtung eines Mannes von konsularischem Range mit den Worten Meldung machte: » sein Befehl sei vollzogen«, in Abrede stellte, daß er irgend einen Befehl erteilt habe, nichtsdestoweniger aber das Geschehene guthieß, weil seine Freigelassenen ihm vorsagten: die Soldaten hätten ihre Pflicht getan, daß sie aus freiem Antriebe zur Bestrafung eines Feindes ihres Kaisers vorgeschritten wären. Indes dürfte doch das Folgende allen Glauben übersteigen, daß er nämlich sogar die Ehepakten der Messallina mit ihrem Buhlen Silius selbst mitunterzeichnet habe, wozu man ihn durch die Vorstellung bewogen habe, das Ganze sei eine absichtlich vorgenommene Scheinceremonie, um von seinem Haupte ein Unheil, das, wie man sagte, durch allerhand Vorzeichen ihm drohend verkündet ward, abzuwenden und auf ein anderes zu übertragen. S. die Bemerkung zu Kap. 26.

30 und 31. Imponierende Würde der äußeren Erscheinung fehlte ihm keineswegs, sei es, daß er stand, oder daß er saß, und vor allem, wenn er auf dem Ruhebette lag. Denn er war von großer und dabei nicht magerer Figur, und sein graues Haar und ein wohlbefleischter Nacken verschönerten sein Aussehen. Beim Gehen schadete es ihm, daß er nicht recht fest auf den Beinen war, und im heiteren wie beim ernsten Behaben verunstaltete ihn mehreres: ein unanständiges Lachen und noch mehr ein häßliches Aussehen im Zorne, wo ihm der Schaum vor den Mund trat und die Nase floß. Dazu kam ein stotterndes Anstoßen mit der Zunge und ein fortwährendes Zittern des Kopfes, das sich bei jeder geringsten Handlung, die er vornahm, auf den höchsten Grad steigerte.

Seine Gesundheit, die früher schwächlich gewesen war, stärkte sich seit seiner Thronbesteigung auf das glücklichste, mit Ausnahme der Magenschmerzen, unter deren Pein er bisweilen sogar an Selbstmord gedacht zu haben bekennt.

32. Gastereien veranstaltete er sehr reichliche und häufige und fast immer in sehr weiten Räumlichkeiten, so daß sehr oft sechshundert auf einmal zur Tafel lagen. Einmal veranstaltete er sogar ein Gastgebot bei der Ablassung des Fucinersees, wobei er durch das mit großer Gewalt nach Durchstechung des Dammes hervorbrechende und alles überschwemmende Wasser beinahe ersäuft worden wäre. Siehe die Beschreibung bei Tacitus, Annalen XII, 57. Zu seiner Tafel zog er regelmäßig auch seine Kinder mit anderen Knaben und Mädchen von edler Geburt, die nach alter Sitte zu Füßen der Tischsofas sitzend essen mußten. Vgl. oben Augustus 64; Tacitus, Annalen XIII, 16. Einen seiner Gäste, auf dem der Verdacht ruhte, daß er tags zuvor einen goldenen Becher heimlich eingesteckt habe, lud er zum nächsten Tage wieder ein und setzte ihm eine tönerne Trinkschale vor. Man sagt ihm auch nach, er habe ein Edikt zu erlassen beabsichtigt, welches die Erlaubnis geben sollte, stille und laute Blähungen bei Tische zu entlassen, weil er erfahren hatte, daß einer seiner Tischgenossen infolge schamhafter Zurückhaltungen derselben lebensgefährlich krank geworden war.

33. Zum Essen und Weintrinken hatte er überall und zu jeder Zeit einen außerordentlichen Appetit. Er saß einmal zu Gericht auf dem Augustusforum, als er, angelockt durch den Duft eines Frühstücks, welches in dem naheliegenden Marstempel für die Salier bereitet wurde, sofort das Tribunal im Stiche ließ, zu den Priestern hinaufging und sich an ihrer Tafel niederließ. Um diesen Zug, der, wie vieles andere in dem Charakter des Claudius, an Cervantes' unsterblichen Statthalter der Insel Barataria erinnert, richtig zu würdigen, muß man wissen, daß die gute Tafel dieser priesterlichen Herren bei den Römern sprichwörtlich berühmt war. Auch erhob er sich selten von der Tafel, ohne sich voll gegessen und getrunken zu haben, so daß ihm sofort, wenn er schlafend mit offenem Munde auf dem Rücken lag, eine Feder in den Schlund gesteckt wurde, um eine erleichternde Entleerung des Magens zu bewirken. Sein Schlaf war überaus kurz, denn er wachte gewöhnlich vor Mitternacht auf, doch schlief er zuweilen am hellen Tage beim Rechtsprechen ein, so daß ihn die Advokaten, die zu dem Zwecke mit verstärkter Stimme sprachen, kaum erwecken konnten. Zum weiblichen Geschlecht hatte er einen übermäßigen Hang, zum männlichen gar keinen. Das Brettspiel trieb er sehr eifrig und schrieb über die Kunst desselben sogar ein Buch; ja, er pflegte sogar beim Fahren zu spielen, wobei das Spielbrett so im Wagen befestigt war, daß das Spiel nicht in Verwirrung geraten konnte.

34. Daß sein Naturell eigentlich grausam und blutdürstig war, zeigte sich in großen und kleinsten Dingen. Die peinlichen Verhöre und die Hinrichtungen der Vatermörder pflegte er unverzüglich und in seiner Gegenwart vollziehen zu lassen. Als ihn einmal in Tibur die Lust anwandelte, eine Hinrichtung nach alter Weise Von welcher Art diese war, lehrt Sueton im Leben Neros 49; vgl. Domitian 11. Die Vatermörder wurden in ledernen Säcken ersäuft. S. Seneca, Von der Gnade I, 23. zu sehen und es, als die Verbrecher bereits an den Pfahl gebunden waren, an einem Henker fehlte, ließ er aus der Hauptstadt einen solchen holen und wartete auf dem Richtplatze bis zum Abend dessen Ankunft ab. Bei jedem Gladiatorenspiel, mochte er oder ein anderer der Festgeber sein, pflegte er immer selbst denen, welche zufällig zur Erde gefallen waren, den Todesstreich geben zu lassen – zumal wenn es Netzfechter waren –, um die Mienen der Veratmenden zu beobachten. Als einmal ein Fechterpaar an den gegenseitig beigebrachten Wunden gefallen war, gab er den Befehl, ihm unverzüglich aus den Schwertern beider kleine Messer zu seinem Gebrauch Nach Plinius glaubten die Alten, Fleisch von Wild, das mit einem Messer erlegt sei, mit dem ein Mensch getötet worden, helfe gegen die fallende Sucht. zu machen. An den Tierkämpfern und an den Fechtern, welche um die Mittagsstunde Wo ein Teil der Zuschauer das Amphitheater verließ, um zu Hause das Mittagbrot ( prandium) zu halten. Die Tierfechter traten morgens auf. (Nach Bremi.) auftraten, hatte er solches Gefallen, daß er nicht nur schon frühmorgens von seinem Palaste sich zu dem Schauplatze hinab verfügte, sondern auch über Mittagszeit, wenn das Volk zum Mittagbrot entlassen ward, auf seinem Platze sitzen blieb. Ja, er pflegte auch wohl, außer den ordentlichen Fechtern, wegen irgend eines geringen und im Augenblick selbst vom Zaume gebrochenen Grundes hier und da Männer aus dem Schmiedegewerk und den Hilfsarbeitern und solcher Art Leuten zum Lustmordkampfe miteinander zu verdammen, wenn ihnen etwa ein Automat, ein Gerüst oder sonst eine Maschinerie nicht gehörig geraten war. Er schickte sogar einmal einen seiner Nomenklatoren, so wie er ging und stand, mit der Toga angetan, in die Arena.

35. Die vorherrschenden Züge seines Charakters aber waren Furchtsamkeit und Mißtrauen. In den ersten Tagen seiner Regierung wagte er, obschon er, wie wir gesagt haben, gern seine populäre Schlichtheit zur Schau trug, es dennoch niemals, einem Gastmahle anders beizuwohnen, als daß ihn Leibwächter mit Lanzen umstanden und Soldaten die Aufwärter machten; auch besuchte er keinen Kranken, ohne zuvor das Schlafgemach visitieren und sogar Polster und Decken sorgfältig und gründlich durchsuchen zu lassen; ja, in der Folgezeit ließ er jeden, der ihm die Aufwartung zu machen kam, ohne alle Ausnahme durch besonders dazu angestellte Visitatoren auf das schärfste untersuchen. Erst nach langer Zeit und nach vielen Vorstellungen gab er endlich soweit nach, daß wenigstens Frauen und Knaben, die noch die Prätexta trugen, sowie junge Mädchen nicht körperlich betastet wurden und daß man den Begleitern und Schreibern der zur Audienz kommenden Personen nicht ihre Schreibrohr- und Griffelbüchsen abnahm. Als ihn bei Gelegenheit eines Aufstandes Den Dio Cassius LX, 15 ausführlich beschreibt. Camillus, in der sicheren Hoffnung, ihn auch ohne Krieg in Angst setzen zu können, in einem Briefe voll Beschimpfungen und frechen Drohungen aufforderte, von der Regierung abzutreten und als Privatmann von Staatsgeschäften entfernt ruhig weiter zu leben, berief er die ersten Männer des Staates zu einer Beratung, weil er im Zweifel war, ob er nicht gehorsamen sollte.

36. Mehrere unbegründete Anzeigen von Komplotten setzten ihn dergestalt in Schrecken, daß er den Versuch machte, die Regierung niederzulegen. Als einmal ein Mensch, wie ich oben erzählt habe S. oben Kap. 13., mit einem Dolche in seiner Nähe, während er ein Opfer vollzog, ergriffen worden war, ließ er den Senat durch Herolde schleunigst zusammenberufen und beklagte unter Tränen und Jammergeschrei sein Los, daß er nirgendwo irgend eine Sicherheit habe, und erschien lange Zeit nicht mehr öffentlich. Selbst seiner glühenden Liebe zur Messalina entsagte er nicht sowohl wegen der von ihr erlittenen schmachvollen Beleidigungen, als aus Furcht vor der Gefahr von seiten ihres Buhlen Silius, den sie, wie er glaubte, auf den Thron zu setzen beabsichtigte. Das war die Zeit, wo er auf die schmählichste Weise zitternd und bebend sich ins Lager flüchtete und während des ganzen Weges immer nur die eine Frage an seine Begleitung richtete: » ob denn wirklich sein Thron ungefährdet sei?« Claudius war dermaßen vor Furcht außer Fassung, daß er von Zeit zu Zeit fragte: »Bin ich denn wirklich noch Kaiser? Ist Silius wirklich nur ein bloßer Bürger?« Tacitus, Annalen XI, 31.

37. Und so war denn in der Tat kein Verdacht, kein Angeber so unbedeutend, daß er dadurch nicht, wenn er den geringsten Verdacht faßte, zu ängstlicher Vorsicht und Rache angetrieben worden wäre. Jemand, der einen Rechtshandel hatte, machte ihm seine Aufwartung und vertraute ihm insgeheim: er habe geträumt, daß irgend wer ihn (den Kaiser) ermorde. Wenige Augenblicke darauf zeigte er, als ob er den Mörder wiedererkenne, auf seinen Gegner, der eben im Begriff war, eine Bittschrift zu überreichen, und sofort wurde derselbe, als auf der Tat ertappt, zur Hinrichtung geschleppt. Auf gleiche Art soll Appius Silanus sein Leben verloren haben. Messalina und Narcissus hatten nämlich beschlossen, ihn zu verderben, und die Rollen zu dem Ende so verteilt, daß der letztere vor Tagesanbruch wie ein Verstörter in das Schlafgemach seines Herrn mit der Nachricht stürzte: er habe geträumt, daß Appius denselben ermorde, die erstere dagegen mit verstelltem Erstaunen erzählte: auch sie habe schon seit einigen Nächten dasselbe Traumgesicht gehabt. Bald darauf kam, wie gleichfalls abgekartet worden, die Meldung, Appius eile herbei – demselben war nämlich tags zuvor bestellt worden, daß er sich um diese Zeit im Palaste einfinden solle –; und da dies als sichere Bestätigung des Traumes angesehen wurde, so ward sofort der Befehl erteilt, ihn zu verhaften und hinzurichten. Ja, Claudius nahm keinen Anstand, tags darauf den ganzen Hergang dem Senate vorzutragen und seinem Freigelassenen Dem Narcissus. Dank abzustatten: » daß er selbst schlafend für seine Sicherheit wache!«

38. Im Bewußtsein seiner Neigung zum Zorn und zur Strenge entschuldigte er beide in einem Edikt, indem er ausdrücklich versprach: » der eine werde kurz und unschädlich, die andere nie ungerecht sein«. Als die Einwohner von Ostia ihm einmal bei seiner Einfahrt in den Tiber keine Kähne entgegengeschickt hatten, schalt er sie in einem Briefe erst heftig aus, mit dem Zusatze, »daß sie ihn böswilligerweise wie einen gemeinen Soldaten behandelt hätten«, verzieh ihnen aber dann plötzlich in einer Weise, die fast einer Entschuldigung gleichkam. Mehrmals trieb er Leute, die ihn öffentlich zur Unzeit antraten, mit eigener Hand zurück. Ebenso verbannte er einen Quästurschreiber Vgl. oben Kap. 1. und einen Senator, der bereits die Prätur bekleidet hatte, ohne Verhör und unschuldig, den ersteren, weil er gegen ihn, da er noch Privatmann war, bei einem Prozesse allzuheftig Partei genommen, den anderen, weil derselbe als Ädil Mietsleute von seinen (des Claudius) Besitzungen, die gegen das Verbot gekochte Speisen verkauften, in Strafe genommen und den dazwischentretenden Verwalter hatte peitschen lassen. Bei diesem Anlasse nahm er zugleich den Ädilen die Schenkenpolizei. Selbst seiner Geistesschwäche hatte er kein Hehl und bezeugte in mehreren kleinen Reden, daß er dieselbe unter Gajus Regierung nur erheuchelt habe, weil keine andere Möglichkeit für ihn gewesen sei, mit heiler Haut davon zu kommen und zu seiner gegenwärtigen Stellung zu gelangen. Doch fand er keinen Glauben, denn binnen kurzem erschien eine Schrift unter dem griechischen Titel: » Die Genesung der Toren«, deren Inhalt war, daß Torheit keiner fingiere. Interessant ist hier Suetons Weise, zu schließen. Ihm genügt es, daß eine witzige Schrift gegen Claudius Behauptung erschien, um dem armen Claudius unrecht zu geben, der doch jedenfalls mit der Entschuldigung seiner teilweisen Narrheit im Rechte war. Denn gegen das N'est pas sot qui veut, das der Spottschrift als Thema diente, kann man den andern Satz aufstellen: daß niemand ungestraft lange den Narren spielt, wie – Hamlet beweist.

39. Unter anderen Beweisen seiner Torheit hatten sich die Leute besonders über seine Vergeßlichkeit und Unüberlegtheit oder, daß ich die griechischen Ausdrücke brauche, über sein von der Erde Entrücktsein und seine Übersichtigkeit Das griechische Wort (μετεωρία [spr. meteoria]) bezeichnet jenen von Aristophanes so witzig komödierten Zustand des »in den Wolken schwebenden« Sokrates; das zweite (ὰβλεψια [spr. ablepsia]) den Zustand eines Menschen, der »den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht«. zu verwundern. So z. B. als die Messalina getötet worden war, fragte er, bald nachdem er sich bei Tafel niedergelassen hatte: warum die Domina Ehrentitel der Kaiserin und überhaupt vornehmer Frauen, das französische Madame. Tacitus, Annalen XI, 38, erwähnt diesen Zug der Zerstreutheit nicht, sondern sagt nur, daß er die Meldung schweigend hinnahm und, wie gewöhnlich, aß und trank. nicht komme? Viele von denen, welche er mit dem Tode bestraft hatte, hieß er gleich tags darauf zur Tafel oder zum Brettspiel einladen und schickte dann, wenn sie nicht kamen, Boten an sie ab, denen er auftrug, sie in seinem Namen als Zauderer und verschlafene Menschen auszuschelten. Als er damit umging, gegen Sitte und Gesetz die Agrippina zu heiraten, hörte er darum doch nicht auf, sie in allen seinen Reden als »seine Tochter«, sein Pflegekind zu bezeichnen, die er von ihrer Geburt an auf den Armen getragen und auferzogen habe. Und doch waren es gerade diese Umstände, welche nach Sitte und Gesetz seiner Heirat mit der Agrippina im Wege standen. Als er im Begriff stand, dem Nero durch Adoption den Namen seiner Familie zu geben, ließ er zu wiederholten Malen – gleich als wäre es noch nicht genug an dem Tadel, daß er, der doch bereits einen erwachsenen Sohn hatte, einen Stiefsohn adoptierte – die Äußerung hören: niemand sei bisher in die Claudische Familie adoptiert worden.

40. In seinem mündlichen Ausdrucke und in seinem Benehmen zeigte er nun gar zum öftern eine solche Achtlosigkeit, daß man glauben mußte, er bedenke weder, wer, noch, zu wem, noch, wann und wo er rede. Als über die Schlächter und Weinwirte im Senate verhandelt wurde, rief er in der Kurie aus: » Ich bitte euch, wer kann denn ohne sein Stück Wurst leben?« und beschrieb sogleich die gute Ausstattung der alten Tabernen, aus denen er vor Zeiten selbst gewohnt gewesen sei, seinen Wein zu nehmen. Was nur arme und gemeine Leute taten. In Sachen eines Quästors, der sich um ein Amt bewarb, führte er unter den Gründen, weshalb er seine Bewerbung unterstütze, auch den an: » weil dessen Vater ihm in einer Krankheit rechtzeitig einen Trunk frischen Wassers gereicht habe«. Als ein Frauenzimmer im Senate Zeugnis ablegen sollte, führte er sie mit den Worten ein: » Diese Person ist eine Freigelassene und Schmuckjungfer meiner Mutter gewesen, doch hat sie mich immer als ihren Patron »Der Freigelassene stand mit seinem ehemaligen Herrn im Verhältnisse eines Klienten zu seinem Patron; er nannte ihn auch Patronus und war ihm Dankbarkeit und Achtung schuldig.« Der arme Tropf Claudius, der unter der Herrschaft seiner eigenen Freigelassenen stand, nahm es jener Person hoch auf, daß sie ihn, obgleich nicht von ihm, sondern von seiner Mutter freigelassen, achtungsvoll behandelte. geachtet. Ich sage das deswegen, weil noch jetzt einige in meinem Hause sind, die mich nicht als Patron betrachten.« Doch was will ich gegen den Fall sagen, wo er sogar vom Tribunal herab, als die Ostienser ihm öffentlich ein Gnadengesuch vortrugen, ihnen in seinem Zorneifer zuschrie: » er habe gar keinen Grund, ihnen Gutes zu tun; er sei so gut, wie irgend jemand anders, Herr seiner Handlungen!« Daneben waren seine gewöhnlichen Redensarten, die man geradezu alle Stunden und Minuten hörte, folgende: » Wie! Hältst du mich etwa für den Theogonius?« Wie es scheint, der Name irgend eines unbekannten, damals sprichwörtlichen Tropfs. oder auch das griechische: » Sprich, aber fasse mich nicht an!« Bremi meint, daß diese Redensart ihm aus seiner Jugendzeit geblieben sei, wo sein roher Hofmeister nicht selten seinen Ermahnungen körperlichen Nachdruck gab. S. oben Kap. 2. und anderes dergleichen mehr, was, selbst für eine Privatperson unanständig, sich vollends für einen Kaiser nicht schickte, der obenein weder unberedt, noch ungebildet, ja vielmehr dem Studium aller zur Bildung eines freien Mannes gehörenden Wissenschaften eifrig ergeben war.

41. Mit der Geschichtschreibung hatte er sich schon als junger Mensch zu beschäftigen angefangen, wobei ihm Titus Livius Der große Geschichtschreiber, dessen wohlwollendes Herz Mitleid und Teilnahme empfand für den von seinen Verwandten hart und verächtlich behandelten und doch gutartigen Prinzen. Siehe Niebuhr, Vorlesungen über römische Geschichte III, S. 181. seine Ermunterung und Sulpicius Flavus Der Tischgenosse und Studienfreund des Claudius. Siehe oben Kap. 4. sogar Beihilfe gewährte. Als er jedoch zum ersten Male vor einem zahlreichen Auditorium eine Vorlesung hielt, brachte er dieselbe kaum zu Ende und erhielt an vielen Stellen durch seine eigene Schuld nicht den verdienten Beifall. Während nämlich durch das Gewicht eines übermäßig dicken Mannes gleich beim Beginn der Vorlesung einige Bänke eingebrochen und dadurch Veranlassung zum Gelächter gegeben worden war, konnte er, selbst nachdem sich der Lärm gelegt hatte, sich nicht enthalten, von Zeit zu Zeit in Pausen an den Vorfall zu erinnern und das Gelächter wieder neu zu erwecken. Auch als Kaiser schrieb er sehr vieles und ließ es von einem Liktor öffentlich vorlesen. Sein Geschichtswerk begann er mit der Zeit nach der Ermordung des Diktators Cäsar. Er ging aber auch auf spätere Zeiten über und begann von der Beendigung des Bürgerkriegs, weil er einsah, daß er weder freimütig, noch wahrhaft über die vorhergehenden Begebenheiten schreiben dürfe, da er von seiner Mutter und Großmutter häufigen Tadel erfuhr. Antonia, seine Mutter, und Octavia, seine Großmutter, die Witwe des Mark Anton, konnten es natürlich nicht ertragen, daß er sich mit Freimut und Wahrheit über den letzteren äußerte. Über die erstgenannte Periode hat er zwei Bände, über die letztere einundzwanzig hinterlassen. Er schrieb ferner sein eigenes Leben in acht Bänden, in dem man mehr den Geist und Geschmack, als den zierlichen Stil vermißt; desgleichen eine von viel Belesenheit zeugende Verteidigung Ciceros gegen die Bücher des Asinius Gallus. Über diesen Gegner des großen Redners sehe man Plinius, Briefe VII, 4, und Gellius, Attische Nächte XVII, 1. Auch drei neue Buchstaben erdachte er und fügte sie als eine seiner Meinung nach höchst notwendige Ergänzung dem alten Alphabet hinzu. Schon als Privatmann hatte er darüber ein Buch herausgegeben; später als Kaiser setzte er es leicht durch, daß man sich ihrer auch ziemlich allgemein bediente, wie sie denn noch heute in vielen Büchern, in der Tageszeitung S. zu Cäsars Leben, Kap. 20, und Tacitus, Annalen XI, 14. – Diese von Claudius neu erfundenen drei Schriftzeichen waren: das sogenannte äolische Digamma in der Gestalt eines umgekehrten römischen F (Ⅎ), das die Stelle des griechischen φ (ph) vertrat; ferner das Antisigma, das dem griechischen ψ (ps) entsprach und folgende Gestalt hatte: )(. Das dritte Schriftzeichen diente zum Ausdruck des Mittelvokals zwischen den Vokalen i und u. und in den Inschriften der öffentlichen Bauwerke aus jener Zeit vorhanden sind.

42. Mit nicht geringerem Eifer trieb er ferner das Griechische, indem er bei jeder Gelegenheit seine Vorliebe für diese Sprache und seine Ansicht über ihre Vorzüglichkeit kundgab. Zu einem Ausländer, der sich griechisch und lateinisch geläufig auszudrücken wußte, sagte er einmal: » Da du unserer beiden Sprachen mächtig bist« ... Die Zeichen der Lücke sollen nur andeuten, daß Sueton das weitere absichtlich wegließ, weil es ihm nur darauf ankam, durch die von ihm angeführten Worte des Claudius zu zeigen, daß dieser beide Sprachen als seine Muttersprachen betrachtete.; und in der Rede, in welcher er dem Senate die Provinz Achaja empfahl, spricht er es aus, daß dieselbe » ihm wegen seiner wissenschaftlichen Beziehungen teuer und wert sei«. Ja, er erwiderte die Anreden der griechischen Gesandten im Senate häufig durch längere Reden in ihrer Sprache Was ganz gegen die römische Sitte war. S. Tiber 71. und bediente sich selbst auf dem Tribunal vielfach Homerischer Verse. So oft er ferner einen Feind oder Verschwörer hatte hinrichten lassen, gab er dem Tribunen, der die Palastwache hatte, wenn derselbe von ihm die Parole forderte, fast regelmäßig den Homerischen Vers:

Immer drauf auf den Mann, der zuerst böswillig dich angreift! S. Homer, Odyssee XVI, 72; XXI, 133.

Endlich hat er auch Geschichtswerke in griechischer Sprache, Tyrrhenische Forschungen in zwanzig und Karthagische in acht Büchern geschrieben, welche ihm die Ehre verschafften, daß zu dem Museum in Alexandria ein neues, nach seinem Namen benanntes, hinzugefügt und zugleich verordnet wurde, daß jährlich an bestimmten Tagen in dem einen seine »Tyrrhenischen«, im andern seine »Karthagischen Forschungen« wie in einem Hörsale vollständig von Vorlesern, die einander ablösten, vorgetragen werden sollten.

43. Gegen das Ende seines Lebens hatte er bereits manche nicht undeutliche Zeichen davon gegeben, daß er sowohl über seine Verheiratung mit Agrippina, als über die Adoption Neros Reue empfand. So z. B., als seine Freigelassenen einmal einer gerichtlichen Untersuchung lobend gedachten, infolge deren er tags zuvor eine Frau, die des Ehebruchs angeklagt war, verurteilt hatte, ließ er die Äußerung fallen: » auch sein Verhängnis sei es, lauter unkeusche Weiber zu haben und sie bestrafen zu müssen«. Vgl. Tacitus, Annalen XII, 65, woraus zugleich die hier gegebene Übersetzung gerechtfertigt wird. Und bald darauf schloß er den zu ihm herantretenden Britannicus mit ungewöhnlicher Zärtlichkeit unter dem Zurufe in die Arme: » er möge nur älter werden, dann wolle er ihm alles, was er getan, erklären,« und rief ihm beim Abgehen überdies noch die (bekannten griechischen) Worte nach:

Der dich verwundet hat, wird dich auch heilen! Sprichwörtlich bei den Griechen nach der Sage von Achill, der den von ihm verwundeten Telephus infolge eines Orakelspruchs dadurch heilte, daß er den Rost der Lanze, mit der er ihn verwundet hatte, auf die Wunde legte. Claudius spielte auf seine Adoption Neros (s. Kap. 39) an, die eine Beeinträchtigung des Britannicus war.

Und ein andermal, als er den Vorsatz aussprach, dem damals noch unerwachsenen und zarten Knaben, da er die nötige Größe erreicht habe Britannicus war über sein Alter groß., die Toga zu verleihen, fügte er hinzu: » damit endlich das römische Volk einen wahren Cäsar hat.« D. h. den wahren Thronfolger.

44. In der Tat verfaßte er nicht lange darauf ein Testament, das er durch alle Magistrate unterschreiben und untersiegeln ließ. Daher kam ihm, ehe er weiter gehen konnte, Agrippina zuvor, die außer den soeben berichteten Dingen auch ihr eigenes Gewissen, wie nicht minder die Angeber, welche sie vielfacher Verbrechen bezichtigten, in Unruhe versetzten. Daß er durch Gift ermordet wurde, steht allgemein fest Ausführliches bei Tacitus, Annalen XII, 66-67., nur über das Wo? und Von wem? weichen die Angeber ab. Einige sagen: bei einem Festschmause mit den Priestern auf der Burg D. i. auf dem Kapitol. durch den Verschnittenen Halotus, seinen Vorkoster, andere: an seiner Haustafel durch die Agrippina selbst, die ihm Pilze, sein Lieblingsgericht, vergiftet vorgesetzt habe. Auch über den weiteren Verlauf lautet das Gerücht verschieden. Viele versichern: er habe gleich nach dem Genusse des Giftes die Sprache verloren und sei, nachdem er die ganze Nacht in furchtbarer Schmerzenspein zugebracht, gegen Tagesanbruch gestorben. Einige sagen: er sei anfangs in Schlummer versunken, dann habe er, weil der Magen mit Speise überladen war, alles wieder von sich gegeben, worauf man ihm eine neue Dosis Gift beigebracht habe, ungewiß, ob mittels eines Klystiers, mit welchem man ihm, wie wenn er an Magenüberfüllung litte, scheinbar auch von dieser Seite zu Hilfe kommen wollte.

45. Sein Tod wurde geheim gehalten, um hinsichtlich des Thronfolgers alles zuvor in Ordnung zu bringen. So ließ man denn für ihn, als wenn er nur krank sei, Gelübde tun und führte zum Schein Komödianten in sein Krankenzimmer, weil er durch solche unterhalten zu werden verlangt habe. Er starb am dritten Tage vor den Iden des Oktober Den 13. Oktober des Jahres 807 der Stadt Rom., unter dem Konsulat des Asinius Marcellus und Acilius Aviola, im vierundsechzigsten Jahre seines Alters, seiner Regierung im vierzehnten. Er wurde mit allem kaiserlichen Pomp begraben und unter die Zahl der Götter aufgenommen. Tacitus, Annalen XII, 69. Seine göttliche Verehrung ward zwar von Nero vernachlässigt und endlich abgeschafft, aber durch Vespasian wieder eingeführt.

46. Vorzeichen seines Todes waren besonders: das Erscheinen eines Haarsterns, dergleichen man Kometen nennt, ferner das Einschlagen des Blitzes in das Monument seines Vaters Drusus und endlich der Umstand, daß in demselben Jahre von allen Klassen der hohen Beamten sehr viele gestorben waren. Doch geht auch aus verschiedenen Umständen hervor, daß er selbst über sein nahes Ende nicht in Unwissenheit war und daraus kein Geheimnis machte. Denn als er die Konsuln designierte, ernannte er keinen auf eine weitere Zeit, als bis zu dem Monat, wo er gestorben ist, und bei seiner letzten Anwesenheit im Senat, ganz kurz vor seinem Tode, ermahnte er seine Kinder zunächst vielfach zur Eintracht und empfahl darauf das zarte Alter beider auf das inständigste den Senatoren. Und in der letzten gerichtlichen Untersuchung wiederholte er vom Tribunal herab, obschon alle, die es hörten, solche unglückbedeutenden Worte zurückwiesen Das geschah durch den Ausruf: »Die Götter sollen behüten!«, den man laut hören ließ, sobald jemand, wie hier Claudius, Worte böser Vorbedeutung sprach. Auch bei uns gilt noch ähnliches in vielen Kreisen., ein übers andremal die Äußerung: » daß er die Grenze der Zeitlichkeit bereits erreicht habe«.


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