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Im L-Wagen; mir gegenüber sitzt eine Frau mit einem kleinen Kinde, ich schätze es als einjährig; es ist sehr gut genährt und verfügt über bedeutende Kräfte. Kaum hatte sich die Frau niedergelassen, begann das Kleine auf ihrem Schoße auch schon herumzuwetzen und zu strampeln. Es entspinnt sich ein zäher, aufreibender Kampf zwischen Mutter und Kind, bei dem die erstere durch eine große Handtasche wesentlich behindert wird.
»Aber, Peperl, so bleib' do schön sitzen, du fallst ma sunst no owi und tust dir wehweh . . ., net schlimm sein, Peperl, sunst gibt's peitschpeitsch!«
Nun schnellt Peperl die dicken Beinchen aus, wirft den Kopf zurück, macht das Kreuz hohl und stößt einen Ton aus, der durch Mark und Bein geht.
»Na wart, Peperl, wenn du so schlimm bist, derfst net mitfahr'n . . ., siegst der Herr schaut schon, der wird di mitnehma!«
Peperl dreht das Köpfchen mir zu, ich fühle mich verpflichtet, der Mutter beizustehen und erzieherisch mitzuwirken. Ich mache große Augen und einen herben Mund. Die Wirkung ist überraschend; Peperl heult mit einmal los, daß sich alle Fahrtgenossen erschrocken umdrehen.
»Wirst net glei stad sein . . ., aber Peperl! Jessas, is dös a Kreuz mit dem Kind! Na wart, siegst, der Herr hat an großen Stock, da wird er dir glei peitschpeitsch geb'n, wannst net stad bist. . . .!«
Ich besitze einen Knotenstock, den hebe ich nun sachte und lasse den dicken Knauf pendeln. Furcht lähmt, sagen Gelehrte, aber keine Regel ohne Ausnahme. Peperl ist eine solche. Das Kind heult, brüllt und quäkt, daß die Ohren klingen.
Da mengt sich ein andrer Fahrgast in das Erziehungswerk: »Geb'n S' dem Buam a paar Pracker; dös is ja schrecklich!«
»Es is ja gar ka Bua, es is ja a Maderl.«
»No, dö fangt zeitli an; wann dös Mentsch mir g'hört, hat s' schon lang' ihre Plesch. . . .«
»Mein Gott, was kann denn das Kind dafür, wann 's der Herr da so schiach anschaut und mit dem Trum Stecken ummafuchtelt. . . .«
27 Ich sehe viele Augen vorwurfsvoll auf mich blicken und ändre daher mein System.
»Da schau, Peperl, ein schönes Stockerl, da schau her, i tu dir ja nix, da, greif' ihn nur an, siegst, a schön's Stocki Stocki. . . .«
Ich lege süßesten, schmeichlerischen Wohllaut in meine Worte, lache mein gewinnendstes Lächeln und mache die Augen ganz klein; ich streichle den Stock und halte ihn Peperl in Reichweite hin. Ich triumphiere. Peperl packt herzhaft den dicken Knauf mit beiden Händchen und will ihn zum Munde führen, da greift aber wieder die Mutter ein:
»Aber, Peperl, net ins Munderl nehmen, das ist ja gahgah.«
Sie will der Kleinen den Knauf entwinden, aber da hebt das Heulen, Brüllen und Quäken von neuem an. Ich lasse jedoch nicht locker in meinem erfolgreichen System.
»Nein, nein, Peperl, das Stocki g'hört dein; da schau her, das schöne Stocki. Das ist nicht gahgah, das ist schön, greif's nur an, Peperl, sooo . . .«
Ich gewinne wieder des Mädchens Gunst, aber nun reiche ich ihm mit berechneter Schlauheit nicht mehr den Knauf, sondern den Stock in halber Länge, unten am Ende halte ich ihn vorsichtig fest. Peperls Händchen umklammern auch sofort die bessere Griffgelegenheit und beginnen mächtig zu zerren; ich gebe nur soviel nach, als notwendig ist, um keinen störenden Widerstand fühlen zu lassen. Peperls Händchen aber gleiten greifend den Stock entlang herab und versuchen, ihn mit ruckendem Reißen aus meiner Hand zu ziehen. Jetzt baumelt der Knauf vor der Mutter Gesicht, und wieder wehrt sie ab:
»Aber gehst denn net, Peperl, du haust mir ja die Augen aus, geh, lass' aus; da schau, jetzt hast mei Huterl owag'haut . . . .«
Der Frau saß tatsächlich der Hut im halben Gesicht. Bei einem Versuche, ihn wieder zurechtzurücken, bekommt die Kleine Bewegungsfreiheit und reißt mit einem raschen Ruck den Stock mir fast aus der klammernden Hand am untern Ende. Nun neigt sich der dicke Knauf mit plötzlichem Schwunge meinem Kopfe zu, ich weiche aus, er gleitet ab, dem Fenster zu, ich kann gerade noch die andre Hand schützend dazwischenschieben, aber schon kippt die Keule nach rückwärts, und sofort ertönt es in voller Entrüstung:
»No, was is denn dös, der Bankert haut ma ja no 'n Schädl ausananda! San denn Sö aa net g'scheiter, an klan Kind an so an Treml in d' Hand z' geb'n. . . .«
»Aber Sie seh'n, es ist doch ruhig, man muß so ein kleines Kind halt mit was beschäftigen. . . .«
28 »Da geb'n S' eahm aber was anders, ja – und übrigens hat der Bamperletsch net z' heul'n, a Muatta mit an Verstand dö muaß wiss'n, was s' z' tuan hat. . . .«
»Mein Gott, was soll i denn tuan? Das Kind is halt so viel lebhaft, i kann do net z' Fuaß nach Hütteldorf geh'n, i kann ja den Bink'l net mehr d'rschlepp'n. . . .«
»Hätt'n S' 'n daham lass'n, wann S' wissen, daß der Schraz in d'r Elektrisch'n zum blaz'n anfangt!«
»Mein Kind is ka Schraz und ka Bamperletsch, Sö hab'n g'wiß kane Kinder, weil S' a so daherred'n. . . .«
»A freili, i hab Kinder gnua, aber wann ans a so a Manöver gmacht hätt, hätt i ma schon z'helf'n g'wußt!«
Andre geben ebenfalls ihre Gutachten ab:
Eine Dame: »Vielleicht hat sie Hunger, ich nimm immer was mit, wenn ich mit meiner Kleinen fahre, wenn ein Kind was zum Naschen hat, ist es immer ruhig.«
Ein Fräulein: »Das Kind ist ja auch zu dick an'zog'n, das arme Bauxerl kann sich ja gar nicht rühr'n, da muß es ja unruhig werden.«
Ein Herr: »Den ganzen Tag ist man ang'hängt, und dann hat man die paar Minut'n auf der Elektrischen auch noch keine Ruh – so viel Rücksicht sollte man doch hab'n. . . .«
Eine Frau: »No mein Gott, das bisserl Gschra, dös macht do nix, da mach'n die Automobü mehr Krawall mit eahnan Töhtöh, der Herr hat's ja recht guat g'mant mit sein Steck'n, sehg'n S', es ist jetzt aa schon ganz stad. . . .«
Diese Anerkennung meines Systems beschwichtigt meinen Groll. Peperl horcht gespannt auf die Wechselreden und läßt unterdessen den Stock ruhen, seine Mutter hat sich den Hut wieder zurechtgesetzt und lächelt mir freundlich zu.
»Sie können mit Kinder umgeh'n, das siecht ma glei, die Peperl tuat sie sunst net so leicht anfreund'n mit an Fremd'n.«
Ich werde immer stolzer. Nun versuche ich leise, meinen Stock wieder an mich zu bringen, aber bei der ersten Betätigung dieses Willens wird Peperl auch schon aufmerksam, faßt den Stock fester und beginnt wieder zu zerren. Ich leiste Widerstand, aber ein mächtig quietschender Unwillensausbruch zwingt mich zum Nachgeben. Peperl zerrt die Keule heftig von rechts nach links in immer rascher werdenden Schwingungen, einigemale klirrt der Knauf ans Fenster.
»Hast schon recht, hau nur 's Fenster ein, dann kann der Herr zahl'n, dös kost' dann mehr, als wannst eahm 'n Schäd'l einhaust oder deiner Muatta die Zähnd . . .«
Peperl jauchzt vor Glück und drückt meinen Stock an die Brust, schlägt sich dabei mit dem Knauf auf die Stirne und heult wieder los.
29 »I sag' ja, das is ka Spielzeug für so a Patscherl, dös kann sie no g'sund herricht'n mit dem hanbuachanen Prügl . . ., gehngan S', Frau, san do Sö so g'scheit und nehmen S' dem Kind den Stock weg, jetzt blazt 's ja eh schon wieder, jetzt is schon allesans. . . .«
Die Mutter folgt dem Rate. »So, Peperl, jetzt is schon genug; jetzt gib das Stocki wieder her, du tust dir nur wehweh am Kopfi – siegst, der Herr wird glei weinen, wann du ihm das Stocki net gibst . . .«
Peperl sieht mich forschend an, ich verzerre den Mund wie in grimmigem Schmerze, bedecke mit der freien Linken meine Nase und mache »huhuhuhu«.
Peperl jauchzt, aber den Stock läßt sie nicht los. Die Mutter wendet sanfte Gewalt an; vergebens. »Laß aus, sunst kriegst eins aufs Pratzi!« Sofort setzt wieder schrilles Kreischen und dann quäkendes Heulen ein.
»Jetzt is 's ma aber schon z' dumm, ich möcht' sehg'n, ob der blazerte Bankert den Steck'n net hergibt!« Der Mann von nebenan erhebt sich und will eingreifen; da erwacht in der Mutter die Löwin: »Mei Kind werd'n Sö net anrühr'n, dös sag' i Ihna; wann 's Ihna net recht is, steig'n S' aus oder fahr'n S' mit an Fiaker . . . das war ja no schöner, jetzt derfat ma mit an Kind net mehr auf der Elektrisch'n fahr'n, wann 's a bißerl want . . ., wann ihr der Herr net den Steck'n geb'n hätt', war s' schon lang ruhig, aber das is ja, wann sie immer die fremd'n Leut' dreinmischen. . . .«
»Natürli', i hab 's ja eh glei g'sagt, so a Blödsinn, an Kind an Steck'n z' geb'n, no dazua an solchenen!«
Ich beginne mich beengt zu fühlen und fasse den Entschluß, auszusteigen.
»So, Peperl, jetzt mußt mir mein Stocki wieder geb'n, gel ja? Ich muß jetzt aussteigen . . .«
Ich beginne den Stock zu drehen und fasse ihn nun auch oben mit der andern Hand. Peperl schreit entsetzlich und verkrampft die Fingerchen um den Stock. Ich kämpfe verzweifelt und immer kräftiger um mein Eigentum, das Geschrei wird immer ärger.
»Da hab'n S' 's jetzt, mit Ihnara blöd'n Idee, dös hätt' i Ihna glei sag'n könna, daß dös Kind den Steck'n net mehr hergeb'n will, weg'n Ihna müaß ma jetzt dös G'schra anhör'n. Sö steig'n jetzt aus, und mir hab'n das Vergnüg'n no bis zum Gürt'l.«
Auch die Mutter schreit: »Jessas, jetzt tuan S' dem Kind no weh aa, der Treml is ja voller Knöpf', wann S' a so reiß'n, kriag'n S' 'n net los, sie wird 'n schon hergeb'n. . . .«
Die Haltestelle rückt näher, ich drehe den Stock verzweifelt ein paarmal rasch um die halbe Achse, die Knorpeln reiben 30 an Hand und Fingern, das Kind schreit furchtbar, aber endlich lösen sich die kleinen Klammern, und ich enteile. Hinter mir schreckliches Weinen und Schreien.
»Jetzt hat er ihr no weh tan aa, i hab 's ja g'sagt, a so a Lackl!«
»D' höchste Zeit, daß S' aussteig'n, sunst hätt' i Ihna no was d'rzählt, Sö Tepp!«
»'s nächste Mal geb'n S' an Kind a Rasiermesser, Sö Ganzg'scheiter! Dös kummt davon, wann ana net mit Kinder umgeh'n kann . . .!
Mehr habe ich nicht gehört. 31