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Andrigetto Valsabbia, Bürger von Como, macht, als es mit ihm zu Ende geht, sein Testament und hinterläßt seine Seele, sowie die seines Notars und seines Beichtigers dem Teufel, und stirbt als ein Verdammter.

Zu Como, einer kleinen, unweit von Mailand gelegenen Stadt der Lombardei, wohnte ein Bürger namens Andrigetto da Sabbia, dem, wiewohl er reich an Ländereien, Rindern und Schafherden war und es niemand in der Stadt gab, der sich darin mit ihm messen konnte, bei keiner Handlung, mochte sie auch noch so schlecht sein, das Gewissen schlug. Dieser schwerreiche Andrigetto also, der eine Menge Weizen und Getreide anderer Art, das ihm seine Güter brachten, hatte, verteilte seine ganzen Ernten an arme Bauern und andere Leute, die schlecht daran waren und wollte sie nicht an Händler oder andere Liebhaber, die mit dem Gelde in der Hand kamen, verkaufen. Und dies tat er nicht in der Absicht den Armen zu helfen, sondern um ihnen irgendein Stück Land dafür abzunehmen und seine Güter und Einkünfte zu vergrößern, und stets war er darauf bedacht, solche Stücke auszusuchen, die seinen Zwecken am besten entsprachen, und ihm die Möglichkeit gaben, sich allmählich zum Herrn des Ganzen zu machen. Nun geschah es, daß in jenen Gegenden eine große Hungersnot ausbrach und zwar war sie derart, daß an vielen Orten die Männer, Frauen und Kinder Hungers starben. Daher nahmen alle benachbarten Dorfschaften, in der Ebene sowohl wie am Berge, ihre Zuflucht zu Andrigetto und der eine gab ihm ein Stück Wiese, der andere ein Stück Wald, der dritte ein Stück geackertes Feld hin und nahm dafür soviel Weizen oder anderes Getreide, wie er brauchte. Und so groß war der Zustrom und das Kommen und Gehen der Leute, die aus allen Richtungen in das Haus Andrigettos kamen, daß es so aussah, als wäre Ablaßjahr. Er hatte einen Notar namens Tonisto Raspante, einen in seinem Beruf sehr bewanderten Mann, der jedoch im Aussaugen der Bauern alle anderen übertraf. Es bestand in Como ein Gesetz, daß kein Notar einen Verkaufsvertrag ausfertigen dürfe, bevor nicht in seiner und der Zeugen Gegenwart das Geld aufgezählt worden sei. Tonisto Raspante erklärte Andrigetto daher oftmals, er wolle dergleichen Verträge, wie er sie wünschte, nicht ausfertigen, denn sie verstießen gegen das Comasker Statut und er wolle sich keiner Bestrafung aussetzen. Andrigetto aber regalierte ihn mit Grobheiten und bedrohte ihn sogar an seinem Leben. Und da er ein einflußreicher Mann war und zu den führenden Leuten der Stadt zählte und außerdem jedesmal ein Batzen zu verdienen war, tat der Notar alles, was Andrigetto verlangte. Bald darauf war es für Andrigetto an der Zeit zu beichten, und er schickte seinem Beichtvater ein schönes, üppiges Mittagessen und außerdem feinstes Tuch für ein Paar Strümpfe für sich und seine Köchin und sagte sich für den nächsten Tag zum Beichten an. Da er ein hervorragender und mächtiger Mann war, erwartete ihn der Herr Pfarrer heiteren Antlitzes und empfing ihn, als er kam, mit großer Liebenswürdigkeit. Als nun Andrigetto zu Füßen des Priesters kniete und sich mit Eifer seiner Sünden anklagte, kam er zu seinen Manipulationen mit den unerlaubten Verträgen und legte darüber ein eingehendes Geständnis ab. Da fing der Priester, der einige Rechtskenntnisse besaß und deutlich erkannte, daß diese Verträge unerlaubt und wucherisch seien, an, ihn in aller Bescheidenheit auf das Unzulässige derselben hinzuweisen und ihm zu erklären, er sei zur Rückerstattung verpflichtet. Andrigetto, dem die Worte des Priesters mißfielen, antwortete ihm, er wisse nicht, was er sage und er möge hingehen und besser lernen, als er es bisher getan. Der Priester, der oft von Andrigetto beschenkt wurde, befürchtete, er möchte von ihm abgehen und sich einen anderen Beichtvater suchen, absolvierte ihn daher, erlegte ihm eine leichte Pönitenz auf und verabschiedete ihn, worauf ihm Andrigetto einen Florin in die Hand drückte und vergnügt abzog. Nicht lange darauf geschah es, daß Andrigetto eine sehr schwere Krankheit befiel, die so geartet war, daß alle Ärzte ihn aufgaben und ihn verließen. Als seine Freunde und Verwandten hörten, daß seine Krankheit nach dem Ausspruch der Ärzte tödlich und unheilbar sei, gaben sie ihm auf geschickte Weise zu verstehen, er möge beichten und seine Angelegenheiten ordnen, wie es sich für jeden frommen und guten Christen schicke. Er aber, der nur darauf aus war, sich zu bereichern und Tag und Nacht an nichts anderes dachte, als seinen Besitz zu vergrößern, fürchtete nicht, sterben zu müssen und schickte diejenigen, die ihn mahnten, ans Sterben zu denken, fort. Und bald ließ er sich dies, bald das bringen und hatte sein Vergnügen und seinen Spaß daran. Schließlich aber gab er dem fortgesetzten Drängen der Freunde und Verwandten nach und befahl, seinen Notar Tonisto Raspante und seinen Beichtvater, Priester Neofito zu rufen, er wolle beichten und sein Haus bestellen. Der Beichtvater und der Notar kamen und erschienen an seinem Lager und sprachen: »Messer Andrigetto, Gott gebe Euch Eure Gesundheit wieder! Wie fühlt Ihr Euch? Seid getrost, habt keine Furcht, bald werdet Ihr wieder munter sein!« Andrigetto, dem es sehr schlecht ging, antwortete, er wolle zuerst seine Angelegenheiten ordnen und dann beichten. Der Beichtvater schenkte seinen Worten Glauben und ermahnte und ermunterte ihn eifrig, an den Herrgott zu denken und nach seinem Willen zu handeln, wenn er das tue, werde er ihm gewiß seine Gesundheit wiedergeben. Andrigetto befahl sieben Männer zu rufen, die als Zeugen seines mündlichen und letzten Testamentes dienen sollten. Als die Zeugen erschienen waren, und vor dem Kranken standen, sagte Andrigetto zum Notar: »Tonisto, wie hoch beläuft sich die Gebühr, die dir für das Aufsetzen eines Testamentes zukommt?« »Nach dem Kapitular der Notare ists ein Florin und dann so viel oder so wenig die Testatoren eben wollen«, antwortete Tonisto. »Gut«, versetzte Andrigetto, »nimm dir zwei Florinen und mach', daß du niederschreibst, was ich dir befehlen werde!« Der Notar erklärte sich bereit, und nachdem er die Anrufung des Namens Gottes, die Jahreszahl nebst Tag und Monat und die Indiktion niedergeschrieben hatte, wie die Notare dies in Urkunden zu tun pflegen, begann er folgendermaßen zu schreiben: »Ich, Andrigetto di Valsabbia, der ich bei klarem Verstand, wenn auch körperlich schwach, übergebe meine Seele Gott, meinem Schöpfer, dem ich für alles Gute, was er mir erwiesen, allen Dank ausspreche, dessen ich fähig bin.« »Was hast du geschrieben«, fragte da Andrigetto den Notar. »Ich habe folgendes geschrieben«, antwortete dieser und las ihm Wort für Wort vor, was er hingeschnörkelt hatte. Da rief Andrigetto wütend: »Wer hat dich geheißen, so zu schreiben: Warum hältst du nicht, was du mir versprochen hast? Nach meiner Weise sollst du schreiben und zwar folgendermaßen: »Ich, Andrigetto von Valsabbia, krank von Körper, aber gesund von Verstand, hinterlasse meine Seele dem Oberteufel der Hölle.« Als der Notar und die Zeugen diese Worte hörten, waren sie starr vor Verwunderung, dann blickten sie dem Testator prüfend ins Gesicht und sagten: »Ah, Messer Andrigetto, wo ist Euer Verstand, wo Euer Wissen, seid Ihr verrückt geworden? Die Wahnsinnigen und die Rasenden führen solche Reden! Laßt ab von solchem Frevel bei Eurer Liebe zu Gott; denn Ihr schädigt Eure ganze Familie. Die Leute, die Euch bisher für klug und besonnen gehalten haben, werden Euch sonst für den größten Treuvergessenen und den größten Verräter halten, den die Natur je geschaffen hat; denn wenn Ihr Euer Wohl und Euern Nutzen verachtet, müssen sie denken, werdet Ihr noch viel mehr Wohl und Nutzen anderer Leute verachten.« Da schrie Andrigetto den Notar fuchsteufelswild an: »Hab ich dir nicht gesagt, du sollst schreiben, was ich dir auftragen würde?« »Jawohl Herr!« antwortete der Notar. »So schreibe denn, was ich dir diktiere und nicht etwas, was ich nicht will«, sagte der Testator. Als der Notar, der gewünscht hätte, sich auf die ganze Sache nicht eingelassen zu haben, seinen trotzigen Willen sah und fürchtete, er möchte vor Ärger sterben, schrieb er alles nieder, was er ihm vorsagte. »Schreib ferner nieder«, sagte Andrigetto zum Notar, »Item hinterlasse ich die Seele meines Notars Tonisto Raspante dem großen Satanas, damit sie der meinen Gesellschaft leiste, wenn sie von hier scheidet.« »Aber Herr!« rief da der Notar, »Ihr tut mir einen Schimpf an, Ihr vernichtet meine Seele und meinen guten Ruf.« »Schreiben sollst du, Schurke!« rief der Testator, »und mich nicht noch ärgerlicher machen als ich schon bin. Ich habe dich bezahlt und zwar viel freigebiger als du verdienst, damit du so schreibst, wie ich will! Schreib also folgendes, zum Henker: »denn wenn er mir nicht nachgegeben und soviel unerlaubte wucherische Verträge ausgefertigt, sondern mich davongejagt hätte, würde ich jetzt nicht in einem solchen Labyrinth stecken. Und weil er damals das Gold höher schätzte als meine und seine Seele, so befehle und gebe ich letztere in die Hände Luzifers.« Der Notar, welcher sehr fürchtete, die Sache noch schlimmer zu machen, schrieb alles nieder, was er ihm diktierte. »Schreib ferner«, fuhr der Testator fort: »Item hinterlasse ich die Seele meines hier anwesenden Beichtvaters, des Priesters Neofito, den dreißigtausend Paar Teufeln.« »Oh, was sagt Ihr da, lieber Messer Andrigetto?« fuhr der Beichtvater auf. »Spricht so ein kluger Mensch, wie Ihr es seid? Redet nicht also! Wißt Ihr nicht, daß der Herr Jesus Christus voller Erbarmen und Mitleid ist und immer mit geöffneten Armen des bußfertigen Sünders wartet, der sich seiner Sünden anklagt. Klagt Euch daher Eurer schweren und ungeheuerlichen Sünden an und bittet Gott um Verzeihung, so wird er Euch reichlich verzeihen. Es steht in Eurer Macht, das unrecht Erworbene wieder zurückzuerstatten, und wenn Ihr es zurückerstattet, wird Gott, der barmherzig ist und nicht den Tod des Sünders will, Euch vergeben und Euch des Paradieses teilhaftig werden lassen!« Da wetterte Andrigetto los: »Hah, verbrecherischer Priester, der du deine und meine Seele in Verwirrung gebracht hast, der du voll bist voll Habgier und Simonie, jetzt kommst du mir mit guten Ratschlägen! Schreib Notar, daß ich seine Seele im Mittelpunkt der Hölle lasse! Denn wäre seine pestilenzialische Habgier nicht gewesen, so hätte er mich nicht absolviert, so hätte ich nicht soviel Sünden begangen und befände mich nicht in dem Zustand, in dem ich mich jetzt befinde. Scheint es dir ehrenwert und ziemlich, daß ich das schlecht erworbene Gut wieder herausgebe? Scheint es dir gerecht, daß ich meine Söhne arm und als Bettler zurücklasse? Ich hinterlasse also diesen Rat anderen, zur Zeit nehme ich ihn nicht an. Schreib weiter, Notar: Item hinterlasse ich meiner geliebten Felicita ein Gut, gelegen in der Gemarkung des Dorfes Comachio, damit sie etwas habe, wovon sie leben, sich kleiden und wo sie sich mit ihren Liebhabern vergnügen und die Zeit vertreiben kann, wie sie es immer getan, und damit sie, wenn ihr Leben zu Ende, mich im finsteren Schlund der Hölle aufsuche und gemeinsam mit uns dreien die Qual der ewigen Strafe erleide. Den ganzen Rest aller meiner beweglichen und unbeweglichen, irgendwie mir zukommenden und schon gehörigen, gegenwärtigen und künftigen Güter hinterlasse ich Comodo und Torquato, meinen rechtmäßigen und natürlichen Söhnen und bitte sie, für meine Seele keine Messe lesen und keinen Psalm singen zu lassen, sondern sich dem Spielen, Huren, Schlemmen, Turnieren und den allerabscheulichsten Betätigungen hinzugeben, damit mein auf unrechte Weise erworbenes Vermögen in kurzer Zeit zum Teufel gehe und meine Söhne, verzweifelt über seinen Verlust, sich aufhängen. Dies soll mein letzter Wille sein, und so bitte ich Euch, Ihr sämtlichen Zeugen und Euch, Notar, ihn zu unterzeichnen.« Nachdem das Testament geschrieben und gesiegelt worden war, drehte Messer Andrigetto das Gesicht nach der Wand, gab ein gebrüllartiges Stöhnen, ähnlich wie ein Stier, von sich und überließ seine Seele Pluto, der schon immer darauf gelauert hatte. Und auf diese Weise endigte der böse und verruchte Andrigetto ohne gebeichtet zu haben und ohne Reue sein schmutziges und verbrecherisches Leben.


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