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16

Zwischen drei verehrungswürdigen Nonnen eines Klosters entsteht ein Streit darüber, welche von ihnen Äbtissin sein solle. Der Vikar des Bischofs entscheidet, jene solle es sein, welche das größte Kunststück zuwege bringe.

Zu Florenz, der edeln Stadt, befindet sich ein durch die Frömmigkeit und Gottesfürchtigkeit seiner Insassen sehr berühmtes Kloster, dessen Namen ich jetzt mit Stillschweigen übergehe, um seinen glänzenden Ruf nicht durch einen Fleck zu verderben. Es geschah, daß die Äbtissin dieses Klosters krank wurde und, am Ende ihres Lebens angelangt, in Gott ihren Geist aufgab. Nachdem die Äbtissin also tot und begraben war, ließen die Nonnen zum Kapitel läuten, und alle, die Sitz und Stimme darin hatten, versammelten sich. Der Vikar des Herrn Bischofs, der ein kluger und überlegender Mann war und wünschte, daß die Erwählung der neuen Äbtissin in der vorgeschriebenen Weise vor sich gehe, ließ die Nonnen ihre Sitze einnehmen und hielt ihnen dann folgende Rede: »Hochwürdige Frauen, es ist Euch sicherlich nicht unbekannt, daß Ihr zu keinem anderen Zweck hier versammelt seid, als um eine zu wählen, die Euer Haupt sei. Wenn dem so ist, werdet Ihr nach bestem Gewissen diejenige erküren, die Ihr für die beste haltet.« Und alle Nonnen versprachen also zu tun. Nun befanden sich im Kloster drei Nonnen, zwischen denen ein heftiger Streit entstand, welche von ihnen die Äbtissin sein solle; denn jede von ihnen wurde von den übrigen Nonnen sehr begünstigt und hielt sich aus verschiedenen Gründen als den anderen überlegen, und so wünschte jede von ihnen Äbtissin zu sein. Während sich nun die Nonnen vorbereiteten, die Wahl der neuen Äbtissin zu vollziehen, erhob sich eine dieser drei Aspirantinnen – sie hieß Schwester Veneranda – und sprach zu den übrigen gewandt folgendermaßen: »Innig von mir geliebte Schwestern und Töchter, Ihr dürftet wissen, mit welcher Hingabe ich stets diesem Kloster gedient habe, bin ich doch dabei alt, ja hinfällig geworden. In Anbetracht also dieses langen Dienstes und meiner Jahre, will es mir billig scheinen, daß Ihr mich zu Eurer Oberin wählt. Und wenn Euch die Mühen, die ich erduldet und die Nachtwachen, die ich in meiner Jugend gehalten, nicht bewegen mich zu wählen, möge Euch wenigstens mein Alter dazu veranlassen, das vor allem anderen aufs höchste geehrt werden muß. Ihr seht, daß ich nur noch kurze Zeit zu leben habe und bald einer anderen Platz machen werde. Und darum, meine lieben Töchter, wollet mir diese kurze Freude gönnen und Euch der guten Ratschläge erinnern, die ich Euch stets gemacht habe.« Und nachdem sie diese Worte unter Tränen gesprochen hatte, schwieg sie. Nachdem Schwester Veneranda geendigt hatte, erhob sich Schwester Modestia, die ihr im Alter zunächst stand, und sprach: »Liebe Mütter und Schwestern, Ihr habt den Antrag der Schwester Veneranda gehört und verstanden. Doch obwohl sie älter ist als irgendeine von uns anderen, dürft Ihr sie meiner Ansicht nach doch nicht zu Eurer Äbtissin wählen; denn sie hat nunmehr ein Alter erreicht, das sie eher kindisch als weise erscheinen läßt und um dessentwillen sie vielmehr von anderen geleitet werden als selber leiten sollte. Aber wenn Ihr mit reifem Urteil meine hohe Abkunft und meinen Einfluß erwägt und die Familie bedenkt, der ich entstamme, wird Euch Euer Gewissen sagen, daß Ihr keine andere zur Äbtissin machen dürft als mich. Das Kloster wird, wie Ihr alle wissen könnt, viel durch Rechtsstreitigkeiten beunruhigt und bedarf der Begünstigung. Welcher größeren Gunst könnte aber das Kloster in seinen Notfällen teilhaftig werden, als der meiner Verwandten? Sie würden – wenn ich Euere Oberin wäre – ihr Leben, ganz zu schweigen von ihrem Vermögen, dafür hingeben.« Kaum hatte Schwester Modestia ihren Sitz wieder eingenommen, als Schwester Pacifica aufstand und mit Ehrerbietung also zu reden anhub: »Ich bin überzeugt, ja ich weiß gewiß, hochwürdige Schwestern, daß Ihr als kluge und überlegende Frauen Euch nicht wenig verwundern werdet, daß ich, trotzdem ich erst seit ganz kurzer Zeit an dieser Stätte weile, mich unseren beiden ehrwürdigen Schwestern an die Seite, ja über sie stellen will, die mich doch an Alter und Herkunft überragen. Wenn Ihr jedoch mit den Augen des Verstandes klüglich in Betracht zieht, wie groß und welcher Art meine Verdienste um den Orden sind, werdet Ihr ohne Zweifel meine Jugend höher einschätzen als ihr Alter und ihre Familie. Wie Ihr alle wohl wißt, brachte ich eine überaus reiche Mitgift mit, mit deren Hilfe Euer Kloster, das vor Alter bereits ganz baufällig war, von den Fundamenten bis zum Dach gänzlich renoviert worden ist, ganz zu schweigen von den Häusern und Grundstücken, die von dem Gelde meiner Mitgift gekauft wurden und Euch jährlich sehr reiche Renten abwerfen. In Anbetracht dieser Lage der Dinge also und zum Dank für die erhaltenen Wohltaten, solltet Ihr mich zu Eurer Äbtissin wählen; denn Euren Lebensunterhalt und Eure Kleidung verdankt Ihr meiner Mitgift und nichts anderem.« Als die drei Schwestern nun mit ihren Ansprachen zu Ende waren, ließ der Vikar des Herrn Bischofs sämtliche Nonnen nacheinander vor sich kommen und schrieb den Namen derjenigen auf, die eine jede von ihnen nach ihrem Gewissen zur Äbtissin wollte. Als die Stimmenabgabe zu Ende war, stellte sich heraus, daß alle drei Bewerberinnen gleichviele Stimmen auf sich vereinigt hatten und kein Unterschied zwischen ihnen bestand. Darob erhob sich unter der Schar der Nonnen ein sehr lebhafter Streit und die einen wollten die erste, die anderen die zweite und die übrigen die dritte zur Oberin haben, und sie vermochten auf keine Weise zur Ruhe zu kommen. Als der Vikar ihre Bockbeinigkeit sah und bedachte, daß jede der drei Schwestern wegen ihrer Vorzüge die begehrte Würde verdiene, sann er auf Mittel und Wege, wie es eine von den dreien, ohne daß Anlaß zum Zorn für die anderen entstände, werden könne. Und er rief die drei Bewerberinnen vor sich und sagte zu ihnen: »Meine lieben Mütter, ich bin hinreichend über Eure Tugenden und Verdienste unterrichtet und weiß, daß jede von Euch wegen ihrer trefflichen Werke Äbtissin zu sein verdiente. Doch besteht zwischen den hochwürdigen Nonnen die größte Meinungsverschiedenheit über die zu wählende und die Stimmenabgabe ist dementsprechend ausgefallen. Ich will Euch daher (damit Ihr in Liebe und ungestörtem Frieden verharret) ein Mittel zur Erwählung der Äbtissin vorschlagen, das, wie ich hoffe, bewirken wird, daß Ihr schließlich alle zufrieden seid. Dieses Mittel nun ist folgendes: Jede von Euch dreien, liebe Mütter, die sich um die hohe Würde zu bewerben wünscht, soll sich bemühen, nach Ablauf von drei Tagen in unserer Gegenwart eine preiswürdige, außergewöhnliche Tat zu vollbringen, und welche von Euch dreien den Vogel abschießt, die soll von sämtlichen Nonnen einträchtiglich gewählt und ihr die gebührende Ehrfurcht erwiesen werden.« Die Entscheidung des Herrn Vikar gefiel den Nonnen sehr, und so versprachen sie alle einstimmig, sich an sie zu halten. Als der festgesetzte Tag erschienen und alle Nonnen im Kapitelsaal versammelt waren, ließ der Herr Vikar die drei Schwestern, welche die Würde einer Äbtissin einnehmen wollten, vor sich kommen und fragte sie, ob sie sich im reinen und geneigt wären, irgend etwas Außerordentliches vorzuführen. »Jawohl!« antworteten sie wie aus einem Halse. Nachdem alles seine Plätze eingenommen hatte, begab sich Schwester Veneranda, welche älter war als die anderen, in die Mitte des Saales, zog eine große Nadel hervor, die in ihrer Kutte stak, hob ihre Gewänder vorne hoch und pißte in Gegenwart des Vikars und der Nonnen so haarscharf durch das Öhr der Nadel, daß kein Tröpflein auf den Boden fiel, das nicht zuvor durch das Öhr gegangen. Als der Herr Vikar und die Nonnen dies sahen, glaubten sie alle, Schwester Veneranda müsse Äbtissin werden; denn man könne diese Leistung nicht übertreffen. Hierauf erhob sich Schwester Modestia, die nächstälteste, begab sich in die Mitte des Saales, nahm einen Würfel, wie er zum Spielen gebraucht wird, legte ihn auf eine Bank, nahm dann fünf Hirsekörnchen und, legte auf jeden der fünf Punkte des Würfels ein Korn. Dann hob sie sich hinten die Röcke hoch, näherte sich mit dem Hintern der Bank, auf welcher der Würfel lag und ließ einen so gewaltigen und erschrecklichen Furz fahren, daß der Vikar und fast alle Nonnen zusammenfuhren. Trotzdem dieser Furz jedoch mit mächtigem Blasen aus dem Loche herausfuhr, war er dennoch mit solcher Kunst und Meisterschaft gezielt, daß das in der Mitte liegende Körnlein an seinem Platze blieb, während die anderen vier verschwanden und nicht mehr gesehen wurden. Dieses Probestück schien dem Vikar und den Nonnen nicht geringer als das erste, aber sie äußerten sich nicht darüber und warteten auf das Kunststück Schwester Pacificas. Diese trat in die Mitte des Saales und führte eine Leistung vor, die nicht die eines alten, sondern eines Weibes von männlicher Kraft war. Sie zog nämlich einen harten Pfirsichkern aus dem Busen, warf ihn in die Höhe, hob blitzschnell ihre Kleider auf, fing ihn mit den Hinterbacken auf und preßte ihn derart zusammen, daß sie ihn zerbrach und in feinen Staub verwandelte. Der Vikar, der ein kluger und gewitzter Mann war, begann mit den Nonnen die hervorragenden Leistungen der drei Schwestern in Erwägung zu ziehen, als er jedoch sah, daß es nicht möglich war, zum Ziele zu gelangen, erbat er sich Bedenkzeit für die endgültige Entscheidung. Und da er in seinen Büchern die Lösung dieser schwierigen Streitfrage nicht zu finden vermochte, ließ er sie unentschieden und so schwebt sie noch bis zum heutigen Tage.


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