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Die Florentiner und Bergamasken lassen ihre Gelehrten miteinander disputieren, und die Bergamasken verblüffen die Florentiner mit Hilfe einer List.

Vor langen Jahren waren einmal, wie ich des öfteren von meinen Großeltern hörte, einige Florentiner und Bergamasker Kaufleute zusammen unterwegs, die sich, wie das so zu sein pflegt, über dies und jenes unterhielten. Da sagte im Verlaufe des Gesprächs ein Florentiner: »Soviel wir sehen können, seid Ihr Bergamasken ausgemachte Dickköpfe und Ignoranten, und wenn das bißchen Handel nicht wäre, das Ihr treibt, wäret Ihr infolge Eurer Dummheit zu gar nichts zu brauchen. Und wenn Euch das Glück im Handel günstig ist, so kommt das nicht etwa von der Schärfe Eures Verstandes oder von Euren Kenntnissen, sondern vielmehr von Eurer Unersättlichkeit und der Gewinnsucht, die Euch beherrscht, – also, wie gesagt, ich kenne keine beschränkteren und unwissenderen Menschen als Euch.« Da meldete sich ein Bergamaske und sagte: »Und ich erkläre Euch, daß wir Bergamasken Euch in jeder Hinsicht überragen. Und obgleich Ihr Florentiner eine weiche Sprache habt, die den Ohren der Zuhörer angenehmer ist als die unsere, steht Ihr doch in jeder anderen Betätigung weit unter uns. Denn wenn wir genau zusehen, gibt es unter unserem Volk keinen, mag er hochstehen oder gering sein, der nicht einige wissenschaftliche Bildung besäße, und außerdem sind wir zu jedem edlen Unternehmen befähigt, was bei Euch doch ganz gewiß nicht der Fall ist, und wenn, so nur bei wenigen.« Nachdem nun der Streit eine Weile heftig hin und her gewogt hatte und weder die Bergamasken den Florentinern, noch die Florentiner den Bergamasken weichen wollten, sondern jeder seine Partei verteidigte, ließ sich ein Bergamaske vernehmen und sagte: »Wozu soviel Worte? Lassen wir es auf eine Probe ankommen und veranstalten wir einen feierlichen Disput, an dem sich die Blüte der Gelehrten beteiligt und dann wird es klar werden, wer von uns hervorragender ist.« Die Florentiner erklärten sich damit einverstanden, aber jetzt entstand die Frage, ob die Florentiner nach Bergamo oder die Bergamasken nach Florenz kommen sollten. Nach vielem Hin und Her beschlossen sie endlich, das Los zu werfen. Sie schrieben also zwei Zettel, taten sie in ein kleines Gefäß, und die Ziehung ergab, daß die Florentiner nach Bergamo gehen mußten. Zum Tag der Disputation wurde der erste Mai bestimmt. Hierauf suchten die Kaufleute ihre Heimatstädte auf und erstatteten ihren Gelehrten Bericht über alles. Als diese erfahren hatten, worum es sich handelte, waren sie sehr zufrieden und trafen Vorbereitungen für einen schönen und langen Redestreit. Die Bergamasken als schlaue und gewitzte Köpfe nahmen sich vor, es so einzurichten, daß die Florentiner verwirrt und mit langer Nase abziehen müßten. Sie riefen zu diesem Zweck alle Gelehrten der Stadt zusammen, sowohl Grammatiker wie Redner, Zivil- wie Kirchenrechtler, Philosophen wie Theologen und Doktoren jeglicher anderen Art, wählten die Besten unter ihnen aus und behielten sie in der Stadt zurück, damit sie die Festung in dem Redestreit mit den Florentinern bildeten. Die anderen aber steckten sie in bäuerliche Gewänder und schickten sie aus der Stadt hinaus auf die Straße, welche die Florentiner passieren mußten, und trugen ihnen auf, mit diesen immer nur lateinisch zu reden. Nachdem also die Gelehrten von Bergamo grobe Gewänder angelegt hatten, mischten sie sich unter die Bauern und begaben sich an verschiedene Beschäftigungen: die einen hoben Gräben aus, andere bearbeiteten den Boden mit der Hacke, wieder andere taten dies, noch andere das. Während die bergamaskischen Gelehrten sich also mit diesen Hantierungen beschäftigten, so daß es schien, als seien sie Bauern, siehe da kamen die Florentiner mit großem Gepränge dahergeritten. Und als sie jene Leute gewahrten, die bei den Erdarbeiten beschäftigt waren, riefen sie: »Gott schütze Euch, Brüder!« »Bene veniant tanti viri!« antworteten darauf die Bauern. Die Florentiner dachten, die Leute machten Ulk und fragten: »Wieviel Millien sind's noch bis nach der Stadt Bergamo?« »Decem vel circa«, erwiderten die Bergamasken. Als die Florentiner diese Antwort vernahmen, sagten sie: »Brüder, wir reden in der Vulgärsprache zu Euch, wie kommt es, daß Ihr uns lateinisch antwortet?« Da sagten die Bergamasken: »Ne miremini excellentissimi domini. Unusquisque enim nostrum sie, ut auditis, loquitur, quoniam majores et sapientiores nostri sie nos docuerunt.« Als die Florentiner ihren Weg fortsetzten, bemerkten sie einige andere Bauern, die an der Landstraße Gräben aushoben, machten Halt und riefen: »Holla, Kameraden, Gott mit Euch!« Da antworteten die Bergamasken: »Et Deus vobiscum semper sit!« »Wie lange haben wir noch bis Bergamo?« fragten die Florentiner. »Exigua vobis restat via«, lautete die Antwort. Ein Wort gab das andere und bald standen sie mitten in einem Redekampf über Philosophie. Und so gut waren die Argumente, die die bergamaskischen Bauern vorbrachten, daß die Florentiner kaum zu antworten wußten. Daher sagten sie alle vor Verwunderung zueinander: »Wie ist es möglich, daß diese gewöhnlichen, sich mit dem Landbau und anderen bäuerlichen Arbeiten befassenden Leute so gut humanistisch gebildet sind?« Sie ritten weiter und gelangten an eine unweit der Stadt gelegene Herberge, die recht gut imstand war. Aber bevor sie dort ankamen, trat ihnen ein Stallknecht entgegen und lud sie mit den Worten: »Domini; libetne vobis hospitari? Hic enim vobis erit bonum hospitium« ein, in seiner Herberge abzusteigen. Und da die Florentiner infolge des langen Rittes bereits müde waren, stiegen sie von ihren Pferden. Als sie eben die Treppe hinaufsteigen wollten, um sich zur Ruhe zu begeben, kam ihnen der Herbergswirt entgegen und redete sie an: »Excellentissimi domini, placetne vobis, ut praeparetur coena? Hic enim sunt bona vina, ova recentia, carnes, volatilia et alia huiusmodi.« Die Florentiner waren ganz baff und wußten nicht, was sie sagen sollten; denn alle, mit denen sie sprachen, antworteten auf lateinisch und nicht anders, als hätten sie zeitlebens nichts weiter getan als studiert. Es dauerte nicht lange, da kam eine Magd, die in Wirklichkeit Nonne und eine sehr gebildete und gelehrte Dame war, die man schlauerweise zu dieser Rolle veranlaßt hatte, und fragte: »Indigentne dominationes vestrae re aliqua? Placet, ut sternentur lectuli, ut requiem capiatis?« Diese Worte der Magd verblüfften die Florentiner noch mehr und sie verwickelten sie in ein Gespräch. Nachdem sie – immer lateinisch – über viele Dinge gesprochen hatte, schnitt sie die Theologie an und redete mit solcher Sachkenntnis, daß es keinen gab, der sie nicht sehr gelobt hätte. Während die Magd sprach, kam einer, der als Bäcker verkleidet ganz schwarz von Kohlen war, dazu, und als er den Disput hörte, den die Florentiner mit der Magd hatten, mischte er sich hinein und interpretierte die Heilige Schritt mit solcher Gelehrsamkeit, daß sämtliche Florentiner Doktoren sich innerlich darüber einig waren, bis dahin noch nichts Besseres in dieser Hinsicht gehört zu haben. Als die Disputation zu Ende war, begaben sich die Florentiner zur Ruhe, und als es Tag geworden war, berieten sie untereinander, ob sie wieder umkehren oder weiterreiten sollten. Und nach vielem Hin und Wider kamen sie zu dem Beschlusse, das Umkehren sei das bessere; denn wenn schon die Bauern, Wirte, Knechte und Frauen von so tiefer Gelehrsamkeit seien, wie müsse es da erst in der Stadt sein, wo es doch ganz vollkommene Leute gäbe, die sich mit nichts weiter befassen als beständig zu studieren. Nachdem sie also den Beschluß gefaßt hatten, stiegen sie unverzüglich, ohne auch nur die Mauern der Stadt Bergamo gesehen zu haben, zu Pferde und wandten sich nach Florenz zurück. Auf diese Weise blieben die Bergamasken durch ihre Schlauheit den Florentinern gegenüber siegreich. Und von da ab erfreuten sich die Bergamasken des kaiserlichen Privilegs, sicher alle Teile der Welt ohne irgendwelche Behinderung durchreisen zu können.


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