Ludwig Steub
Sommer in Oberbayern
Ludwig Steub

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Der Steffelbauer

Die Zell verlassend, ging ich im grünen Tal der Leizach an den Füßen des Wendelsteins dahin, bis an den Hagenberg, wo Haus und Hof des Steffelbauern stehen. Man hat schon einmal versucht, diesen interessanten Landmann dem Publikum vorzuführen, wie er anno achtundneunundvierzig war, umgeben von seinen Broschüren, unterstützt von Pierers Universallexikon, vertieft in seine Pläne zu Deutschlands Wiederherstellung. Es war in jener Zeit wirklich ein literarischer Glanz um ihn, der jetzt leider fast ganz erblichen ist. Auch er selbst, seine Person, kam mir kleiner, unscheinbarer vor als dazumal. Er schien planlos im Hause herumzutrödeln, zerstreut oder auch verlegen wie einer, den man einst im Überfluß gesehen, und der nun mit Mühe seine Ärmlichkeit zu verbergen sucht. Auf dem schmalen Tisch nämlich, wo vormals die Zeitungen, Flugschriften, die stenographischen Berichte der Nationalversammlung gelegen, da lagen jetzt nur gelbe Rüben und Erdäpfel.

»Ja, wo habt Ihr denn«, fragt' ich neugierig, »Eure Journale, Broschüren, politische Schriften?«

»Omnes composui«, entgegnete der Landmann mit wehmütigem Lächeln, »ich habe sie alle beigesetzt und begraben.«

»Wie, vernichtet?«

»Hm, die Weibsbilder haben sie nacheinander zum Fensterputzen verwendet und ich habe nit viel abgewehrt – was nutzt das Zeug?«

»Steffelbauer«, sagte ich sehr überrascht, »Ihr seid ja eine gefallene Größe!«

»Ich bin«, sprach dieser, »mit Deutschland gefallen. Um selbige Zeit, wo man noch geglaubt hat, es wird etwas von heut auf morgen mit dem deutschen Reich, da hat, mein Eid, ein jeder mittun müssen, wenigstens in Gedanken. Aber jetzt, wo's wieder der Bundestag betreibt, wo man nicht weiß, ob's unsre Kinder noch erleben, jetzt geht ein vernünftiger Mensch wieder seinem bürgerlichen Geschäfte nach und pfeift auf die ganze Politik!«

Nur das Pierersche Universallexikon konnte vor dem fensterputzenden Frauenvolk gerettet werden und steht noch in alter Pracht in seinem Schranke. Wir warfen einen teilnehmenden Blick auf seine siebzehn Bände und schieden dann fast verstimmt. Er war für das Tal von Bayrischzell wie eine historisch-politische Akademie gewesen, der Steffelbauer, und es ist schade, daß ihn die deutschen Zustände so gründlich um die gute Laune, ja fast um alles Vertrauen gebracht haben. Vielleicht erlebt er doch noch einmal eine Wiederauferstehung seiner schönsten Hoffnungen.

 


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