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Zar Peter III.

Zar Peter III.
Bildquelle: wikipedia.org

Ehe und Liebschaften Peters des Närrischen.


Peters Charakter. – Seine Erziehung. – Katharina, geborene Prinzessin von Zerbst. – Peters Ausschweifungen. – Elisabeth Romanowna Woronzow. – Katharinas Schlauheit. – Fürstin Daschkow. – Das Ende Peters und der Woronzow.


Peter der Dritte, der jämmerlichste aller Zaren auf dem Throne der Romanows, war ein sonderbares Gemisch guter Absichten, die in lächerliche Kleinlichkeiten ausliefen, und alberner Pläne, die nie zur Erreichung eines großen Zieles führen konnten.

Ihn erfüllten früh Abscheu vor Knechtschaft, Liebe zur Gleichheit, Enthusiasmus für heroische Taten.

Aber er konnte das Große nur auf kleinliche Weise lieben, und wenn er seine hohen Vorbilder nachahmte, so lernte er ihnen bloß ihr Räuspern ab.

Weil Peter der Große von der Pike auf gedient hatte, meinte Peter der Dritte, seinem Großvater ähnlich zu sein, wenn er sich als gemeiner Soldat benahm; und weil er Friedrich den Zweiten vergötterte, trug er wie dieser enge Gamaschen und kleidete seine Leibgarde in preußische Uniformen. Die militärischen Neigungen hatte Peter der Dritte von seinem Vater Karl Friedrich ererbt. Der Herzog von Holstein hatte seinen Sohn schon als Kind zum gemeinen Soldaten und alsdann zum Unteroffizier ernannt. An einem Geburtstage des Herzogs mußte der kleine Prinz im Tafelsaale Wache halten. Während der Tafel ließ ihn der Vater ordnungsmäßig ablösen und erhob ihn für seine stramme Haltung zum Leutnant. Von dieser Zeit an hatte Peter beständigen Umgang nur mit Offizieren, von dieser Zeit an datiert seine Neigung zum Militärdienst und besonders zum preußischen, der damals der strammste war, – eine Neigung, die bald ins Lächerliche ausartete und viel zum Sturz und traurigen Ende Peters beitrug. Trotz seiner soldatischen Neigung war Peter aber Zeit seines Lebens der elendeste Feigling.

Als er den Thron bestiegen hatte, rief er alle administrativ Verbannten zurück. Diese schöne Maßregel hatte aber bloß böse Folgen. Das Reich, die Hauptstadt, der Hof füllten sich mit Leuten, die Rache für erlittene Unbill suchten. Besonders am Hofe trafen sich die härtesten Gegensätze, die ärgsten Feinde, wie Biron, Münnich, L'Estocq.

Peter packte alles mit einer unheilvollen Ungeschicklichkeit an.

Seine Neigung für das Deutsche, das Preußische glaubte er am besten durch Verachtung alles Russischen zu betätigen. Dadurch zog er sich den blutigsten Haß derer zu, die er beherrschen wollte. Es gab also Leute genug im Lande, denen der Enkel Peters des Großen ein Abscheu war.

Daß er es geworden, lag allerdings an den Verhältnissen, unter denen er aufgewachsen war.

Peter wurde am 10. Februar 1728 alten Stils in Kiel geboren. Denkwürdigkeiten der Lebens- und Staatsgeschichte Peters des Dritten. Dorpat 1762. – Jean Goebel, Fragmens historiques sur Pierre III et Catharina II. – Histoire et anecdotes de Pierre III, par de la Marche, Londres 1776. – Comte de Hordt, Lettres sur la Russie, par un Gentilhomme Suédois. – Merkwürdige Lebensgeschichte des unglücklichen Russischen Kaisers Peter III. – G. A. Will, Lebensgeschichte Peters III. Frankfurt 1763. – Anekdoten zur Lebensgeschichte des Fürsten Orlow. – Interessante Lebensgemähide, von Samuel Baur, V, – Coxe, Reise durch Polen, Rußland. Übersetzt v. J. Pezzl. Zürich 1785. – Histoire de Pierre III, imprimée sur un manuscrit trouvé dans les papiers de Montmorin, ancien ministre des affaires étrangères, et composée par un agent secret de Louis XV à la cour de Pétersbourg. Suivie de l'histoire des amours et principaux amans de Catharine II. Paris, an VII. Deutsch: O. O. 1799. 8 Bände. – Saldern, Biographie Peters des Dritten, zur unpartheyischen Ansicht der Wirkung der damaligen Revolution. Petersburg 1800. – Biographie Peters des Dritten (von Heibig), Tübingen, Cotta, 1808. 2 Bände. – Russische Anekdoten oder Briefe eines teutschen Offiziers aai einen livländischen Edelmann. Wansbeck 1765. – Ruinière, Anecdotes sur la révolution de Russie en 1762. Paris. An V (1797), – Feyerliche Danckrede des Erzbischofs von Groß-Nowgorod auf die Abthronung Peters III. Smolensko in Litthauen, 1763. – Briefe Peters III. an Friedrich den Großen. Russkaja Starina 1871, 3. – Oeuvres posthumes de Frédéric, VI e tome. – Du péril de la balance politique de l'Europe. – Mémoires pour servir à l'histoire de Pierre III, par Mr. D. H. Extraits de l'histoire de Pierre III. – Urkunden und Materialien zur Kenntnis der nordischen Reiche, 1786. – Allerneueste geheime Nachrichten vom russischen Hofe, 1766. – Bülau, geheime Geschichten und rätselhafte Menschen, Leipzig 1863, Bd. I, 1–58. – Vgl. ferner die Schriften über Elisabeth und Katharina die Zweite. Nach seinem Vater, nach seinem Großvater mütterlicherseits und seiner Großtante väterlicherseits wurde er Karl Peter Ulrich genannt. Sein Leben kündete sich unheilvoll an.

Bei den Festlichkeiten, die zur Feier seiner Taufe stattfanden, flog ein Pulverkasten in die Luft. Kurze Zeit darauf erkältete sich die junge Mutter und starb.

Peter war damals noch nicht drei Monate alt. Der verwitwete 28jährige Herzog hatte sich schon bei Lebzeiten seiner Frau nicht durch häusliche Tugenden ausgezeichnet. Die Herzogin klagte oft ihrer Schwester, der Großfürstin Elisabeth: »Der Herzog und Mawruschka (Mawra Jegorowna Schepelow, des Herzogs Maitresse) sind ganz liederlich; er ist keinen Tag zu Hause, fährt mit ihr in demselben Wagen aus, zum Besuch oder in die Komödie.« Freilich sagte man dafür auch der Herzogin nach, daß sie nicht besonders keusch gewesen sei, und behauptet sogar, Prinz Peter wäre die Frucht eines unerlaubten Verhältnisses Annas zu Brümmer, dem späteren Erzieher des Prinzen, gewesen. Das ist indessen unbewiesener Klatsch. Nun kümmerte er sich schon gar nicht um das Haus.

Bis 1735 blieb der Prinz Karl Peter in der Erziehung durch Frauen. In seinem siebenten Lebensjahre wurde er einigen holsteinischen Edelleuten anvertraut. Außer der französischen Sprache, die ihm in seiner frühesten Kindheit schon von seiner weiblichen Umgebung beigebracht worden war und in der man die Lehrstunden auch jetzt fortsetzte, war der einzige Unterricht, den er erhielt: lateinisch. Endlich, als der Gedanke rege wurde, daß der junge Prinz dereinst berufen sein könnte, den russischen Thron zu besteigen, erteilte man ihm auch etwas Unterricht in der russischen Sprache und Religion; dies scheint aber keineswegs in der Weise geschehen zu sein, daß in ihm auch Liebe für beide erzeugt wurde.

Peter war 11 Jahre alt, als sein Vater im Sommer 1739 starb und seinem Sohne bloß ein schuldbedecktes Herzogtum hinterließ. Der Knabe kam unter die Vormundschaft des Bischofs von Lübeck, Adolph Friedrich, späteren Königs von Schweden, der ein Verwandter des Prinzen von väterlicher Seite war. Die Erziehung Karl Peter Ulrichs wurde aber jetzt durchaus nicht besser. Seine Erzieher waren zwei Männer, die anstatt den Charakter ihres Zöglings zu bilden, ihn völlig und für immer verdarben. Der eine, Herr von Brümmer, war ein roher intriganter Kerl, ein schamloser Wüstling, ein guter Pferdebereiter, aber kein Prinzenerzieher. Er war gegen seinen Zögling immer unfreundlich, zankte mit ihm fortwährend und mißhandelte ihn für das kleinste Vergehen in gröbster Weise. Der andere, Bergholz, Bergholz ist der Verfasser eines Tagebuches über seinen Besuch am Petersburger Hofe in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre. Das Tagebuch wurde in Büschings historischem Magazin (XIX, XX, XXI) abgedruckt. Seine Mitteilungen über Katharina die Erste und ihre Kinder habe ich Seite 122 angeführt. kümmerte sich überhaupt nicht um den ihm anvertrauten Knaben und ließ alles gut sein, was Brümmer tat.

Prinz Karl Peter Ulrich war ein schwaches kränkliches Kind. Trotzdem ließ Brümmer ihn oft von früh bis nach zwei Uhr aufs Essen warten. Aus Hunger aß der Knabe sich dann satt an trockenem Brot, das er sich heimlich verschaffte, und wenn der Prinz dies bei Tische durch Appetitlosigkeit verriet, wurde er von Brummer vom Tische weggejagt und mußte mit der Zeichnung eines Esels um den Hals und mit Ruten in der Hand, aus einem Winkel zuschauen, wie die anderen aßen. Auch an schweren Schlägen fehlte es nicht, und an sonstigen Versuchen, in dem Knaben das Gefühl der eigenen Würde vollständig zu erdrücken. Dadurch wurde Peter aufbrausend und eigensinnig. Ein anderer Fehler, der sich bei ihm herausbildete und ihm zeitlebens verblieb, war: lügnerische Prahlsucht, die ihn später in Petersburg besonders lächerlich machte, um so mehr, als er dabei feige war.

Eines Tages wurde der Plan gefaßt, den jungen Prinzen dereinst nicht auf den russischen, sondern auf den schwedischen Thron zu setzen. Der Unterricht in russischer Sprache und Religion wurde gestrichen und an deren Stelle schwedische Sprache und die lutherische Religion gesetzt. Dann änderte sich die Situation plötzlich.

Im November 1741 bestieg Elisabeth Petrowna den Thron der Romanows. Kurz darauf schrieb sie an ihren Neffen, den kleinen Herzog Peter, sie wolle ihn zu sich nehmen und ihn zum Thronfolger in Rußland erziehen. Man pries den jungen Prinzen glücklich, ohne zu ahnen, daß dieses Glück sein Unglück war …

Herzog Peter kam im Januar 1742 in Petersburg an. Die Kaiserin empfing ihn ehrenvoll im Winterpalais, ließ ihm Feste veranstalten, und alles Volk strömte herbei, den zukünftigen Herrscher des Vaterlandes zu sehen.

Man schildert ihn damals so: »Sein Ansehen war außerordentlich blaß, sein Körperbau äußerst zart, kurz: alles verriet die schwächlichste Natur. Was sein Ansehen noch kränker machte, war die Art, sich zu tragen. Seine blonden Haare waren, nach der Mode, die man die spanische nennt, lang herunter gekämmt und stark gepudert. Die Zeichen einer schwachen Gesundheit machten die schleunige Anwendung zweckmäßiger Arzneimittel notwendig.«

Nun trat in der Erziehungsmethode des Prinzen ein kleiner Wechsel ein, indem Professor Stählin sein Hauptlehrer und der Unterricht auf Geschichte, Geographie, Mathematik, Physik, Moral und Politik ausgedehnt wurde. Außerdem lernte der Thronfolger wöchentlich viermal wieder Russisch und besonders fleißig die Dogmen der griechischen Religion, und als er sich mit den letzteren genügend bekannt gemacht hatte, trat er endlich am 7./18. November 1742 zur orthodoxen Kirche über, worauf ein kaiserliches Manifest den Großfürsten Peter Feodorowitsch – wie der Prinz jetzt genannt wurde – öffentlich und feierlich als Thronfolger erklärte.

Schon damals, wo der Großfürst erst 15 Jahre zählte, dachte Elisabeth an seine Vermählung. Die Wahl einer Braut für den nun erklärten Thronfolger war eine wichtige Angelegenheit.

Die verschiedenen Machtfaktoren am Hofe der Zarin bemühten sich, aus der Suche nach einer Braut einen Vorteil für sich herauszuschlagen, und die Gesandten der fremden Staaten wollten eine Frau als Kaiserin sehen, die ihren Regierungen gut gesinnt war. Man sprach bald von einer englischen, bald von einer französischen Prinzessin.

Elisabeth selbst wünschte bald die Prinzessin Sophie von Zerbst, bald die Prinzessin Maria Anna von Sachsen-Polen (später Gemahlin des Kurfürsten Maximilian Joseph von Bayern), dann Amalie von Preußen (nachherige Äbtissin von Quedlinburg). Die beiden letzteren waren nicht geneigt, den Glauben zu ändern und lehnten ab. Während es aber von sächsischer Seite in sehr höflicher Weise geschah, war die Berliner Antwort ziemlich brüsk.

Friedrich der Zweite schrieb nämlich an seinen Petersburger Gesandten Mardefeld: »In bezug auf meine Schwestern kennen Sie meine Ansicht – ich gebe keine von ihnen nach Rußland. Ich wundere mich, daß die Kaiserin nicht bei ihrer Wahl der Prinzessin von Zerbst stehen bleibt, da sie von holsteinischem Geschlecht ist, welches die Kaiserin so sehr liebt. Es sind auch in Hessen-Darmstadt noch zwei Personen, von denen die eine 20, die andere 18 Jahre alt ist.«

Im März 1743 erschien in Petersburg der Prinz August von Holstein; es war kein Zufall, daß er das Bild seiner Nichte, der 14jährigen Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst, mitbrachte. Die ausdrucksvolle Physiognomie gefiel der Kaiserin, und auch der Großfürst Peter Feodorowitsch betrachtete das Bild mit Wohlgefallen.

Für die junge Prinzessin sprach es besonders, daß sie die Tochter einer geborenen Prinzessin von Holstein war, deren Bruder einst Elisabeth hätte heiraten sollen, der aber an dem zur Vermählung angesetzten Tage starb. Dieser Plan fand deshalb bei Elisabeth, in Erinnerung an ihren jäh verstorbenen Bräutigam, freundlichen Anklang.

Sie blieb bei dieser Wahl. In den ersten Tagen des Dezembermonats 1743 befahl sie dem Hofmarschall des Großfürsten, Brümmer, die regierende Fürstin von Zerbst und ihre Tochter nach Petersburg einzuladen. Die Zarewna sandte zugleich 10 000 Rubel für die Reisespesen.

Anfang Februar 1744 kamen die Fürstin und ihre Tochter in Petersburg an; da aber der Hof zwei Wochen vorher nach Moskau übersiedelt war, reisten die Gäste wenige Tage nach ihrer Ankunft in der Newametropole nach der Kremlstadt ab und langten hier am 9. Februar abends an, knapp vor dem auf den 10. fallenden Geburtstag des Großfürsten. Drei Werst vor der Stadt kam ihnen der Geliebte und Kammerjunker der Kaiserin, Sievers, entgegen und begrüßte das hohe Paar; er versicherte, daß die Zarin und der Großfürst die Minuten und Sekunden zählten bis zu dem Augenblicke, da sie die erwarteten Gäste sehen könnten.

Diese stiegen im hölzernen Golowinschen Palais ab, wo die Kaiserin residierte. In der Vorhalle wurde sie von Brümmer und L'Estocq begrüßt. Kaum waren sie in ihre Gemächer getreten, sie hatten noch nicht Zeit gehabt, ihre Pelze und Reisekappen abzulegen, so trat schon der Großfürst Peter ein und begrüßte »die teuren Gäste aufs tendreste«, wie die Fürstin in einem Briefe nach Hause schrieb. Der Großfürst sagte, er wollte vor Ungeduld den Gästen schon entgegenfahren, als man ihm ihr endliches Nahen gerade avisierte. Gleich darauf kam ein Bote der Kaiserin an den Großfürsten, er möchte mit der Fürstin und der Prinzessin je früher je lieber ins Gemach der Zarin kommen. So verfügten sich alle trotz der späten Abendstunde sofort dorthin. Elisabeth kam ihnen einige Schritte entgegen und umarmte und küßte die beiden Damen herzlich, und als die Fürstin von Zerbst sagte: »Ich lege Eurer Majestät die Gefühle der lebhaftesten Erkenntlichkeit zu Füßen, und ich wage die Bitte, mir, meiner übrigen Familie und dieser meiner Tochter Ihren ferneren Schutz gewähren zu wollen« – entgegnete die Zarin: »Alles, was ich getan habe, ist nichts im Vergleiche zu dem, was ich für Ihre Familie tun möchte; mein Blut ist mir nicht mehr wert, als das Ihrige. Meine Absichten werden stets dieselben bleiben und meine Freundschaft soll nach meinen Handlungen zu euer aller Bestem beurteilt werden.«

Man ging in das Schlafgemach der Kaiserin hinüber; es wurden Sessel herangeschoben, aber niemand dachte daran, sich zu setzen, die Gespräche wurden lebhaft und dauerten bis spät in die Nacht. Die Zarin schaute immerfort auf die Fürstin, deren Ähnlichkeit mit ihrem verstorbenen Bruder, dem ehemaligen Bräutigam Elisabeths, groß war. Die arme Zarin war gerührt und stürzte plötzlich ins Nebenzimmer, um sich auszuweinen. Endlich faßte sie sich und kehrte zu den Gästen zurück.

Im Tagebuch Stählins, des Lehrers des Großfürsten, findet sich über diesen denkwürdigen Abend die Bemerkung: »Ankunft der Fürstin von Anhalt-Zerbst und ihrer Tochter. Entzücken der Kaiserin.«

Und das war richtig. Die Kaiserin war in der ersten Zeit entzückt von der Fürstin von Zerbst und überhäufte sie und ihre schöne Tochter mit kostbaren Geschenken. Chiffrierte Depesche des österreichischen Residenten Grafen Hohenholz an den Grafen Uhlfeld. Dd. Petersburgs 29. Februar 1744 styl. nov. Wiener Hof- und Staatsarchiv. Vgl. Bilbassoff, Geschichte Katharina IL Deutsche Ausgabe. Berlin 1891. Band I. Abteilung 2. Beilage I. Seite 35 und 40: »Die Kaiserin hat der Fürstin von Zerbst am Ostertag mit einer reich von Brillanten besetzten Tabatière ein Präsent gemacht und darin einen Ring von großem Wert gelegt, mit dieser zarten expression aber dieses Präsent gegeben, daß, nachdem Sie nicht so glücklich gewesen, Sich mit Ihrem Brudern zu, vermählen, Sie sich mit ihr der Fürstin vermählen wolle.«

Kaum 24 Stunden nach ihrer Ankunft in Moskau bekamen beide Damen den Katharinen-Orden. Elisabeth gab ihnen denselben im Namen des Großfürsten und sagte, daß dieser die Zarin »schon gestern darum bitten wollte, es aber noch nicht gewagt hätte.«

Die Fürstin von Zerbst war von diesen Beweisen der kaiserlichen Gnade ganz betäubt, von dem Glanz und Luxus, mit welchem die Kaiserin sie und ihr Kind umgab, völlig geblendet. »Meine Tochter und ich,« schrieb sie ihrem Gemahl, »leben wie die Königinnen; alles ist betreßt, mit Gold ausgelegt – prachtvoll, unsere Aussichten sind wundervoll.« Sie hatten ihren eigenen Hofstaat: zwei Kammerherren, zwei Kammerjunker, vier Kammerpagen und zahlreiche Diener.

Die Prinzessin Sophie machte den günstigsten Eindruck auf den Großfürsten, und die Fürstin von Zerbst konnte mit Recht ihrem Manne schreiben: »Notre fille trouve grande approbation. La Souveraine la chérit, le successeur l'aime et c'est une affaire faite.« Auch Katharina die Zweite bemerkte später in ihren Memoiren: »Der Großfürst schien sich über meine Ankunft zu freuen. In den ersten Tagen war er sehr zuvorkommend gegen mich.«

Der Eindruck, den der Großfürst auf die Prinzessin machte, war auch kein schlechter. Zwischen beiden entspann sich schnell ein freundschaftliches Verhältnis, ein lebhafter und vertraulicher Austausch von Gedanken, Plänen und Wünschen.

Aber bald merkte die 15jährige Prinzessin, daß der 16jährige Großfürst geistig weit hinter ihr zurückstand, daß er noch ein völliges Kind war. Dennoch trat sie nicht zurück – die Zukunft, Kaiserin von Rußland zu werden, verlockte sie zu sehr … Bald schien aber alles in Frage gestellt, denn die Prinzessin erkrankte schwer. Erst nach vielen Bemühungen gelang es den Ärzten, ihr junges Leben zu retten. Nach ihrer Genesung wurde endlich der Tag der Verlobung auf den 29. Juni, den Namenstag des Großfürsten, festgesetzt; am Tage vorher legte die Prinzessin das orthodoxe Glaubensbekenntnis ab. »In einem Kleide adrienne, aus rosenrotem gros de Tours, dessen Nähte mit einem Muster von Silberborte benäht waren, ohne jeden anderen Schmuck als ein weißes Band im ungepuderten Haar« erschien sie bei dieser Feierlichkeit und machte gerade durch ihre Anspruchslosigkeit und Ungesuchtheit den glänzendsten Eindruck auf Männer und Frauen. Mit lauter und fester Stimme in reiner russischer Sprache, die alle Anwesenden in Erstaunen setzte, legte sie das Glaubensbekenntnis ab, ohne sich nur in einem Worte zu irren, und die St. Petersburger Zeitung sagte in ihrem Bericht über jenes große Ereignis: »Es ist nicht zu beschreiben, welchen mit Eifer verbundenen Anstand diese würdige Prinzessin während des feierlichen Gottesdienstes bewies, so daß die meisten vornehmen Personen und die Kaiserin selbst sich der Freudentränen nicht enthalten konnten.« Zum Lohn erhielt die junge Rechtgläubige von der Kaiserin eine Agraffe und ein zusammenlegbares Heiligenbild mit Brillanten im Werte von mehr als 100 000 Rubel.

Am Abend begab sich Prinzessin Sophie, von jetzt Katharina Alexejewna mit ihren Hofdamen zum Großfürsten und schenkte ihm zum Namenstage ein vollständiges, mit Brillanten und Smaragden besetztes Jagdgerät.

Dann begaben sich alle in den Kreml, wo am kommenden Morgen in der Kathedrale Maria Himmelfahrt die feierliche Verlobung stattfand, worauf Katharina den Titel Großfürstin und Kaiserliche Hoheit erhielt. Die Kaiserin selbst legte dem jungen Brautpaare die Ringe an – kleine Wunder, die zusammen 50 000 Dukaten kosteten. Kanonenschüsse und festliches Geläute beendeten die Zeremonie, und es schien eine glückliche Ehe eingeleitet.

Da erkrankte wenige Wochen nach der Verlobung und nach der Rückkehr in die Newa-Residenz der Großfürst plötzlich an den Pocken, und erst nach Monaten, im Januar 1745, sah ihn Katharina wieder. »Er war sehr gewachsen, aber beinahe unkenntlich geworden,« erzählt Katharina in ihren Memoiren; »er hatte grobe Gesichtszüge bekommen, das ganze Gesicht war gedrungen; und man konnte deutlich erkennen, daß die Blattern Narben zurücklassen würden. Da ihm das Haar abgeschnitten war, trug er eine Perücke, die ihn noch mehr entstellte. Er trat zu mir und fragte, ob ich ihn erkenne? Ich murmelte eine hergebrachte Liebenswürdigkeit in bezug auf seine Wiederherstellung; aber er war in der Tat schrecklich häßlich geworden.«

Katharina besaß schon damals so viel Kraft und Verstellungskunst, daß man ihr nicht anmerkte, wie widerlich ihr der häßlich gewordene Bräutigam war.

Die Zarin fühlte Mitleid für Katharina und bot alles mögliche auf, die unglückliche Braut zu zerstreuen. Sie gab ihr heitere Gefährtinnen, mit denen sie tanzen und lustig sein konnte, sie erwies ihr zahlreiche Aufmerksamkeiten und Auszeichnungen.

Peter selbst aber tat nichts, um Katharina an sich zu fesseln. Er kümmerte sich nur wenig um sie. Er spielte mit Puppen, Soldaten, er exerzierte mit Ratten und hing sie auf, wenn sie – ungehorsam waren, und nahm Unterricht über das bevorstehende Eheleben bei seinem – Kammerdiener Rumber, seinem Liebling. Der aber lehrte ihn: »Die Frau darf in Gegenwart des Mannes nicht mucksen; sie darf sich nicht in seine Angelegenheiten mischen; sobald sie den Mund aufzutun wagt, muß er ihr Schweigen gebieten; er ist der Herr im Hause.«

Katharina war tief betrübt. Auch das Benehmen ihrer Mutter machte ihr viel schweren Kummer. Diese begriff ihre Stellung am Hofe nicht und spielte die politische Intriguantin. Noch schlimmer aber war ihre unsittliche Aufführung. »Die geheimeste Nachrichten geben, daß die alte Prinzessin von Zerbst sich vergangen und würklich großes Leibs seye.« Chiffrierte Depesche des Grafen Rosenberg an den Grafen Uhlfeld. Dd. Moskau, 16. Nov. 1744. Bilbassoffs Geschichte Katharinas II. Band I. Abteilung 2. Beilage I. 6.

Und das glaubte sie gut zu machen, indem sie, auf Einflüsterungen von Dienerinnen hin, mit denen sie sehr intim war, ihre eigene Tochter beschuldigte, daß sie – nachts zum Großfürsten gehe. Katharina dachte an alles eher, als daran. Katharina erzählt: »Das kränkte mich am meisten von meiner Mutter. Ich sagte ihr, daß das eine himmelschreiende Verleumdung wäre, worüber sie aber so erbost wurde, daß sie mich aus dem Zimmer hinaustrieb.«

Auch der Kaiserin Elisabeth war die Fürstin von Zerbst längst zu viel geworden, und es ist verständlich, wenn der englische Gesandte seinem Hofe mitteilt, die Kaiserin wolle die Hochzeit beschleunigen, um – die Fürstin von Zerbst auf anständige Weise loszuwerden.

Es wurden also die Vorbereitungen zur Hochzeit getroffen. Es sollten mit ihr die größten Feierlichkeiten verbunden werden. Die Kaiserin selbst interessierte sich für die geringfügigsten Einzelheiten und sagte in ihrem interessanten Ukas: »Wir haben allergnädigst geruht, unserem Senat und allen Personen von vornehmem Stande die bevorstehende Vermählung kund zu tun, damit alle Personen zu jener Zeit ihre, für diese Feierlichkeit wohlanstehenden und nach Möglichkeit reichen Kleider, sowie die Wagen mit sechs Pferden und andere Equipagen bereit halten sollen. Auch wird ihnen gestattet, zu dieser feierlichen Gelegenheit ihre goldenen und silbernen Kostbarkeiten, nach Möglichkeit eines jeden, sowohl an ihren Kleidern, als an ihren Equipagen zu verwenden. Und sintemalen sich diese Feierlichkeit durch einige Tage hinziehen soll, so wird, wenn auch für dieselbe jede Persönlichkeit, ob Mann, ob Dame, sich wenigstens ein Kleid neu anschaffen muß, ihnen doch freigestellt, sich zwei oder auch mehr solcher Kleider machen zu lassen, sowie auch von den oben erwähnten Equipagen jede Persönlichkeit eine bereit halten muß, wobei es jedem freigestellt ist, eine zweite besondere Equipage für seine Gattin zu haben. Die Dienerschaft aber zu ihren Equipagen müssen sie in folgendem Verhältnis anschaffen: die Personen erster und zweiter Klasse zwei Heiducken und acht Bediente; falls jemand das wünschen sollte, kann er auch zwölf haben, nur dürfen es nicht weniger als acht sein; ferner zwei Schnellläufer, und falls jemand das wünschen sollte, noch ein oder zwei Pagen und zwei Jäger. Die Personen dritter Klasse aber müssen bei jedem Wagen sechs Diener und zwei Läufer haben, Unsere Kammerherren und die übrigen Kavaliere des Hofes desselben Ranges sechs Diener; falls dies jemand wünschen sollte, sind ihm auch zwei Läufer erlaubt. Die Personen der vierten Rangklasse und Unsere Kammerjunker, sowie die Kammerherren und Kammerjunker Ihrer kaiserlichen Hoheiten müssen vier Diener haben. Auch die anderen alle, sowohl in der fünften als auch in der sechsten Rangklasse stehenden Personen müssen während dieser Feierlichkeit, wenn auch nicht bei der Zeremonie, so doch bei der Fahrt zu unserem Schlosse nach Gebühr jeder gute Kleider und Equipagen besitzen.«

Man scheint damals sehr knappes Geld gehabt zu haben, und der deutsche Gesandte meldete seinem Hofe: »Der Mangel an Geld und Kredit ist so groß, daß man sogar Not hat, nur die Vorschüsse auf die zu verschreibenden Livreetücher und Tressen, geschweige denn für die größeren Kostbarkeiten zu gewinnen.« Trotzdem ging alles schnell von statten. Von allen ausländischen Höfen wurden Zeremonialregeln verschrieben, aus Dresden und Paris kamen ganze Stöße von Vermählungsbeschreibungen, sogar mit Zeichnungen.

Mitte August ritten Herolde in Harnischen, begleitet von Gardisten und Dragonern, drei Tage lang durch Petersburg und benachrichtigten unter Trommelschlag die Bevölkerung, daß die Vermählung am 21. August in der Kasanschen Kirche stattfinden werde. Vor dem Schlosse errichtete man Weinfontainen und Freitische, und prächtige Gerüste für die Festgäste erhoben sich in allen Straßen. Im Hafen erschienen festlich geschmückte Galeeren und Jachten, um mit Kanonenschüssen die Zeremonie zu begleiten. Um 7 Uhr morgens des Hochzeitstages erschien die Braut bei der Kaiserin, wo sie zur Trauung angekleidet wurde. Elisabeth setzte Katharina eine kleine Brillantenkrone auf das ungepuderte Haupt. Das Kleid der Braut bestand aus Silberglacé und war mit Rauschgold verbrämt. Sie sah bezaubernd aus, sie soll nie so schön gewesen sein, weder vorher noch nachher. Um 10 Uhr setzte sich der Hochzeitszug vom Schlosse zur Kirche in Bewegung. Kürassiere, Gardisten, Dragoner und Husaren begleiteten die 120 prachtvollen Equipagen. Die Kaiserin fuhr mit dem Brautpaar in einem von acht Pferden gezogenen Wagen. »The procession«, meldete über diesen Aufzug der englische Gesandte, »was the most magnificant that ever was known in this country, and infinitely surpassed any thing I ever saw.«

Die Menge der zu Fuß Gehenden und das Gedränge des Volkes war so groß, daß die Kaiserin mit dem Brautpaar erst um 1 Uhr zur Kirche kam, wo mit ungeheurem Pomp die Feierlichkeit vor sich ging, und in seiner Rede sagte der Beichtvater des großfürstlichen Paares: »Ich sehe den Finger der Vorsehung in der Vereinigung dieser Zwei.«

Maskeraden, Bälle und Feuerwerke folgten – und unter den »fröhlichsten Festen, die es je in Europa gegeben«, – wie die Fürstin von Zerbst ihrem Gemahl schrieb – ward die unglücklichste aller Fürstenehen eingeweiht …

Katharina selbst gedenkt dieses Tages also:

»Mein teurer Gatte beschäftigte sich gar nicht mit mir. Ich aber gähnte und langweilte mich.« »Mon cher époux ne s'occupait nullement de moi, mais était continuellement avec ses valets, à jouer aux militaires, les exerçant dans sa chambre ou changeant l'uniforme vingt fois par jour. Je baîllais, je m'ennuyais« … Mémoires, 47.

Nach der Hochzeit blieb der Thronfolger der alte, änderte sich auch später nicht. Noch in seinem 28. Jahre spielte er mit Puppen! Puppenspielen war seine Leidenschaft neben – Trunksucht … Über Peters III. Trunksucht: Katharina, Mémoires, bemerkt, fast täglich habe sie den Großfürsten betrunken gesehen. In Alexander Woronzows Selbstbiographie (Archiv des Fürsten Woronzow V, 19). Lefermière in Russkaja Starina XXIII. Vgl. Brückner, Katharina die Zweite, Berlin 1883, 35. Stählin, Fürstin Daschkow und Castéra erzählen auch davon; der letztere jedoch fügt die Andeutung hinzu, die Gegner des Großfürsten hätten denselben, um ihm Unannehmlichkeiten zu bereiten, zum Trinken verführt.

Von Liebe und ehelicher Annäherung des Großfürstenpaares war keine Rede.

Neun Monate waren verflossen und noch sah Elisabeth sich nicht der Erfüllung ihrer Hoffnung wegen eines Thronerben näher gerückt.

Endlich fühlte sich die Kaiserin genötigt, der Großfürstin eine Dame extra dazu an die Seite zu geben, damit sie »die eheliche Vertraulichkeit der beiden kaiserlichen Hoheiten« befördere. Es wurde dieser Dame folgende Instruktion erteilt: Sintemalen Ihre Kaiserliche Hoheit die Großfürstin zur würdigen Gemahlin unseres teuersten Neffen, Seiner Kaiserlichen Hoheit, des Großfürsten und Thronfolgers des Reiches erwählt ist, und dieselbe zur gegenwärtigen Würde einer Kaiserlichen Hoheit mit keiner anderen Aussicht und Hoffnung erhöht worden, als nur damit Ihre Kaiserliche Hoheit durch ihre Vernunft und ihre Tugenden Seine Kaiserliche Hoheit zu aufrichtiger Liebe veranlassen, sein Herz sich geneigt machen und dadurch das Reich den gewünschten Erben und Nachkommen unseres allerhöchsten kaiserlichen Hauses erhalten könne, dieses aber ohne Grundlage gegenseitiger aufrichtiger Liebe und ehelicher Vertraulichkeit, besonders aber ohne vollständiges Fügen in des Großfürsten Charakter nicht zu erwarten ist: so hegen wir die allergnädigste Hoffnung, daß Ihre Kaiserliche Hoheit, es berücksichtigend, daß ihr eigenes Glück und Wohlsein davon abhängt, nicht verfehlen wird, diese wichtige Aussicht reiflich zu beachten und zur Erreichung derselben ihrerseits die größte Gefälligkeit und alle möglichen Mittel anzuwenden. Ihnen aber befehlen wir aufs strengste an, diesen Uns und dem ganzen Vaterlande so wichtigen Wunsch Ihrer Kaiserlichen Hoheit, der Großfürstin, bei jeder Gelegenheit eifrigst vorzustellen und sie inständigst zu bewegen, daß Ihre Kaiserliche Hoheit immer mit ihrem Gatten auf jedwede freundliche und zärtliche Art und Weise umgehe, seinem Charakter durch Gefälligkeit, Nachsicht, Liebe, Freundlichkeit und Wärme entgegenkomme und im allgemeinen alles das anwenden möge, wodurch sie das Herz Seiner Kaiserlichen Hoheit an sich fesseln könne, um auf diese Weise mit ihm in beständig gutem Einvernehmen zu leben; daß Ihre Kaiserliche Hoheit alle Gelegenheiten zu einer gewissen Kälte und zu Beleidigungen zu vermeiden und dadurch sich selbst und ihrem Gemahl das süßeste und beglückteste Leben, Uns aber die gewünschte Erfüllung Unserer nützlichen mütterlichen Absichten zu verschaffen und den herzlichen Wunsch all Unserer getreuen Untertanen zu erfüllen habe. Und deshalb wenden Sie die größte Sorgfalt an, um das innigste gute Einvernehmen und die aufrichtigste Liebe und eheliche Vertraulichkeit zwischen beiden kaiserlichen Hoheiten so viel als möglich und fortwährend aufrecht zu erhalten … Vgl. Bilbassoff, Geschichte Katharinas der Zweiten. Band I, 265.

Die Frau Marja Ssimonowna Tschoglokow, eine Cousine der Kaiserin, wurde für diesen delikaten Posten gewählt. Sie war jung – kaum 24 Jahre – sehr hübsch und führte damals noch ein tugendhaftes Leben (später wurde sie sehr liederlich), sie liebte ihren Mann und bekam fleißig Kinder; sie war also sehr geeignet, Katharina ein gutes Beispiel zu geben …

Katharina aber trug ja keine Schuld an diesen Verhältnissen. Über ihre Kinderlosigkeit äußert sich Katharina selbst traurig, einmal besonders ausführlich in einem Briefe an Frau von Bjelke vom 24. April 1774 (Magazin der historischen Gesellschaft VII, 100. Russisch). Vgl. Katharinas Memoiren 117, 162. Castéra spricht in Beziehung darauf von einer »imperfection« Peters (vie de Catherine II, 49). Selbst Brückner, der vorsichtig alles prüft, meint, daß Castéras Erzählung den Tatsachen vielleicht entsprechen könnte. Sie sagt selbst über den Großfürsten: »S'il avait voulu être aimé, la chose n'aurait pas été difficile pour moi …« Sie war »naturellement« zur Erfüllung ehelicher Pflichten gern geneigt und befähigt – sie hat dies später vielfach bewiesen …

Welch ein Ehemann Peter war, zeigt gut dieser Vorfall, der sich im fünften Jahre seiner Ehe ereignete. Der Großfürst hatte eine Neigung für eine Prinzessin von Kurland. Katharina suchte ihre Entrüstung, ihre gekränkte Eitelkeit, so gut es ging, zu verbergen.

Eines Abends, als sie zu Bette gegangen und eben eingeschlafen war, kam der Großfürst. Er war betrunken und weckte in seiner grenzenlos guten Laune die Großfürstin, um ihr – von der Schönheit und der Anmut der Prinzessin von Kurland zu erzählen, und als Katharina in sein Lob nicht einstimmte und sich schlafend stellte, gab er ihr – einige Faustschläge. Dann legte er sich fröhlich zur Ruhe …

Trotz seiner männlichen Unfähigkeit in den ersten neun Jahren seiner Ehe wollte Peter hinter den Hofleuten in Liebe nicht zurückstehen – statt sie aber bei seiner eigenen schönen Frau zu suchen, lief er fremden Frauenzimmern nach. Die Frage, ob Katharina das Maitressentum Peters geduldet oder gar gefördert habe, ist viel umstritten. Vgl. De la Marche, Nouveaux mémoires ou anecdotes du règne et du détrônement de Pierre III. Berlin et Dresde 1765. 225. Der Bruder der Elisabeth Romanowna Woronzow hat in seiner Selbstbiographie bemerkt, Katharina habe sich bemüht, die Wahl der Maitressen Peters zu leiten und diese zu beherrschen; als die Schaphirow zu selbständig geworden, habe Katharina diese durch die Woronzow ersetzt, und als die Woronzow mächtig zu werden anfing, auch diese entfernen wollen. Archiv des Fürsten Woronzow, V, 20–21. Brückner 42. 43.

Seine erste »Liebe« war die genannte Prinzessin von Kurland; diese Neigung schwand bald und machte der Liebe zu einem Fräulein Schaphirow, dann wieder der Schwärmerei für ein Fräulein Teplow Platz. Endlich kam Elisabeth Romanowna Woronzow an die Reihe, die von Katharina in ihren Memoiren als »Favoritsultanin« bezeichnet wird.

Wie Peter sich in allem närrisch zeigte, so wählte er sich auch unter den Frauen des Hofes die häßlichste als Geliebte aus. Elisabeth Romanowna Woronzow, die Nichte Michael Woronzows, des Liebhabers der Zarin Elisabeth, strotzte förmlich von Häßlichkeit, hatte – wie der Großfürst – ein von Pockennarben entstelltes Gesicht und einen plumpen dicken Körper, gar kein Gemüt und keinen Geist. Und trotzdem übte sie auf Peter großen Einfluß aus.

Es ist klar, daß Katharina sich zu diesem Manne nicht hingezogen fühlte. In einem Briefe an eine Freundin schreibt sie über das Schicksal der unglücklichen Königin von Dänemark Karoline Mathilde:

»Nichts ist schlimmer, als ein Kind zum Manne zu haben. Ich kenne das und gehöre zu denjenigen, welche meinen, daß, wenn die Frauen ihre Männer nicht lieben, die letzteren die Schuld tragen; ich hätte den meinigen gewiß geliebt, wenn dies möglich gewesen wäre, und wenn er die Güte gehabt hätte, das zu wünschen.« In tagebuchartigen Bemerkungen der Großfürstin aus dem Jahre 1761 findet sich der Satz: »Ein Mensch, welcher uns anfeindet und uns dasjenige vorenthält, was uns zukommt, zerreißt die Bande, welche uns an ihn knüpfen und hebt die Pflichten auf, welche uns diese Bande auferlegten« – ein Satz, der direkt gegen den Gatten gerichtet ist und zeigt, wie tief erregt Katharina gegen ihn war.

Es war furchtbar und wurde auch nicht besser, als Peter und Katharina den Thron bestiegen hatten. Die Kluft vergrößerte sich zwischen beiden mehr und mehr. In dem Manifest, das am Tage der Thronbesteigung Peters veröffentlicht wurde, ist der Kaiserin Katharina nicht mit einer Silbe Erwähnung getan.

Über die persönlichen Beziehungen des jungen Kaiserpaares sind nicht viele zuverlässige Angaben vorhanden. Die Kaiserin kam zwar allmorgendlich – sie bewohnte einen besonderen entlegenen Teil des Palastes – in das Arbeitszimmer des Kaisers, aber nur für einen Augenblick. An der Mittagstafel erschien sie nicht; statt ihrer kam die Gräfin Woronzow, die zum Kammerfräulein ernannt worden war, als solches aber nicht in der Nähe der Zarin, sondern in einigen Zimmern neben dem Zaren wohnte.

Der Gesandte Breteuil schrieb im Januar 1762 an seine Regierung: »Am Tage unserer Glückwünsche sah die neue Kaiserin sehr niedergeschlagen aus. Und heute ist es klar, daß sie nichts gelten wird, und ich glaube, sie sucht sich mit Philosophie zu waffnen. Aber ihr Charakter ist nicht dazu angetan, obgleich sie mir oft das Gegenteil versichert. Der Kaiser hat seine Aufmerksamkeit für das Fräulein Woronzow verdoppelt und sie zur Oberhofmeisterin der Edeldamen ernannt. Sie wohnt am Hofe und genießt Auszeichnungen ohne Ende. Man muß gestehen, ein sonderbarer Geschmack!« … Und ein andermal schreibt Breteuil: »Die Kaiserin befindet sich in einer grausamen Lage und wird mit der ausgezeichnetsten Verachtung behandelt. Sie erträgt das Benehmen des Kaisers und den Hochmut der Woronzow mit großer Ungeduld. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Kaiserin, deren Mut und Heftigkeit ich kenne, nicht früher oder später zum Äußersten greifen sollte. Sie hat Freunde, welche, wenn sie es verlangt, alles für sie wagen würden … Die Kaiserin gewinnt in aller Augen. Niemand ist eifriger, der verstorbenen Kaiserin die letzten Pflichten zu erweisen. Mit auffallender Genauigkeit beobachtet sie die Feste, Fasten, Speiseregeln und dergleichen mehr, alles Dinge, welche der Kaiser leichthin behandelt, obgleich sie in Rußland nicht gleichgültig sind. Mit einem Worte: Katharina vernachlässigt nichts, um zu gefallen, und treibt ihre Aufmerksamkeit auf alles, was diesen Zweck befördern kann, etwas zu weit, als daß nicht Eigenliebe im Spiel sein sollte. Auch ist sie keineswegs eine Frau darnach, die Drohung zu vergessen, welche der Kaiser als Großfürst oft aussprach: er wollte sie, wie Peter der Erste seine Frau, scheren und einsperren lassen. Dies alles, verbunden mit den täglichen Erniedrigungen, muß in einem Kopfe, wie der ihrige, gären, und es bedarf bloß einer Gelegenheit, um loszubrechen« … »Die Gesundheit der von Kummer und Sorge gebeugten Kaiserin ist derartig zerrüttet, daß man das Schlimmste befürchten muß.« Der Gegensatz zwischen Peter und Katharina trat mehr und mehr in aller Hinsicht hervor. Breteuil schrieb: »Die Kaiserin hat den Mut der Seele und des Verstandes und wird so allgemein geehrt als der Kaiser gehaßt und verachtet,« und weiter: »Die Kaiserin erfährt von ihrem Gemahl persönliche Beleidigungen, worauf sie nur in höchster Ehrfurcht und in Tränen antwortet. Das Volk teilt ihren Schmerz und läßt es an guten, aber ohnmächtigen Wünschen nicht fehlen.«

Der englische Gesandte, Keith, der im allgemeinen viel günstiger als andere Zeitgenossen über die Haltung und Tätigkeit Peters zu urteilen geneigt ist, meldet über die Stellung Katharinas in dieser Zeit folgendes: »Es scheint nicht, daß die Kaiserin bisher oft um ihren Rat gefragt worden ist oder überhaupt ein großes Ansehen genießt« … Bei Hoffesten ist sie nicht zugegen, und Mercy berichtet, daß sie, »um nicht von der bei Hofe vorwaltenden schrankenlosen Unordnung und unanständigsten Lebensart Zeuge sein zu müssen, sich in ihr Zimmer eingeschlossen hielt und während des Hoffestes den Tag mit Vergießung bitterer Tränen zubrachte.« Das mag schon wahr gewesen sein, nur der Grund ist zu bezweifeln. So prüde war Katharina damals, wo sie gerade ihr Kind von Orlow, den späteren Grafen Bobrinsky, unter dem Herzen trug, schon lange nicht mehr.

Ein grelles Streiflicht werfen die Memoiren des Juweliers Pauzié auf das eheliche Leben des Kaiserpaares. Pauzié erzählt, daß der Kaiser ihm verboten hatte, der Kaiserin etwas zu liefern, obgleich Katharina damals gar keine großen Schmuckansprüche machte – fehlte es ihr doch an nötigeren Dingen, oft am geringsten Taschengeld. Der kleinliche Haß Peters gegen die Zarin ging sogar so weit, daß dem Gärtner in Peterhof verboten wurde, der Kaiserin diejenigen Früchte zu geben, welche sie besonders liebte. Natürlich bezeugten auch die Hofdamen der Kaiserin, deren intimes Leben damals der Residenzgesellschaft schon kein Geheimnis mehr war, nicht mehr die Achtung, die der Monarchin gebührte.

Graf Hordt erzählt in seinen »Mémoires d'un gentilhomme suédois«, wie einst, als er sich bei Hofe mit der Kaiserin unterhielt, der Kaiser ihn von dieser plötzlich wegführte und an eine Tafel brachte, wo er mit der Woronzow zechte. Hordt bemerkt, Katharina habe sich zwar taktvoll dabei gehalten, aber es nur mit Mühe vermochte »die tiefe Schwermut« über diesen Vorfall zu verbergen.

Bei dem Galadiner, das Peter zur Feier des mit Preußen abgeschlossenen Friedens veranstaltete, brachte er einen Toast aus, worauf er seinen Generaladjutanten zu Katharina schickte und sie fragen ließ, weshalb sie sich bei seiner Rede nicht erhoben hatte. »Ich habe es nicht für nötig gehalten,« antwortete die Kaiserin dem Generaladjutanten. Peter war darüber erzürnt und schleuderte ihr über den Tisch vor allen Leuten eine arge Grobheit ins Gesicht. Einen Augenblick war alles starr vor Staunen und Schrecken, Katharina brach in Schluchzen aus. Aber sie faßte sich schnell und begann, wie wenn nichts vorgefallen wäre, ein heiteres Gespräch mit ihrem Nachbar.

So waren die Verhältnisse des Kaiserpaares. Dagegen wuchs der Einfluß der Woronzow von Tag zu Tage. Man hielt ihr Ansehen für so bedeutend, daß man sich selbst im Auslande, besonders am Hofe zu Berlin, um ihre Gunst bemühte. Friedrich der Zweite fragte bei seinem Gesandten Golze an, auf welche Weise er der Woronzow eine Aufmerksamkeit erweisen könnte. Golze schrieb hierauf: »Es wird dem Vorteil Ew. Majestät sehr zuträglich sein, wenn Ew. Majestät der Gräfin Woronzow ein Bouquet von Brillanten, en forme d'espalier, schenken wollten.« Aber Friedrich dem Zweiten war die Geschichte zu kostspielig, und er antwortete seinem Gesandten eigenhändig mit witziger Umschreibung: »Où, diable, voulez-vous que je prenne des bouquets de diamans, grands comme des espaliers; ne savez Vous que mon pays est ruiné?«

So mächtig indessen der Einfluß der Woronzow auch scheint, war er doch lange nicht so groß, wie der eines der Günstlinge der früheren Zarinnen oder Katharinas der Zweiten und wurde dem Reiche nicht im geringsten schädlich. Eine Frau kann eben bei der Regierung eines Mannes, selbst eines so elenden Mannes, niemals eine solche Macht gewinnen, wie ein Mann bei der Regierung eines Weibes. Auch hat Elisabeth Romanowna verhältnismäßig nur geringe Geschenke vom Zaren erhalten, während die Günstlinge Elisabeths und Katharinas der Zweiten Hunderte von Millionen raubten. Elisabeth Romanowna bekam bloß ein unbedeutendes Landgut, einige Diamanten und ein Haus, das ihr nach Peters Ermordung von Katharina zurückgenommen wurde.

Peter war in die Woronzow so verliebt, daß er ihr zuliebe seine rechtmäßige Gemahlin verstoßen wollte.

Katharina hatte alles zu verlieren, es galt rasch zu handeln.

Der Kaiser machte sich immer verhaßter. Seine Geliebte wurde von Tag zu Tage anmaßender, und Peter überließ sich mit ihr und anderen »Damen« skandalösen Ausschweifungen. Da rauchten und soffen die Frauen, bis sie vor Erschöpfung unter die Tische sanken. Neben Fürstinnen waren gewöhnliche Dirnen und Tänzerinnen zu den Orgien geladen, und als die ersteren sich beschwerten, sagte Peter: »Unter Frauen gibt es keine Rangordnung …«

Die Russen hatten Elisabeths starke Stücke geduldig ertragen. Denn in Elisabeth ehrten sie noch immer das heilige Blut Peters des Großen. Bei Peter dem Dritten, dem Holsteiner, aber begannen sie sich aufzubäumen. Sie wollten den närrischen Kaiser los werden, und Katharina fand leichte Arbeit.

Sie war schlauer als ihr Gemahl.

Während er, der Kaiser von Rußland, sein Volk durch übertriebene Deutschenliebe tödlich verletzte, zeigte sie, die deutschgeborene Fürstin, sich stets als strenge Russin.

Alle orthodoxen Zeremonien beobachtete sie; keinen Kirchengang versäumte sie; wo sie einen Bettler sah, tröstete sie ihn; an die Soldaten richtete sie freundliche Ansprachen, und dem Niedrigsten reichte sie die Hand zum Kusse.

Dabei trug sie eine ergreifende Duldermiene zur Schau. Doch klagte sie selten laut und erweckte deshalb noch mehr das Mitleid des Volkes und sein Interesse. Nur zuweilen ließ sie bei öffentlichen Festen, gleichsam als unwillkürlichen Ausfluß lang zurückgehaltener Qualen, ihren schönen Augen heiße Tränen entfließen. So waren ihre gespielten Komödien vortrefflicher als die, welche sie geschrieben hat, und hatten auch mehr Erfolg.

Eine Helfershelferin fand Katharina an der Fürstin Katharina Daschkow, einer der interessantesten Gestalten jener Epoche. Sie war die schöne Schwester der häßlichen Elisabeth Romanowna Woronzow und gleich dieser im Hause ihres Oheims Michael erzogen worden.

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Es heißt wenigstens gewöhnlich, daß sie sehr schön war. Dagegen entwirft Diderot, der sie – allerdings in ihren späteren Jahren – gesehen hat, kein besonders glänzendes Bild ihrer äußeren Persönlichkeit. Er sagt: »Die Fürstin ist durchaus nicht schön. Sie ist klein, hat eine offene Stirn, runde aufgeblasene Backen, Augen, die weder klein noch groß sind und ein wenig tief in den Höhlen liegen, dunkle Haare und Augenbrauen, eine etwas flache Nase, einen großen Mund, dicke Lippen, einen runden langen Hals von der nationalen Form, breite Brust und nicht viel Taille. In ihren Bewegungen ist sie ohne Grazie.« Diderot erzählt auch, daß die Fürstin Daschkow ihm sagte, daß die Revolution von 1762 beinahe herbeigeführt wurde, ohne daß Katharina eine Ahnung gehabt!!

Die Daschkow war eine wahre Revolutionsschwärmerin, ein Phänomen für jene Zeit. Mit ihren 19 Jahren benahm sie sich in der politischen Welt wie ein alter Diplomat, wie ein erfahrener Krieger. Sie hat an dem glücklichen Ausgange der Revolution Katharinas mehr Anteil als alle anderen daran Beteiligten zusammengenommen.

Die Daschkow wurde später »Direktor« der Akademie der Wissenschaften, und man erzählt von ihrem Geiz in dieser Stellung die köstlichsten Anekdoten. Im Winter ließ sie die Säle der Akademie nicht heizen und verlangte trotzdem, daß die Mitglieder den Sitzungen regelmäßig beiwohnen sollten. Viele von diesen verzichteten lieber auf ihre Mitgliedschaft, als in einer Eisgrube stundenlang wissenschaftlichen Disputen anzuwohnen. Die Fürstin aber stellte sich jedesmal ein, allerdings mehrfach in Pelze eingewickelt … Sie schien die Gelehrten für Soldaten zu halten und wollte nach Peters des Großen Weise die Bildung geradezu gewaltsam züchten. – Die Daschkow hinterließ Memoiren, welche 1857 von Alexander Herzen zuerst in London, dann in Hamburg bei Hoffmann & Campe veröffentlicht wurden. Sie sind trotz ihrer eitlen Redseligkeit lesenswert.

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Für ihre »Energie« spricht die Geschichte ihrer Heirat.

Eines Tages machte ihr auf einem Balle der Fürst Daschkow etwas lebhaft den Hof. Da rief sie kurz entschlossen ihren Oheim, den Großkanzler, herbei und sagte:

»Lieber Onkel, der Fürst Daschkow hat mir die Ehre erwiesen, um meine Hand anzuhalten.«

Daschkow war starr vor Verblüffung und wagte nicht, dem gewaltigen Großkanzler und Günstling der Zarin zu sagen, daß er der jungen Dame bloß den Hof gemacht, ohne an Heirat zu denken.

Schon wurde dem jungen Paare von allen Seiten gratuliert, und sozusagen ehe der Fürst es recht wußte, war er auch vermählt …

Nach der Hochzeit allerdings kehrte er den Herrn heraus und – schickte seine Frau nach Moskau. Die Fürstin Daschkow erzählt, daß die Heirat eine Liebesheirat und daß besonders der Fürst in sie sehr vernarrt gewesen war.

Kurze Zeit darauf wurde Elisabeth Romanowna Woronzow Maitresse Peters.

Sogleich eilte die Fürstin Daschkow von Moskau nach Petersburg zurück, um aus dem Verhältnis ihrer Schwester Vorteil zu ziehen.

Katharina erkannte den Ehrgeiz der Daschkow, die voll Neid und Haß auf die häßliche und trotzdem so einflußreiche Schwester blickte, und mit leichter Mühe gewann sie die nach einer ebenfalls einflußreichen Rolle lechzende junge Fürstin für ihre Pläne. Schwester gegen Schwester, die Kaiserin gegen den Kaiser – das waren die Hauptpersonen des Intrigenspieles, das mit jäher Schnelligkeit am Hofe zu Petersburg vonstatten ging und mit dem Untergange Peters und seiner Maitresse endete …

Eines Tages begab sich der Kaiser in Begleitung der »dicken Woronzow«, wie die russische Pompadour allgemein genannt wurde, von seinem Lustschlosse Oranienbaum zu einem Feste nach Peterhof. Auf dem Wege vernahm der Zar, seine Gemahlin, die sich bis dahin in Peterhof aufgehalten, sei plötzlich verschwunden. Katharina hatte sich, während der Kaiser mit seiner Geliebten in tollen Lustigkeiten schwelgte, in aller Stille nach der Hauptstadt begeben und die Revolte regelrecht in Szene gesetzt.

Ehe Peter selbst sich noch über alles klar werden konnte und während er mit der Woronzow Worte der Bestürzung austauschte, brachte der Bote eines treuen Dieners aus der Residenz die Nachricht von der Empörung der Garden und der Proklamierung Katharinas zur Selbstherrscherin.

Anstatt mutig die letzten Schritte zu seiner Rettung zu tun, verkroch sich der Zar feige hinter den Rockschoß seiner Geliebten, und als Katharina ihn aufforderte, dem Throne zu entsagen, leistete er dem Gebot sofort Folge und erbat bloß für sich und die Woronzow ungehinderte Abreise nach dem Ausland.

Die wenigen Getreuen verließen bald den lächerlichen Mann, der nicht nach dem Ausland, sondern auf Gregor Orlows Gut Ropscha gebracht wurde. Zur Gesellschaft gab man ihm auf seinen eigenen Wunsch seinen Arzt Lüders, seine Violine, seinen Neger Narciß und seinen Lieblingshund. In Ropscha ist er am 5./16. Juli ermordet worden, wobei Alexey Orlow den Hauptanteil hatte.

Die dicke Woronzow tauchte wieder in das Dunkel zurück, aus dem sie die Laune eines närrischen Kaisers zu den Stufen eines Thrones emporgehoben hatte. Sie wurde nach Moskau gebracht und heiratete dort später den Brigadier Poljansky.

Man hat mehrfach angenommen, daß die Kaiserin Peters Ermordung angeordnet habe und führt als Zeichen dafür an, daß Katharina über den Tod ihres Gemahls gar nicht konsterniert gewesen sei. Dazu hatte sie aber keinen Grund. Man kann so ziemlich die Schilderung dieses Vorfalles, wie sie die Fürstin Daschkow in ihren Memoiren gegeben, akzeptieren. Die Daschkow erzählt: »Wer boshaft genug sein kann, die Kaiserin der Teilnahme oder nur des Mitwissens an der Ermordung ihres Gemahls zu beschuldigen, wird einen absoluten Beweis von der Ungerechtigkeit dieses Verdachtes in einem Briefe finden, der noch existiert, von Alexey Orlows eigener Hand wenige Augenblicke nach der Vollstreckung der gräßlichen Tat an die Kaiserin geschrieben. Der Stil und das Unzusammenhängende in demselben zeigen, trotz der Trunkenheit des Verfassers, das Entsetzen und die Wildheit desselben, während er demütig um Verzeihung für die Tat flehte. Dieser wichtige Brief wurde von Katharina mit großer Sorgfalt unter anderen wichtigen Papieren in einem Koffer aufgehoben, welchen Prinz Besborodko nach dem Tode der Kaiserin auf Befehl Pauls untersuchte, um die Papiere, die er enthielt, laut vorzulesen. Als er die Lektüre des Briefes von Alexis Orlow beendigt hatte, machte Paul das Zeichen des Kreuzes und rief aus: »Gott sei gelobt! Die geringen Zweifel, welche ich in dieser Beziehung betreffs der Haltung meiner Mutter hatte, sind geschwunden!« – Die Kaiserin und die Nelidow waren hierbei anwesend, und der Kaiser befahl, daß der Brief auch den Großfürsten und dem Grafen Rostopschin vorgelesen werden sollte. Denen, die den Namen Katharinas verehren, konnte nichts tröstlicher sein, als diese Entdeckung, und obgleich mir für meine eigene Überzeugung die Beweise nicht fehlten, so gab doch kein Umstand meines Lebens mir eine lebhaftere Befriedigung, als die Gewißheit, daß ein Dokument existiere, welches wie dieses für immer die faule Verleumdung verstummen machen mußte, welche den Ruf einer Herrscherin angegriffen hatte, die bei all ihren Schwächen doch unfähig war, auch nur den Gedanken eines solchen Verbrechens zu fassen.«

Peter starb ungekrönt. 34 Jahre nach seinem Tode ließ Paul seinen Sarg öffnen und die Leiche feierlich krönen. – Sieben Pseudopeter versuchten es nach und nach, unter dem Namen des ermordeten Kaisers zur Gewalt zu gelangen: zuerst 1767 ein Schuhmacher aus Woronesh, der sofort getötet wurde; dann ein von Mönchen geleiteter Bauernsohn Tschernitschew, der 1770 in der Nähe der Krim einen Aufruhr erregte, aber gefangen und enthauptet wurde; 1771 ein Arzt Stephan im Archipelagus, der dann verscholl; 1772 ein Bauer auf den Gütern der Woronzow, der die Knute bekam; dann ein Bauer aus dem Uralgebirge, der verscholl; ein in Irkutsk entsprungener Verbrecher, der zu Tode geknutet wurde; endlich Pugatschew.


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