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Zarin Katharina I.

Zarin Katharina I.
Bildquelle: wikipedia.org

Liebschaften Katharinas der Ersten.


Wunderbarer Lebensgang Katharinas. – Ihr erster Geliebter. – Ihr erster Mann. – Katharina, Maitresse Scheremetieffs, Mentschikoffs, des Zaren. – Katharina Kaiserin. – Katharina und Villebois, Mons, Sapieha und Riwenwoldern.


Katharina die Erste schien ein Wunder menschlicher Vollkommenheit zu sein; der Zufall allein hätte sie nicht so hoch führen können.

Neben ihrer Schönheit, die geradezu berückend gewesen sein soll, besaß sie tatsächlich ganz außerordentliche Talente: große Klugheit in schwierigen Momenten und Energie im Erstreben ihrer Ziele.

Schauen wir aber näher und schärfer zu, so bemerken wir an der Wundergestalt die häßlichsten Flecken. Übersieht man den ganzen Lebensgang dieser Frau auf einmal, so erfüllt er mit Bewunderung, mit Begeisterung; verfolgt man ihn nüchternen Blickes Stufe um Stufe, so ist man am Schlusse entsetzt über den Schmutz, der auf ihm lagert … Über den Weg, der mit Lastern gepflastert ist, stieg diese Bauerndirne aus dem Staub empor zum Kaiserthron. Außer den meisten der in den früheren Abschnitten aufgezählten Schriften über Peter den Großen benützte ich noch folgende: Lebensbeschreibung der Kaiserin Katharina Alexejewna. Franckfurt 1728. – Nestersuranoi (J. Rousset), Mémoires du règne de Catherine I. 1729. – Hallez, Mémoires secrets pour servir à l'histoire de la Russie sous les règnes de Pierre le Grand et Cathérine I. Bruxelles 1853. (Hallez ist bloß Herausgeber, Verfasser der Memoiren dagegen jener Villebois, der Katharina einmal in wilder Begier überfiel und vergewaltigte). – Arsenjeff, Katharina I. Petersburg 1856. (Russisch.) – J. Grot, Über den Ursprung der Zarin Katharina I. Im XVIII. Bde. der II. Abteilung der Akademie der Wissenschaften. 1879. (Russisch.) – Das veränderte Rußland. (Von Weber.) 1738 bis 1740. – Salmon, The present State of Russia. London 1727. Deutsch: Leipzig 1742. – Strahlenberg, Das Nord- und Östliche Teil von Europa und Asien. Stockholm 1750. – Westermanns Monatsschrift 1867: Das Mädchen von Marienburg von Dr. G. L. Kriegk. – Bülau, Geheime Geschichten und rätselhafte Menschen, Leipzig 1863. (Brockhaus.) Bd. VI, 279–376; VIII, 502; X, 420. – K. Waliszewski, L'héritage de Pierre le Grand, 1726–1741, Paris 1900, ist die neueste Arbeit und eines der besten Werke über jene Periode.

Man möchte beinahe Voltaire recht geben, wenn er sagt: »Katharina besaß keine einzige von den Tugenden ihres Geschlechts; sie war ein Weib ohne Schamhaftigkeit.«

Katharina wurde als die Tochter eines litthauischen Leibeigenen geboren, der nach den meisten Berichten auf einem Gute der Familie Sapieha gelebt und Samuel ohne weiteren Familiennamen geheißen hat.

Um sich der Sklaverei zu entziehen, begab sich Samuel mit seiner Frau nach Dorpat in Livland, wo alle seine Kinder, ein Sohn Karl und drei Töchter, Christine, Anna und Martha, die letztere am 16. April 1686, geboren wurden.

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Die Erzählungen über den Ursprung Katharinas sind verschieden. Einige Autoren nennen als Katharinas Vater einen livländischen Edelmann Albendil.

Wieder andere erzählen: Nach dem Tode des Vaters Samuel begab sich die Mutter mit den Kindern nach dem Dorfe Lennewarden am Flüsschen Rumbe. Dieses Gut gehörte dem Landrate und Präsidenten von Wolfenschild. Samuels Familie wurde unter Wolfenschilds Gesinde aufgenommen. Martha kam alsdann erst zum Pfarrer Daut in Roop und dann zu Glück und mit diesem nach Marienburg. Bei Glück war sie »halb und halb Gesellschafterin der Töchter vom Hause«.

Erwähnen muss ich endlich die Version, dass Katharina von einem Kavallerieoffizier der schwedischen Besatzung, einem Baron Tiesenhausen, verführt und deshalb aus dem Hause Glücks weggejagt worden wäre; sie hätte sich dann wahrscheinlich zur russischen Armee geflüchtet. (Vgl.: Helbig, Russische Günstlinge [Orig.-Ausgabe Tübingen 1809] S. 30–51; J. Grot's Abhandlung a. a. O.; Voltaire, Histoire de l'empire de Russie, Paris XI [1808] I. Bd. S. 169–170 etc. etc.)

Um ihre Verwandten scheint sich Katharina nicht viel bekümmert zu haben; doch gehen die Ansichten auch darüber weit auseinander. Sicher ist, dass Katharinas Geschwister noch zu Lebzeiten Peters des Grossen auftauchten und von dem Zaren in den Adelsstand erhoben wurden. Katharinas Bruder erhielt den Namen eines Grafen Skawronsky. Von den Schwestern war eine mit einem Sergeanten Michael Jefimow, die andere mit einem Handwerker Simon Heinrich verheiratet. Sie wurden nunmehr zu Grafen und Gräfinnen Jefimowsky und Hendrikow. Auch die Glücks wurden alle von Peter mit Ehren, Würden und Reichtümern glänzend beschenkt. Helbig, Russische Günstlinge, behandelt in besonderen Abschnitten Glück und die Frau von Villebois, Tochter Glücks (S. 117–120), sowie die Brüder, Schwestern und Schwäger Katharinas: Karl Skawronski, Skawronska, Christina und Simon Hendrikow, Anna und Michael Jefimowsky (S. 136–148).

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Die katholischen Eltern erzogen ihre Kinder in dieser Religion.

Um jene Zeit wurde Dorpat von der Pest heimgesucht. Samuel floh mit seiner Familie nach dem Städtchen Marienburg im Wendenschen Kreise. Die Pest kam aber auf ihrem grauenvollen Siegeszuge auch hierher und raffte Samuel und seine Gattin hinweg.

Die überlebenden Kinder wurden von verschiedenen mitleidigen Leuten aufgenommen. Martha kam in das Haus eines Predigers. Allein dieser, seine Frau und Kinder erlagen ebenfalls der Epidemie.

Nur Martha blieb wie durch ein Wunder am Leben.

Der Probst Glück, der früher in Dünamünde bei Riga seinen Sitz gehabt hatte, kam auf die Nachricht von dem Unglück, welches Marienburg betroffen, nach diesem Städtchen, um daselbst nach Kräften zu helfen und zu retten.

Er eilte zuerst in das Haus des Predigers und fand dort mitten unter Leichen die kleine Verwaiste frisch und gesund.

Kaum daß Martha den Propst gesehen, so lief sie zu ihm, nannte ihn Vater, klammerte sich an seinen Rock, bat ihn um Essen und Trinken und ließ ihn nicht eher los, als bis er sie gesättigt hatte.

Das Mädchen erregte das Mitleid und die Neigung Glücks, und als dieser nach vielem Herumfragen keine Eltern oder Anverwandte des Kindes finden konnte, beschloß er, es zu sich zu nehmen.

Glück blieb fortan in Marienburg. Seine Frau empfing den kleinen Gast nicht eben freundlich und schalt ihren Mann:

»Wir haben genug mit unseren eigenen Kindern. Was bringst du mir noch ein fremdes ins Haus?«

Auf Zureden des braven Predigers behielt sie indessen die kleine Martha und erzog sie in der lutherischen Religion.

So fing die Laufbahn der späteren Kaiserin an …

Sobald die Kleine imstande war, zu arbeiten, gab Frau Glück sie unter die Mägde. Martha bewahrte aber in dieser Stellung eine Haltung, die glänzend von derjenigen ihrer Genossinnen abstach.

Auch entwickelte sich von Tag zu Tag ihre körperliche Schönheit in überraschender Weise, und es war kein Wunder, daß sich der Sohn des Predigers in das erblühende Mädchen verliebte.

Die Töchter Glücks dagegen beneideten die schöne Martha, beleidigten, verkleinerten und setzten sie herab. Je mehr sie das taten, je inniger ward die Liebe des jungen Mannes, je eifriger fühlte er sich berufen, die geliebte Waise in Schutz zu nehmen.

Monde und Jahre vergingen.

Das schöne Kind wuchs zu einer berückenden Jungfrau heran, deren Herz dem beharrlichen Werben des Predigersohnes sich gerne ergab.

Glück und seine Frau merkten bald, daß zwischen ihrem Sohn und Martha das Verhältnis bereits zu größter Intimität gediehen war, und da sie fürchteten, ihr ungeratenes Kind könnte eine eheliche Verbindung mit der fremden Magd eingehen wollen, beschlossen sie, diese zu verheiraten. Gelegenheit hierzu bot sich schnell.

Ein junger schwedischer Soldat, mit dem Vornamen Johann, Nach einigen Schriftstellern hieß dieser schwedische Soldat Johann Rabin. Vgl. Bergmann, II, 80. – Golikow, Suppl. VI, 164. sah die damals sechzehnjährige Martha, verliebte sich in sie und begehrte sie zum Weibe.

Glück gab ihm freudig das Mädchen, und die Hochzeit wurde sofort gefeiert.

Kaum aber war das Paar drei Tage vermählt, so wurde der junge Ehemann zu seiner Truppe abberufen und mußte ins Feld. Seine Frau ward wieder Magd bei Glück, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie das Verhältnis mit dem Sohne des Predigers fortsetzte.

Am 23. August 1702 wurde Marienburg von dem russischen Oberstleutnant Judas Boitin berannt; die Festung war für einen energischen Widerstand zu schwach, der kommandierende schwedische Major Thilo ließ deshalb die Friedensfahne wehen und begab sich ins russische Lager, um Unterwerfung auf Gnade und Ungnade anzubieten.

Währenddem beschlossen indessen zwei andere schwedische Offiziere, der Artilleriekapitän Wulf und der Stückjunker Gottschlich, sich und die Stadt lieber dem Untergange zu weihen, als sich kampflos gefangen zu geben. Sie warteten den Einzug der siegreichen russischen Truppen ab, dann aber schlichen sie sich in den Pulverturm und zündeten ihn an. Eine furchtbare Explosion erfolgte, viele Häuser stürzten ein, und zahllose Russen und Schweden gingen mit zugrunde … Erzürnt über diesen Treubruch der Schweden, ließ der russische Befehlshaber seine Truppen los und stellte ihnen frei, nach Herzenslust zu plündern und zu morden.

Die bestürzten Einwohner baten in ihrer Not den Propst Glück, zum russischen Befehlshaber, dem General Scheremetjeff, zu eilen und ihn um Gnade anzuflehen. Glück tat das und nahm Martha mit.

Die Schönheit der letzteren zog die Aufmerksamkeit aller auf sich, und besonders Scheremetjeff war ganz hingerissen. Er hörte kaum auf die Worte des Predigers, er heftete ununterbrochen die Augen wie in Verzückung auf die junge schöne Frau.

Und endlich sagte er:

»Ich will den Einwohnern von Marienburg alles verzeihen, wenn dieses Mädchen mir als Beute zuteil wird.«

Vergebens stellte Glück dem General vor, daß Martha verheiratet wäre und keines anderen Weib werden könnte. Vergebens nahm Martha Zuflucht zu Bitten und Thränen.

Die Thränen erhöhten nur ihre Schönheit, und die gesteigerte Schönheit mehrte die Leidenschaft Scheremetjeffs.

Und da er von ihr nicht ablassen wollte und mit Gewalt drohte, zog Glück vor, ihn nicht zu erzürnen, und schenkte ihm die Magd freiwillig.

Nur sechs oder sieben Monate blieb die junge Frau als Sklavin und Maitresse bei Scheremetjeff. Denn der letztere trat nach Verlauf dieser Zeit sein livländisches Kommando an den Fürsten Mentschikoff ab.

Beim Wechsel sah Mentschikoff die schöne Leibeigene und erbat sie sich von seinem Vorgänger als Geschenk. Und dem allmächtigen Günstling des Zaren mochte Scheremetjeff die Bitte nicht verweigern.

Martha war mit dem Tausch nicht unzufrieden.

Während Scheremetjeff alt und häßlich war, stand Mentschikoff in blühender Manneskraft, war von einer gewissen Schönheit, dabei munter und frisch. So gewann ihn seine Sklavin bald lieb.

Sie lebten einige Zeit zusammen, und Martha war, obgleich Sklavin, doch Herrin über ihren Herrn. Sie genoß im Hause Achtung und Freiheit und fühlte sich überaus glücklich.

Um jene Zeit kehrte der schwedische Dragoner Johann, der gesetzliche Mann der Martha, dessen Dienstzeit abgelaufen war, in die Heimat zurück.

Er erfuhr das Schicksal seiner Frau und drang zu ihr und forderte seine Rechte.

Die Rechte sprach sie ihm nicht ab, bewog ihn aber, sie nicht öffentlich zu reklamieren, sondern sich mit heimlichen Besuchen zu begnügen, worauf der Dragoner nach kurzem Besinnen einging.

Und nun hatte Martha zwei Männer zu gleicher Zeit, bis Mentschikoff mit seinem Heere nach Livland aufbrach, um sich mit dem Zaren zu vereinigen; seine Sklavin begleitete ihn, Johann aber blieb vorläufig in Marienburg.

Mentschikoff liebte seine Sklavin und hielt sie vor den Augen der anderen Generale und des Kaisers streng verborgen, da er sie sonst zu verlieren fürchtete.

Seine eifersüchtige Vorsicht wurde indes in einem Augenblicke der Trunkenheit zu Schanden.

Er prahlte mit dem Besitze einer Geliebten, die schöner sei, als je ein Weib gewesen.

Man wollte dieses Wunder der Schöpfung sehen – Mentschikoff weigerte sich, die Frau zu zeigen.

Als aber der Zar selbst sie zu sehen dringend verlangte, mußte der Günstling sich entschließen, die Gerühmte holen zu lassen.

Martha kam.

Ihre Schönheit entflammte die weinlustige Schar zu höchster Bewunderung.

Alle gestanden laut, daß Mentschikoff nicht zu viel gesagt hatte – es war das schönste Weib, das sie je gesehen …

Peter aber sprach anfangs kein Wort.

Dann trat er zu Mentschikoff und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

Der Günstling erblaßte.

Der Zar schaute ihn fest und fragend an.

Da verneigte der Fürst sich zustimmend – – Marthas Schicksal war entschieden …

Peter wandte sich hierauf zur jungen Sklavin und sagte ihr einige Freundlichkeiten.

Sie lächelte freimütig und antwortete mit staunenswertem Witz und Verstand.

Ein Historiker läßt den Zaren »in continenti« dem Mentschikoff befehlen, sich ein Weilchen zurückzuziehen und sie, nach gut bestandener Probe, sogleich in den Palast bringen. Villebois in seinen von Hallez herausgegebenen Memoiren läßt den Zaren am Schlusse seines Plauderns mit Katharina dieser sagen, sie müsse ihm beim Schlafengehen leuchten, was dann die Stelle des sultanischen Schnupftuches vertrat. Am Morgen habe er ihr einen Dukaten als Douceur gegeben, was seine gewöhnliche Taxe gewesen sei.

Ein anderer Schriftsteller erzählt den Hergang folgendermaßen: Der Zar speiste einmal bei Mentschikoff, sah Martha, ließ sich ihre Geschichte erzählen, plauderte mit ihr und borgte sie sich schließlich für eine zärtliche Szene aus, nach deren Genuß er sie ihrem bisherigen Inhaber zurückstellte. Sie soll nach der Abreise des Zaren dem Mentschikoff bittere Vorwürfe gemacht und sich dadurch um so fester in seine Gunst gesetzt haben. Bei der Rückkehr des Zaren vermied sie es, sich vor diesem sehen zu lassen, bis er endlich nach ihr fragte. Die Verlegenheit, mit der sie vor ihm und Mentschikoff erschien, machte in Verbindung mit ihren dadurch nur erhöhten Reizen einen solchen Eindruck auf die beiden Männer, daß sie ganz betroffen wurden, und als der Zar auch bei den Scherzen, die er bald wieder begann, mehr erzwungene Ehrerbietung als Entgegenkommen fand, schien er pikiert, hörte auf, mit ihr zu sprechen, und war während einer langen Zeit schweigsam und nachdenklich. Als sie ihm am Schlusse der Mahlzeit den üblichen Likör reichte, sah er sie fest an und sagte: »Wie mir scheint, sind wir nicht mehr auf so gutem Fuße miteinander, wie bei unserer ersten Zusammenkunft; aber ich rechne darauf, daß wir diese Nacht unseren Frieden machen werden.« Und er nahm Martha unter den Arm und führte sie mit sich. Nach drei Tagen sagte er zu Mentschikoff: »Ich behalte das Mädchen, du mußt mir's abtreten.« Darauf schickte Mentschikoff Marthas Sachen ins kaiserliche Haus und legte einen Diamantschmuck im Werte von 20000 Rubel bei. Martha aber wollte sich bloß einen kleinen Ring zum Andenken an Mentschikoff behalten: »Ich will nur dies, das mehr als hinreichend ist, mich an die Güte zu erinnern, die er für mich gehabt hat.« Mentschikoff, durch diese Worte gerührt, bat sie aber, doch den Schmuck ganz zu behalten, und jetzt gab sie nach.

Von diesem Augenblicke an blieb die livländische Sklaventochter beim Zaren.

Mit jäher Schnelligkeit erklomm sie die höchsten Stufen menschlicher Größe.

Mentschikoff aber durfte sich trösten.

Indem er die Geliebte an den Zaren abtrat, ging ihm ihr Herz nicht verloren. Mit Leib und Seele blieb sie ihm treu und dankbar für die frohen Stunden, die sie an seiner Seite verlebt hatte. Er hatte an ihr die stärkste Stütze, und gemeinsam herrschten sie sicher und dauernd über den Zaren.

Zuerst wurde Martha als Dienerin bei Hofe angestellt und änderte, als sie mit dem Zaren nach Moskau gekommen war, im Jahre 1703 dort von neuem ihre Religion, indem sie den griechischen Glauben annahm. Peters Halbschwester Katharina fungierte als Taufmutter, während der junge Cäsarewitsch Alexey, der Sohn der Jewdokia, bei der Maitresse seines Vaters, die später zu seinem fürchterlichen Ende ein gutes Teil beitrug, die Stelle eines Taufvaters vertreten mußte. Nach Katharina und Alexey erhielt Martha den Namen Katharina Alexejewna.

Mit dem russischen Glauben nahm sie auch die russische Sprache an, die sie schnell erlernte, während sie das Esthnische und Deutsche ganz vergaß, so daß sie sich später bei ihrem Besuche am Berliner Hofe mit der Königin von Preußen nicht einmal verständigen konnte.

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Peter nahm Katharina, da er sich von ihr gar nicht trennen konnte, auch auf seinen Auslandsreisen mit. Das seltsame Paar erweckte bei den Höfen Europas natürlich die seltsamsten Eindrücke. War schon Peter seinerzeit das Wunder des Kontinents, so konnte man sich wegen des Schicksals der zur Zarin emporgestiegenen Bauernmagd gar nicht fassen. Daneben aber fand man an den Manieren des »Barbarenpaares« gar viel zu nörgeln, allerdings mit Grund.

Am 8. September 1717 besuchten Peter und Katharina den Hof in Berlin. Die Markgräfin von Baireuth hat uns in ihren Memoiren einen lesenswerten Bericht hinterlassen:

Der Zar – so erzählt sie – der sehr gern reiste, langte von Holland aus hier an. Er hatte zu Kleve verweilen müssen, weil die Zarin dort zu frühzeitig entbunden worden. Da er weder die grosse Welt, noch Zeremonien liebte, so liess er den König ersuchen, ihn in einem Lusthaus der Königin, das in einer Vorstadt von Berlin lag, einzulogieren. Diese war sehr böse darüber. Sie hatte sich ein sehr hübsches Haus bauen lassen, das sie sorgsam und aufs prächtigste ausgeschmückt. Die Gallerie von Porzellan, die man dort sah, war köstlich, sowie auch alle Zimmer mit Spiegeln versehen waren. Da dieses Haus sonach ein wahres Kleinod war, so trug es auch den Namen Monbijou. Der Garten war sehr hübsch und grenzte an den Fluss, was ihm eine grosse Anmut verlieh.

Um den Unordnungen vorzubeugen, welche die Herren Russen an allen anderen Orten, wo sie gewohnt, verursacht hatten, liess die Königin die Möbel aus dem ganzen Hause wegnehmen und alles, was nur irgend zerbrechlich war, daraus entfernen.

Der Zar, seine Gemahlin und ihr ganzer Hof kamen einige Tage später zu Monbijou an. Der König und die Königin empfingen sie alle am Ufer des Flusses. Der König gab der Zarin die Hand, um ihr aus dem Boote zu helfen. Sobald der Zar ausgeschifft war, reichte er dem Könige die Hand und sagte:

»Ich freue mich sehr, Sie zu sehen, mein Bruder Friedrich.«

Dann näherte er sich der Königin und wollte sie umarmen, sie wehrte ihn aber ab.

Die Zarin begann damit, der Königin die Hand zu küssen, was sie mehrere Male tat. Sie stellte dann den Herzog und die Herzogin von Mecklenburg vor, welche den russischen Hof begleitet hatten, sowie 400 sogenannte Damen, die sich im Gefolge befanden. Größtenteils waren dies deutsche Dienstboten, welche die Geschäfte von Damen, Kammerfrauen, Köchinnen und Wäscherinnen verrichteten. Fast jedes dieser Geschöpfe hatte ein reich gekleidetes Kind auf dem Arme, und wenn man sie fragte, ob es die ihren wären, so antworteten sie, indem sie Salamalakas auf russische Art machten:

»Der Zar hat mir die Ehre erzeigt, mir dieses Kind zu machen.«

Die Königin wollte diese Geschöpfe gar nicht grüssen. Dafür rächte sich die Zarin dadurch, daß sie die Prinzessinnen von Geblüt mit grossem Hochmut behandelte, und nur mit Mühe erlangte es der König von ihr, daß sie sie grüßte.

Ich sah diesen ganzen Hof am darauf folgenden Tage, als der Zar und seine Gemahlin der Königin einen Gegenbesuch machten.

Die Königin empfing das Zarenpaar in den großen Appartements des Schlosses und ging ihnen bis an den Wachtsaal entgegen. Dort gab sie der Zarin die Hand, und indem sie ihr den Platz zur Rechten ließ, führte sie sie in das Audienzzimmer.

Der König folgte mit dem Zaren. Sobald letzterer mich sah, erkannte er mich sofort wieder, da er mich bereits vor fünf Jahren gesehen.

Er nahm mich auf die Arme und küsste mich so gewaltsam, dass er mir das ganze Gesicht aufrieb. Ich gab ihm Ohrfeigen und wehrte mich soviel ich konnte, indem ich ihm sagte, daß ich diese Vertraulichkeiten nicht wolle und daß er mich durch dieselben entehre. Er lachte über diese Idee und unterhielt sich lange mit mir.

Man hatte mir meine Rolle vorgeschrieben. Ich sprach mit ihm von seiner Flotte und seinen Eroberungen, was ihn so entzückte, daß er mehreremale zu der Zarin sagte, er gäbe gern eine seiner Provinzen darum, wenn er ein Kind gleich mir haben könnte. Die Zarin machte mir ebenfalls viele Liebenswürdigkeiten.

Die Königin setzte sich mit der Zarin unter den Thronhimmel, ich befand mich neben der Königin, die Prinzessinnen von Geblüt saßen ihr gegenüber.

Die Zarin war klein und untersetzt, sehr braun und ohne Hoheit und Anmut. Man brauchte sie nur zu sehen, um ihre niedere Herkunft zu erraten. Man hätte sie nach ihrem Aufputze für eine deutsche Komödiantin gehalten. Ihr Kleid war auf dem Trödelmarkt gekauft worden, es war ganz altmodisch und mit Silber und Metallschaum überladen. Das Vorderteil ihres Leibchens war mit Edelsteinen geschmückt. Sonderbar war die Anordnung der Juwelen. Sie stellten einen Doppeladler vor, dessen Flügel mit den kleinsten, sehr schlecht gefassten Brillanten garniert waren. Sie trug ein Dutzend Orden und ebensoviele Heiligenbilder und Reliquien längs des Aufschlags ihres Kleides heruntergeheftet, so daß man, wenn sie ging, einen Maulesel zu hören glaubte. Alle diese Orden, die aneinander klimperten, verursachten ein gleiches Geräusch.

Der Zar dagegen war sehr gross und leidlich gewachsen, sein Gesicht schön, aber seine Physiognomie besaß etwas Rohes, daß man davor sich fürchtete. Er war als Matrose in ein ganz einfaches Gewand gekleidet.

Die Zarin, welche sehr schlecht deutsch sprach und das was die Königin ihr sagte, nicht verstand, ließ ihre Närrin herbeirufen und unterhielt sich mit dieser auf russisch.

Endlich begab man sich zu Tisch, und der Zar setzte sich neben die Königin. Es ist bekannt, daß dieser Fürst vergiftet worden war. In seiner Jugend war ihm das feinste Gift auf die Nerven gefallen, weshalb er oft eine Art von Krämpfen bekam, deren er sich nicht erwehren konnte. Dieser Zufall ergriff ihn auch bei Tische. Er bekam einige Zuckungen, und da er eben das Messer in der Hand hielt und dicht neben der Königin damit umherfuchtelte, so geriet diese in Angst und wollte einigemale aufstehen. Der Zar beruhigte sie aber und bat sie, dazubleiben und unbesorgt zu sein, da er ihr kein Leid zufügen würde. Zugleich nahm er sie bei der Hand und drückte diese so heftig in der seinen, daß die Königin genötigt war, Barmherzigkeit zu rufen, worüber er recht herzlich lachte und sagte, sie habe zartere Knochen als seine Katharina.

Nach dem Abendessen war alles zum Balle vorbereitet, aber sobald der Zar von der Tafel aufgestanden war, ging er davon und kehrte allein zu Fuß nach Monbijou zurück.

Am folgenden Tage ließ man ihn alle Merkwürdigkeiten von Berlin und unter anderen das Münzkabinett und die antiken Statuen sehen.

Unter diesen letzteren befand sich, wie man mir sagte, eine, welche eine heidnische Gottheit in einer sehr unanständigen Stellung zeigte. Man bediente sich zur Zeit der alten Römer einer solchen zur Schmückung der Brautkammer. Dieses Stück wurde für sehr selten gehalten und galt für eine der schönsten Statuen, die sich dort befanden. Der Zar bewunderte sie sehr und befahl der Zarin, sie zu küssen. Sie wollte sich weigern, er ward böse und sagte ihr in gebrochenem Deutsch: »Kopp ab!« welches soviel heissen sollte, als: Ich lasse dich enthaupten, wenn du mir nicht gehorchst. Die Zarin hatte so große Furcht, daß sie alles tat, was er verlangte.

Nun begehrte der Zar ohne Umstände diese Statue und mehrere andere vom Könige, der sie ihm nicht verweigern konnte. Dasselbe geschah mit einem Schränkchen, dessen Getäfel ganz von Bernstein war. Dieses war einzig in seiner Art und hatte König Friedrich dem Ersten unermessliche Summen gekostet. Es erlebte das traurige Schicksal, zu großem Bedauern aller Welt nach Petersburg geschafft zu werden.

Endlich, nach zwei Tagen, reiste dieser barbarische Hof wieder ab. Die Königin begab sich sogleich nach Monbijou. Dort herrschte die Zerstörung von Jerusalem. Nie habe ich etwas Ähnliches gesehen. Alles war so ruiniert, daß die Königin fast das ganze Haus neu einrichten mufste.

Soweit die Markgräfin von Baireuth. Die Treue ihrer Schilderung wird von russischen Schriftstellern begreiflicherweise sehr angefochten. Wenn nun auch zugegeben ist, daß die Prinzessin Friederike manches in gar zu gehässiger Weise aufzubauschen sucht, wie die Geschichte mit den 400 »sogenannten Damen« oder mit der Statue, muß man andererseits gestehen, daß die Manieren des russischen Hofes wohl geeignet waren, Ärgernis selbst bei nicht prüden Leuten zu erwecken, so daß sich sogar ein durchaus ernster Historiker, wie Schlosser, veranlasst sieht, ein Verdammungswort in dieser Hinsicht auszusprechen:

»Peter erlaubte sich, was die Scham uns verbietet, genauer zu erzählen, sogar in Preußen, in Angesicht des Hofes, mit seiner Nichte, der Herzogin von Mecklenburg, eine Vertraulichkeit, deren sich auch der roheste Barbar in Gegenwart anderer Menschen schämen würde.«

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Die Kenntnis der russischen Sprache war und blieb übrigens Katharinas ganze Bildung – lesen und schreiben erlernte sie nie, und während ihrer Regierung mußte ihre Tochter Elisabeth für sie alle Befehle unterschreiben; von der Rechenkunst hatte sie ebenfalls nicht die geringste Ahnung.

Und doch gelang es ihr, einen so nach den höchsten Zielen strebenden Mann wie Peter den Großen zu bezaubern und fürs Leben zu fesseln. Sie war sehr geschmeidig, und das sagte dem Zaren mehr als alles zu.

Sein zum rohesten Despotismus neigendes Gemüt vertrug keinen Widerspruch, duldete kein selbständiges Auftreten.

Er verlangte in allem unterwürfigen Gehorsam, kriechende, schmeichlerische Nachgiebigkeit.

Er tat, was er wollte, und lebte, wie er mochte, und niemand sollte sich dreinmischen und ihm wehren.

Daß Katharina ihn – im Gegensatz zu Jewdokia – so leben ließ, wie es ihm gefiel, daß sie sich geschmeidig und knechtisch seinem Willen unterordnete – das war ihre größte Tat, das war die Tat, welche sie zur Kaiserin, zur Selbstherrscherin machte, das erklärt hauptsächlich, wie sie sich in des Zaren sonst schnell wechselnder Gunst so dauernd hat erhalten können.

Solch eine Frau paßte Peter – eine Frau wie Katharina, eine Sklavin, die in ihrer sklavischen Demut ihn niemals an seine Pflichten erinnerte, die von ihm keine beständige Liebe erwartete und verlangte.

Ihre sittliche Unwürdigkeit, ihre zügellose Ausschweifung war durchaus nicht geeignet, sie als eine achtenswerte Frau erscheinen zu lassen. Aber ihr kaiserlicher Gemahl fühlte sich dadurch auch zu keiner Mißachtung veranlaßt. Denn so war sie gerade in moralischer Beziehung ihm gleich, sie hatte wie er eine mehrfache Liebesvergangenheit.

Sie hatten sich beide nichts vorzuwerfen. Deshalb ließ er sie und sie ihn gewähren. Sie übersah seine früheren Liebeshändel und gönnte ihm neue nicht nur mit Vergnügen, sondern bot selbst häufig die Hand dazu.

Dadurch erhielt sie sich frisch in seinen Augen; nach jeder Abwechselung kehrte er immer wieder zu seiner Kathinka zurück, die seine Lüsternheit durch ewig neue Überraschungen am besten zu kitzeln verstand.

Daneben war sie von äußerster Sorgfalt für seine stets schwankende Gesundheit erfüllt, begleitete ihn auf den gefahrvollsten Zügen, pflegte ihn aufopfernd ruhelos Tag und Nacht, machte sich ihm ganz unentbehrlich durch ihre nie versiegende frohe Laune.

General Gordon, der einen hohen Militärposten unter Peter und Katharina innegehabt, sagte von letzterer: »Ihre allezeit frohe Laune machte sie bei allen gern gesehen, die mit ihr in irgendwelche Berührung zu kommen hatten. Man sah sie nicht einen Augenblick betrübt oder erzürnt oder durch Capricen gestört.«

Um den Zaren noch mehr an sich zu fesseln, bestach Katharina den Pastor Brüning von Riga, dem Kaiser eine angeblich im Stadtarchive gefundene alte Urkunde zu übergeben. Sie enthielt die Prophezeiung: »Erst demjenigen kann die Eroberung Livlands geringen, der ein Kind des Landes heiraten wird.«

Obgleich Peter keineswegs abergläubisch war, machte diese Mitteilung großen Eindruck auf ihn, weil die »Prophezeiung« sich erfüllt hatte: nach langen schweren Kämpfen war Livland von den Russen erobert worden – zur selben Zeit fast, da Katharina in Peters Besitz kam.

Verheiratet war der Zar allerdings noch nicht mit ihr. Er wagte es vorläufig doch nicht, den Sitten des Volkes, den Gesetzen der Religion so zu trotzen und sich eine zweite Gemahlin zu nehmen, so lange die erste noch lebte.

Daher blieb Katharina die ersten Jahre im Hofgesinde des Zaren und avancierte zunächst scheinbar zur Frau des Hofkochs, da sie als solche am meisten in der Nähe des Kaisers zu tun hatte und ihn auf seinen Reisen begleiten konnte. Um den Schein völlig aufrecht zu erhalten, lebte sie auch in der Wohnung des Hofkochs …

Am 28. Oktober 1707 ließ sich darauf Peter die Geliebte in der Kathedrale der heiligen Dreifaltigkeit zu Moskau heimlich antrauen. Aber bald warf er die Maske ganz fort, wozu auch dieser Vorfall beigetragen haben mag:

Ungefähr im Jahre 1710 fand sich in Moskau der schwedische Soldat Johann ein, der zum Militär zurückgekehrt und nach der Zarenstadt gebracht worden war. Er gab sich als Gatte Katharinas zu erkennen, da er von dieser Mitteilung eine Milderung seines Loses erhoffte. Allein als Peter seine Aussage erfuhr, ließ er ihn sofort in die entferntesten Gegenden Sibiriens schleppen, wo er noch im Jahre 1721 gesehen wurde.

Durch diese Tat hatte der Zar sich verraten, und da das Geheimnis nicht mehr zu verhüllen war, gab man es nach und nach preis.

Im Jahre 1710 bereits wurde Katharina am Hofe »Gnädige Frau« genannt.

Endlich veranlaßte der durch Mentschikoff angefachte und durch Katharina mit weiser Vorsicht, aber ununterbrochen genährte Gedanke, daß die Erbfolge des Thrones nicht auf Alexey allein beruhen bleiben dürfe, der bei allen Gelegenheiten sein Mißfallen über des Vaters Neuerungen kundgab, den Zaren zum letzten Schritt.

Am 6. März 1711 gab er bekannt, daß Katharina Alexejewna fortan als seine einzige, wahre und rechtmäßige Gemahlin zu betrachten sei, und erhob ihre Kinder zu Prinzen und Prinzessinnen.

Noch am Tage der Proklamation reiste das »junge Paar« von Moskau zur Armee ab, die unter Scheremetjeff durch Polen gegen den Dnjestr zog, um in die Moldau einzubrechen.

In Luzk erkrankte der Kaiser an Skorbut. Er wünschte, daß die Zarin ihm nicht in die Nähe komme, damit sie nicht ebenfalls von der gefährlichen Krankheit ergriffen würde. Sie aber wich nicht von seiner Seite und pflegte ihn, bis er gesund geworden.

Von Tag zu Tag wurde Katharina dem Zaren teurer. Seine besondere Gunst und Neigung erwarb sie sich durch ihre bekannte Tat am Pruth.

In einer wüsten Gegend war Peter mit seiner ganzen Armee von einer erdrückenden türkischen Ubermacht eingeschlossen, und es schien ihm nicht möglich, ehrenvoll herauszukommen. Nur zwischen Hungertod und Ergebung konnte er wählen.

Da faßte Katharina insgeheim den Plan, sich in das feindliche Lager zu begeben und den Großvezier zu bestechen. Sie raffte ihre Juwelen zusammen und ging von Zelt zu Zelt und erbat sich von den Offizieren und Soldaten alle nur entbehrlichen Wertgegenstände.

Der Plan gelang.

Der Vezier, sowohl durch die Juwelen und das Gold, wie durch Katharinas Schönheit bestochen, gab den Russen freien Abzug …

Erst jetzt erfuhr Peter die Tat seiner Geliebten. Er wußte ihr nicht genug zu danken.

Nach seiner Heimkehr vom Kriege stiftete er ihr zu Ehren den Katharinenorden. Er ließ sich von ihr überreden, seinen Sohn aus erster Ehe, den unglücklichen Alexey, zu verstoßen und an Stelle desselben Katharinas Sohn, den kleinen Peter, zum Thronfolger zu ernennen. Als der letztere aber in zartester Kindheit verstarb, da bestimmte der Zar seine Gemahlin selbst zur Nachfolgerin und beschloß, sie 1724 in Moskau krönen zu lassen, ein Entschluß, den besonders Mentschikoff eifrig zu fördern suchte, während der Günstling Jaguschinski Pawl Jaguschinski, einer der interessantesten Günstlinge Peters, ward (nach Heibig, 58) im Jahre 1683 in Moskau geboren. Sein Vater war daselbst ein Küster der lutherisch-deutschen Gemeinde. In seinem achtzehnten Jahre, 1701, hatte Pawl das Glück, Peter dem Ersten bekannt zu werden und durch einige geschickte Antworten die Gunst dieses Fürsten zu gewinnen. Bald nachher nahm er die griechische Religion an. Peter gab ihm anfänglich einen Platz in der Reichskanzlei, wo er einige Jahre blieb und mit großem Beifall arbeitete. Dann wurde er unter die Garde versetzt und in des Zaren nahe Umgebung gezogen, da er sich bei seinem Monarchen schnell beliebt zu machen verstand. Jaguschinski war einer von denen, welche 1718 das Todesurteil des unglücklichen Alexey mit unterzeichneten. Vier Jahre nachher wurde er Generalprokureur im Senat, wo er im Namen des Kaisers alles zu kontrollieren und den alleinigen entscheidenden Einfluß hatte. Nach dem Tode Peters schlug er sich, nachdem er anfangs Katharinas Gegner gewesen, kurz entschlossen auf die Seite der Kaiserin und wurde von ihr zum Danke für seine Selbstverleugnung in den Grafenstand erhoben. Wegen eines Streites mit Mentschikoff wurde er gegen Ende der Regierung Katharinas in den Hintergrund gedrängt, überdauerte aber seinen Gegner, der zu Peters des Zweiten Zeit verbannt wurde, und war nach dem Tode Peters des Zweiten ein Mitglied der hohen Versammlung, welche über die Thronfolge entscheiden sollte. Bei der Thronbesteigung der Kaiserin Anna ließ ihn diese Versammlung arretieren, weil er der neuen Monarchin den Rat gegeben hatte, die ihr vorgelegte liberale Kapitulation zu zerreissen und gleich ihren Vorgängern und Vorgängerinnen nach ihrem eigenen Willen, ohne Einschränkung zu regieren. Die Kaiserin aber errettete ihn aus Dankbarkeit. Dies war die erste absolute Tat Annas, welche zu konstitutionellen Institutionen geschworen hatte und hauptsächlich diesem Schwure ihren Thron verdankte. Jaguschinski wurde nun wieder Generalprokureur, entzweite sich aber mit Biron und zog sogar den Degen gegen den allmächtigen Liebhaber der Kaiserin. Es kann Wunder nehmen und für Annas dankbares Gemüt großes Zeugnis ablegen, daß sie Jaguschinski auch dies ungestraft hingehen ließ. Das eine, was sie tat, war, daß sie den kampflustigen Mann als Gesandten nach Berlin schickte. Als sie glaubte, daß sein heißes Blut sich wohl ein bischen beruhigt haben könnte, rief sie ihn wieder zurück und machte ihn zum Kabinettsminister. Er starb 1786 und wurde im Newskykloster begraben, wo man in der ersten Kirche unten, linker Hand, am Eingange im Kloster, sein Epitaphium sieht. Jaguschinski war einer von denen, in deren Verstand sich Peter der Erste nicht geirrt hatte; er war ein Mann von außerordentlichen Fähigkeiten, dabei freimütigen Charakters. Er war neben Repnin fast der einzige, der Peter dem Großen unverblümt die Wahrheit zu sagen pflegte. Leider besaß er auch Heftigkeit und unbezähmbare Trunksucht … Jaguschinski war zweimal verheiratet. Seine erste Gemahlin jagte er davon, die zweite war eine Gräfin Golowkin. Sein Sohn Ssergey spielte 1764 eine Rolle bei der Untersuchung wegen der unter Katharinas der Zweiten erfolgten Ermordung des Kaisers Joan Antonowitsch. Ssergeys Tochter heiratete einen Knjäs Gagarin. Welche Fürstengeschlechter noch von dem Küsterssohn abstammen, ist hier nicht möglich aufzuzählen., genannt »das Auge des Zaren«, der in der letzten Lebenszeit Peters bei ihm in großem Ansehen stand und selbst Mentschikoff zeitweilig verdunkelte, gegen den Plan war.

Endlich gab auch er nach, und im Mai wurde die Krönung wirklich vollzogen. Und gleich darauf hatte Peter allen Grund, zu bereuen, daß er Mentschikoff und nicht Jaguschinski gefolgt war.

Denn Katharina lohnte dem Kaiser seine Liebe und sein Vertrauen schlecht.

Obgleich sie sich schon dem vierzigsten Lebensjahre näherte, ließ sie sich von ihrer Leidenschaft verführen und hinterging ihren Gatten.

Schon einmal hatte ein Vorfall einen schlimmen Schatten auf die Kaiserin geworfen. General Villebois kam zu Katharina, um ihr einen Auftrag des Kaisers zu überbringen, und da er sie allein fand, überwältigte er sie.

Als Peter hiervon Kenntnis erhielt, stellte er Villebois zur Rede. Dieser entschuldigte sich mit momentaner Sinnesverwirrung und wurde deshalb bloß für vier Wochen »wie ein wildes Tier« an Ketten gelegt.

Die Kaiserin ging straflos aus.

Ob sie schuldlos war? ….

Auch der Verkehr, den Katharina mit Mentschikoff pflegte, war nicht so rein und sonnenklar, daß nicht die übelste Nachrede sich rechtlich an denselben hätte heranwagen dürfen.

Peters Eifersucht – oder beleidigter Stolz – hatte schon manche Szenen herbeigeführt, und gar als Mentschikoff in den letzten Lebensjahren des Zaren durch zahlreiche Unterschlagungen hoher Summen, durch Untreue und Unzuverlässigkeit im Dienste allerlei Anlässe zu Klagen gab, schienen die Stunden dieses Günstlings gezählt ….

Zahllos häufen sich die Leiden Peters des Großen, da er sich seinem Lebensende nähert.

Er sieht sein Haus verwaist, ihm bleibt kein Erbe des Thrones.

Sieben seiner Kinder, unter ihnen alle Söhne, sterben ihm in frühester Kindheit, in blühender Jugend. Zerschmettert ist seine stolze Hoffnung, das von ihm aufgerichtete Gebäude von einem durch ihn selbst und zu diesem Zwecke sorgfältig erzogenen Sohne erhalten und weitergeführt zu sehen.

Den widerspenstigen Alexey hat er einem grausamen Tode geopfert, denn es drohte ihm von dem eigenen Sohne Umsturz aller Ideen, für die er sein ganzes Leben eingesetzt. Aber mit dem Tode des Sohnes wich nicht auch die von diesem entfachte Unzufriedenheit eines großen Teiles des Volkes, das den Kaiser und seine Neuerungen nicht begreifen kann; das für die von ihm herbeigezerrte Zivilisation noch lange, lange nicht reif ist; das ihm in seinen Zielen und Mitteln flucht, so daß er, der größte Zar der Russen, sich mit Ausländern umgeben, daß er die höchsten Stellen im Reiche und alle Vertrauensposten mit Fremden besetzen muß. Er erntet statt Liebe nur Haß, statt Bewunderung und Erkenntlichkeit Furcht und Widerspenstigkeit.

Die wenigen Freunde, die er im Leben gewonnen, seine meisten Günstlinge, die er aus der Hefe des Plebs zu höchster Höhe emporgehoben, erweisen sich zuletzt als falsch, untreu, unehrlich. Er muß sie aus seinem Herzen reißen, er muß sie von seinem Angesicht verjagen, er muß sie dem Henker überliefern oder in die Verbannung treiben.

Endlich überfällt ihn eine entsetzliche Krankheit, die in seinem Körper wühlt und frißt, die ihm rasende Schmerzen bereitet, die ihm Martern auferlegt, schwerere, fürchterlichere als die, die er einst seinen Sohn, die er je seine ärgsten Feinde und Widersacher erdulden ließ …

Und alles dies zeigt sich als eine Folge selbstverschuldeten Elends, als eine ununterbrochen sich fortspinnende Kette von Ursache und Wirkung.

Die fürchterliche Krankheit, die seinen Geist und Körper zerquält, durchwühlt, tötet, diese Krankheit ist eine Folge seiner Tranksucht, seiner zügellosen Ausschweifungen.

Die Untreue und die Unzuverlässigkeit seiner Beamten und Günstlinge hat er durch seine Verachtung jeder fremden Meinung, durch die grausamen Strafen, die er allen Andersdenkenden zu teil werden ließ, erzwungen.

Den Tadel und die Abneigung seiner Untertanen verdient er durch seine wilde Heftigkeit, durch seinen despotischen Willen, alles sofort zu erreichen.

Das frühe Sterben seiner Kinder ist eine Folge der übermäßigen Beschwerden, die er in seiner rohen Willkür und Wollust der Kaiserin auferlegte selbst in Momenten, da sie schweren Stunden entgegensah.

Seinen Sohn Alexey endlich hat er sich abwendig gemacht, indem er dessen Mutter Jewdokia so unwürdig behandelt. In dem Kinde wurde der Haß der Mutter gegen ihren Peiniger großgezogen; der heranwachsende Knabe stöhnte unter dem grausamen Despotismus des Vaters, der seine Gattin einer wilden Maitressenwirtschaft geopfert hatte; und der denkfähige Jüngling bäumte sich auf und suchte die Fesseln, die ihn drückten, zu brechen und zugleich die gequälte Mutter zu rächen ….

Dunkel und drohend ist es um den Zaren geworden!

Zusammengezogen haben sich die finstersten Wolken am Himmel; schwül und schwer keucht die Luft, grelle Blitze zucken, und endlich bricht das Unwetter auf den verlassenen Kaiser nieder …

Gekommen ist die Rache des Schicksals an dem Zaren für alle seine wüsten Liebeshändel, gekommen die Vergeltung für das bittere Leben, das er der Zarin Jewdokia, das er der edlen Anna Mons bereitet hat, und ein Bruder der letzteren ist das Werkzeug in der Hand der strafenden Gerechtigkeit.

Voll ist das Maß der Sünden, voll wird das Maß der Buße.

Bitter und schwer ist die Strafe, vergolten wird Gleiches mit Gleichem, Ehebruch mit Ehebruch.

In der Residenz lebte ein schöner junger Mann, Mons de la Croix, ein Bruder der Anna Mons und der Generalin Balk.

Peter, der gern mit Ausländern Verkehr pflog, sah den jungen Mann mit Vorliebe bei Hofe und lud ihn häufig in den Palast.

Katharina sah ihn, und seine Schönheit entflammte ihre Leidenschaft.

Sie wußte ihn anzulocken und machte ihn sogar verliebt. Um das Verhältnis leichter unterhalten zu können, trachtete die Kaiserin mit allen Mitteln danach, dem Geliebten eine Stellung in ihrer Umgebung zu verschaffen. Auf ihre Bitten ernannte Peter ahnungslos den jungen Mons bald zum Kammerjunker und hierauf zum Kammerherrn der Zarin.

Mehrere Jahre trieben es die beiden still und unbeachtet.

Endlich wurde das Geheimnis verraten, und man zischelte die pikante Neuigkeit laut und immer lauter, bis sie auch Peter erfuhr. Er glaubte sie nicht und blieb ruhig. Als man ihn aber dringender warnte, da entsann er sich seiner einstigen Geliebten, der Generalin Balk, die ja eine Schwester des Mons war und ihn am leichtesten überwachen konnte, und gab ihr den Auftrag, das angebliche Verhältnis zu erforschen und zu belauern.

Die Generalin Balk machte zu ihrem Entsetzen die Entdeckung, daß das Verhältnis tatsächlich bestand.

Zwischen der Liebe zu ihrem Bruder und dem Gehorsam gegen Peter schwankte sie lange hin und her, bis endlich die erstere die Oberhand gewann, und sie beschloß, eher die schärfste Strafe zu erdulden, als ihren Bruder zu verderben.

Der Hof befand sich damals zu Peterhof bei Petersburg.

Am 8. November 1724 erheuchelte der Zar eine Reise, kehrte aber, kaum daß er seine Hauptstadt verlassen hatte, wieder um, kam abends unbemerkt ins Palais und überraschte die Zarin mit Mons im Schlafzimmer …

Was sich nun abgespielt hat, ist kaum zu schildern.

Nachdem Peters erster fürchterlicher Zorn verraucht war und er die Zarin blutig geschlagen hatte, stürmte er in das nahebei befindliche Zimmer des Fürsten Repnin, seines Generaladjutanten.

Es war zwei Uhr nach Mitternacht.

Erschrocken fuhr Repnin beim Eintritt des Zaren aus dem Bette empor.

Er sah den Kaiser mit dem Ausdruck wilder Wut in den Blicken, die Fäuste krampfhaft geballt, am ganzen Körper zitternd, wie von Wahnsinn das Gesicht verstört und zerfurcht.

Repnin wußte sich nicht zu fassen.

Er glaubte, der Zar wollte ihn erschlagen; er wagte sich nicht zu rühren.

Mit keuchender Stimme sprach Peter:

»Steh auf, steh auf, rede nur mit mir …«

Dann erzählte er das fürchterliche Geschehnis.

»Rache«, stöhnte er, »ich will Rache, blutige Rache; ich morde die Zarin.«

Fürst Repnin versicherte später, wie er anfangs ganz ratlos dem Kaiser gegenübergestanden war und kein Wort gewagt hatte.

Dann aber versuchte er, ihn zu beruhigen, stimmte ihm bei, daß es keine Strafe gäbe, die für Katharinas Verbrechen groß genug wäre, erinnerte ihn aber auch, daß er an einer Kaiserin nicht so handeln könne wie an einer gewöhnlichen Frau … Er ermahnte den Zaren an das Blutbad, das unter den Strjelitzen angerichtet worden; er erinnerte ihn, wie seitdem jedes Jahr vom Blute grausam Hingerichteter befleckt worden, wie bereits die Einkerkerung der zarischen Halbschwester Sophia und der Zarin Jewdokia, wie die Ermordung des Alexey, wie dies alles schon innerhalb wie außerhalb Rußlands böses Blut gemacht … Würde nun auch die zweite Gemahlin verstoßen oder gar hingerichtet werden, so müßten Peters große Taten im Andenken der Menschheit verschwinden vor seinen blutigen, und ihm bliebe scheinbar mit Recht der Name eines Wüterichs, der nur nach Blut gelechzt …

Zuerst schaute Peter den kühnen Sprecher mit drohendem Blick an, aber als Repnin sich nicht einschüchtern ließ und endlich das Fazit seiner Rede zog, da brach der Zar erschüttert zusammen.

Lange saß er still da am Bettrand beim Fürsten.

Dann erhob er sich und ging, ohne ein Wort zu sagen, in sein Zimmer und schritt ruhelos auf und nieder, bis er endlich den Entschluß faßte, Repnins Ratschlägen zu folgen, die Zarin anscheinend zu schonen; Mons und seine Schwester aber müßten fallen! …

An der letzteren wurde bereits am anderen Tage die Exekution vollzogen. Sie bekam die Knute und wurde nach Sibirien verschickt. Sie scheint von dort nicht mehr zurückgekehrt zu sein, obgleich Katharina, durch die sie ins Unglück gekommen, zwei Monate darauf zur Regierung gelangte.

Mons wurde unter der Anschuldigung, »Gelder der Kaiserin veruntreut« zu haben, Professor Brückner, der den Erzählungen über dieses Ereignis kein Vertrauen entgegenbringt, sagt, die ganze Geschichte sei »eine unbewiesene Voraussetzung« (Peter der Große, Seite 564, Anmerkung 5): »Es unterliegt keinem Zweifel«, meint er, »daß Mons sich Unehrlichkeit und Bestechlichkeit zuschulden hatte kommen lassen.« Vgl. noch Ssolowjew, XVIII, 245. Kostomarow (in der russischen Zeitschrift »Das alte und das neue Russland«, 1877, I, 149) will beweisen, wie unwahrscheinlich Katharinas Untreue sei. verhaftet und in das Haus Uschakoffs, des Präsidenten der geheimen Kanzlei geführt und hier als Arrestant zwei Tage lang ohne Nahrung gehalten, alsdann vor das höchste, im Winterpalais residierende Gericht geschleppt und in kurzem Wege zum Tode durch Enthauptung verurteilt.

Um wenigstens die Kaiserin soviel als möglich zu entlasten, sagte Mons aus, er hätte Katharina durch zauberische Mittel und Getränke betört.

Mons war Lutheraner und erbat sich, als er zum Schafott geführt wurde, den Besuch eines Geistlichen seines Glaubens. Diesem überlieferte er heimlich eine Uhr, deren doppelter Boden seinen Namen und den der Kaiserin in verschlungenen Buchstaben enthielt. Sie war ein Geschenk Katharinas.

Dann ging er zum Schafott.

Hier fiel ihm ein, daß in seinen Kleidern sich noch ein Andenken der Kaiserin befand, dessen Entdeckung böse Folgen haben konnte.

Er beugte sich flüsternd zum Ohre des Scharfrichters.

Die Leute glaubten, er bäte um einen schnellen Tod.

Er aber sagte:

»In meinen Kleidern findest du ein Bildnis, das in kostbaren Diamanten eingefaßt ist. Behalte die Diamanten, vernichte das Bild!«

Darauf empfing er den Todesstreich.

Der Scharfrichter erfüllte den Wunsch des Hingerichteten und vernichtete das Bild – das Bild der Kaiserin …

Nach der Hinrichtung des Mons, der Katharina an der Seite des Zaren hatte beiwohnen müssen, fuhr das Kaiserpaar ins Palais zurück.

Die Kaiserin, die ziemlich ruhig und gleichgültig war, ging in ihr Schlafzimmer.

Da trat heftig der Kaiser herein, und sein Aussehen war so schrecklich, daß Katharina ihren Tod bereits vor Augen sah.

Peter war leichenblaß.

Er riß sein Jagdmesser aus der Scheide und stürzte auf seine Gattin zu, taumelte wieder zurück, ließ seinen Zorn an dem Möbel aus und zertrümmerte die Tische und Stühle und Fenster.

Das währte eine halbe Stunde lang, dann eilte er von dannen.

Am anderen Morgen kam er wieder zur Kaiserin und forderte sie auf, mit ihm eine Spazierfahrt zu machen.

Er lenkte selbst den Wagen, und plötzlich waren sie auf dem Platze, auf dem der Körper und der Kopf des Hingerichteten auf Pfählen ausgestellt waren.

Der Zar fuhr an diesen Pfählen so nahe vorbei, daß die Kleider der Zarin die Leiche streifen mußten.

Nachdem er diese Grausamkeit eine lange Zeit getrieben hatte, ohne daß die Kaiserin dadurch irgendwie erregt wurde, kehrte er wieder um.

An demselben Abend brachte der Kaiser der Kaiserin – den Kopf des Mons, und Katharina mußte ihn mehrere Tage vor sich stehen lassen.

Dann gab Peter das Haupt der Akademie der Wissenschaften, damit es in demselben Zimmer aufbewahrt werden sollte, wo sich bereits der Kopf der Hamilton befand …

Sechzig Jahre später sah die Fürstin Daschkoff, »Präsident« der Akademie der Wissenschaften, die Rechnungen der Anstalt durch und bemerkte, daß »für zwei im Keller befindliche Köpfe« seit langer Zeit alljährlich ein Posten Spiritus angeführt war.

Sie forschte nach und fand die Köpfe der Hamilton und des Mons, welche beide sich so vorzüglich erhalten hatten, daß man noch jetzt an ihnen außerordentliche Schönheit bewundern mußte. Auf Befehl der damaligen Kaiserin Katharina der Zweiten wurden beide Köpfe im Keller begraben ….

Seit dem schrecklichen Ereignis sprach Peter mit Katharina nie mehr.

Er war von ihr geschieden, und alle Versuche, ihn milder zu stimmen, blieben vergebens.

Katharina war verstoßen; die Gunst des Zaren wandte sich der Prinzessin Kantemir zu.

Durch die Ungnade, in welche die Zarin gefallen war, hatte auch Mentschikoff viel zu leiden, da Peter ihn des Einverständnisses mit der Kaiserin beschuldigte.

Für Mentschikoff und Katharina war alles auf dem Spiele; der Zar drohte, sie beide in den Staub zurückzuschleudern, aus dem er sie so hoch emporgehoben hatte.

Da erkrankte Peter der Große, und Mentschikoff und Katharina, die für ihre Macht bangten, ließen ihn nicht wieder gesund werden. Am 28. Januar 1725 starb der größte russische Herrscher, und – die Sklaventochter Martha bestieg als Katharina die Erste den Thron der Romanows …

Zwar war es im Volke bekannt geworden, daß Peter vor seinem Tode Katharina die Thronfolge hatte entziehen wollen; doch die Kaiserin bestach den berühmten Metropoliten Theophanes, der vor den Truppen eidlich beschwor, Peter habe ihm auf dem Totenbette gesagt:

»Katharina allein ist würdig, Selbstherrscherin zu werden.«

Und das russische Volk ist ja so gutmütig, und beugte sich demutsvoll dem Willen des Zaren.

Nun hatte Katharina das mächtigste errungen: sie war Selbstherrscherin und brauchte auf keinen Menschen Rücksicht zu nehmen.

Sie ließ ihren Leidenschaften freie Zügel.

Sie unterhielt nicht bloß ihr altes Verhältnis mit dem alternden Mentschikoff ganz offen, sondern schaffte sich auch andere Liebhaber an, unter denen insbesondere die Grafen Sapieha und Riwenwoldern zu nennen sind.

Der erstere war jung und schön und besaß eine Zeitlang die ganze Glut ihres Herzens; als er ihr nicht mehr genügte, vermählte sie ihn mit einer Gräfin Skawronska, ihrer Nichte.

Länger als Sapieha war Riwenwoldern Günstling der Kaiserin; er blieb dies – man höre und staune! – volle acht Monate.

Die Regierung Katharinas war nur kurz und bloß nominell. Tatsächlich regierte Mentschikoff.

Als Katharina sich endlich aufraffte und Mentschikoffs Joch abschütteln wollte, erkrankte sie und siechte in wenigen Tagen hin.

Einige Historiker berichten, daß sie an Auszehrung, Lungengeschwüren und Wassersucht infolge unbezähmbarer Trunksucht starb. Nach anderen Versionen erfolgte ihr Tod nicht auf natürliche Weise. Sie hatte die Gewohnheit, von den Herren ihres Hofes Bonbons zu verlangen. Eines Tages war Mentschikoff so freundlich, sie mit besonders gutem Konfekt zu überraschen …


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