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Vorwort.

Ich widme diese Blätter meinen Freunden in einem andern Sinne, als in welchem ich ihnen alle meine Bücher zugeeignet; in einem andern, als jeder Autor bei der Veröffentlichung eines Werkes zuerst an seine Freunde denkt, auf seine Freunde rechnet und zu seinen Freunden schon im Voraus alle diejenigen zählt, welche das betreffende Buch erst dazu machen soll.

Die Sache ist, daß diese Blätter zum größten Theil gar nicht für die Veröffentlichung bestimmt, und ursprünglich für Niemand geschrieben waren, als für mich selbst: zur Uebung meiner Hand, zur Auffrischung meiner Erinnerungen, zur Ausfüllung müssiger Stunden. Und wie man nun in unbeobachteten Momenten oder da, wo man sich ganz sicher weiß, keinen Anstand nimmt, seine Liebhabereien und Eigenheiten, ja seine Vorurtheile und Schwächen frei zu zeigen und walten zu lassen, so ist dieser Charakter des Persönlichen und Individuellen durchaus und durchweg diesen Blättern »aus meinem Skizzenbuche« ausgeprägt, trotzdem ich zum Zweck der Veröffentlichung Persönlichstes und Individuellstes ausgemerzt, hier und da ein Wort zur Erläuterung hinzugefügt, überhaupt das Ganze ein wenig – sehr wenig retouchirt habe.

Dieser Charakter des Persönlichen wird das Büchlein nun freilich in den Augen meiner Freunde – ich meine Aller, die mich persönlich oder in meinen Schriften lieb haben – nicht schlechter erscheinen lassen. Im Gegentheil! Wenn wir in unsern »unübertroffenen und unübertrefflichen Leistungen auf ungesatteltem Pferde« für das Publicum auch spanisch kommen und kommen müssen, der Freund auf der Gallerie sieht in dem kühnen Reiter und Ritter nur den guten Gesellen, mit dem er nach der Vorstellung einen Schoppen leeren wird; und vor dem großen Sprung durch die zwölf Reifen, während wir, rechts und links hin lächelnd und Kußhände werfend, uns heimlich verschnaufen, späht er uns durch die Schminke in's Gesicht, ob unsre Nerven noch in Ordnung sind. Und wenn Alles gut gegangen, so freut er sich gewiß und man hört seine ehrlichen Fäuste unter tausenden heraus; aber der Mann in Hemdsärmeln hinter der Coulisse ist ihm doch lieber als der auf dem hohen Pferde im spanischen seidnen Wamms.

So werden denn auch, ich weiß es, diese Blätter meinen Freunden eine willkommene Gabe sein. Ich bin dessen so sicher und gewiß, daß es gerade diese Gewißheit und Sicherheit ist, was mich früher und später und jetzt mein Skizzenbuch öffnen ließ und öffnen läßt; und was mir auch den Muth giebt, die andre Seite der Medaille mit der nöthigen philosophischen Ruhe zu betrachten.

Die andre Seite aber ist die nicht minder feste, auf langjähriger, aufmerksamer Beobachtung der Menschennatur basirte Ueberzeugung, daß, was den Freunden lieb und willkommen sein wird, den Gegnern widerwärtig und abscheulich erscheinen muß. »Was geht uns seine Person an! wir wollen den Künstler, den Dichter sehen, falls er einer ist – hic Rhodus, hic salta! Persönliche Erlebnisse! jeder kann sie schreiben! Alle sind in dem, was sie verstehen, hinreichend beredt – sagt schon Cicero. Und was dem Herrn beredt scheint, mir däucht es nur zu oft aufdringlich, geschwätzig; und was er vermuthlich für Humor hält – nun ja, seinen Freunden mag es so vorkommen; ich finde es einfach kindisch, läppisch –«

Nur zu, wackerer Gegner; »noch einen Biß, so ist's geschehn!« sprich Dich frei aus! Du überraschst mich nicht und mit nichts. Ich habe Dir noch nie etwas recht gemacht (wenn Du Dir auch manchmal in Fällen, wo die Wage sich zu entschieden auf meine Seite neigte, den Anschein gabst), und werde Dir nie etwas recht machen. Wir sind eben von verschiedenen Rassen; mein Blut fließt anders als Deines, mein Herz schlägt anders als Deines; ja, ich will es Dir nur gestehen: ich habe schon manchmal daran gezweifelt, ob Du überhaupt ein's besitzest. Du siehst, bis zu welchem Grade der Ungerechtigkeit die fundamentale Verschiedenheit der Naturen führt. Man hat nun einmal die Antipathie; man kennt die Gründe des Gegners nicht, aber man mißbilligt sie; man kennt den Gegner selbst nicht, aber man haßt ihn. So geht es mir, so geht es Dir: deshalb keine Schonung! ich werde es Dir, wenn Du mir irgend Gelegenheit giebst, mit Zinsen heimzahlen.

Und nun, ihr meine Freunde, die ich liebe, auch wenn ich euch nicht kenne, deren Lob so wohlthut, auch wo es vollständig unverdient – da habt Ihr »aus meinem Skizzenbuche« so viel, wie ich glaube, daß es für einmal genug ist. Les't es; und wenn Ihr, wie ich überzeugt bin, Eure Freude daran habt und nach mehr verlangt, sagt es ungescheut: ich bin bereit, den Tisch neu zu decken,

»Manches Gericht zufügend, und gern mittheilend vom Vorrath.«

Berlin, im Juni 1874.
Friedrich Spielhagen.


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