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8. Kapitel. Gemütsruhe

Vgl. dazu Seneca, Vom glückseligen Leben (Kröners Taschenausgabe), zweites Stück: Von der Gemütsruhe.

Der Himmel ist eine Stimmung des Gemütes, kein Ort.

Chalmers.

Man sagt, daß die Menschen im Leben ebensoviel durch ihre Gemütsruhe, wie durch ihre Talente erreichen. Wie dem auch sein mag, es ist gewiß, daß ihr Lebensglück hauptsächlich auf ihrer Gemütsruhe, ihrer Geduld und Nachsicht und ihrer Güte und Rücksicht gegen andere beruht. Plato sagt mit Recht, daß, wenn man das Glück anderer sucht, man auch das eigene findet.

Es gibt Naturen von so glücklicher Veranlagung, daß sie in allem etwas Gutes finden. Kein Unglück ist so groß, daß sie nicht etwas Trost oder Beruhigung darin finden – kein Himmel so schwarz, daß sie nicht aus irgend einem Winkel einen Sonnenstrahl entdecken und wenn die Sonne ihren Augen verborgen bleibt, so trösten sie sich mit dem Gedanken, daß sie doch da ist, wenn sie auch zu irgend einem guten, weisen Zwecke verhüllt ist.

Solche glückliche Naturen sind zu beneiden. In ihren Augen glänzt ein Strahl, ein Strahl von Vergnügen, Freude, Religion, Heiterkeit, Philosophie oder wie man es nennen mag. In ihrem Herzen wohnt der Sonnenschein und ihr Geist vergoldet alles mit seinem Glänze. Wenn sie Lasten zu tragen haben, so tun sie dies freudig, nicht mit Sorgen und Grämen, oder indem sie ihre Kraft in nutzlosen Klagen verschwenden, sondern mannhaft kämpfend und die Blumen pflückend, die auf ihrem Pfad erblühen.

Man darf nun keineswegs annehmen, daß diese Menschen schwach und unüberlegt seien. Die größten und umfassendsten Naturen sind im allgemeinen auch die heitersten, die liebenswürdigsten, die hoffnungsvollsten und vertrauendsten. Dem Weisen gelingt es am schnellsten, den moralischen Sonnenschein hinter der dunklen Wolke zu entdecken. Im gegenwärtigen Übel sieht er ein zukünftiges Gutes, im Schmerz erkennt er das Bemühen der Natur, die Gesundheit wiederzuerlangen, in schweren Prüfungen findet er Besserung und Schulung und in Sorgen und Leiden gewinnt er Mut, Kenntnisse und die beste praktische Weisheit.

Als Jeremias Taylor alles verloren hatte, als sein Haus gepfändet, seine Familie auf die Straße gesetzt und all sein Hab und Gut subhastiert worden war, konnte er noch schreiben: »Ich bin in die Hände von Steuereinnehmern und Gerichtsvollziehern gefallen und sie haben mir alles genommen. Was nun? Laßt mich sehen. Sie haben mir Sonne und Mond gelassen, ein liebendes Weib und viele Freunde, die mich bemitleiden und einige, die mir helfen, und ich kann noch reden und habe noch meine heitere Gefaßtheit, meinen frohen Geist und ein gutes Gewissen behalten. Man hat mir noch die göttliche Vorsehung und die Verheißungen des Evangeliums gelassen und meine Religion, meine Hoffnung auf den Himmel und meine Liebe zu ihm, und noch schlafe, esse und trinke ich, noch lese und denke ich ... Und wer so große und so viele Ursachen zur Freude hat, muß Sorge und Kummer sehr lieben, wenn er sich trotz jener Freude auf seine kleine Handvoll Dornen setzt«.

Obgleich die Fröhlichkeit sehr eine Sache angeborenen Talents ist, kann sie auch wie jede andere Gewohnheit anerzogen und gepflegt werden. Wir können dem Leben viel Gutes, aber auch viel Schlimmes abgewinnen; und es hängt im wesentlichen von uns ab, ob wir Freude oder Elend aus ihm ziehen. Es gibt immer zwei Seiten des Lebens, je nachdem wir es anschauen und wählen – eine heitere und eine düstere Seite. Wir können unsere Willenskraft zu einer Wahl bringen und so die Gewohnheit des Glücks oder Unglücks erringen. Wir können auch die Veranlagung, immer die heitere Seite anstatt der dunklen zu sehen, kräftigen. Und während wir die Wolke sehen, dürfen wir das Auge der silbernen Umrandung nicht verschließen.

Der Glanz im Auge gießt Helligkeit, Schönheit und Freude über das ganze Leben aus. Er wärmt, was kalt ist, tröstet im Leid, erleuchtet die Unwissenheit, erheitert den Kummer. Er verleiht dem Geiste höhere Wirkung und der Schönheit einen höheren Reiz. Ohne ihn fühlt man den Sonnenschein des Lebens nicht, sieht oder erkennt man die Wunder des Himmels und der Erde nicht, ohne ihn blühen die Blumen vergeblich und ist die Schöpfung nur eine öde, unbelebte, unbeseelte Wüste.

Während die Heiterkeit des Gemüts eine reiche Quelle der Freuden ist, bildet sie auch eine sichere Schutzwehr des Charakters. Ein frommer Schriftsteller der Gegenwart beantwortete die Frage: Wie sollen wir Versuchungen überwinden? folgendermaßen: »Zum ersten durch Heiterkeit, zum andern durch Heiterkeit und zum dritten durch Heiterkeit.« Die Heiterkeit ist der beste Boden, auf dem Güte und Tugend gedeihen. Sie verleiht dem Herzen Helligkeit und dem Geiste Spannkraft. Sie ist die Begleiterin der Liebe, die Amme der Geduld, die Mutter der Weisheit. Sie ist das beste, moralische und geistige Stärkungsmittel. »Die beste aller Herzstärkungen,« sagte Dr. Marshall Hall zu einem seiner Patienten, »ist die Heiterkeit«. Und der weise Salomon sagte, daß »ein fröhliches Herz gut tut wie ein Heiltrank«.

Als man Luther einst um ein Heilmittel für Schwermut bat, sagte er: »Fröhlichkeit und Mut – unschuldige, vernünftige Fröhlichkeit und ehrenhafter Mut – sind das beste Mittel für Junge und Alte, für alle Menschen gegen traurige Gedanken.«

Nächst der Musik, wenn nicht noch mehr als sie, liebte Luther Kinder und Blumen. Der große Mann hatte in seiner rauhen Schale ein Herz von weiblicher Zartheit.

Die Heiterkeit ist auch eine Eigenschaft, welche den Menschen sehr gut kleidet. Man hat sie das schöne Wetter des Herzens genannt. Sie verleiht der Seele Harmonie und ist ein unaufhörliches Lied ohne Worte. Sie ist gleichbedeutend mit Ruhe, denn sie gestattet der Natur, ihre Stärke wiederzugewinnen; dagegen zehren Ärger und Unzufrieden an der Kraft, da sie eine beständige Aufregung mit sich bringen.

Wie kommt es, daß wir Leute wie Lord Palmerston bei rüstigem Schaffen alt werden sehen? Hauptsächlich durch eine gleichmäßige Gemütsstimmung und beständige Heiterkeit. Sie erzogen sich zu der Gewohnheit, geduldig zu bleiben, sich nicht so leicht reizen zu lassen, zu ertragen und zu vergeben, harte und ungerechte Dinge von sich sagen zu hören, ohne in unschicklichen Zorn zu verfallen, und ärgerliche, kleinliche selbstquälerische Sorgen zu unterlassen. Ein vertrauter Freund von Lord Palmerston, der ihn zwanzig Jahre lang beobachtete, sagte, daß er ihn mit vielleicht einer Ausnahme nie zornig sah; diese Ausnahme fand statt, als das Ministerium, das für das Mißgeschick in Afghanistan verantwortlich war und wozu er auch gehörte, von seinen Gegnern ungerechterweise der Falschheit, des Meineids und der absichtlichen Vernichtung öffentlicher Dokumente angeklagt wurde.

Soweit man das aus den Biographien erkennen kann, sind Leute von Genie meistens heiter und zufrieden gewesen – nicht begierig nach Ruhm, Geld oder Macht – sondern das Leben genießend und empfänglich für die Freude, wie es sich in ihren Werken widerspiegelt. So scheinen Homer, Horaz, Virgil, Montaigne, Shakespeare und Cervantes gewesen zu sein. Eine gesunde, heitere Fröhlichkeit tut sich in ihren Werken kund. Zu derselben Klasse frohgesinnter Männer dürfen auch Luther, More, Bacon, Leonardo da Vinci, Raphael und Michel Angelo gezählt werden. Vielleicht waren sie glücklich, weil sie immer reiche Beschäftigung und die schönste aller Aufgaben hatten – aus der Fülle und dem Reichtum ihres großen Geistes heraus zu schaffen.

Auch Milton war trotz seiner vielen Prüfungen und Leiden ein Mann von großer natürlicher Spannkraft und Heiterkeit. Obgleich erblindet, von Freunden verlassen und in schlimme Tage geraten, – »vor sich Dunkelheit und hinter sich die Stimme der Gefahr« – so verlor er doch weder den Mut noch die Hoffnung, sondern »raffte sich auf und steuerte vorwärts.«

Henry Fielding war im Leben von Schulden, Schwierigkeiten aller Art und körperlichen Leiden bedrückt; und doch konnte Lady Mary Wotley Montagu von ihm sagen, daß er dank seiner heiteren Veranlagung mehr glückliche Augenblicke gekannt hatte als eine andere Person auf Erden.

Dr. Johnson war in allen seinen Prüfungen, Leiden und harten Kämpfen mit dem Geschick ein mutiger, heiter gesinnter Mann. Er benutzte mannhaft das Leben nach besten Kräften und suchte glücklich zu sein. Als einst ein Geistlicher sich über den Stumpfsinn der Landgesellschaft beklagte, weil »sie nur über Jungvieh redeten«, schmeichelte die Mutter von Frau Thrale Dr. Johnson mit den Worten: »Sir, Dr. Johnson würde es auch lernen, über Jungvieh zu reden,« womit sie meinte, daß er ein Mann wäre, der sich in jeder Lage zurechtfinden würde.

Johnson war der Ansicht, daß der Mensch mit den Jahren immer besser und milder würde. Das ist sicherlich eine freundlichere Auffassung der menschlichen Natur als die Lord Chesterfields, der das Leben mit den Augen eines Zynikers ansah und behauptete, »daß das Leben mit dem Alter nicht besser, sondern härter würde.« Aber beide Aussprüche sind richtig, je nach dem Standpunkt, von dem man das Leben ansieht und je nach dem Temperament, von dem der Mensch beherrscht wird; denn während die guten, welche die Erfahrung benutzen und sich durch Selbstbeherrschung schulen, besser werden, können die Menschen mit schlimmen Anlagen, unbeeinflußt durch die Erfahrung, nur schlechter werden.

Walter Scott war ein Mann voller menschlicher Güte. Jedermann liebte ihn. Schon nach fünf Minuten hatten die Kleinen der Familie, wo er weilte, selbst wenn sie kaum lallen konnten, seine Güte zu ihresgleichen entdeckt.

»Gebt mir etwas Ordentliches zu lachen,« pflegte Scott zu sagen; denn er lachte gerne von Herzen. Er hatte für jeden ein gütiges Wort, und seine Freundlichkeit wirkte ansteckend und verscheuchte die Zurückhaltung und Scheu, die sein großer Name einflößte.

Sydney Smith war ebenfalls ein Beispiel für die Macht der Heiterkeit. Er war immer bereit, die Dinge von der besten Seite zu nehmen, die dunkelste Wolke hatte für ihn einen silbernen Lichtsaum. Ob er als Landpfarrer oder Gemeinderektor wirkte, er war stets gütig, arbeitsam, geduldig und vorbildlich; in jeder Lebenssphäre bot er den Geist eines Christen, die Freundlichkeit eines Pastoren und die Ehre eines wackeren Mannes dar. In seinen Mußestunden wirkte er mit der Feder für Gerechtigkeit, Freiheit, Bildung, Toleranz, Emanzipation; seine Schriften, so voll sie von gesundem Menschenverstand und Humor sind, werden nie trivial; auch strebte er nie nach Volksgunst oder liebäugelte mit Vorurteilen. Dank seiner natürlichen Lebhaftigkeit und seiner gesunden Konstitution verließ ihn sein Humor nie, und im Alter, als er von Krankheit geplagt wurde, schrieb er an einen Freund: »Ich habe Gicht, Asthma und noch sieben andere Krankheiten, befinde mich aber sonst recht wohl.« In einem seiner letzten Briefe an Lady Carlisle schrieb er: »Wenn Sie von sechzehn oder achtzehn Pfund Fleisch hören sollten, die ihr Eigentümer verloren hat – sie gehören mir. Ich sehe aus, als ob ich ein Kandidat der Theologie wäre.«

Große Männer der Wissenschaft sind größtenteils geduldig, arbeitsam und fröhlich gewesen. Zu ihnen gehören Galilei, Descartes, Newton und Laplace. Der Mathematiker Euler, einer der größten Naturphilosophen, ist ein ausgezeichnetes Beispiel. Gegen Ende seines Lebens erblindete er völlig, aber er schrieb so fröhlich wie zuvor weiter, indem er den fehlenden Sinn durch verschiedene sinnreiche, mechanische Erfindungen und eine vermehrte Ausbildung des Gedächtnisses ersetzte. Sein Hauptvergnügen fand er in der Gesellschaft seiner Enkel, denen er in der Pausen ernsteren Studiums ihre kleinen Lektionen lehrte. In derselben Weise fand Professor Robinson von Edinburg, der erste Herausgeber der »Encyclopædia Britannica« sein Hauptvergnügen in der Gesellschaft seines Enkelkindes, als ihn eine lange schmerzhafte Krankheit von der Arbeit abhielt. »Es macht mich unendlich glücklich,« schrieb er an James Watt, »das Wachstum der kleinen Seele zu beobachten und besonders, an ihren unzähligen, früher unbeachteten Instinkten Anteil zu nehmen. Ich danke den französischen Theoretikern, daß sie meine Aufmerksamkeit in höherem Maße auf den Finger Gottes lenkten, den ich in jeder ungeschickten Bewegung, jeder Laune des Kindes entdecke. Es sind alles Wächter seines Lebens, seines Wachstums und seiner Kraft. Ich bedaure in der Tat, daß ich nicht die Zeit habe, das Kindesalter und die Entwicklung seiner Kräfte zum Gegenstande meines Studiums machen zu können.«

Eine der schwersten Prüfungen, die dem Temperament und der Geduld eines Mannes auferlegt werden können, hatte der Naturphilosoph Abauzit während seines Aufenthaltes in Genf zu bestehen. Sie ähnelt in mancher Beziehung einem ähnlichen Mißgeschick, welches Newton betraf und das er mit gleicher Ergebenheit trug. Neben manchem andern widmete Abauzit dem Barometerstande und seinen Veränderungen ein eingehendes Studium, um die Gesetze des Luftdrucks zu ergründen. Während siebenundzwanzig Jahren machte er täglich zahlreiche Beobachtungen und zeichnete sie auf besonders hergerichteten Streifen Papier auf. Als eines Tages ein neues Dienstmädchen ins Haus kam, zeigte sie sofort ihren Eifer dadurch, daß sie »alles in Ordnung« brachte. Gleich den andern Zimmern wurde auch Aubauzits Studierzimmer aufgeräumt. Als er hereintrat, fragte er das Dienstmädchen: »Was haben Sie mit dem Papier gemacht, das um das Barometer gewickelt war?« – »O, Sir,« war die Antwort, »es war so schmutzig, daß ich es verbrannte und an Stelle dessen dieses Papier anbrachte, was, wie Sie sehen, ganz neu ist.« Abauzit kreuzte die Arme und nach einigen Augenblicken inneren Kampfes sagte er in ruhigem, ergebenem Tone: »Sie haben die Resultate einer siebenundzwanzigjährigen Arbeit zerstört; rühren Sie in Zukunft nichts in diesem Raume an.«

Das Studium der Naturgeschichte scheint mehr als irgend ein anderer Wissenszweig die Heiterkeit und Gemütsruhe ihrer Anhänger zu fördern. Das Resultat davon ist, daß das Leben der Naturforscher im allgemeinen länger ist als dasjenige anderer Männer der Wissenschaft. Ein Mitglied der Linné-Gesellschaft hat uns berichtet, daß von vierzehn Mitgliedern, die im Jahre 1870 starben, zwei über neunzig, fünf über achtzig und zwei über siebzig Jahre alt waren. Das Durchschnittsalter der in diesem Jahre verstorbenen Mitglieder betrug fünfundsiebzig Jahre.

Der französische Botaniker Adanson war etwa siebzig Jahre alt, als die Revolution ausbrach. In dem Tumult verlor er alles – sein Vermögen, seine Ämter, seine Gärten. Aber nie verließen ihn Geduld, Mut und Ergebenheit. Er geriet in die äußerste Bedrängnis und es mangelte ihm sogar an Nahrung und Kleidung, dennoch blieb sein Forschungstrieb derselbe. Als ihn einst das Botanische Institut als eines seiner ältesten Mitglieder zu einer Sitzung einlud, antwortete er, er bedaure sehr, er hätte keine Schuhe. »Es war ein rührender Anblick,« sagt Cuvier, »den Alten sich über die Reste eines verglimmenden Feuers beugen zu sehen und zu versuchen, einige Buchstaben mit schwacher Hand auf das Stückchen Papier zu kritzeln, wobei er alle Mühsale des Lebens über einer neuen Idee in der Naturgeschichte zu vergessen schien, die zu ihm wie eine wohltätige Fee kam, um ihn in seiner Einsamkeit zu trösten«. Das Direktorium setzte ihm eine kleine Pension aus, welche von Napoleon verdoppelt wurde. Schließlich in seinem neunundsiebzigsten Jahre brachte ihm ein leichter Tod die Erlösung. Eine Klausel in seinem Testament, welche sich auf sein Begräbnis bezog, illustriert den Charakter des Mannes. Er bestimmte, daß sein Sarg von einer Blumengirlande, die achtundfünfzig Familien stifteten, denen er in ihrem Fortkommen geholfen hatte, geschmückt werden sollte – ein schlichtes aber rührendes Bild von dem dauerhaften Denkmal, das er sich in seinen Werken errichtet hatte.

Dies sind nur wenige Beispiele von der fröhlichen Wirksamkeit großer Männer, aber man könnte noch unzählige anführen. Alle großen gesunden Naturen sind ebenso heiter wie hoffnungsvoll. Ihr Beispiel ist ansteckend und mitteilend und erleuchtet und erheitert alle, die in den Bereich ihres Einflusses kommen.

John Malcolm soll in einem entmutigten Feldlager in Indien wie »ein Sonnenstrahl erschienen sein«, und niemand verließ ihn ohne ein Lächeln. Er war noch »Jung Malcolm«, und es war unmöglich, dem Zauber seiner genialen Gegenwart zu entgehen.

Auch Edmund Burke besaß dieselbe Frohnatur. Als sich einst bei einem Diner bei Sir Joshua Reynolds die Unterhaltung auf die Zuträglichkeit geistiger Getränke für bestimmte Temperamente lichtete, sagte Johnson: »Rotwein ist für Knaben, Portwein für Männer und Branntwein für Helden.« »Dann möchte ich Rotwein haben,« sagte Burke, »denn ich wäre gern ein Knabe, um die sorglose Heiterkeit des Knabenalters zu besitzen.« So gibt es junge Greise und alte Jünglinge – einige, die im Alter noch so heiter und fröhlich wie Knaben sind, und andere, die schon in der Jugend so mürrisch und freudlos sind wie verbitterte Greise.

In Gegenwart einiger frühreifer Jünglinge hörten wir einst einen fröhlichen alten Mann sagen, es würde bald nur noch »alte Knaben« geben. Die Heiterkeit, die großmütig und genial, freudig und herzlich ist, ist nie ein Merkmal der Frühreife. Goethe pflegte von altklugen Leuten zu sagen: »Ach, wenn sie nur den Mut hätten, eine Dummheit zu begehen.« »Hübsche Puppen« nannte er sie und wandte sich ab.

Das wahre Fundament der Heiterkeit ist Liebe, Hoffnung und Geduld – Liebe erweckt wieder Liebe und erzeugt Güte. Die Liebe ruft bei andern hoffnungsfreudige und großmütige Gedanken hervor. Sie ist mildtätig, sanft und wahrhaftig und findet das Gute heraus. Sie sucht immer die beste Seite der Dinge hervor und wendet sich immer zum Glück. Sie sieht den Glanz im Tau des Grases, den Sonnenschein auf den Blumen. Sie ermutigt glückliche Gedanken und lebt in einer Sphäre der Heiterkeit. Sie kostet nichts und ist doch von unschätzbarem Werte; denn sie segnet ihren Eigentümer und geht in reichem Glücke in dem Busen anderer auf. Sogar ihre Sorgen sind mit Freude verknüpft und ihre Tränen sind süß.

Bentham stellt als Grundsatz auf, daß ein Mann im Verhältnis zu der Freude, die er andern bereitet, selbst Freude empfindet. Seine Freundlichkeit erwartet Freundlichkeit und sein Glück wird durch seine Wohltätigkeit erhöht. »Gütige Worte«, sagt er, »kosten nicht mehr als unfreundliche, aber sie rufen freundliche Handlungen nicht nur von seiten des Empfängers, sondern auch bei dem Spender hervor, und dies geschieht nicht gelegentlich, sondern gewöhnlich, dank dem Gesetze der Assoziation.« .... »Es kann vorkommen, daß eine Wohltat dem nichts nützt, für den sie beabsichtigt war; aber wenn sie richtig ausgeführt wurde, muß sie dem Spender Segen bringen. Ein gutes und freundliches Betragen kann eine unwürdige, undankbare Erwiderung finden; aber der Mangel an Dankbarkeit seitens des Empfängers kann die Billigung des eigenen Gewissens aufheben, wodurch der Spender belohnt wird, und wir können doch die Saat der Höflichkeit und Güte mit so geringer Mühe ausstreuen. Ein Teil wird sicherlich auf guten Boden fallen und in dem Geiste anderer aufgehen; immer aber wird sie die Frucht des Glücks in dem Busen dessen erzeugen, von dem sie ausgeht. Einmal wird jede Tugend gesegnet, zweimal bisweilen.«

Der Dichter Rogers pflegte eine Geschichte von einem kleinen Mädchen zu erzählen, dem Lieblinge aller, die sie kannten. Jemand sagte zu ihr: »Warum liebt dich jedermann so sehr?« Sie antwortete: »Ich glaube, weil ich jedermann so sehr liebe.« Diese kleine Geschichte hat eine sehr weite Nutzanwendung, denn unser Menschenglück verhält sich im allgemeinen wie die Liebe, welche wir austeilen und empfangen. Und der größte irdische Erfolg, wie ehrenhaft er auch errungen sein mag, wird verhältnismäßig wenig zum Glück beitragen, wenn er nicht von lebhaftem Wohlwollen gegen das Menschengeschlecht begleitet ist.

Die Freundlichkeit ist in der Tat eine große Macht in der Welt. Leigh Hunt sagt mit Recht, daß »die rohe Gewalt an sich nicht halb so viel Macht hat wie die Güte.« Die Menschen lassen sich am leichtesten leiten, wenn man ihre Zuneigung besitzt. Ein französisches Sprichwort sagt: »Les hommes se prennent par la douceur,« und ein volkstümliches englisches Sprichwort sagt: »Mit Honig fängt man mehr Wespen als mit Essig.« »Jede gütige Handlung,« sagt Bentham, »ist die Ausübung einer Kraft und ein neues Band der Freundschaft; und warum sollte sich die Macht nicht darin äußern, daß sie Freude anstatt Schmerzen schafft?«

Die Güte besteht nicht in reichlichen Gaben, sondern in Sanftmut und Wohlwollen. Man kann jemandem Geld aus der Börse geben und ihm doch die Teilnahme des Herzens versagen. Diese Art Güte, die sich im Geldgeben offenbart, hat nicht viel zu bedeuten und stiftet oft mehr Unheil als Segen, aber die Güte wahrer Teilnahme, wohldurchdachter Hilfe bleibt nie ohne wohltätigen Erfolg.

Ein gutes Gemüt, das sich in Güte offenbart, darf nicht mit Schwäche oder Einfalt verwechselt werden. In seiner besten Form ist es nicht ein passiver, sondern ein aktiver Zustand. Es ist keineswegs gleichgültig, sondern teilnehmend. Es charakterisiert nicht die niedrigsten, sondern die höchst organisierten Formen menschlichen Lebens. Wahre Güte hegt und fördert alle Bestrebungen, welche darauf ausgehen, praktisch Gutes zu stiften und von der Zukunft hofft sie, daß in ihr derselbe Geist an der Erhebung und dem Glück des Menschengeschlechts arbeiten werde.

Nur die zur Güte veranlagten Menschen sind tätige Arbeiter in der Welt, während die selbstsüchtigen und skeptischen Menschen, die nur sich selbst lieben, träge sind. Buffon pflegte zu sagen, er gäbe nichts auf einen jungen Mann, der nicht mit einer Art Enthusiasmus ins Leben träte. Er beweise dadurch, daß er an etwas Gutes, Erhabenes und Edles glaube, wenn dies auch unerreichbare Ideale wären. Egoismus, Skeptizismus und Selbstsucht sind immer elende Gefährten im Leben und sind besonders in der Jugend unnatürlich. Der Egoist kommt dem Fanatiker am nächsten. Immer mit sich selbst beschäftigt, bleibt ihm kein Gedanke für andere. Er kommt immer auf sich zurück, denkt nur an sich und studiert nur immer sich, bis sein »Ich« sein kleiner Abgott wird. Die schlimmsten Leute sind die, welche beständig mit dem Geschicke hadern und murren, welche finden, »daß alles Bestehende böse ist« und doch nichts tun, um es gut zu machen – welche alles öde finden »von Dan bis Berseba«. Diese Pessimisten erweisen sich als die unfähigsten Helfer in der Schule des Lebens. Wie die schlechtesten Arbeiter am schnellsten bereit sind zu streiken, so sind die trägsten Mitglieder der Gesellschaft am schnellsten mit der Klage bei der Hand. Das schlechteste Rad knarrt am meisten.

Man kann die Unzufriedenheit groß ziehen, bis das Gemüt ganz verbittert wird. Wer ein galliges Gemüt hat, sieht alles schwarz. Dem Übelwollenden scheint alles verkehrt und die Welt außer Rand und Band. Alles ist eitel und ärgert nur den Geist. Die Kleine im »Punch«, die ihre Puppe voll Kleie gestopft fand und daher erklärte, weil alles auf Erden hohl sei, wolle sie ins Kloster gehen, findet ihr Gegenstück im Leben. Manche Erwachsene sind ebenso unvernünftig. Es gibt Leute, die sich gewissermaßen »einer schlechten Gesundheit erfreuen«, und die sie als eine Art Besitztum ansehen. Sie sprechen solange von »meinen Kopfschmerzen«, »meinen Kreuzschmerzen« usw., bis diese Leiden allmählich ihr liebstes Besitztum werden. Aber vielleicht weiden sie ihnen zu einer Quelle des Mitgefühls, ohne das sie sich in der Welt sehr klein und unwichtig vorkommen müssen.

Wir müssen bei kleinen Übeln auf der Hut sein, daß wir sie nicht ermutigen und vergrößern. In der Tat ist die Hauptquelle des Leidens in der Welt nicht wirklich, sondern nur eingebildetes Übel – kleine Leiden und Ärgernisse. Gegenüber einer großen Sorge verschwinden alle kleinen Verstimmungen, aber wir sind nur zu leicht geneigt, ein kleines Leid als Schoßkind groß zu ziehen. Oft ist es nur eine Ausgeburt unserer Phantasie, und wir verhätscheln dies unser Schmerzenskind, ohne zu bedenken, wieviele Mittel zum Glück uns zur Verfügung stehen, bis es uns beherrscht. Wir schließen die Tür für die Heiterkeit und umgeben uns mit Finsternis. Da aber die Gewohnheit dem Leben seine Färbung gibt, werden wir grämlich, mürrisch und unsympathisch.

Das ruhelose, ängstliche, unzufriedene Gemüt, das der Sorge immer auf halbem Wege entgegenkommt, ist dem Glück und Seelenfrieden verhängnisvoll. Wie oft sieht man Menschen, die sich gleichsam in ein Stachelkleid gehüllt haben, so daß man sich ihnen kaum zu nähern wagt, aus Furcht, gestochen zu werden. Durch Mangel an ein wenig Selbstbeherrschung entsteht bisweilen in der Gesellschaft ein geradezu schreckliches Elend. So wird die Freude in Bitterkeit verwandelt, und das Leben wird zu einem Marsch barfüßig über Dornen, Disteln und Nesseln. »Obgleich bisweilen kleine Übel wie kaum sichtbare Insekten große Schmerzen verursachen,« sagt Richard Sharp, »und ein einziges Härchen eine große Maschine zum Stillstand bringen kann, so liegt doch das Hauptgeheimnis des Wohlbefindens darin, daß man sich nicht von kleinen Übeln quälen läßt und daß man klüglich die kleinen Freuden hegt, da uns die großen leider nicht lange beschieden sind.«

Man überwindet die Übel nicht dadurch, daß man ihnen entgegenkommt. Wenn wir immer unsere Bürde mit uns herumschleppen, wird sie uns unter ihrer Last erdrücken. Wenn das Übel kommt, müssen mir ihm vielmehr tapfer und hoffnungsvoll entgegentreten. Was Perthes an einen jungen Mann schrieb, der sich Kleinigkeiten und Sorgen zu sehr zu Herzen zu nehmen schien, war ohne Zweifel ein guter Rat: »Schreite hoffnungsvoll und vertrauensvoll vorwärts. Dies ist der Rat eines alten Mannes, der einen vollen Anteil von des Tages Last und Hitze getragen hat. Wir müssen immer aufrecht stehen, was auch geschehen mag, und zu diesem Zwecke müssen wir uns fröhlich den mannigfachen Einflüssen dieses vielgestaltigen Lebens unterwerfen. Du wirst dies vielleicht Oberflächlichkeit nennen und du hast teilweise recht; denn Blumen und Farben sind nur Kleinigkeiten, so leicht wie die Luft,– aber solche Oberflächlichkeit ist ein notwendiger Bestandteil der menschlichen Natur, ohne welchen sie der Schwere des Daseins erliegen würde.«


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