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5.

Es ist der dritte Weihnachtstag. Sara kommt von der kleinen Geschäftsstadt, die sich rings um den Schornstein der Genossenschaftsmeierei herumgebildet hat. Sie schreitet quer über die Felder dem Wiesenhofe zu.

Das Wetter ist schön. Der Schnee liegt nicht hoch, aber gleichmäßig über den Feldern, ohne kahle Stellen, und diese feste Schneedecke hat eine dünne glasartige Kruste, auf der die kleinen abgebröckelten Stücke bei jedem Schritt, den sie tut, nach allen Seiten rieseln.

Die kleinen zugefrorenen Teiche, an denen sie vorbeikommt, sind voll krummer Linien und Risse von den Schlittschuhen der spielenden Kinder und wie gepudert mit feinen Eisstückchen wie der Staub auf der Violine nach dem Bogenstrich.

Das Eis, das auf Gräben und Pfützen liegt, schlägt mit singendem Ton tiefe Risse. Jeder Laut wird in der Luft zum Ton. Auch der Fjord ist an den Rändern zugefroren bis hinaus zur großen Tiefe. Die Mitte aber ist dunkelblau und die Wellen darauf tanzen hinaus ins Meer und in die weite Welt.

Es saust vor Saras Ohren und ihr Blut kocht; noch nie hat sie solch ein Weihnachtsfest erlebt.

Am zweiten Neujahrstag ist Ball im Hallumer Krug; kein öffentlicher Tanz, sondern Ball für die Jugend eines auserwählten Kreises.

Und sie soll mit dabei sein; Anders ist der Obmann des Ganzen, und sie soll mit.

Sie hat den Weg erreicht und setzt nun die Füße an im Polkatakt. Sie soll mit. Das hatte Anders für sie durchgesetzt.

Jetzt kam sie von der Schneiderin. Sie hatte ihr den Stoff gebracht für ihr Ballkleid, weißen, durchsichtigen Waschstoff. Das konnte reizend werden. Solch ein Kleid hat sie noch nie besessen.

Vielleicht hätte sie doch lieber den weißen Mousselin mit den blauen Blumen nehmen sollen, aber das wäre wohl für sie zu auffallend gewesen. Der durchsichtige Waschstoff könnte auch sehr hübsch werden, wenn die Taille oben ohne Futter blieb, mit einem Plissee um Brust und Schultern und hohem Stehkragen. Und dann um die Taille vielleicht einen roten Seidengürtel.

Dann brauchte sich Anders ihrer nicht zu schämen. Und dies Kleid war viel billiger als das andere, und dann konnte es gewaschen werden ...

Aber sie mußte eilen, um heim zu kommen und dann so fleißig, so fleißig sein die ganze Weihnachtswoche, das war nur in der Ordnung.

Boel sollte ihre Verwandten besuchen, jenseits der Berge, wo sie ihre Kinder in Pflege gegeben hatte; der Junge war im Westen zu Hause, und Sören, der Großknecht sollte auch fort; es gab also genug zu tun. Aber sie konnten ruhig fortgehen, alle miteinander – Sara hatte das Gefühl, als könnte sie mit Leichtigkeit den ganzen Hof allein besorgen, wenn es hätte sein sollen.

Die Weihnachtswoche vergeht Sara wie ein Tag, ein froher, schnell verstreichender Tag, den sie in einem Ruck durchlebt.

Wenn die anderen fort sind, sitzt sie abends drinnen im Wohnzimmer bei den Wiesenhofleuten, die gewöhnlich irgend ein Weihnachtslied singen. Sara hat eine klare, schöne Stimme, und die Bäuerin Maren sagt ihr, daß sie mit der ganzen Stimme singen soll. Saras Gesang ist nämlich so eigentümlich lebendig und kommt so aus freuderfüllter Brust, daß der Wiesenhofbäuerin beim Zuhören die alten Verse ganz frisch und jung vorkommen. Niels, der Mann, sitzt dabei ganz still und fühlt sich außerordentlich wohl.

Es sind ja die Töne aus Saras Kindheit, es ist von ihm die Rede, der aus aller Not hilft, und vom himmlischen Gesang der Engel. Das Herz klopft so leise.

Aber deutlicher noch und näher als den Gesang der Engel vernimmt Sara die Ballmusik der Violinen und Klarinetten. Und der Gedanke, daß sie den ganzen zweiten Neujahrsabend in Anders Nähe sein soll, ist Saras schönstes Weihnachtsgeschenk.

Am Sonnabend hat sie Anprobe. Es bleibt grad in der Dämmerung noch so viel Zeit, zur Schneiderin zu laufen.

Doch da sind noch viele andere, die in der Schneiderstube anprobieren sollen.

Sara sitzt unruhig; sie bekommt geradezu Fieber vom Warten, denn sie hat noch so viel zu tun daheim.

Sie hat aber trotzdem nicht den Mut, dies zu sagen und zur Eile anzutreiben, denn es sind die Töchter so netter und wohlhabender Leute, die zugegen sind.

Außerdem hat sie auch Furcht, der Schneiderin zu mißfallen, in deren Hand ihr Schicksal ruht; diese beeilt sich ja auch, so sehr sie kann.

Aber es gibt so unendlich viel Nadeln, die umgesteckt werden müssen, und es nimmt kein Ende.

Schließlich rafft sie sich auf und sagt, es sei gewiß besser, daß sie morgen käme.

Ja, wenn sie das könnte, so wäre es gewiß das beste.

Ja, das kann Sara gut. Sie antwortet anscheinend so vergnügt, als wäre es die leichteste Sache der Welt, weiß dabei aber ganz genau, wie viel Schwierigkeit damit verbunden sein wird.

Also diese feinen Hofbesitzertöchter waren es, mit denen sie zusammensein sollte. Wenn sie sich jetzt nur so benehmen könnte, wie sie müßte, damit sie Anders gefiel. Er hatte ihretwegen so viel auszustehen gehabt ... Ob sie wohl etwas ins Haar stecken sollte, etwa eine rote Schleife? Nein, das Haar war ja sowieso rot. Aber ein Band auf der Schulter, ein kleines, flottes Band vielleicht ...

Am Sonntag probiert Sara das Futter an. Aber als sie am Montag wieder zur Anprobe kommt, ist die Schneiderin nicht damit fertig.

Dienstagabend ist der Ball. Sara muß das Kleid um 7 Uhr holen.

Es ist der letzte Augenblick. Daher will sie sich zu Hause erst vollständig fertig machen und dann nur hineingehen und das Kleid überziehen, damit sie nicht so spät daherkommt nach all den anderen.

Vor dem Spiegel, der auf ihrer Kommode steht, löst sie das Haar. Es wälzt sich an ihrem Körper hinab. Es wogt goldig glänzend mit dunklerem Schatten. Kaum daß sie den Kamm hindurchzwingen kann, so dick ist es, und es ist ganz unbändig.

Plötzlich schüttelt sie voll Ausgelassenheit den Kopf und läßt das Haar fallen, wie es will.

Sie schaut darunter hervor, wie hinter einem Gitter und lächelt ihrem eigenen Spiegelbilde zu.

Erst schlingt sie das Haar zu einem Strang, den sie zu einem Knoten zusammenrollt. Aber auf diese Weise sitzen die Stirnhaare gar zu straff; sie versucht wohl daran zu lockern, da sie aber keinen Kamm zum Stützen hat, gibt sie es auf.

Dann flicht sie das Haar in zwei Flechten, die sie im Nacken zusammenschlingt. Dadurch bekommen die vorderen Haare eine freiere Lage; leicht und lose liegen sie auf der Stirn und fallen ganz von selber in drei wogenden, welligen Locken von links nach rechts hinab.

Die Haarfrisur nimmt am meisten Zeit in Anspruch. Sobald Sara fertig ist, beginnt sie in der Kammer aufzuräumen. Sie ist so leicht wie eine Feder und berührt kaum den Erdboden. Noch ein paar Mal blickt sie in den Spiegel, ordnet noch etwas am Haar und löscht dann die Lampe aus.

Sara weiß nicht, was sie alles tun möchte, um das Glück zu verdienen, dem sie entgegengeht. Ihr Herz ist so voll. Sie fühlt nur, daß sie gut sein will, so gut, so gut.

Und während sie im Abenddunkel vorwärts schreitet, drückt sie die Hände an die Brust und dankt Gott im Himmel aus ihrem kindlich frommen Gemüt.

Wie Sara eintritt, sitzt die Schneiderin da und näht, wie gehetzt, einen letzten Haken an der Seidentaille einer der Töchter von Skovlund fest. Birthe von Skovlund steht ungeduldig da und wartet darauf, und sie hat einen scharfen Zug um den Mund, als hätte sie soeben der Schneiderin bittere Worte gesagt.

Sara setzt sich auf einen Stuhl in der Nähe der Tür und macht den Pelzkragen auf. Sie streicht mit dem Handrücken über die Wangen, die rot, frisch und kühl von der Abendkälte sind.

Da sagt Birthe: »Du hättest ja nur sagen können, daß du nicht fertig werden würdest, dann hätten wir ja zu einer anderen gehen können!«

»Ihr müßt schon entschuldigen,« antwortet die Schneiderin verzagt, »aber ich habe so viel zu tun gehabt!«

»Ellen Vadgaards Kleid wurde doch gut genug fertig schon vor zwei Tagen – vielleicht findet sich jemand, der im Laufe des Jahres mehr bestellt als wir, meinst du!«

Sara wundert sich darüber, daß Birthe so hartherzig ist, wo ihr Kleid nun doch fertig wurde.

»Ich habe mich beeilt, so sehr ich konnte.« Die Näherin steht auf und packt die Taille ein; ihre Hände zittern.

Birthe reißt das Paket an sich, und nachdem sie sich verdrossen verabschiedet hat, sinkt die Schneiderin auf einen Stuhl; sie greift sich an die Stirn, als ob ihr schwindlig würde.

Sie ist ganz überanstrengt durch die Nachtwachen und das viele Arbeiten; gelb und blaß sitzt sie im Schein der Lampe da und läßt müde den Kopf in die Hand sinken.

Sie tut Sara von Herzen leid.

Als die Schneiderin sich ein wenig erholt hat, sagt sie: »Ja, dein Kleid ist nicht fertig!«

»Wie, es ist nicht fertig!«

»Nein, ich muß ja erst die anderen befriedigen; die darf ich nicht vor den Kopf stoßen, das kannst du ja wohl begreifen!«

Ein kleines, zartgebautes Mädchen öffnet die Tür zur Rechten; sie blickt Sara mit großen, traurigen Augen an. Dann sagt sie: »Mutter!«

Die Schneiderin scheint es nicht zu hören.

Sara hat sich erhoben; sie kann nicht glauben, daß die Schneiderin die Wahrheit gesagt hat. Sie muß nicht bei Sinnen sein.

»Aber es wird doch noch fertig heute abend?«

»Nein, es wird nicht!« Die Antwort klingt wie tot in einem ganz gleichgültigen Tone.

Wieder ruft das kleine Mädchen: »Mutter!«

Die Mutter wendet den Kopf und sagt: »Ich komme gleich; mach die Tür zu!«

Aus Saras Wangen ist alles Blut gewichen, und an ihren Wimpern hängen zwei Tränen, bereit, herabzufallen; aber sie hält sich tapfer.

Plötzlich wird die Schneiderin wach beim Anblick des stummen Schmerzes, der das junge Mädchen erfüllt; sie erhebt sich, geht zu ihr hin und sagt freundlich:

»Ja, aber Sarachen, kannst du denn nicht das Kleid gebrauchen, das du anhast, – es ist ja so nett!« Und sie legt ihr die Hand auf die Schulter.

Da vermag Sara sich nicht länger zu beherrschen. Sie lehnt sich an die Brust der Näherin und weint.

»Ach du lieber Gott, Sarachen, hätte ich das gewußt, dann hättest du es trotzdem bekommen!« Sie kann selber nicht mehr die Tränen zurückhalten, hält Sara mit den Armen umschlungen und weiß nicht, was sie anfangen soll. Sie streichelt ihr nur immer das Haar.

Plötzlich kommt ihr ein Gedanke:

»Nun will ich dir 'was sagen! Ich hab solch ein prächtiges Band, und wenn wir das recht geschickt anbringen, dann sollst du nur 'mal sehen, wie fein du wirst!«

Das Band ist sorgfältig verwahrt, ganz unten auf dem Boden der Kiste, als sollte es nie wieder ans Tageslicht. Sie betrachtet es mit sonderbarem Ausdruck, während sie es durch die Finger gleiten läßt.

Es ist lang und breit, von schwerer Seide, schwarz mit bräunlichen Blumen.

»Es ist wohl altmodisch, aber es ist echt und du sollst sehen, wie gut es dich kleiden wird und wie es zu deinem Haar paßt.«

Sara betrachtet es mit kindlichen Augen.

»Das war schon früher 'mal mit dabei!« Die Näherin lächelt traurig, während sie Sara mit dem Bande putzt.

»Weißt du, nun siehst du wirklich so nett aus, Sara, daß du zu Ball gehen kannst, wo immer es sein mag.«

Und Sara fühlt sich ganz erleichtert.

Es ist spät geworden, und sie macht sich eiligst auf den Weg.

Der Tanz ist schon in vollem Gang, als Sara ankommt, und durch die erleuchteten Fenster dringen die Töne der Musik an ihr Ohr; es ist eine Mazurka.

Einen Augenblick steht sie still; dann geht sie durch den schmalen Gang zwischen dem Krug und der Remise hindurch, und dort hinten findet sie ein kleines Loch, durch das sie hindurchblicken und den Saal überschauen kann.

Er ist festlich erleuchtet, Girlanden mit kleinen Fahnen hängen an den Seiten, und gewaltige Laubketten schlingen sich in einem mächtigen Bogen um die beiden nordischen Flaggen, die kreuzweise an der Giebelwand aufgestellt sind.

Und wie fein die jungen Mädchen angezogen sind, keine einzige in dunklem Kleide; in leichten, hellen Ballgewändern schweben sie dahin.

Sara seufzt tief; ihr ist, als sei sie der arme schwarze Vogel, der draußen stehen muß. Hinein, dort hinein will sie nicht. Sie kann nicht in diese Gesellschaft mit dem Kleide, das sie anhat. Das ist unmöglich. Die Schneiderin hat sie nur trösten wollen. Sie kann es nicht, um Anders und auch um ihrer selbst willen nicht.

Und abermals seufzt sie. Sie lehnt die Stirn an den Fensterrahmen, während sie auf die tanzenden frohen Scharen blickt.

Es ist Pause. Alle sehen sich so vergnügt an, und diejenigen, die durchs Zimmer gehen, bewegen sich so leicht in der festlichen Luft, als könne diese allein sie schon tragen.

Da ist Anders. Er spricht mit dem jungen Mädchen aus der Verwandtschaft des Wiesenhofbauern, das sie schon früher zu Hause gesehen hat. Anders fordert sie zum Tanz auf. Sie trägt ein weißes Alpakakleid, das ihr großartig steht zu dem schwarzen Haar und den kohlschwarzen Augen; sie ist hübsch. Sara beugt sich vor bis an die Scheibe, um sie beim Tanze beobachten zu können. Er spricht fortwährend zu ihr, und sie lächelt dann und wann.

Sara steht lange hier; durch dieses kleine Loch in der Gardine starrt sie so lange, bis sie ganz schlaff wird.

Aber dann wird ein Walzer gespielt. Diese Töne machen sie wieder munter. Es ist derselbe Walzer, den sie zum erstenmal mit Anders getanzt hat. Es ist ein herrlicher Tanz; die zweite Wiederholung endet in etlichen hohen Flötentönen, die alle anderen Instrumente übertönen. Unwillkürlich wiegt sie sich nach dem Takt.

Sollte sie trotzdem hineingehen? Sie trippelt hin und her. Vielleicht könnte sie sich unbemerkt hineinschleichen, und schließlich sieht sie doch nett und proper aus.

Aber nach einem nochmaligen Blick auf die festlich gekleideten Damen und die strahlende Herrlichkeit des Saales gibt sie den Gedanken auf.

Nein, Schande will sie Anders nicht machen und sich selber auch nicht.

Der Walzer lockt weiter. Anders tanzt abermals mit dem Mädchen im Alpakakleid. Aber jetzt ist er schweigsam, er sagt kein Wort. Es ist, als sei ihm eine Erinnerung gekommen. Sie bemerkt es, so oft er an der Fensterscheibe vorbeitanzt, vor der sie steht.

Und als der Tanz vorbei ist, blickt er sich suchend um. Er späht nach der Tür hin. Sie sieht, wieviel Unruhe in seinem Blick ist. Und da mit einem Male schluchzt Sara laut auf vor Schmerz und Freude. Sie weiß, an wen er denkt. –

Sara bleibt stehen, bis ihre Füße wie Eisklumpen sind, bis sie vor Kälte zittert und der Ballsaal mit seinem Leben sich gleichsam von ihr entfernt, als sei es ein Bild, das sie gar nichts angehe.

Dann geht sie heim, geht allein über die beschneiten Felder dem Wiesenhof zu.

Die letzten Lichter verlöschen rings umher, je nachdem die Leute in ihrem Heim sich zur Ruhe begeben. Sie aber geht so einsam weiter, und ihr ist, als gäbe es in der ganzen Welt kein so verlassenes Geschöpf wie sie.

Es ist ein so schwerer Gang, und es dauert lange, ehe sie ihr Heim erreicht.

Als sie sich dann endlich ins Bett legt, vergräbt sie den Kopf in die Kissen und schluchzt, daß ihr Kopfkissen ganz naß wird. – Sie sieht wieder so lebendig das muntere Treiben vor sich, von dem sie ausgeschlossen ist, und sie sieht Anders, wie er die andern Mädchen im Tanze schwingt und ihnen Dinge sagt, bei denen sie lächeln müssen.

Sie dreht und wendet sich hin und her und kann nicht einschlafen.

Eins gewährt ihr Trost; sie weiß, daß Anders sie vermißt hat. Sie weiß, wen seine Augen inmitten der frohen Gesellschaft suchten, als ihr Walzer gespielt wurde.

Endlich schläft sie ein. Doch noch im Traum tönen ihr die Klänge der Ballmusik in den Ohren.

Sie wird häufig wach; ihr ist immer, als müsse Anders kommen, müsse zu ihr kommen durch Mauern und Türen und alle sichtbaren und unsichtbaren Hindernisse hindurch.

Sie vernimmt auch ein Geräusch in der Nähe; sie hört das Schließen einer Tür. Aber da erkennt sie Sörens, des Großknechtes, Schritt auf der Diele des Brauhauses und weiß, wo er gewesen ist.

Sie macht unwillkürlich eine Bewegung, kehrt sich plötzlich um, als ob etwas sie unbehaglich berührte. Sie mag das Verhältnis, das er und Boel haben, nicht.

Gegen Morgen, nachdem sie geschlafen hat, wird sie davon wach, daß Anders wirklich zu ihr hineinkommt.

Sie erhebt sich, wie eine Feder. Er beugt sich über sie; sie schlingt die Arme um seinen Hals und drückt ihn an sich.

Er setzt sich auf die Bettkante und will seine Stiefel ausziehen, verliert dabei jedoch das Gleichgewicht.

Da begreift sie, daß er berauscht ist, und sagt zärtlich: »Du solltest hinein gehen und dich schlafen legen, Anders!«

Aber er lacht nur und greift nach ihr.

»Anders!« ruft sie im Flüsterton, und es ist zitternde Angst in ihrer Stimme.

Sie wehrt sich. Er stößt sie beinahe von sich, flucht und stolpert auf die Tür los.

Da ruft sie ihn so innig und weich. Es klingt fast nicht wie Worte, sondern wie Töne, die durch Dunkelheit und nächtliche Stille dringen und ihrer Seele entströmen.

»Anders – komm hierher!«

Und es ist so eine ergreifende Zärtlichkeit im Klang, daß es wohl einen berauschten Mann ernüchtern könnte.

Er geht auch zu ihr hin. Sie streichelt seine Wange und flüstert: »Geh nun hübsch zu Bett, Anders, dann bist du lieb!«

Er vermag ihr nicht zu widerstehen. Er lacht leise und gutmütig, küßt sie und geht.

– – Bald darauf ruft Boel Sara zum Melken; der Wagen der Meierei kommt so zeitig.

Die vielen Räder der Tagesarbeit setzen sich in Bewegung.


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