George R. Sims
Erinnerungen einer Schwiegermutter – Zweiter Band
George R. Sims

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Achtzehnte und letzte Erinnerung.

Bei Durchsicht der Aufzeichnungen, die ich seit einer Reihe von Jahren in der Absicht gemacht habe, eines Tages meine Erfahrungen als Schwiegermutter niederzuschreiben, habe ich mich genötigt gesehen, vieles zu vernichten, was sich als sehr wirksam erwiesen und gezeigt haben würde, was sich Schwiegermütter alles gefallen lassen müssen, und wie ungerecht und boshaft sie sowohl auf der Bühne, als auch in der Litteratur behandelt werden.

Offen seine Meinung sagen, ist ganz leicht, solange man innerhalb seiner vier Wände spricht, aber, wenn es darauf ankommt, sie für den Druck niederzuschreiben, dann muß man eine Menge Rücksichten nehmen. Das ist die große Schwierigkeit, womit Schriftsteller, die nur die Wahrheit schreiben und nicht ihre Einbildungskraft zu Hilfe nehmen wollen, zu kämpfen haben. Man kann niemals die volle Wahrheit sagen, ohne irgend jemand zu beleidigen, und da diese Erinnerungen sich hauptsächlich mit Gliedern meiner Familie beschäftigen, gebe ich mir natürlich alle Mühe, diese nicht zu kränken.

Als ich meine Erinnerungen begann, hatte ich keine Ahnung, was für Schwierigkeiten ich zu überwinden haben würde, bis meine Aufgabe vollendet war.

Daß Mr. Tressider behauptete, ich hätte ihn lächerlich und zur Zielscheibe des Spottes der ganzen City gemacht, überrascht mich weiter nicht, nichts, was der sagt, kann mich überhaupt noch überraschen. Aber ich will nicht versuchen, in Abrede zu stellen, daß ich wirklich betrübt und verletzt war, als mir Augustus Walkinshaw einen langen Brief schrieb und erklärte, ich hätte ihm das Leben unerträglich gemacht, weil, wo er sich auch blicken ließe, seit diese Erinnerungen zu erscheinen begonnen haben, seine Freunde boshafte Bemerkungen auf seine Kosten machten. Meine eigene Tochter Sabine ist sogar so weit gegangen, ihre Augen funkeln zu lassen, als sie mir sagte, sie halte es für sehr unfreundlich von mir, daß ich versucht hätte, sie so hinzustellen, als ob sie sich fürchte, ihren Dienstboten zu kündigen, und als ob sie die Sklavin ihrer Kinder sei.

Diese Erinnerungen haben wie eine inmitten unsres häuslichen Kreises einschlagende Bombe gewirkt, und Mauds Mann hat sich sogar unterfangen, anzudeuten, er wolle »Erinnerungen eines Schwiegersohnes« schreiben und sich so rächen.

Wie schrecklich ist es doch, daß ein bißchen ungeschminkte, gesunde Wahrheit oft so unverdaulich erscheint!

Natürlich haben sich unsre Auseinandersetzungen darüber in den meisten Fällen auf einige Worte beschränkt; nur mein deutscher Schwiegersohn hat sich furchtbar lächerlich benommen. Die Feder sträubt sich, meine Gefühle beim Empfang eines Briefes von ihm zu schildern, worin er mir mitteilte, daß, wenn ich noch weitere Anspielungen auf seine Privatangelegenheiten oder seine häuslichen Verhältnisse veröffentliche, er zu seinem großen Bedauern genötigt sein werde, die Angelegenheit seinem Rechtsanwalt zu übergeben.

Sehr entrüstet über diesen Brief und der Ansicht, daß er es mir wenigstens in höflicher und freundlicher Weise hätte sagen können, wenn er an meinen Erinnerungen etwas auszusetzen hatte, zeigte ich den Brief meinem Manne.

»John Tressider,« sagte ich, »siehst du, das kommt davon, wenn man einen Fremden an den Busen nimmt.«

John Tressider sah mich verständnislos an.

»Ich versichre dich,« sprach er, »ich habe nie einen Fremden an den Busen genommen. Was meinst du eigentlich?«

Er las den Brief, und als er damit fertig war, fragte ich: »Nun, was sagst du dazu?«

Er machte in seiner gewöhnlichen Art, die mich immer so aufbringt, ein paarmal hm und ha, und meinte dann, er könne nicht sagen, daß er sehr überrascht sei.

»Aha, ich sehe schon,« erwiderte ich, »du willst wieder 'mal mit untergeschlagenen Armen dabei stehen und zusehen, wie ein armes, schwaches Weib mit Füßen getreten wird. Wärest du ein Mann, mit auch nur einem Körnchen wahren Stolzes, dann würde sich Karl Gutzeit nicht unterstanden haben, mir so einen Brief zu schreiben. Das ist geradezu ein Verbrechen gegen die Heiligkeit der Familienbande; es ist ein Attentat auf die besten Gefühle der Menschheit. Wenn der Mann meiner Tochter mir mit Verklagen drohen kann und der eigene Gatte sich auf seine Seite stellt, dann ist die Zeit gekommen, wo Frauen mit etwas Unabhängigkeitssinn für die Rechte ihres mit Füßen getretenen Geschlechts zu den Waffen greifen müssen.«

»Ach, rede doch nicht solches Zeug, liebe Frau,« antwortete Mr. Tressider. »Wolltest du nur von deinem hohen Pferde heruntersteigen und die Sache mit nüchternen Augen ansehen, dann würdest du einsehen, daß du am besten thätest, wenn du den Empfang des Briefes anerkenntest, ihn als verzeihlichen Ausbruch des Aergers deines Schwiegersohns behandeltest und ihn versichertest, es sei nicht deine Absicht gewesen, ihn zu verletzen.«

»Was?« rief ich entrüstet, »meinst du etwa, ich solle ihn um Verzeihung bitten?«

»Nun, du brauchst nicht gerade um Verzeihung zu bitten. Suche ihn zu besänftigen, meine Liebe, suche ihn zu besänftigen.«

»Ihn besänftigen? Was du nicht sagst!« versetzte ich. »Bilde dir doch keine Schwachheiten ein, ich denke ja nicht im Traume daran. Ich werde noch heute zu ihm gehen und ihm sagen, was ich von ihm halte, und ihm klar machen, daß statt über das beleidigt zu sein, was ich über ihn geschrieben habe, er alle Ursache hat, mir für das zu danken, was ich verschwiegen habe. Ich werde noch eine Erinnerung schreiben, die sich ausschließlich mit ihm beschäftigen soll.«

Und das hätte ich auch ganz bestimmt gethan, wäre nicht Jane am Nachmittag herüber gekommen und hätte mir gesagt, sie mache sich ernstliche Sorge über ihren jüngsten Sohn, der, erst fünf Jahre alt, bereits einen ganz unbezähmbaren Jähzorn an den Tag lege. Es sei ihm eine Kleinigkeit, seine Milch und sein Brot an die Wand zu werfen, wenn ihm etwas nicht gefalle; ja er wäre bereits so weit gegangen, seine Spielsachen zum offenen Fenster der Kinderstube hinauszuwerfen, weil ihm nicht erlaubt worden sei, die Katze mit in sein Bad zu nehmen.

»Liebe Jane,« entgegnete ich, »das Kind artet seinem Vater nach; es ist das deutsche Blut, das in ihm steckt.« Und dann machte ich meinen Gefühlen über Karls Brief Luft.

Die arme Jane war ganz außer sich. Sie behauptete, Karl habe nur einen Scherz gemacht, er habe die größte Hochachtung vor mir und sage beständig, er sei der Ansicht, meine Kinder hätten alle ihre Klugheit und ihre häuslichen Tugenden von mir, und um sie zu beruhigen, erklärte ich mich schließlich bereit, nicht mehr über die Sache zu reden. Erst unmittelbar bevor sie fortging, bat sie mich, ihr zu versprechen, keine besondere Erinnerung über Karl mehr zu schreiben, und ich war schwach genug, ihr den Willen zu thun.

Einige Tage später ging ich aus, um Sabine und ihre Kinder zu besuchen, die ich längere Zeit nicht gesehen hatte, da sie ziemlich weit von uns wohnten. Als ich hinkam, bemerkte ich an Augustus, des jüngeren, Benehmen, daß etwas in der Luft lag. Seine Begrüßung war alles andre als herzlich, wie ich sie von einem Enkel zu erwarten das Recht hatte; er steckte die Hände in die Taschen und verließ protzig das Zimmer.

»Was hat denn der Junge?« fragte ich.

»Ich fürchte, er hat etwas übel genommen,« antwortete Sabine. »Er ist sehr empfindlich, und die Jungen in der Schule haben ihn mit seiner Mama und seinem Teleskop geneckt. Ich hoffe, liebe Mama, du wirst es entschuldigen, wenn ich es ausspreche, aber ich meine, du hättest die lieben Kinder aus deinen Erinnerungen weglassen können. Die eigene Familie sollte einem doch heilig sein.«

»Sabine,« versetzte ich, erhob mich vom Sofa und ging im Zimmer umher, denn ich konnte nur mit der größten Mühe meine Ruhe bewahren, »unterfängst du dich, mich meine Pflichten als Mutter lehren zu wollen?«

»O nein, Mama, ganz gewiß nicht. Ich habe nur selbst als Mutter gesprochen. Natürlich weiß ich, daß du meinen Kindern nicht wehe thun wolltest, aber...«

»Nicht weiter, Sabine! Meine eigenen Kinder haben mich nie zu würdigen verstanden und werden es nie lernen. Ich habe doch gewiß nichts Unfreundliches über irgend jemand gesagt und jedenfalls nur, was der Wahrheit entspricht. Und wenn Augustus junior etwas dagegen hat, daß ich etwas über ihn schreibe, so ist das einfach lächerlich. Ueber viele unsrer größten Männer und Frauen wird jeden Tag etwas geschrieben, sogar Ihre Majestät, unsre gnädige Königin, muß sich gefallen lassen, daß jedes kleine Ereignis aus ihrer Kindheit immer wieder erzählt wird. Noch vor ganz kurzem stand in einer unsrer ersten Monatsschriften ein langer Aufsatz über den Prinzen von Wales, worin alle seine Kinderstreiche aufgetischt waren, und die Geschichte vom ältesten Sohne des gegenwärtigen deutschen Kaisers, wie dieser ihn strafte, weil der Knabe sich nicht waschen lassen wollte, ist durch alle Zeitungen gegangen. Wenn der Prinz von Wales und der deutsche Kronprinz nichts dagegen haben, daß über sie geschrieben wird, dann braucht sich Musje Augustus Walkinshaw auch nicht zu beklagen, sollte ich meinen.«

»Liebe Mutter, du darfst nicht zu ernst nehmen, was ich gesagt habe.«

»O nein, gewiß nicht, aber ich kann doch nicht anders, als mich verletzt fühlen, meine Liebe, daß meine Beweggründe so falsch verstanden werden. Da ihr aber so ängstlich auf eure Würde bedacht seid, werde ich mich hüten, die Walkinshaws noch einmal in meinen Erinnerungen zu erwähnen. Ich will sogar davon Abstand nehmen, vom Hunde Jack zu sprechen; er könnte sich vielleicht auch beleidigt fühlen und mich anknurren, wenn ich wieder komme.«

Natürlich war ich durch das Gespräch ein bißchen erregt, allein ich hielt es für besser, nicht weiter darauf einzugehen, und lenkte die Unterhaltung auf etwas andres. Als ich aber nach Hause kam und meine Aufzeichnungen vornahm, fühlte ich doch, wie wenig Dank ich dafür geerntet, daß ich einen großen Teil gerade des interessantesten Stoffes geopfert hatte, und das war doch nur geschehen, um niemand zu verletzen. Aber, Undank ist der Welt Lohn. Dafür warf man mir vor, ich hätte aus den Gliedern der eigenen Familie Kapital geschlagen, oder, wie mein Sohn John sehr geschmackvoll sagt, sie »bloßgestellt«.

Das ist ebenso empörend als ungerecht. Seit vielen Jahren, ich könnte sagen, seit Jahrhunderten, sind die Schwiegermütter von jedem Grünschnabel, der buchstabieren kann, dem allgemeinen Hohn und der Verachtung preisgegeben worden. Sie sind in den schwärzesten Farben gemalt als Klatschweiber, Unheilstifterinnen, Störenfriede und unwillkommene Gäste in den Häusern ihrer Kinder hingestellt worden, aber sowie 'mal eine der Verfolgten zur Feder greift und sich und ihre Genossinnen verteidigt, hält man ihr entgegen, daß die Familie geheiligt sein müsse.

Es ist zu bedauern, daß die Männer, die so viel Zeit darauf verwendet haben – sie hätten auch was Gescheiteres thun können – die Mütter ihrer eigenen Frauen herabzusetzen, nicht selbst ausgeübt haben, was sie andern predigen.

Ich glaube, es wäre eine Sünde gegen die Heiligkeit der Familie, wenn ich über die Thorheit junger Leute sprechen wollte, die sich Häuser mieten, ohne ihre Eltern, die doch mehr Erfahrung in solchen Dingen haben, zu Rate zu ziehen. Es ist leicht gesagt, es geht dich nichts an, wo dein verheirateter Sohn oder deine verheiratete Tochter wohnen, aber eine Frau, die eine große Familie aufgezogen hat, weiß, wie wichtig es ist, sich ein Haus mit offenen Augen anzusehen.

Ich möchte später 'mal meine Erfahrungen über »angenehme Villen« oder »schöne Wohnungen« schreiben, die nichts als Fallstricke für junge Eheleute sind. Es wäre eine große Wohlthat für die Allgemeinheit, wenn ich die Erfahrungen, die meine Söhne und Töchter in dieser Hinsicht gemacht haben, erzählte, denn sie könnten andern zur Warnung dienen und junge Ehepaare abhalten, sich mit solcher Uebereilung in »schöne und fein eingerichtete Häuser« zu stürzen, die häufig nichts sind, als übertünchte Gräber. Allein die Opfer ihrer eigenen Uebereilung würden mir ohne Zweifel Vorwürfe machen und behaupten, ich gäbe sie der Lächerlichkeit preis.

Die Folgen, daß mein Sohn John ein Haus mietete, das nicht zu nehmen ich ihn beschworen hatte, sind ein sehr nützlicher Beitrag zur häuslichen Geschichte, allein ich nehme fast Anstand, die Wahrheit zu erzählen, aus Besorgnis, daß man mir Vorwürfe machen könnte.

Als er mir das Haus nannte, das er zu mieten beabsichtigte, sagte ich ihm: »John, nimm dich in acht, das Haus steht auf Lehmgrund, das ist so gut, wie in einem Sumpfe. Du wirst dir Rheumatismus für den Rest deines Lebens holen, wenn du es nimmst, und wirst es bitter bereuen.«

Aber er wollte nicht hören, sondern nahm es, und es hat ihm ein hübsches Stück Geld gekostet. Von außen sah es ja sehr hübsch aus, auch waren die Zimmer schön groß. Der Besitzer hatte eine Masse neue Tapete dran gewendet, von der Sorte, die man stilvoll nennt. Na, das kennt man ja. Die Neutapezierung sollte die Feuchtigkeit der Wände verbergen. Es ist erstaunlich, wie ein bißchen hübsche Tapete und eine »altenglische« Hausthür ein junges Ehepaar, das eine Wohnung sucht, verblendet. Wenn man sie mit etwas »aus der Zeit der Königin Anna« außen und einer stilvollen Tapete im Innern ködert, dann beißen sie sicher an. Ihr solltet nur 'mal wissen, wie manche von den stilvollen Tapeten nach sechs Monaten aussehen, wenn die Stockflecken durchkommen, aber dann ist's zu spät. Das schwärmerische junge Paar hat einen siebenjährigen Mietvertrag mit Unterhaltungsverpflichtung unterzeichnet, und in der Regel haben sie nicht viel Geld zu Neutapezierungen übrig, denn das Dach verschlingt den größten Teil ihres Einkommens.

Das ist meist das letzte, was sich ein junges Ehepaar ansieht, es ist aber das erste, was ihre Aufmerksamkeit nach dem Einzug gewöhnlich in Anspruch nimmt. Ich habe »reizende Wohnungen« gesehen, deren Dach nur zu einem taugte: es ersetzte ein Duschebad im Hause.

Einer meiner Schwiegersöhne wäre, glaube ich, wirklich beinahe über eine »reizende Wohnung« verrückt geworden. Es standen einige kränkliche, hochstämmige Rosen im Vorgarten, und unter den Fenstern des Oberstocks lief ein billiger hölzerner Altan hin.

»Es sieht so malerisch aus, weißt du,« sagte er, »so stilvoll«, und trotzdem ich ihn darauf aufmerksam machte, daß das Haus tief liege, auf Lehmgrund stehe und augenscheinlich sehr übereilt gebaut worden sei, nahm er es auf langen Vertrag.

Während eines der reizenden Sommer, wo es sechs Wochen an einem Stück regnet und ein Feuer nicht nur kein Ueberfluß, sondern geradezu eine Notwendigkeit ist, zogen sie ein.

Sie hatten viel Geld für Tapeten, hohe Wandverkleidungen und gelb-grüne Vorhänge ausgegeben, und das Haus sah wirklich reizend aus, als alles fertig war. Aber es dauerte nicht lange. Die ersten Unannehmlichkeiten kamen vom Dache, und als das Wasser durch die Decken drang, an den Wänden herablief und die Tapeten sich ablösten, ließ er einen Baumeister kommen und nachsehen, woran es lag. Dieser sagte, es seien ein paar Ziegel lose, und brachte sie in Ordnung. Ein paar Tage später kam der Regen an einer andern Stelle durch, er ließ den Mann wieder kommen und auch diese ausbessern. Als es aber immer noch durchregnete und der Schaden an Decken und Wänden immer größer wurde, geriet mein Schwiegersohn in Verzweiflung und sagte dem Baumeister, er sei ein Pfuscher, und er werde ihm seine Rechnung nicht bezahlen.

»Ich bin ganz unschuldig an der Sache,« entgegnete dieser. »Sie haben mir den Auftrag gegeben, zu flicken, und ich habe geflickt, aber ich sage Ihnen ganz offen, flicken kann hier gar nichts helfen. Das ganze Dach ist alt und zerfällt, es ist fast kein heiler Ziegel darauf. Sie müssen das ganze Dach neu decken lassen.«

Und es wurde vollständig neu gedeckt, noch ehe mein Schwiegersohn sechs Monate im Hause war. Nach Beendigung der Arbeit meinte er: »Gott sei Dank! Das wäre überstanden! Es ist eine teure Geschichte gewesen, aber nun sind wir auch in Ordnung.«

Das Dach machte ihnen allerdings keine Schwierigkeiten mehr, aber meine Tochter bekam eine böse Halsentzündung, ebenso die Dienstmädchen, und alle im Hause wurden krank und mußten sich zu Bett legen, mit Ausnahme meines Schwiegersohnes.

Der Arzt, der gerufen wurde, schüttelte den Kopf.

»Mein verehrter Herr,« sagte er, »ich fürchte, Sie werden in diesem Hause nicht gesund werden, wenn Sie die Abzugskanäle nicht vollständig umbauen lassen. Die letzte Familie, die hier gewohnt hat, war fortwährend krank. Schließlich wird es viel billiger für Sie sein, wenn Sie die Abzugskanäle gründlich herrichten lassen.«

Der arme Junge! Als er es mir erzählte, war sein Gesicht weiß vor Wut, und er sagte, wenn er dem Manne, der ihm das Haus vermietet habe, begegne, könne er sich an ihm vergreifen. Allein der Umbau der Abzugskanäle ließ sich nicht umgehen, und er schickte seine Frau und die Dienstboten fort, während die Arbeit ausgeführt wurde. Ich glaube, wenn ein Erdbeben gekommen wäre und die »angenehme Villa« verschlungen hätte, er hätte nichts dagegen gehabt.

Als die Arbeit vollendet und die Rechnung bezahlt war – und es war eine hübsche Rechnung – fühlte er sich etwas ruhiger.

»Nun, das hätten wir hinter uns,« meinte er, »jetzt ist über und unter der Erde alles in Ordnung; nun müßten die Widerwärtigkeiten wohl ein Ende haben.«

Aber sie hatten noch kein Ende. Als die Frau mit den Mädchen Mitte Oktober zurückkehrten, war die Zeit zum Heizen gekommen. Nun stellte sich heraus, daß nicht ein Schornstein im Hause war, der nicht die Geduld eines Hiob auf die Probe gestellt hätte.

Sobald irgendwo Feuer angezündet wurde, waren alle Stuben voll Rauch, und man konnte es nur im Zimmer aushalten, wenn man Thür und Fenster fortwährend weit offen hielt. Die Kamine im Wohn- und Eßzimmer waren die schlimmsten. Man mußte sich entweder ohne Feuer behelfen, oder in einem Zuge sitzen, daß einem fast der Kopf von den Schultern flog.

Ich werde nie vergessen, wie ich eines Tages 'mal zu meinen armen Kindern kam, gerade als sie im Begriff waren, sich zum zweiten Frühstück niederzusetzen. Meine Tochter hatte ihren Hut auf, eine Pelzjacke an, und eine große Reisedecke über den Knieen, und mein Schwiegersohn trug seinen Ulster und eine Reisemütze tief über die Ohren gezogen. Ich war natürlich etwas erstaunt über diesen Aufzug.

»Du meine Güte!« sagte ich, »seid ihr denn gerade im Begriff, zu verreisen?«

»Verreisen?« rief mein Schwiegersohn, »nein, so müssen wir den ganzen Tag sitzen, wenn wir heizen wollen. Das Fenster muß sperrangelweit offen stehen, sonst ersticken wir im Rauche.«

Der arme Mann! Er that sein Möglichstes, um den Schornsteinen das Rauchen abzugewöhnen. Er ließ die Roste ändern, er ließ Patentdrehhüte daraufsetzen, so daß sein Haus aussah, wie ein Dampfcirkus, und wenn man es von weitem erblickte und die großen Hüte wirbelten herum, so war es geradezu beängstigend. Allein den Rauch wurde er nie los, und schließlich gab er die Kohlenfeuerung ganz auf und ließ alles zur Gasheizung einrichten, was an sich ganz schön ist, aber für sehr gesund kann ich es nicht halten.

Meine arme Tochter war ganz gebrochen über die beständige Sorge und die großen Kosten, die die »reizende Villa« ihnen machte, und überredete ihren Mann, zu versuchen, sie in Aftermiete zu geben. Allein das ist auch leichter gesagt, als gethan. Es kamen zwar Leute und besahen sich das Haus, aber es war immer etwas nicht in Ordnung, was sie sofort bemerkten. Einmal war eine alte Dame da, die es wahrscheinlich genommen hätte, aber gerade als sie im Begriff war, sich zu entscheiden und den Namen ihres Sachwalters behufs Abschlusses des Mietvertrages zu nennen, kam das Hausmädchen ins Zimmer gestürzt.

»Ach, Madame,« rief es, »kommen Sie doch gleich 'mal herunter. Die Wand in der Küche tritt ganz nach innen, und die Köchin glaubt, das Haus wolle wegen der Feuchtigkeit einfallen.«

Die Dame unterließ es, den Namen ihres Sachwalters zu nennen, empfahl sich ziemlich eilig und versprach, zu schreiben. Das that sie auch noch am selben Abend, indem sie meinem Schwiegersohn mitteilte, sie finde nach reiflicher Ueberlegung, daß das Haus nicht für sie passe.

Schließlich ließ der Besitzer sich herbei, gegen eine dem Betrage einer zweijährigen Miete gleichkommende Entschädigung den Mietvertrag aufzuheben, und da mein Schwiegersohn in zwei Jahren mehr als tausend Pfund in das Haus gesteckt hatte, machte der Wirt gar kein schlechtes Geschäft.

Wie viele junge Paare haben ihren Ehestand mit einer »reizenden Villa« wie mit einem Mühlsteine um den Hals begonnen, und alles das nur, weil sie dem Rate erfahrener Leute nicht folgen wollten. Ich möchte 'mal den sehen, der mich mit einem »Königin-Anna-Balkon« oder einer »stilvollen« Tapete einfinge!

Ich habe darum über diese Sache gesprochen, weil die Wahl der Wohnung ihrer verheirateten Kinder sehr viel mit dem Glück und der Gemütsruhe einer Schwiegermutter zu thun hat. Dasselbe gilt von der Wahl der Dienstboten. Ein Schwiegersohn, der eine gute Köchin hat, ist Vernunftgründen viel zugänglicher, als einer, dessen Verdauung fortwährend durch schlecht zubereitete Speisen gestört ist. Junge Leute ahnen gar nicht, wie viel eine gute Köchin mit dem Glück nach der Hochzeit zu thun hat.

Wenn es sich darum handelt, Bekannten ein schönes Hochzeitsgeschenk zu machen, ist man immer in großer Verlegenheit, und viele verfallen auf denselben Gegenstand. Ich habe junge Ehepaare gekannt, die mit zehn Punschbowlen, fünfzehn Salonlampen und einer endlosen Zahl von Ofenschirmen anfingen, aber ein schönes Hochzeitsgeschenk gibt's, woran noch niemand gedacht hat: eine wirklich gute Köchin.

Ich könnte euch Beispiele erzählen, was für Unheil eine schlechte Köchin unter den Gliedern meiner eigenen Familie angerichtet hat, aber nach meinen jüngsten Erfahrungen muß ich Anstand nehmen, es zu thun. Ich muß die übergroße Empfindlichkeit meiner Schwiegersöhne und -töchter schonen, damit die Einigkeit unsres Familienkreises nicht gestört wird.

Ich habe im Verlaufe dieser Erinnerungen vieles ausgelassen, was ein helles Licht auf manche Fragen des gegenwärtigen Familienlebens werfen würde, weil ich nicht gern etwas sagen wollte, was als Bruch des Familiengeheimnisses angesehen werden könnte, allein jedes Wort, das ich geschrieben habe, ist wahr und auf wirkliche Erfahrungen gegründet. Ich habe Thatsachen berichtet, und in keinem einzigen Falle meiner Einbildung erlaubt, meine Feder zu lenken.

Dadurch habe ich ohne Zweifel die Wirkung beeinträchtigt, aber, wie ich schon ganz zu Anfang dieser Erinnerungen hervorgehoben habe, ich bin keine Schriftstellerin von Beruf. Ich bin weiter nichts, als eine Schwiegermutter, und als Schwiegermutter, die eine umfassende Erfahrung besitzt und nicht auf den Mund gefallen ist, habe ich in aller Bescheidenheit auf diesen Blättern versucht, gewisse Seiten des Familienlebens zu beleuchten, die von den Geschichtsforschern übersehen, oder von den Romanschriftstellern in einem gänzlich falschen Lichte dargestellt werden.

Mit dieser Erklärung habe ich die Ehre, zu zeichnen, als der freundlichen Leserin und des geehrten Lesers

ergebenste und gehorsamste

Jane Tressider.


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