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9.

Magda war wirklich so viel wert, wie zehn schlechtere Weiber zusammen. Sie hielt ihren Bartek etwas kurz, war ihm aber aufrichtig zugetan. In Momenten der Aufregung, wie beispielsweise damals im Wirtshause, sagte sie ihm ins Gesicht, er sei dumm, für gewöhnlich aber sah sie es lieber, daß die Leute anders dachten. »Mein Bartek stellt sich nur dumm, er ist aber schlau,« sagte sie mehr als einmal.

Inzwischen war Bartek so schlau wie sein Pferd, und ohne Magda hätte er sich weder in der Wirtschaft, noch sonst Rat geschafft. Jetzt lag alles auf ihren braven Schultern, und wie sie zu trippeln, zu gehen und sich zu bemühen begann, erwirkte sie Hilfe. Eine Woche nach dem letzten Besuche im Gefängnisspital kam sie wieder keuchend, strahlend, glücklich zu Bartek gelaufen. »Bartek, wie geht es dir?« rief sie freudig, »weißt du, der Gutsherr ist gekommen! Er hat in Russisch-Polen geheiratet; die junge Frau ist wie eine Weinbeere. Und er hat mit ihr viel Mitgift genommen …«

Der Gutsherr von Pognebin hatte tatsächlich geheiratet, war mit der Frau angekommen und hatte wirklich eine große Mitgift mitbekommen.

»Nun, und was weiter?« fragte Bartek.

»Still, Narr,« erwiderte Magda. »O, atme ich schwer! O, Jesus! Ich ging der jungen Herrin meine Verbeugung zu machen, ich schau, sie kam wie eine Prinzessin, jung wie eine frische Blume, schön wie das Morgenrot … Ist das eine Gluthitze! Ich bin ganz außer Atem!«

Magda hob die Schürze auf und begann sich das schwitzende Gesicht abzuwischen. Bald sagte sie wieder mit abgebrochener Stimme:

»Sie trug ein himmelblaues Kleid wie eine Kornblume … Ich umfaßte ihre Füße, und sie reichte mir das Händchen … ich küßte es … duftende, kleine Händchen wie bei einem Kinde! … Gerade so wie eine Heilige auf dem Bilde, und gut ist sie und nachsichtsvoll. Ich begann sie um Hilfe zu bitten. Daß Gott ihr Gesundheit gebe! … Und sie sagt: ›Was in meiner Macht ist,‹ sagt sie, ›das werde ich tun.‹ Und ein Stimmchen hat sie, daß einem heiter zumute wird. Und ich begann zu reden, wie die Leute in Pognebin unglücklich sind, und sie sagt: ›Eh, nicht nur in Pognebin …‹ und ich brach in Weinen aus, sie auch. Da kam der Herr, sah, daß sie weine, und er begann sie mit Küssen zu bedecken. Die Herren sind nicht so, wie Ihr! Da sagte sie ihm: ›Tue für diese Frau, was du kannst.‹ Und er sagte: ›Alles, was du willst‹ Die Muttergottes segne sie; sie segne sie mit Kindern und Gesundheit. Und der Herr sagte gleich: ›Ihr habt schwer gesündigt, denn Ihr habt euch deutschen Händen ausgeliefert, aber ich will Euch helfen.‹

Bartek begann sich am Nacken zu kratzen.

»Der Gutsherr war doch auch in deutschen Händen.«

»Nun, was ist dabei! Dafür ist die junge Frau reich. Die Herrschaft könnte jetzt alle Deutschen in Pognebin auskaufen, da darf der Herr reden. ›Nächstens‹ sagt der Herr, ›werden Wahlen sein, dann sollen die Leute trachten, daß man nicht für Deutsche stimmt, und ich werde für Just das Geld vorschießen, und Boege werde ich den Daumen aufs Aug' setzen.‹ Und die Herrin hat dafür die Hände um seinen Hals geschlungen, und der Herr hat nach dir gefragt, und sagte, ›wenn er schwach ist, werde ich mit dem Doktor reden, damit er ihm ein Zeugnis ausstelle, daß er jetzt nicht sitzen kann. Wenn man ihn nicht ganz befreien wird,‹ sagte er, ›wird er im Winter nachsitzen, und jetzt ist er zur Erntearbeit nötig.‹ Hörst du? Gestern ist der Herr in der Stadt gewesen, und morgen fährt der Doktor nach Pognebin zu Besuch, denn der Herr hat ihn eingeladen, und er wird das Zeugnis ausstellen. Im Winter wirst du im Kotter wie ein König sitzen, es wird dir warm sein, und du wirst umsonst zu fressen kriegen, und jetzt wirst du nach Hause gehen, zur Arbeit, Just werden wir bezahlen, der Herr wird vielleicht gar keine Zinsen verlangen, und wenn wir im Herbst nicht alles bezahlen, werde ich es bei der Herrin schon mit Bitten erreichen … daß die Muttergottes … Hörst du …«

»Eine gute Herrin. Es läßt sich nichts sagen!« sagte Bartek rasch.

»Du wirst ihr auch zu Füßen fallen, ja, und wenn nicht, werde ich dir deinen gelben Kopf abdrehen. Daß Gott nur eine gute Ernte beschert Und siehst du, woher die Rettung kommt? Du wirst der Gebieterin zu Füßen fallen, sage ich dir.«

»Warum sollte ich ihr nicht zu Füßen fallen!« entgegnete Bartek resolut.

Das Schicksal schien dem Sieger wieder zu lächeln. Einige Tage später wurde er benachrichtigt, daß er aus Gesundheitsrücksichten bis zum Winter aus dem Gefängnisse entlassen werde. Vorher aber ließ der Landrat ihn sich vorführen. Bartek erschien ganz zerknirscht. Dieser Bauer, der mit dem Bajonette in der Hand Fahnen und Kanonen erobert hatte, begann jetzt jede Uniform mehr als den Tod zu fürchten, begann im Herzen irgendeine dumpfe, unbewußte Empfindung zu hegen, daß man ihn verfolge, daß man mit ihm machen könne, was man wolle, daß über ihm irgendeine böse und feindliche Macht sei, die ihn im Falle eines Widerstandes zermalmen würde. Und so stand er jetzt vor dem Landrate wie seinerzeit vor Steinmetz in gerader Positur, den Bauch eingezogen, die Brust vorgestreckt und ohne Atem. Es waren auch einige Offiziere zugegen: Der Krieg und die Kriegsdisziplin standen Bartek wie lebendig vor Augen. Die Offiziere betrachteten ihn durch Goldbinokeln stolz und verächtlich; er stand mit verhaltenem Atem, und der Landrat sagt was im befehlenden Tone. Er bat nicht, redete nicht zu, er befahl, drohte. In Berlin ist ein Abgeordneter gestorben, neue Wahlen sind ausgeschrieben.

»Du polnisches Vieh! Versuche nur für Herrn Jaczynski zu stimmen, probiere es!«

Die Brauen der Offiziere zogen sich in diesem Momente in dräuende Löwenfalten zusammen. Einer, eine Zigarre abbeißend, wiederholte nach dem Landrate: »probiere es!« und in dem siegreichen Bartek erstarb der Atem. Als er das erwünschte: »Abtreten!« vernahm, machte er eine Halbschwenkung nach links, ging und atmete auf. Man erteilte ihm den Befehl seine Stimme für Herrn Schulberg in Krzywda Wielka abzugeben. Über den Befehl dachte er nicht nach, aber er atmete auf, denn er ging nach Pognebin, während der Ernte konnte er zu Hause sein, denn der Herr hat versprochen Just zu bezahlen. Er ging zur Stadt hinaus. Fluren reifenden Getreides umwehten ihn. Die schweren Ähren stießen aneinander und brachten ein für das Ohr des Bauern angenehmes Rauschen hervor. Bartek war noch schwach, aber die Sonne wärmte ihn. ›He! wie schön die Welt ist!‹ dachte er. Und nach Pognebin ist's nicht mehr weit.


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