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Sorgenstein ist ein kleiner Ort. Wie viele Häuser mag es geben? Zwanzig vielleicht. Zwei Dutzend schiefergraue Häuser die einzige Strasse entlang. Die Häuser sind klein, manche haben gar keine Küche. Die Grude steht in der Stube. Oft ist im Seitenteil des Hauses der Ziegenstall untergebracht, oft wird eine der beiden Stuben als Vorratsraum für die Kartoffeln benutzt. Die Häuser haben keine Keller, und es ist wichtiger, dass das tägliche Brot, die Kartoffel, gut und trocken lagert, als dass der Mensch seine Bequemlichkeit hat.

Kartoffeln und Leinöl, damit sind viele Geschlechter aufgewachsen.

Es ist schwer, in Sorgenstein unterzutauchen. Die Türen sind dicht aneinander. Die Fenster sehen sich in die Augen.

Aber dem Trompeter Jakob Rauchmaul ist es gelungen, sich für Tage unsichtbar zu machen.

Er ist in dem windschiefen Haus eingekehrt, das dem Pilzmann gehört. Dort hat er in der Kartoffelstube sein Lager. Er ist mit der Welt zerfallen, der Trompeter. Die Leute in der Nagelschmiede haben seinen Choral verschmäht. Meister Freilich hatte ihn weiter geschickt. Selbst Malwine wollte nichts davon wissen, dass dem Grossvater vor seiner endlichen Niederfahrt noch ein geistliches Lied aufgespielt wurde.

Jakob Rauchmaul war zu Malwines Eltern gegangen. Doch das waren schüchterne Menschen. Sie hätte wohl gern ein wenig Trostmusik am offenen Grabe gehabt, besonders Malwines Vater hätte dem eigenen von Herzen die Ehre gegönnt, aber sie wagten nicht, gegen Meister Freilichs Bescheid sich aufzulehnen.

Nein, Jakob Rauchmaul wurde abgewiesen. Der Musikant war in seiner Würde gekränkt. Wie einen Bettler hatte man ihn fortgejagt, und seine Trompetenkunst war nicht wie das Geschenk eines gnädigen Himmels angenommen worden.

In seiner Jugend hatte der Trompeter einmal davon geträumt, in der gräflichen Kurkapelle von Juliusbad mitblasen zu dürfen. Solche verstiegenen Gedanken waren längst dahin. Er war der Kirmesbläser geworden, der Groschenmusikant. Doch musste man deswegen ihm die Freundschaft abschlagen?

Jakob hatte beim Pilzmann angeklopft. Aus der Tasche holte er etwas Kleingeld und zählte es auf den Tisch. Der Pilzmann war einverstanden. Drei Tage durfte Jakob das harte Bett bei den Kartoffeln haben. Auch von dem kläglichen Essen bekam er seinen Teil.

Da haust nun der Trompeter bei dem stöckrigen Alten.

»Pilzmann«, ruft Jakob, »hol Branntwein!«

Er muss laut sprechen, denn das liebe Wetter hat dem andern das Gehör zerschlagen. Er gibt ihm ein Geldstück. Aber die Münze war zu klein. Dafür hat der Alte selber nur in der Schnapsstube einen Schluck aus der Flasche nehmen dürfen.

Meckernd erzählt er es dem Trompeter. Er zeigt, wieviel der Wirt ihm zugestanden hatte.

»Wenn der Trompeter nicht seinen traurigen Tag hätte, würde er den Alten beim Kragen nehmen, so aber ist er befriedigt, dass der Himmel ihm einen neuen Grund gab zum Hadern.

»Ihr Menschen«, sagt Jakob, »was seid ihr für Menschen.« Er betrachtet vorwurfsvoll den Pilzmann. Er macht diese dürre, atmende Armseligkeit für alle Fehlschläge verantwortlich.

»Ihr habt mich zu Grunde gerichtet«, sagt der Trompeter.

Der Alte lacht unbändig. Er hat das grosse magere Maul weit offen. Er bohrt seinen braunen Zahn in die Luft. Er hat nicht verstanden, was Jakob gesagt hat. Er lacht, weil er den Trompeter mit dem Schnaps hinters Licht geführt hat. Aus seiner Jackentasche holt er die Flasche hervor und hält sie Jakob blitzschnell unter die Nase.

Ja, die Flasche ist voll bis zum Korken.

Er zieht die Flasche behende zurück und will sie wieder in der Tasche verschwinden lassen.

»Mach keine Fisematenten«, schreit der Trompeter und entreisst sie ihm.

Der Alte sitzt mit seinem zähen Gelächter in der Ecke.

Er sortiert die Pilze aus, die er am frühen Morgen gesammelt hat. Beeilen muss er sich, denn er will noch rechtzeitig vor Tisch damit in der Stadt sein. Die Leute im Wald essen keine Pilze. Man kann das Erdzeug bloss in der Stadt verkaufen.

Es ist ein stundenweiter Weg, doch der Alte läuft doppelt so schnell wie ein gewöhnlicher Mensch. Vielleicht ist er einer der Uralten, die nachts die Seelen durch die Wälder tragen.

Sein Vater hiess Finkenjorg und war ein bekannter Vogelhändler gewesen. Er sandte die Finkenhähne weit in die Welt. Über das grosse Meer schickte er sie in Länder, deren Namen man nicht behalten konnte. Ja, in fernen Palästen sangen die gelben Vögel, die in dem schiefen Haus in Sorgenstein aus dem Ei geschlüpft waren.

Der Finkenjorg ist später närrisch geworden. Er wollte den weissen Sperling fangen, den eine Köhlersfrau am Wolpersabend gesehen hatte. Aber der weisse Sperling war ihm in den Kopf geflogen, hat viele Jahre darin rumort, gepiept und geflattert. Schliesslich haben sie ihn mit dem alten Finkenjorg begraben. Die Köhlersfrau aber ist eine Hexe gewesen und hat jede Nacht als grosse schwarze Katze am Grabe gesessen und auf den weissen Sperling gelauert.

Jörgs Sohn, der Pilzmann, hat sie eines Nachts erwischt und mit einem Eibenzweig geschlagen. Da hat um die nämliche Stunde die Köhlersfrau in ihrem Bette laut aufgeschrien. Es war ein Wunder, dass sie nicht am neunten Tage gestorben ist.

Nun ist der Pilzmann älter als Finkenjorg war in seiner Sterbestunde, und der Finkenjorg war damals so alt, dass er sich nicht mehr an seine Frau erinnern konnte. Er wusste nicht einmal mehr, dass der Pilzmann sein Sohn war.

Manchmal schon hat der Trompeter in der Kartoffelstube Zuflucht vor der Welt gesucht. Von dem prallen Leben, das der erste Rauchmaul der Erde vom Munde weg pflückte, ist bloss ein harter Kern geblieben, daran der letzte Rauchmaul sich die Kinnladen müde kauen kann. Trübselig sitzt er auf der drückenden Bettkante und starrt in die aufgeschütteten braunen Knollen. Er hält die Flasche in der Hand und ab und zu nimmt er einen Schluck, lässt ihn einmal rundum im Mund laufen und dann mit einem ächzenden Laut die Gurgel hinabkluckern. Die Trompete im schwarzen Tuch lehnt an der Wand und eine Weberspinne erklimmt mühsam dieses düstere Gebirge.

Der Pilzmann ist längst mit seinen Körben in die Stadt davon.

Ein Mädchengesicht presst sich suchend gegen die Scheibe. Jakob fühlt eine leichte Freundlichkeit. Aber dann ist es Tzigane. Sie hat ihn erspäht und schlüpft in das Zimmer.

Ist es wirklich Tzigane? Sie hat ein neues warmes Tuch um und über den Rock ist eine bunte Schürze gebunden.

Jakob betrachtet sie misstrauisch. Doch es ist wirklich Tzigane. Sie reicht ihm aus dem Tuch einen Brief. Das ist Alines Handschrift.

Jakob seufzt. Die Welt will ihn zurückbeordern. Er reisst voll Ergebung den Umschlag auf, er entfaltet den Zettel.

Also der Nachbar? So. Er scheint nicht anbeissen zu wollen. Lass ihn nicht aus den Augen, schreibt Aline. Sollte er in dem Gasthof bei der Hosang einkehren, mach dich sofort auf den Weg. Horche bei Tante Riekchen.

Ich glaube zwar nicht, dass er die Witwe nimmt, schreibt Aline, aber besser ist besser, denn schliesslich ist ein Gasthof ein Gasthof, und ein Mann setzt sich oftmals an den gedeckten Tisch, noch ehe er die Stiefel abgetreten hat.

Übrigens ist Aline bei einer Freundin gewesen und auf der Rückfahrt hat sie im Zuge Herrn Leisegang getroffen.

Er war sehr freundlich, schreibt Aline, und konnte sich gleich auf mich besinnen. Doch würde die Freundin auch lieber den Nachbar nehmen, weil er in reiferem Alter und nicht solch ein Weltmann wäre.

Man füttert nicht gern einen Hund, der nachts vor fremder Türe bellt.

Das war Alines Brief.

»Es ist gut«, sagte Jakob und gab Tzigane ein Zeichen, dass sie gehen könnte.

Aber sie hatte ein neues Tuch um und eine bunte Schürze. Sie wünschte, dass der Mann davon Notiz nahm. Sie war glücklich über ihre Schönheit. Sie lächelte Jakob an.

»Vom Nachbar«, erklärte sie und zeigte sich in dem kärglichen Sonnenstrahl.

»Wohl so?« erkundigte sich der Trompeter und machte eine rasche Bewegung.

Tzigane schüttelte den Kopf.

»Geld?« fragte Jakob.

Tzigane verneinte. Der Trompeter wurde neugierig.

»Also geschenkt. Nun, der Nachbar muss es dazu haben.«

»Guter Herr«, lobte das Mädchen.

Jakob nickte: »Aber zu langsam. Er könnte endlich zu einem Entschluss kommen. Hör mal, Schikane. Ich möchte ihn jetzt nicht aufsuchen. Geh hin und versuch herauszubekommen, wie lange er noch in Sorgenstein bleiben will. Meine Schwester bezahlt es dir. Du scheinst ja angesehner in Freilichs Haus zu sein als unsereins. Dir schenkt man Tücher und von meiner Trompete will man nichts wissen. Sag meiner Schwester, mir hängts zum Hals raus. Ich bin mit der Welt zerfallen. Sag es ihr lieber nicht. Wenn sie nichts Besseres zu tun hat, legt sie Worte auf die Goldwaage. Ich mag mich mit ihr nicht erzürnen.«

»Frauensmensch – Grauensmensch«, sagte er und sank wieder schwersinnig in sich zusammen. Er hatte seinen Kopf zwischen die Hände genommen und bewegte die Zehen in den Stiefelspitzen. Die grosse Zehe warf durch Wollstrumpf und Schuhleder einen Blick in die verdriessliche Welt.

Tzigane wurde ungeduldig vor soviel langem Trübsinn.

Sie wusste nichts Besseres zu tun, als zu lachen. Dadurch wurde Jakob wieder an ihre Gegenwart erinnert.

Da stand sie in ihren neuen Sachen. »Wie solche hübschen Nichtigkeiten ein junges Weib verwandeln. Sie kommt sich nicht mehr ärmlich vor, die Zigeunerin, hübsch ist sie und wird es mit jedem Mädchen aufnehmen können.

Sie stand am Fenster, und das bisschen Sonne, das durch die verstaubte Scheibe hereinglitzerte, lag ihr auf der Schulter.

Der Trompeter schmunzelte. Er stellte sich auf seine langen Beine und sagte: »Komm her!«

Tzigane rührte sich nicht vom Fleck. Sie lachte, das war alles.

»Kommst du her!« rief der Trompeter. Er ging auf Tzigane los. Sie war flinker als er und stolperte nicht über die Kartoffeln, während Jakob um Haaresbreite sich den Kopf gegen die Wand geschlagen hätte.

Weibervolk, Katzenvolk, Hexenvolk. So eine wie du, die huscht durch den Schornstein. So eine wie du tanzt nachts mit dem Bock. So eine wie du kennt Salben und Mondkraut. So eine wie du hält den Teufel zum Narren.

Er wollte mit Tzigane fertig werden, wie der erste Rauchmaul es mit den Marketenderinnen geworden war. Um die Taille fassen, hochheben und hinwerfen.

»Kröte«, schrie der Trompeter. Tzigane hatte ihn über die Backe gekratzt. Ein roter Streif zog vom Ohr bis zum Mund.

Er liess sie los, und schon war sie draussen. Da köpfte sie gegen die Scheibe. Hinter dem grauen Glas sah man ihr Lachen.

»So eine wie dich hat die Hölle gern!« Der Trompeter kroch zurück auf sein Holzbett.

Tzigane lief singend durch Sorgenstein.

In der Nagelschmiede war nur der Blasjunge. Er stand am Schleifrad, trat emsig mit dem Fuss und schärfte am Handwerkszeug.

Meister Freilich war am frühen Morgen mit seiner Schubkarre, vollgepackt mit Schmiedenägeln, davongefahren, um sie in der Umgegend loszuwerden.

Wilhelm war nach einem Dorf im Grunde gerufen worden. Er hatte vor Jahr und Tag ein Gitter für die Kirche in Sorgenstein geschmiedet. Auch darauf verstand er sich. Bei seiner Geschicklichkeit und seiner Ausdauer brachte er manches Schmiedestück zuwege, das man für gewöhnlich von einem einfachen Nagelschmied nicht erwarten konnte. Nun sollte er für den Brunnenquell im Grunde ein ähnliches Gitter herstellen. Er konnte vor dem nächsten Abend nicht wieder zurück sein.

Der Blasjunge fühlte sich als Herr im Hause, und als er nun das Zigeunermädchen an der Türe sah, warf er mit einem Stück Eisen nach ihm. Das Eisen fuhr polternd gegen das Holz, und von dem Lärm aufgeschreckt, rief Malwine aus ihrem Bett. Tzigane öffnete rasch die Türe zur Kammer.

Sie sah Malwine blass in den Kissen liegen und betrachtete sie mitleidig.

»Was willst du?« fragte die Kranke.

Das Kindchen in der Wiege weinte. Es war aufgewacht und stiess mit den winzigen Fäusten die Decke fort.

Tzigane deckte das Kind wieder zu und bewegte die Wiege. Das Kleine sah sie forschend an, legte das Köpfchen auf die Seite und liess seine ernsten Augen nicht von dem bunten Tuch.

Malwine hatte das Zigeunermädchen hinausweisen wollen. Nun es sich aber gleich nützlich machte, durfte es bleiben.

Tzigane fragte, wo der Nachbar wäre.

»Was willst du von ihm?« erkundigte sich Malwine.

Der Trompeter wolle es wissen.

»Soll er doch selber kommen.«

Tzigane wiegte noch immer das Kind und sang leise.

Sie ist jung und gesund, auch von einer Natur, der Wind und Wetter nichts anhaben. Malwines Blick streifte sie.

»Geh«, sagte die Kranke.

Tzigane erhob sich gehorsam.

Malwine hatte den Kopf zurückgelehnt. Der Arzt ist gestern bei ihr gewesen. Sie haben nun doch wieder den Arzt aus Erwinsrode kommen lassen, weil er mit seinem Wagen schneller da sein kann. Der Arzt wird morgen wiederkommen. Ein um den anderen Tag will er mit vorsprechen.

»Wir werden schon über den Berg kommen«, tröstet er jedesmal.

Malwine wendet den Blick wieder zu der Zigeunerin.

Das versteht sich auf helle Sinne und schwarze Worte, sagt man.

Bei Zahnschmerz soll man ein Rasenstück herausheben, in die Erde hauchen, und das Rasenstück wieder an seine Stelle tun.

Geriebenes Brot mit Kümmel angefeuchtet und auf den Magen gelegt, lindert den Krampf.

Bei Herzgespann soll der Kranke durch einen hohlen Baum kriechen, damit das Ungesunde in der Rinde des Baumes zurückbleibt.

Um das schüttelnde Fieber zu bannen, ist es gut, unter einen Fliederbaum zu treten, der schwarze Beeren trägt. Einmal vor Sonnenaufgang und einmal nach Sonnenuntergang. Dazu soll man sagen: »Guten Morgen, du Alter. Hier bringe ich dir das Warme und das Kalte. Das Warme für mich, das Kalte für dich.« Dreimal soll man es sprechen.

Selbst das Tote noch beugt sich dem Zauber. Ist ein Mensch ertrunken, dann soll man ein Brot in das Wasser werfen. Der Ertrunkene wird sich nach dem Brot ziehen und man kann seine Leiche ohne Mühe herausfischen.

Viel Geheimnisvolles geht über die Wege. Krüppeln sind segnende Münder gegeben und dem Verworfenen heilende Hände.

Malwine hat sich zu der Zigeunerin gewandt. Sie bekommt die Frage noch nicht über die Lippen. Aber als ihr Blick auf das Kind fällt und sie sieht, wie das Kleine die Händchen betrachtet, wie es die zierlichen Finger spreizt und schliesst, da wagt sie die Worte.

Zögernd zuerst spricht sie, doch dann wird ihre Rede eilender.

»Weisst du nichts?« fragt sie und schildert ihre Krankheit.

»Weisst du nichts?« fragt sie, und ihr bittender Blick lässt Tzigane nicht mehr los. Sie hat sich aufgerichtet und stöhnt

»Es ist die Lunge«, weint sie.

Viele Kräuter kennt Tzigane: Das harte Johanniskraut, das wollige Katzenpfötchen, das zu Himmelfahrt gesammelt den Blitz abwehrt, Hexenmehl und Teufelshand. Zehrwurz kennt sie und Irrkraut, Höllenabbiss und Farnmännlein, Christushand und das Mutterkraut.

Ja, sie wird ein paar Kräuter pflücken. Aber damit allein ist es nicht getan. Sie müssen empfangen werden über den Kreuzweg. Tzigane spricht nicht darüber.

Sie beschreibt einen Waldweg, nicht weit, gleich hinter den Tannen. Eine alte Köhlerhütte steht dort. Zwei Wege kreuzen sich an der zerborstenen Fichte. Leere Wege sind es. Selten berührt sie ein Fuss. Die Köhler sind weitergezogen.

»Dort«, sagt Tzigane.

Es muss auch gegen Sonnenaufgang sein, wenn das Licht noch gesund über den Berg steigt. Am besten ist es zur Stunde, da die Vögel schwärmen. Ihr Morgenruf schreckt den Nachtvogel.

»Dann«, sagt Tzigane.

»Ich werde kommen«, entschliesst sich Malwine.

Das Zigeunermädchen nickt. Sie hebt den Finger gegen die Lippen.

Nein, Malwine wird nichts verraten. Morgen früh wird sie an der Hütte stehen. Meister Freilich ist unterwegs mit seinen Nägeln. Wilhelm hat weitweg im Grunde zu tun. Er wird erst am Abend zurück sein. Der Blasjunge schläft wie ein Bär. Selbst ein Donnerschlag würde ihn nicht aus den Federn jagen.

Nur der Nachbar. Ja, der Nachbar ist da. Er soll das Haus hüten, solange die beiden Männer fern sind. Er hat versprochen, nach der Kranken zu sehen.

Oft kommt auch ihre Mutter. Aber sie ist vollgefüllt mit Jammer. Erst der Tod des Alten und nun Malwines Krankheit, und zu Hause viel Arbeit und das Geschrei hungriger Mäuler. Malwine ist froh, wenn die Mutter wieder die Türe schliesst.

Aber der Nachbar. Man müsste ihn täuschen.

»Wo ist er?« fragt Tzigane.

Und sie bekommt Antwort.

»Er ist fortgegangen. Ich weiss nicht wohin. Er will zur Vesper zurück sein. Der Junge soll seinen Wagen schmieren. Er wird wohl bald abfahren.«

Ja, der Nachbar ist unruhig.

»Ich weiss nicht, was er hat. Sonst setzt er sich gern zu mir. Er liebt es auch, behaglich seinen Kaffee zu trinken. Er lässt sich überhaupt gern Zeit. Jetzt ist er wie ausgewechselt. Er spricht nicht darüber. Jeder hat seine Beschwer.«

Malwine erzählt mit Tzigane. Das ist nicht mehr das unerwünschte Zigeunermädchen, der gute Mensch ist es, der helfen will. Sie wird schon ihren Taler dafür haben wollen. Aber warum sollte sie ihre Kunst auf die Strasse werfen?

Malwine lässt sich sogar das Essen von ihr reichen. Sie teilt es mit ihr.

»Morgen«, flüstert sie.

»Morgen früh«, sagt Tzigane.

Der Nachbar kam nicht zum Vesperbrot, er stellte sich auch nicht am Abend ein. Malwines Mutter wollte über Nacht im Hause bleiben, aber die Kranke schickte sie fort.

Es fehle ihr nichts, sie wäre nur schwach bei Kräften. Des Nachts schliefe sie immer gut. Nein, die Mutter solle nur gehen.

Malwine lag die Nacht über wach.

In den Gasthof zwischen den Chausseen war der Nachbar eingekehrt.

Riekchen hatte die Hände zusammengeschlagen.

So spät noch!

Ja, da ist er, der Nachbar.

Frau Hosang legt die Zeitung fort und blickt verwundert auf.

Riekchen ist schon in die Küche gelaufen. Sie will Kaffee hereinholen, denn der Nachbar sieht müde aus.

»Zum Umfallen«, sagt Riekchen zu der Alten aus dem Baldriandorf, die es sich vor der warmen Grude gemütlich gemacht hat.

»Wie ein Blitz aus heiterm Himmel«, sagt Riekchen. »Jetzt bei Nacht und Nebel!«

»Du bist ja ganz elend, Nachbar. Bist du denn krank? Ich hab's immer gesagt, das wird zuviel mit dem Wagen. Du musst deine Ordnung und deine Ruhe haben. Ihr denkt immer, ihr könnt Zentner stemmen, und nachher liegt ihr auf der Nase.«

Frau Hosang hat neben sich auf dem Sofa Platz gemacht.

Sie betrachtet ihn vorwurfsvoll. Er wird sich noch frühzeitig unter die Erde bringen.

»Sicher ist es das Rheumatismus«, sagt Frau Hosang. »Ich hab' draussen noch Pferdemark. Das hilft am besten.«

»Riekchen«, ruft sie, »bring doch das Pferdemark mit. Es ist in der Kruke, wo Sago drauf steht.«

»Im Rheumatismus«, sagt sie, »zieht sich alles zusammen, auch das Herz. Es ist eine heimtückische Krankheit. Auch Hosang litt daran. Er war im letzten Jahr ganz krumm gezogen.«

»Wo kommst du denn her?« fragt Frau Hosang.

Ja, wo komme ich her? denkt der Nachbar. Ich bin lange unterwegs. Ich wollte weit fortgehen. Ich bin im Kreise gelaufen. Viele Jahre bin ich es. Nun stehe ich wieder an der Schwelle.

Es war einmal ein Mann, den nannte man den Holzkapitän. Er war reich gewesen und angesehen weit im Lande. Er hatte eine Frau, die schön war und sich mit teuren Federn fremder Vögel schmückte. Der Holzkapitän hatte dieser Frau alles geopfert. Als sie starb, war er ärmer als Hiob. »Ich habe nicht einmal eine Ziege«, sagte er oft. Die Frau liebte den Tanz und den Glanz, sie hat viel in anderen Armen gelegen. Sie hatte seinen letzten Taler verzehrt. Als sie starb, hätte der Holzkapitän wohl aufatmen können. Aber sie wurde lebendiger als vorher. Ja, sie war immer bei ihm. Er sah sie nicht mehr, aber er wusste, dass sie schöner war als jede Frau. Er verschenkte ihre letzten Kleider. Sie sollten wieder durch die Strassen gehen. In vielen Gestalten sollte die Tote vor ihm leben. Ja, ihre Kleider, das war das einzige, was er aus allem Zusammenbruch gerettet hatte.

Viele Jahre scheinen verflossen, aber die Zeit ist stillgestanden, denn die Liebe kennt keinen Anfang und weiss von keinem Ende.

Ja, die Liebe ist alt wie die Welt.

Wir können von der Liebe fortgehen, aber wir können sie nicht verlassen. Wir können uns von ihrem Antlitz abwenden, aber wir werden es nicht vergessen. Wir können ihre Hände abtun, aber wir können ihnen nicht verwehren, dass sie uns streicheln.

Wir haben viel Raum zwischen uns und sie gelegt, doch ein Blick irgendwo, ein Wort irgendwo und irgendwo ein Lachen, trägt sie uns schneller wieder heran, als ein Hauch es vermag.

An dem fremden Tisch in fremder Gaststätte sitzt der Nachbar, der seinen Namen vergessen wollte, ihren Namen vergessen wollte und alle Zeit zuvor, sitzt auf fremdem Stuhl und über alle Zeit hat ein helles Lachen aus fremdem Munde ihren Namen herangetragen, ihr Bild herbeigeweht.

Sie war schöner als irgendein Mädchen. Anmutig war ihr Gang, und ihre Hände waren von grosser Zartheit.

Sie war das Lamm, hinter dem die Wölfe her waren, grobe Blicke und falsche Worte. Geschwätz war hinter ihr her und Bosheit.

Sie aber war schuldlos.

Warum habe ich sie verlassen? denkt Pagel.

Der kleine Kantor hat recht. Ich hätte sie nicht verlassen dürfen. Was wird aus ihr geworden sein?

»Du bist so von dir, Nachbar. Was ist denn passiert?« fragt Frau Hosang.

»Es ist nichts passiert«, antwortet der Nachbar.

Nein, es wird nichts passiert sein. Es ist alles gutzumachen. Auch viele Jahre kann man einfach fortwischen.

Wir hätten schon einen Weg gefunden, hatte der kleine Kantor gesagt.

Oh, wir werden den Weg finden, denkt Pagel. Ja, der Weg muss gefunden werden.

Er lächelt. Er sagt: »Nein, es ist nichts passiert.«

Frau Hosang schüttelt den Kopf. Sie versteht das nicht. Sie nimmt wieder die Zeitung.

Riekchen hat sich zu der Alten in die Küche gesetzt. Sie hat ihr verraten, dass der Nachbar Alines Haus besichtigt hätte. Sie knüpft keine Vermutungen daran, aber sie blinzelt. Ab und zu geht sie an die Türe und blickt durch den Spalt in die Gaststube.

»Sie sprechen nicht miteinander«, sagt sie und setzt sich wieder.

Die Alte aus dem Baldriandorf will auch etwas erzählen. Sie sagt: »Die Menschen heutzutage, gefährliches Kraut, Riekchen. Neulich waren zwei rabiate Wanderkerle bei uns im Ort. Der dritte aber sah am gefährlichsten aus.«

»Ich denke, es waren bloss zwei«, antwortet Riekchen.

»Drei hab' ich gesagt und lasse mir keinen abhandeln. Und der vierte sass währenddem in der Kneipe. Der treibt bloss Schindluder mit der lieben Gotteswelt. Sie haben gebettelt und sagten, sie wollten zu Fuss bis zu den Mohren.«

Die Alte hat es gern, wenn Riekchen über solche Geschichten aus dem Himmel fällt. Heute aber scheint Riekchen anderes im Kopf zu haben. Sie ist wieder an der Türe und spioniert in die Stube.

»Sie liest die Zeitung und er ist wohl eingeschlafen«, sagt sie befriedigt und nimmt wieder an der Grude Platz.

Die Alte hat einen Teller voll Kartoffeln vor sich. Sie giesst Leinöl darüber. Sie steckt eine Gabel voll in den Mund.

»Richtig, da war noch die Kutsche«, erzählt sie. Ihr Blick streift grimmig die Freundin. Nun wird sie doch wohl anbeissen.

»Eine Kutsche, verstehst du! Ja, nun staunst du doch. Wann kommt schon einmal solch eine Kutsche vorbei.«

»Der Graf hat auch eine«, erwidert Riekchen gelassen.

»Der Graf, nun ja! Aber solche Kutsche.«

Sie erklärt nicht, was es für eine war. Sie überlässt es Riekchen, sich selber ein Bild davon zu machen.

»Solche Kutsche«, sagt sie bloss.

»Wo kam denn die Kutsche her?« fragt Riekchen schliesslich.

»Direkt aus der Welt«, antwortet die Alte ohne zu zögern. »Man sah es den Pferden an. Der Kutscher sass steif wie ein Flintenstock mit einer Rosette am Hut.«

»So trägt dem Grafen seiner sich auch«, entgegnet Riekchen.

Die Alte wird fuchtig.

»Eine schwarze Kutsche, pechschwarz. Kein Fenster drin, kein Nichts, kein Garnichts. Was sagst du dazu!«

»Pechschwarz?« Riekchen ist neugierig geworden. Sie liebt, wenn es gruselt. Sie fürchtet sich so gern. »Ganz pechschwarz?«

Die Alte schmunzelt.

»Stockfinster. Man sah nicht einmal den Kutscher. Ja, ja. Wer weiss, was es war. Er fährt jetzt wieder durch die Welt. Neulich hat er nachts bei unserm Nachbar Schramm geklopft. Dreimal hat er geklopft, aber es hat niemand draussen gestanden. Es war punkto zwölf. Und geraderüber legen die Hühner nicht mehr. Du weisst wohl auch, dass im Grunde ein Kalb geboren ist mit zwei Köpfen. Ja, er fährt jetzt wieder durch die Welt.«

Das waren unangenehme Geschichten, aber Geschichten, wunderschön zu erzählen, abends vor der warmen Grude.

Die Alte flüsterte nur noch. »Und nun die schwarze Kutsche!«

Es war schrecklich, was für Spuk noch sein Wesen trieb. Das Kalb mit den zwei Köpfen war das wenigste. Riekchen konnte auch ihren Senf dazugeben.

»Frag mal den Pilzmann«, tuschelte sie. »Er hat uns neulich Pike gebracht. Es war ein Gast hier, der wollte partout Champignons essen. Ich würde mich dabei zu Tode ängstigen. Aber er hat sie schnabuliert und am Nachmittag ist er weitergefahren und hatte nicht mal einen Magenkrampf. Ja, da war der Pilzmann hier. Frag ihn mal. Neulich hat ein Grünhut geschrien, als er ihn abschnitt. Wie ein kleines Kind hat der Pilz geweint. Der Pilzmann hat ihn mit an das Hotel in der Stadt verkauft. So weit weg wie möglich, hat er gesagt.«

»Ja, es passieren schreckliche Dinge«, sagt die Alte. »Nachts um zwölf war ein Rumpeln.«

»Die Kutsche?« haucht Riekchen atemlos.

»Nein, die war vorher. Es rumpelte anders.«

Die Alte aus dem Baldriansdorf überlegte, wie sie Riekchen dieses Rumpeln verdeutlichen sollte.

»Ja, das rumpelte«, sagte sie.

In diesem Augenblick hörte man deutlich, wie ein Wagen heranrollte.

Die Alte schwieg erschrocken. Riekchen zitterte bloss noch.

Es ist deutlich zu hören: draussen fährt ein Wagen. Es ist spät abends und es geht zum Vollmond.

Das Geräusch der Räder war jetzt dicht vor dem Hause.

Die beiden Frauen hatten ihre Blicke angstvoll ineinander.

Das Geräusch war vorbei.

Die Frauen hoben etwas den Atem, aber da war eine Stimme im Hausflur.

Eine laute, dröhnende Stimme.

»Hals und Bein«, rief die Stimme, »Licht her!«

Was waren das für Worte.

Ging er nicht wieder durch die Welt, klopfte er um Mitternacht nicht an die Türe und versank in die Erde, wenn man öffnete? War es nicht eine pechschwarze gewesen, mit glühenden Pferden und einem stocksteifen Kutscher?

»Donnerwasser!« schrie Stiwenhack. Er hatte diesen Fluch von einem zahnlosen Tagelöhner aufgeschnappt.

»Donnerwasser!« schrie er.

Frau Hosang warf die Zeitung hin und sah in den Flur. Die Öllampe war erloschen. Es war finster und sie hörte tappende Schritte, die sich nicht zurechtfanden.

»Riekchen«, rief sie, »schnell die Lampe!«

Stiwenhack hatte sich inzwischen orientiert. »Pechschwarz!« schrie er, »nicht die Hand vor den Augen!«

»Pechschwarz«, wiederholte bibbernd Riekchen. Sie liess die Lampe beinahe fallen, so war ihr der Schreck in die Glieder gefahren.

Die Alte aus dem Baldriandorf stand, den Kopf vorsichtig eingezogen, im Türspalt.

So, nun war der Maler in der Gaststube. Sein erster Blick traf den Nachbar. Er konnte sich vor Freude nicht fassen. Er begrüsste ihn schallend.

Riekchen hatte sich inzwischen etwas erholt. Sie starrte den Fremden an. Sie puffte Frau Hosang in die Seite.

»Der Kauz«, sagte sie.

Es kam noch ein zweiter Mann in die Stube, hager, in schwarzer Livree, ein schnauzbärtiges Gesicht unter dem hohen Hut.

Riekchen rieselte es wieder über den Rücken.

Aber der Mann war ein Kutscher des Grafen und hatte den Auftrag, den Maler Stiwenhack nach dem Jagdschloss Montbrillant zu fahren.

Am liebsten wäre der Maler am hellichten Tage stolz einherkutschiert, doch der Wagen war für ihn erst am Abend verfügbar, am späten Abend sogar erst. Nun, es war kein weiter Weg bis zu dem Jagdhaus. Man konnte auch getrost unterwegs eine kleine erfrischende Rast einlegen. Stiwenhack hatte ja Geld in der Tasche.

»Bier«, rief er, »Bier für alle!«

Ja, welche Wandlung seit ein paar Tagen!

Der Maler hatte sich zu dem Nachbar auf das Sofa gesetzt.

Er lachte und klopfte auf seine Tasche.

»Ja, der Graf hat Gefallen gefunden an uns!« sagte er. »Er empfing mich wie einen Raffael. Sie also sind der grosse Maler? – Jawohl, der bin ich! – Was führte Sie zu uns nach Erwinsrode? – Die Kunst, habe ich geantwortet, die Kunst, die Sterne und der Teufel! – Teufel, habe ich gesagt, mein Wort drauf! – Was ist Ihr Genre? – Genre? Durchlaucht, hab' ich gesagt, ich male, was mir vor den Pinsel kommt. Ich habe Herzöge gemalt und grosse Huren, ich habe goldene Fische gemalt und alte Scheunen, das Meer habe ich gemalt und den Wald. – Der Herzog schien zufrieden mit der Antwort, er nickte mir gnädig zu. Er fragte, ob ich mich auch auf Hasen und Rehe verstünde. – Ich fasste die Situation am Schopf, ich sagte, gebraten auf der Pfanne seien sie mir am liebsten. – Er lächelte, er verstand meinen Wink. Er sagte, es wird sofort angerichtet, denn Sie werden mir doch eine Tasse Tee und einen Zwieback nicht abschlagen. – Ja, ich habe mit dem Fürsten diniert. – Ein Lakai stand hinter meinem Stuhl. Ich gab nur ein Zeichen. – Hören Sie, lieber Professor, sagte der Graf, ich wünsche unser altes Jagdschloss Montbrillant zu renovieren. Schmücken Sie mir die Wände des Saales aus. Ein Jagdstück, ein Halali, würden Sie sich darauf verstehen? – Durchlaucht, ich werde Ihnen flüchtige Hasen malen und grimmige Eber, röhrende Hirsche und zierliche Rehe, Auerhähne und Eichhörnchen. Jäger im roten Frack und hoch zu Ross und lefzend die heulende Meute. – Der Graf war entzückt.«

Stiwenhack hob das Glas:

»Es lebe das Land, wo Milch und Honig fliesst!« Vor kurzem hatte er noch gesagt Essigwasser mit Zucker, jetzt war es das gesegnete Land.

Er setzte das Glas hin und fuhr rasch mit der Hand über den Mund.

»Wir sind unterwegs nach Montbrillant. Ich werde dort Wohnung nehmen.«

Tante Riekchen stand sprachlos an der Türe, die Alte aus dem Baldriandorf kam Schritt um Schritt näher, Frau Hosang sah zweifelnd den Maler an, aber es musste seine Richtigkeit haben, denn der gräfliche Kutscher hatte bescheiden am anderen Tische Platz genommen.

Der Nachbar schien versunken in diesem Sturzregen von Worten. Man wusste nicht, was er dachte. Vielleicht hörte er gar nicht hin, vielleicht waren seine Gedanken bei anderen Dingen.

Nein, er hörte nicht, was der Maler erzählte. Er sah nur immer wieder sein bekanntes Gesicht.

Warum habe ich sie verlassen, denkt Pagel. Ja, der Weg muss gefunden werden.

Er unterbricht Stiwenhack, er sagt:

»Also ein Schloss, war es nicht auch ein Schloss damals am Meer?«

Stiwenhack legt nachdenkend die Stirne in Falten.

»Es war ein Schloss«, antwortet er, »sie war eine Königin.«

»Wie war doch ihr Name damals?« fragt Pagel.

»Melitta hiess sie«, erwidert der Maler verwundert.

Einen Augenblick ist nichts hörbar als der schlürfende Schritt der Alten aus dem Baldriandorf, die nun dicht an den Tisch getreten ist. Sie betrachtet neugierig den Maler. Sie lässt sich keinen Zug entgehen.

»Melitta«, sagt der Nachbar leise.

Stiwenhack ist etwas ärgerlich, dass er von seinem Gespräch abgebracht wurde. Er fragt:

»Wie kommst du darauf?«

»Es fiel mir gerade bei«, sagt Pagel, und als hätte er zuviel verraten, blickt er sich lächelnd um, sieht die Frauen verlegen an und fügt hinzu:

»Wie einem manchmal so Gedanken kommen!«

Den Frauen ist nichts aufgefallen. Sie sind zu sehr mit dem Gerede des Malers beschäftigt. Sie denken in diesen Augenblicken wenig an den Nachbar.

Stiwenhack will sein Gespräch wieder aufnehmen, aber der Nachbar unterbricht ihn:

»Ich weiss auch, wieso ich darauf komme. Ich erinnere mich, dass du mir von dem Haus am Meer erzählt hast und wie du die Zimmer dort ausgemalt hättest, mit Fischen und Booten, mit silbernen Fischen, war es nicht so?«

Der Maler nickte eifrig.

»Es war die Fauna des Meeres«, sagte er. »Unter einem Mond schwamm ein Boot, das Licht spiegelte sich in dem schwärzlichen Wasser.«

»Ich weiss es genau«, antwortet Pagel, »du hast es mir schon einmal geschildert. Du hast auch die Frau gemalt, war es nicht so?«

Stiwenhack sank in Erinnerung. Sein Blick war voller Wehmut.

»In gelber Seide«, sagte er und er wandte sich zu den Frauen, die am Tisch standen und sagte:

»Ihr hättet sie sehen sollen, sie war die schönste Frau, die je ich sah. Ihr Mann war ein hoher Kapitän. Er hätte es noch weit gebracht, aber er ist ertrunken. Das Meer – nicht wahr – das Meer –«

»Wenn er noch lebte?« warf Pagel ein. »Oft ist ein Schiff nur verschollen. Oft kehren Seeleute nach Jahren erst heim.«

Der Maler schüttelte den Kopf.

»Er ist tot. Ich weiss es. Das Schiff zerschellte bei Kap Horn. Sie sind alle ertrunken.«

Die Frauen wissen nicht recht, warum das Gespräch auf solche traurigen Geschehnisse kam. Sie wollen von freudigeren Dingen hören. Sie sagen:

»Ja, unser Graf, der hält es mit der Kunst. Vor kurzem erst hat er einen gusseisernen Löwen aufstellen lassen. Also nach Montbrillant geht der Weg.« Sie tuscheln zusammen.

Montbrillant. Das ist ein Versteck für Liebchen. Da hat schon mancher Graf seinen Schatz verwahrt. Die letzte war eine Schönheit aus Süden. Wie hiess sie doch gleich? Nun, es ist ja egal. Also Montbrillant.

Und die Frauen kichern.

Der Maler schlägt mit der Hand auf den Tisch. Er schlägt eine dumme Erinnerung entzwei. »Was will der Nachbar mit totem Kram. Die grosse Zeit ist angebrochen. Ein Graf ist vom Himmel gefallen.

Der Maler leert sein Glas.

»Besuch mich in Montbrillant, Nachbar«, sagt er und winkt dem Kutscher.

Er stülpt den grossen Schlapphut auf. Er wirft das Geld hin. Dann rollt die Kutsche in die Nacht.

Die Frauen traten mit vor das Haus.

Der Nachbar bleibt allein.

Oft ist ein Schiff nur verschollen, oft kehrt man nach Jahren erst heim. Er hat den Blick durch das dunkle Fenster. Er lächelt.

Der Nachbar steht auf und geht in die Stube, die für ihn jederzeit bereit steht.

Die Frauen kommen zurück, blicken sich um und hören dann den Schritt des Mannes auf der Treppe.

»Er konnte doch Gute Nacht sagen«, meint Frau Hosang verstimmt.

Riekchen hat die Lampe im Flur verlöscht, hat die Türe verschlossen, sieht nach der Uhr und schuddert noch einmal, weil sie sich der pechschwarzen Kutsche erinnert, die aus der Welt gekommen sein sollte.

Die Alte aus dem Baldriandorf steht mitten in der Stube und reibt sich vergnügt die Knie.

»Euer Graf!« lacht sie und dreht die gespreizten Finger.

Dann setzen sie sich zu dritt an den Tisch, schwatzen noch wenig und gähnen, hören den Hund um das Haus laufen und hören, wie der hohe Baum knackend gegen die Hauswand schlägt.

In der Stube oben ist noch ein kurzes Licht, dann wird es ausgeblasen. Der Nachbar liegt noch lange wach im Dunkeln.

Wenn er den Kopf zur Seite nimmt, sieht er in der Finsternis zwischen den Bäumen ein fremdes Sternbild.

Die geborstene Fichte an der verlassenen Köhlerhütte wurde ehemals die Vaterunserharfe genannt. Das aber hat man vergessen. Damals zweigte von dem geraden Stamm dicht über dem Boden wie ein Harfenarm ein gebogener Ast. Den zerschlug vor unausdenklichen Jahren der Blitz. Früher wollte man wissen, dass es nicht das schwere Wetter gewesen wäre, sondern dass der Teufel selber in seiner Wut den Baum zerrissen hätte.

Eines Tages war ein armseliger Bauer unterwegs gewesen, der dem Grafen Handdienste zu leisten hatte und nun von seinem kärglichen Acker fort musste, um einen Brief seines Herrn weit über Land zu tragen. Er war sehr verdrossen über solchen Befehl, und während er mürrisch seines Weges lief, dachte er daran, wie seine Kinder nun vor dem Pflug gespannt und wie sein Weib den Pfluggriff niederdrückend im Schweisse ihres Angesichts das schartige Erdmesser in den harten Boden hineinzwängen musste.

Als er so in seinem einfältigen Kopfe sein Los beklagte, sah er plötzlich einen Mann neben sich gehen, der nach Art der fahrenden Ärzte in einen schwarzen Mantel gekleidet war, eine Glasflasche unter dem Arm trug und, in Gedanken versunken, den Bauer nicht zu bemerken schien.

Sie gingen schweigend nebeneinander her, bis sie an eine Waldquelle kamen, die damals zu Füssen des Harfenbaumes entsprang. Heute ist sie längst versiegt, und nur zuweilen flackert ein feuchter, grüner Strahl noch in stillen Abendstunden durch das Waldgras. Zu jener Zeit aber war es ein lustiges Bächlein, das sein blankes Rinnsal über die blähenden Moossteine hüpfen liess.

Als die beiden Wanderer an dieses Bächlein gekommen waren, beugte sich der Mann im schwarzen Mantel nieder, füllte die Flasche mit dem Quellwasser und schüttelte sie. Da sah der Bauer zu seiner Verwunderung, wie dieses klare Wasser sich golden färbte, schliesslich in der geschüttelten Flasche stille lag und sich nicht mehr rührte. Der gelehrte Mann zerschlug nun die Flasche und hielt einen grossen Klumpen Gold in der Hand.

Der Bauer war über solche Hexerei so erschrocken, dass er sich schleunigst davonmachen wollte, aber der Fremde hielt ihn zurück und erklärte ihm, dass es auch für ihn ein leichtes sein würde, dergleichen Zauberei zustande zu bringen. Der Bauer wollte nichts davon wissen, dann aber dachte er an sein Weib und seine Kinder und wie er selber ein klägliches Leben führen musste und wie gut es sich leben liesse mit so einer Flasche voll hartem Gold. Der Fremde verlangte nichts weiter dafür als den Nagel von des Bauern kleinem Finger, damit er ihn einmal, wann es Zeit wäre, daran wieder erkenne.

Der Bauer merkte wohl, dass es ein hinterhältiger Handel sein würde, und weil er alles noch einmal in Ruhe überlegen wollte, setzten sie sich einträchtlich nebeneinander in das Gras. Je länger der Bauer nachdachte, um so mehr kam er aber zu der Einsicht, den sonderbaren Fremden von sich weisen zu müssen, auf dass er einmal, und wäre es auch erst nach der letzten Stunde, den Verlust seines Nagels nicht gar zu teuer zu bezahlen hätte.

Da der Fremde fürchtete, dass der Bauer ihm entschlüpfen könnte, schlug er dem Zaudernden vor, Hand und Zunge in einem Wettlauf entscheiden zu lassen. »Wenn du eher mit deinem Vaterunser fertig wirst als ich mit dem Goldmachen, dann will ich dir die Flasche ohne Gegendienst schenken.« Damit suchte er die Scherben der zerschlagenen Flasche zusammen, fügte sie aneinander und hielt ein leuchtendes Gefäss in der Hand, das dem anderen in die Augen funkelte.

Der Bauer ging auf diesen Vorschlag ein. Als er aber an den Spruch gelangte »und führe uns nicht in Versuchung«, sah er im Geiste auf einmal alle Herrlichkeiten der Welt. Von diesem Glanze war er so geblendet, dass ihm vor Staunen die Zunge stille stand und jedes Wort in ihm ausgelöscht war.

Siegesgewiss wandte der Teufel sich zu ihm, aber ein Eichhörnchen, das in den Zweigen der Bäume seine Nahrung suchte, warf eine taube Nuss herunter, die dem Bauer gerade auf die Nase fiel. Darüber schrak er auf aus seinen eitlen Träumen, entsann sich des Handels, sagte hastig sein Gebet zu Ende und sprach jedes Wort inbrünstig wie ein Vaterunser, dass seine Zunge eher zum Ziele kommen möchte als des Teufels krallige Finger.

Der Himmel hatte ein Einsehen mit seiner Herzensangst und fügte es, dass der Bauer um einen Atemzug früher fertig wurde als der Teufel, der grimmig über solchen Ausgang seine Flasche gegen die Fichte schleuderte, dass der Harfenast zersplitterte.

Später glaubte der Bauer, dass ein Engel ihn zur rechten Zeit gemahnt hätte, und weil er die taube Nuss in seiner Tasche fand und vergeblich darauf wartete, dass sie sich in Gold verwandeln möchte, war er überzeugt, dass kein anderer als Gottvater selber ihn aus den Klauen des Satans gerettet hatte, denn – so sagte er zu seinem Weibe – vor ihm ist das Geringste dem Höchsten gleichgeachtet, und er verwahrte die leere Nuss sorgfältig bis an sein Lebensende.

Aus solcher Zeit her hiess der gespaltene Baum durch viele Geschlechter die Vaterunserharfe.

Als Malwine am frühen Morgen an diesem Baum auf Tzigane wartete, betete ihr Herz, dass dieser Gang, den sie fröstelnd vor Furcht und zitternd in banger Hoffnung unternommen hatte, von Anbeginn bis zu einem guten Ende gesegnet wäre.

Sie war vor Tage aufgebrochen, um ungesehen das Haus verlassen zu können, und stand nun in grosser Ungeduld an den einsamen Wegen.

Das Gehen war ihr mühselig gefallen.

Ach, sie hätte wohl lieber in ihrem Bett gelegen, aber die Hoffnung hielt ihren Körper gestützt.

Sie hatte ein Tuch umgebunden und fühlte sich schwach und elend.

Die Sonne lag noch hinter den Bergen versteckt, und nur eine Vielzahl erleuchteter Wolken verkündete ihr Kommen.

Tzigane hatte versprochen, pünktlich zur Stelle zu sein, aber Minute um Minute verrann und jede schien eine lange Stunde.

Malwine hatte das Tuch fester um die Schultern gezogen. Unruhig ging sie auf und ab, bis schliesslich ihre Füsse anfingen, müde zu werden. Sie wäre am liebsten nach Hause gegangen, doch fürchtete sie, das heilsame Kraut durch ihre Ungeduld zu verscherzen. Sie hätte sich gerne niedergesetzt, aber das Gras war feucht und kalt.

Sie öffnete die Moostüre der Köhlerhütte, denn sie hoffte, einen wärmeren Platz darin zu finden, von dem aus sie den Weg im Auge behalten könnte.

Die Türe war nur mit vieler Anstrengung aufzustossen. Dann gelang es ihr. In diesem Augenblick schlug Malwine ängstliches Vogelgeschrei aus der Hütte entgegen.

Sie trat zurück, um den verirrten Vögeln den Weg frei zu geben, aber keiner der Gefangenen strebte zum Licht. Nur ihr Gesang wurde, nun die erste Helligkeit hineinflutete, banger und klagender.

Zuerst ängstigte sich Malwine, denn sie konnte sich das Schluchzen der jammernden Vögel nicht erklären. Das Fremde, das ausserhalb unserer Welt lebt, vermag viele Gestalten anzunehmen, versteht es, in vielen Lauten sich anzukündigen, und gar oft trägt das Zierliche den Schrecken der Gewalt.

Dann aber wurde Malwine gerührt durch den furchtsamen Ruf eines Zeisigs, wie sie ihn einmal schon vernommen hatte. Es war um die Abendzeit gewesen, und jener Vogel damals hatte den schrecklichen Fängen einer Eule wohl nicht mehr entrinnen können. Nun hörte sie diesen Schrei wieder aus dem halben Dunkel der Hütte. Ach, es waren Vögel darin, die wohl sterben mussten.

Sie trat in die Hütte. Ihr Herz klopfte. Sie wollte auf die schreienden Vögel zugehen, aber die Schreie verstummten jäh. An der dunklen Wand tastete sie entlang, und ihre Hände berührten einen hölzernen Käfig, darin nun wieder ein wildes Flattern und Jammern anhub.

Malwine löste den Käfig von der Wand und trug ihn ins Helle. Die Vögel hatten sich aneinander gedrückt, angstvoll in ihrer Erschöpfung.

Malwine zitterte, als sie den Käfig öffnete, und sie musste den kleinen Geschöpfen erst zureden, bevor sie den Flug in die Freiheit wagten. Dann aber stoben sie mit wildem Schrei davon.

Malwine hielt den Käfig noch in der Hand, als Tzigane dazu kam. Das Zigeunermädchen war in grosser Aufregung und stammelte Worte der Entschuldigung. Sie hätte nicht früher kommen können, weil ein Mann sich hier im Walde herumtriebe. Sie hätte ihn nicht auf die Spur bringen wollen. Malwine solle das Kraut nehmen und schnell nach Hause eilen.

Sie reichte ihr einen Beutel und verschwand in die Büsche.

Malwine wollte den Käfig zurückstellen, aber in der Hütte verliessen sie ihre Kräfte und sie musste sich setzen.

Nach einem Weilchen hörte sie Schritte auf die Hütte zukommen, vernahm einen ärgerlichen Ausruf, sah einen Mann zögernd an der Türe verweilen, hörte wieder den ängstlichen Schrei eines Vogels.

Sie deckte erschrocken die Hand über die Augen, schob sich tiefer in das Dunkle; sie wollte nichts sehen.

Der Mann kam jetzt vorsichtig in die Hütte. Es war Meister Freilich.

Er trug ein kleines Holzgestell, darin ein Vogel sich wund und müde schlug.

Der Alte stand nun einen Augenblick verwirrt und verwundert. Er wartete wohl, dass die Vögel in der Hütte sich melden sollten. Dann trat er hastig vor, riss den Käfig von der Wand und stiess einen Fluch aus.

Den gefangenen Vogel hatte er achtlos beiseitegeworfen.

Malwine war so entsetzt, dass ihr die Luft fortblieb. Stöhnend kam sie wieder zu sich.

Der Alte wandte sich zu ihr, packte sie am Arm und riss sie ans Licht.

Da sah er, dass es Malwine war.

Sie hatte sich losgerissen und lief davon. Sie lief durch das feuchte Gras, stürzte über Wurzeln, raffte sich auf und lief weiter. Sie wusste nicht, wohin, alles in ihr war Angst und Entsetzen. Wenn sie bei Sinnen gewesen wäre, würde sie wohl zu ihrer Mutter gelaufen sein, aber sie lief von dem Dorf fort. Sinnlos lief sie am Rande der Landstrasse dahin. Ach, sie war schwach. Sie wäre am liebsten niedergesunken irgendwo am Rande wie ein krankes Reh, aber ein wahnsinniger Schreck sass in ihr und peitschte sie vorwärts.

Sie sah einen Menschen die Landstrasse entlangkommen. Es war ihr gleichgültig, wer er wäre. Sie lief auf ihn zu, sie stürzte in seinen Armen zusammen.

Sie sollte nicht mehr erkennen, dass es der Nachbar war.

Er fragte sie nicht und er sagte nichts zu ihr. Er hob sie auf und er trug sie ein Stück, musste sich dann ausruhen, bettete sie fürsorglich auf seinen Mantel, ruhte sich aus und trug sie weiter. Schliesslich hatte er sich an ihre Last gewöhnt und er trug sie bis in ihr Haus.

Malwine lag in ihrem Bett. Die Kräuter, die Heilung bringen sollten, waren ihr verlorengegangen. Das schüttelnde Fieber hatte sie gepackt. Nun lag sie in ihrem Bett und musste sterben.

Als Wilhelm am Abend zurückkam, war sie schon so schwach, dass sie die Lippen nur noch lautlos bewegen konnte.

Während dieser Stunden liess sie den Blick nicht von dem Kind, das schlafend in seiner Wiege lag.

Zuletzt wurden auch ihre Augen müde und fielen von selber zu.

Meister Freilich war zurückgekehrt, aber er rührte sich nicht aus der Schmiede. Er schob die Nägel in die Glut und legte die Glühenden auf den Amboss, doch der Schlag seines Hammers war gedämpft, so dass kein Laut in die Stube hinüberdrang.

Der Revierförster kam vorüber und schimpfte, dass er Leimruten im Walde gefunden hätte, und auf einer, niederhängend, einen toten Zeisig. Er schwor, dass er den Übeltäter vor das Gericht bringen würde, wenn er seiner habhaft werden könnte.

»Wehe, wenn der Kerl noch einmal wiederkommt«, drohte der Förster.

»Er wird nicht wiederkommen«, antwortete Meister Freilich.

Das war alles, was er in diesen Tagen redete.

Pagel war vor Tage noch aus dem Gasthof aufgebrochen. Es fiel ihm schwer aufs Herz, dass er Malwine entgegen seinem Versprechen allein gelassen hatte. Noch bevor Frau Hosang wach war und Tante Riekchen die Grude aufschüttete, war er aus dem Hause gegangen. Nun hatte er Malwine auf der Landstrasse gefunden, hatte sie nach Hause getragen, hatte erschüttert an ihrem letzten Lager gesessen.

Der Trompeter Jakob Rauchmaul klopfte schüchtern an die Türe. Er hatte sein Instrument in der Kartoffelstube des Pilzmannes gelassen. Er wollte nichts, als der Toten die letzte Ehre erweisen. Er sass mit Wilhelm am Tisch und sie tranken trübselig ihr Glas Branntwein.

»Sie ist ohne Schmerzen hinübergegangen«, sagten sie. »Sie hat den Tod nicht einmal gespürt.«

Ach, sie wussten nicht, was diesem Sterben vorangegangen war.

»Sie hatte die unheilbare Krankheit«, sagten sie. »Nun hat sie alle Schmerzen hinter sich gebracht.«

Dann sahen sie, wie das Kind unruhig wurde in der Wiege, und sie seufzten und sagten: »Ja, das Kind. Es ist nun ohne Mutter. Es wird sich schwer gewöhnen.«

Das sagten sie und tranken und sahen noch mehr Menschen in die Sterbekammer kommen. Alle waren scheu und vorsichtig, flüsterten nur und brachten ihr Trostwort mit heiserer Stimme an. Traten zu Wilhelm an den Tisch, nahmen das Glas, leerten es bedächtig und blickten dabei auf die offene Türe zu der Toten.

Dann kam auch der Revierförster von der Schmiede herüber, zeigte die Leimruten und erzählte, wie er sie gefunden hätte. Er sprach so laut, dass alle ihn ansahen, bis schliesslich Jakob auf die Türe deutete. Da begriff es der Förster, er trat zu der Toten, nahm seine Mütze ab und betete wohl ein Weilchen.

Malwines Mutter stand in der Küche und bereitete Kaffee für die Frauen, während Malwines Vater sein Schnitzzeug mitgebracht hatte, am Fenster sass und Wäscheklammern schnitt. Er hatte das Bedürfnis, bei seiner Tochter zu sein, solange sie noch über der Erde wäre, aber er durfte seine Hände nicht müssig sein lassen.

Die kleinen Geschwister aber spielten vor ihm am Boden.

Am Begräbnistage kam auch der kleine Kantor. Er stand neben Pagel, doch sprachen sie nicht miteinander. Erst als der Kantor sich zum Heimwege anschickte, fragte der Nachbar, ob er ihm wohl die Ehre antäte, ein Stück Weges auf seinem Wagen mitzufahren.

»Du willst fort?« fragte Wilhelm.

»Ja«, antwortete Pagel. »Es ist etwas in Ordnung zu bringen, und ich will mich nicht allzusehr versäumen.«

Er hatte ja dabeigestanden und erfahren, wie schnell der Tod kommen kann.

Der Planwagen wurde auf die Strasse geschoben, das Pferd eingespannt. Sie mussten die Schubkarre fortschieben, die Meister Freilich zurückgebracht hatte und die nun achtlos im Wege stand. Sie war noch angefüllt mit Nägeln. Es musste keine Nachfrage danach im Lande gewesen sein.

Der Nachbar suchte den Meister auf. Der Schmerz hatte dem Alten den Mund stumm werden lassen. Er sah den Nachbar mit grossen Blicken an, als müsste er sich erst alles in die Erinnerung zurückrufen. Dann gaben sie sich schweigend die Hände, lösten sie nach einer Weile und jeder ging ohne Gruss seines Weges.

Der kleine Kantor sass schon auf dem Wagen. Pagel stieg zu ihm und sie fuhren in die stille Stunde des Nachmittags.

Solange der Wagen über das harte Pflaster von Sorgenstein holperte und auch noch die Landstrasse hin bis zu dem Walde sprachen sie nicht. Der Kantor sass steif auf seinem Platz, er rührte sich nicht einmal. Pagel sah auf den Rücken des Pferdes, der in dem festen Schirrzeug stark und zuverlässig vor ihm her zog. Er überlegte, wie er das Gespräch beginnen könnte, und hoffte wohl, dass der Kantor ihm entgegenkäme. Aber der Kantor hatte seinen Mund fest zusammengezogen, die Stirne in Falten gelegt, und tat, als ob er weit weg wäre.

Als sie an der Stelle vorüberfuhren, da Malwine in des Nachbarn Arme gestürzt war, kam eine dunkle Wolke über Pagel hin. Er wusste nicht, ob der Kantor über Malwines Flucht vor ihrem Tode unterrichtet war, doch konnte er eine Bewegung zu ihm nicht unterdrücken, und als hätte der Kantor seine Gedanken erraten, sagte er:

»Man kann ihm nicht davonlaufen.«

Sie sassen dann wieder schweigend und dachten über den Tod der armen Frau nach. Sie gedachten des Grossvaters, des alten Bergmanns, und wie auch er vor seiner letzten Stunde sich hatte davonmachen wollen, wie die Erde in ihm sich zur Erde verkrochen hatte. Ja, die Erde war allzu lebendig gewesen in ihm. Ach, sie ist in uns allen lebendig. Sie mag nicht sich in toten Staub verwandeln. Was in unseren Adern rollt, dieses Blut von Herzen zu Herzen, hat einen blühenden Weg. Aber die Blüte geht vorüber und der Weg wird dunkel.

Sie sassen schweigsam und gingen ihren Gedanken nach, vernahmen zwischendurch den schweren Gang des Wagens, das Schnaufen des Pferdes, das Knirschen der Steine. Dann fuhren sie für eine Sekunde auf aus ihrer Versunkenheit, entsannen sich ihres Atems und fielen wieder zurück.

»Man kann ihm nicht davonlaufen«, hatte der Kantor gesagt; und erst eine Weile später antwortete der Nachbar:

»Wir sollen es nicht!«

Er dachte jetzt nicht mehr an die Tote. Die Gedanken lagen nun über seinem eigenen Leben. Er fand auch das Wort für den Kantor, er sagte:

»Ja, ich bin einmal davongelaufen. Du hast recht, wir können es nicht und wir sollen es auch nicht, und so bin ich dabei, zurückzukehren.«

Der Kantor lockerte sein Gesicht, sein Mund wurde weich, seine Stirne glättete sich. Er suchte die Hand des Nachbarn, und weil dessen Hände die Leine hielten, tat der Kantor seine Hände dazu. Das Pferd verspürte diese Bewegung, wandte sich etwas und stand dann still.

Die Männer lächelten, liessen die Leine hängen und das Pferd zog wieder seines Weges.

»Du willst nun zu ihr?« fragte der Kantor.

Der Nachbar verneinte. Nein, er wolle nicht zurück. So habe er seine Worte nicht gemeint. Er glaube, dass es besser wäre, wenn die Frau zu ihm käme.

»Ich will es sie wissen lassen«, sagte Pagel. Er erzählte nun dem Kantor, was er für nötig hielt. Er sagte auch, woher er den Maler Stiwenhack kenne und was es mit dem Hause am Meer für eine Bewandtnis habe.

Er verschwieg dem kleinen Kantor aber die Tochter, weil er sich vor ihm nicht allzusehr schämen wollte.

Ja, er hätte nun alle Hoffnung auf den verrückten Maler gesetzt, und so wolle er nach dem Jagdhaus Montbrillant und alles in die Wege leiten, mit Vorsicht allerdings, denn man wisse ja nicht, wie sich so ein fernes Leben inzwischen getan habe.

Der Kantor hörte das alles mit Bedacht an, erwog es, gab seine Einsicht dazu, und so überlegten sie gemeinsam, wie es wohl am schicklichsten und vernünftigsten wäre, die Vergangenheit auszulöschen und der Gegenwart ein gutes Gesicht zu geben.

Zwischendurch kam dem Nachbar mancher Zweifel. Er sagte, dass man ihn in der verlassenen Welt für tot hielte, denn solche Meinung liesse sich aus den Redensarten des Malers unschwer herausfinden. Dazu hatte der Kantor seine freundliche Widerrede, wusste zu berichten, wie Menschen oft Jahre und Jahre, ja, ganze Jahrzehnte verschollen gewesen wären und dann plötzlich mit kaum verändertem Aussenschein wieder in das alte Leben getreten seien.

So sprachen sie wechselweise, während der Wagen nun auf sanfterem Waldboden mit lautloser Schwere hinfuhr. Ihr Gespräch hatte ihnen eine gute Heiterkeit in das Herz gesenkt, das eben noch Traurige hatte einen behaglichen Mantel umgenommen, es war keine Befürchtung mehr da, dass das Schicksal sich anders entscheiden könnte als in der von ihnen vorgezeichneten Bahn.

»Ich werde ein Haus in Erwinsrode kaufen«, sagte Pagel, »denn ich hoffe doch, dass sich mit Leisegang alles gut anlässt. Wenn du was Passendes für mich hören solltest, denke daran. Ich habe mir neulich Alines Haus angesehen. Ich muss sagen, es gefällt mir in seiner Anordnung und in seinem Ausmass. Also etwas Ähnliches.«

Der Kantor versprach, sich sofort umhören zu wollen.

»Ich will uns auch neue Möbel anschaffen, denn das Alte soll abgetan sein. Ich möchte auch, dass alles in Schick ist, wenn Melitta kommt.«

»Es ist traurig, dass Emma tot ist«, entgegnete der kleine Kantor. »Ich könnte mir wohl denken, dass sie deiner Frau in vielem an die Hand hätte gehen können.«

Über solch Gedenken versank der Kantor wieder in wehmütiges Seufzen. Sie schwiegen wieder, sassen nachdenklich, nickten ab und zu aus ihren Gedanken heraus mit dem Kopf und vergewisserten sich manchmal durch einen Blick, dass sie Seite an Seite und in der alten Freundschaft wieder beieinander waren.

Dann war ihnen, als schlüge ein fremder Laut an ihr Ohr, ein unterdrücktes Gestöhne. Sie sahen sich an, sie wandten sich um, sie erschraken, sie sassen nicht mehr allein.

Hinter ihnen unter dem grünen Plan hockte auf einem Leinewandballen der Trompeter Jakob Rauchmaul. Die langen Beine eng an den Körper gezogen, das Gesicht mit wehleidiger Miene, die Augen vorwurfsvoll und die Finger krampfhaft um den schwarzen Beutel, aus dessen zerschuffeltem Stoff das blanke Messing hervorlugte. Da sass er, nicht anders als ein barer Strich Unglück.

Er hatte sich in Sorgenstein am Wagen zu schaffen gemacht, hatte den Nachbar nicht aus den Augen gelassen, war ihm wie ein Hündchen nachgelaufen und hatte gehofft, dass der Nachbar ihn zu der Fahrt einladen würde wie den Kantor.

Doch der Nachbar hatte ihn gar nicht beachtet. Andere Dinge gingen ihm durch den Kopf als so ein bescheidener Wunsch des Trompeters.

Jakob aber wollte zu Aline: er hatte es satt, beim Pilzmann zu sitzen, er war niedergeschlagen über Malwines Tod, die ihm früher manches Stück Brot zugesteckt hatte.

Ach ja, so lässt der liebe Gott die guten Menschen aussterben.

Nun war das Haus im reichen Winkel seine einzige Sehnsucht. Ja, die Welt ist ein Jammertal, man darf froh sein, wenn man irgendwo eine Tür hinter sich zuschlagen kann.

Auch wollte der Trompeter es nicht mit seiner Schwester verderben. Er bemühte sich, ihre Anordnungen aus jenem Briefe, den Tzigane überbracht hatte, nach besten Kräften zu befolgen. Nein, er wollte den Nachbar nicht mehr aus den Augen lassen.

Es lag ihm schwer auf der Seele, dass der geschätzte Freier tags zuvor in dem Gasthof bei Frau Hosang gewesen war. Er machte sich Vorwürfe, dass er ihn ohne Aufsicht dorthin gelassen hatte.

Er vertraute nur darauf, dass wenigstens Tante Riekchen die Augen offen gehalten hätte, denn diese Frau Hosang, diese Gasthofswitwe, konnte es fertig bekommen, mit kurzem Entschluss den Nachbar samt seinem Planwagen wie eine willkommene Beute Alinen vor der Nase wegzukapern.

Was sollte Jakob nun tun? Der Nachbar hatte ihn nicht aufgefordert, mit auf den Wagen zu steigen. Zwar besass er seine langen Beine, aber er glaubte, wenig Vergnügen empfinden zu können, wenn er im Staube hinterher zockeln müsste.

So hatte er einen unbewachten Augenblick benützt, war unter den Plan gekrochen und verhielt sich mäuschenstill, bis ihm aus dem Gespräch der beiden klar wurde, dass man drauf und dran gewesen war, den Hasen zu verzehren, noch ehe er geschossen wurde. Arme Aline, ärmerer Jakob!

Jedes Wort, das er hören musste, bohrte sich wie ein Pfeil in sein Herz. Ach, er wünschte sich weit fort. Was aber hat es für Sinn, den Kopf in den Sand zu stecken? Nicht eine Silbe, und wäre sie noch so sehr mit Gift geladen, wollte Rauchmaul nun, da er im Bereich der Worte sass, sich entgehen lassen. Er schob sich vorsichtig vor, rutschte heimlich von Ballen zu Ballen und hockte nun dicht hinter dem Rücken der beiden Männer.

Ach, er stöhnte. Wie konnte er anders. Er wollte den klagenden Laut töten. Er schlug sich auf den Mund. Es war zu spät. Der Seufzer war schon den Männern in die Ohren gesprungen.

Er konnte nicht einmal ableugnen, nichts gehört zu haben. Er wollte sich schlafend stellen. Er schloss schnell die Augen. Aber auch das gelang ihm nicht.

Dann nahm er allen Mut zusammen und versuchte zu lächeln.

»Wie kommst du hierher?« fragte der Nachbar. Seine Stimme war voller Verwunderung. Es lag kein Ärger in ihr.

Der Trompeter atmete etwas auf. Er stotterte was zurecht. Er entschuldigte sich. Er hüstelte vor Verlegenheit. Er fragte, was er sonst hätte tun sollen. Ja, er müsse eiligst nach Erwinsrode. Ach ja, die arme Aline.

Ob sie denn krank sei?

Nein, das wäre sie nicht, aber sie fühlte sich einsam. Ja, manchmal kämen auch resolute Weiber auf solche Ideen.

Der kleine Kantor war misstrauisch. Er wollte wissen, wie lange der Trompeter schon so dicht hinter ihnen sässe.

Jakob machte treuherzige Augen. Er beteuerte, dass er bis jetzt hinten im Wagen geschlafen hätte. Ja, er wäre sofort eingeschlafen. Das Bett beim Pilzmann sei allzu hart gewesen. Nun, er hätte ganz leidlich auf den Leinenballen gelegen. Man könnte sich gut und gerne ein weicheres Lager vorstellen, aber so bequem wie in der Kartoffelstube sei es noch alle Tage.

Da hätte er also sein Schläfchen gehabt. Dann aber sei er über den Gedanken aufgeschreckt, ungebetener Passagier zu sein. Das hätte ihm auf einmal grossen Kummer bereitet, und so wäre er nähergerückt und hätte gerade den Nachbar auf die Schulter schlagen wollen, aber da sei er schon entdeckt gewesen.

Der Nachbar antwortete nichts auf solch langes Geschwätz.

Jakob stöhnte von neuem und fragte zaghaft, ob er denn absteigen solle. Es wäre ihm genierlich, entgegen dem Wunsche des Nachbars noch länger auf dem Wagen zu sitzen.

»Nun möge er schon bleiben«, erwiderte Pagel.

Der kleine Kantor schüttelte ungnädig den Kopf.

»Er wird es unter die Leute bringen«, flüsterte er dem Nachbar ins Ohr.

Pagel zuckte die Achseln. Was täte das? Einmal werden sie es nun doch erfahren. Er lächelte, schön, möge der Trompeter sein Maul aufreissen, das alles wäre leeres Stroh. Und um an der Hilflosigkeit des neugierigen Trompeters eine kleine Lust zu haben, sagt der Nachbar:

»Du hast es wohl gehört. Ich will ein Haus in Erwinsrode kaufen. Dann wirst du auch meine Frau kennenlernen.«

Sie hörten, wie der Trompeter von seinem Sitz purzelte, und er rappelte sich erst mühsam wieder aus all den Stoffbündeln, als der Wagen mit spürbarem Ruck vor dem Gasthofe hielt.

Jakob wartete nicht mehr auf die mit vielen Grussworten herbeieilende Tante Riekchen. Er rannte spornstreichs davon.

Sie sahen ihn davonlaufen und kamen in ein Gelächter. Der kleine Kantor rieb sich vor Vergnügen die Augen.

Dann sassen die beiden Freunde in der Wirtsstube. Sie waren ernst und doch freudig bewegt.

Sie sahen sich in die Augen.

»Das ist ein guter Entschluss«, sagte der Kantor. »Ich hätte es von dir auch nicht anders erwartet.«

»Ja, ich glaube auch, es ist das Beste«, erwiderte der Nachbar.

Frau Hosang wurde nicht gescheit aus ihren Worten, mochte nicht fragen, aber man sah ihr an, dass sie gerne wohl mehr erfahren hätte.

»Also morgen, in aller Frühe«, sagte der Nachbar.

»Hoffentlich wird er sich nützlich erweisen, der Maler. Ich habe wohl viel für ihn übrig. Aber dieses hier ist eine ernste Angelegenheit. Wenn er für dich nach Juliusbad fährt, müsste er es geschickt anfangen«, antwortete der Kantor.

Ja, es wird alles gut werden. Pagel wird den Maler bitten, zu Emita zu reisen und Erkundigungen einzuziehen. Er wird es jetzt mit Freuden tun, denn er ist ein geschätzter Künstler geworden. Der Graf hat ihn mit seinem Vertrauen beehrt.

Den Plan, Stiwenhack nach Juliusbad zu schicken, hatten die beiden auf der letzten Wegstrecke erwogen, während der Trompeter vergeblich bemüht gewesen war, aus den zusammengestürzten Leinenballen wieder zum Vorschein zu kommen.

Ja, es wird alles gut werden.

Sie gingen zufrieden auseinander. Der Nachbar sah dem Freunde nach, bis dieser in der Dämmerung verschwand.

Sie riefen sich aus grosser Entfernung noch einen Gruss zu.

Der Nachbar stand noch längere Zeit in der Türe.

Der Tag schläferte ein.

Hinter den Bergen, ja, da zog sie herauf, die erwünschte Nacht.

September war es, der neunte Monat im Jahre, darin Ruhe und Reife geboren werden. Bald würde der Herbst in seiner höchsten Farbe stehen.

Stille ist diese Nacht, sie ist das Schiff, das daherkommt mit leisen Segeln, sein braunes Holz scheint die Wogen kaum zu berühren. Dieses Schiff schwebt in der grüngläsernen Klarheit, die zwischen Himmel und Wasser gelegt ist.

Der Nachbar ist in das Haus zurückgegangen. Alle Geräusche verstummten. Aber er hört ein heimliches Lied. Ein geruhiges Summen ist es, ein gleicher hinschwebender Ton, es ist ein friedvoller Klang. Das leise heimliche Rauschen seines Blutes muss es sein, wie es dahinströmt in den zarten, und doch derben, in den gesegneten Adern.

Er spürte auch den gleichmässig festen Schlag seines Herzens.

Stille zog die Nacht herauf. Nur in dem Wipfel des Baumes am geöffneten Fenster war noch ein leises Flüstern der Blätter. Dann schwieg auch dies.


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