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Dreißigstes Kapitel.

Waverley wollte, als der erste Freudenrausch vorüber war, sofort zum Baron eilen, um die frohe Nachricht zu melden, aber der behutsamere Schösser bemerkte sehr richtig, daß, wenn der Baron so plötzlich hier zum Vorschein käme, die Hintersassen und die Leute im Dorf rebellisch vor Freude werden könnten, und vor all solchen Möglichkeiten hatte er immer einen Heidenrespekt. Er erbot sich deshalb, den Baron bei sich vorläufig zu beherbergen und riet Waverley, sich zu der alten Gellatley zu begeben und den Baron durch sie vor jedem vorschnellen Beginnen warnen zu lassen, auch erst mit Einbruch der Nacht den Weg zu ihm nach Klein-Beolan zu unternehmen. Inzwischen wolle er selbst sich zum Kapitän Foster begeben und die Erlaubnis auswirken, dem Baron bei sich für die erste Nacht Unterkunft zu geben. Dann wolle er für den andern Tag Pferde bereit halten, damit »Mr. Frank Stanley«, welchen Namen er vorderhand noch beizubehalten riete, mit dem Baron weiter nach Duchran reiten könne.

Mit Sonnenuntergang war Waverley wieder in der Hütte der alten Janet Gellatley. Als sie seine Schritte vernahm, zitterte sie wieder am ganzen Leibe, denn sie war immerfort in der schwersten Besorgnis um das Wohl ihres alten Herrn. Es fiel Waverley außerordentlich schwer, ihr begreiflich zu machen, daß der Baron nun gegen alle persönliche Gefahr gesichert sei, daß es aber für ihn nicht möglich sei, sich wieder nach dem Stammsitze zu begeben. Sie wollte sich nicht einreden lassen, daß ihm das alte Erbe seiner Väter genommen werden könne, wenn man ihn sonst pardoniere. Waverley versprach ihr, alles zu tun, was in seinen Kräften stehe, und gab ihr ein bißchen Geld, damit sie sich ihre Lage ein klein wenig besser gestalten möge.

Dann kroch Waverley den mühsamen Felspfad hinauf, der zu der »schwarzen Hexe« führte, einer noch versteckteren Höhle, worin der Baron tagsüber zu hausen pflegte.

Auf sein Pochen lugte der alte Herr durch einen Felsspalt, um zu rekognoszieren.

»Lieber Junge, Ihr kommt noch zu früh,« sagte der Baron, »die Rotröcke haben doch noch nicht den Zapfenstreich geschlagen; und früher sind wir nicht sicher.«

»Frohe Nachricht kommt nie früh genug!« sagte Waverley und gab nun mit heller Freude dem alten wackern Manne Kenntnis von der unvermuteten glücklichen Wendung, die sein Schicksal genommen hatte.

Einen Moment lang stand der Baron wie entgeistert da. Dann schlug er fromm die Hände ineinander und rief:

»Herrgott im Himmel, wie soll ichs Dir danken? Ich soll mein Mädel wiedersehen, meine herzliche Rosa!«

Und er fing zu weinen an wie ein Kind.

»Und sollt nie wieder von Ihr Euch trennen müssen, Baron,« sagte Waverley.

»Das wolle Gott gnädig verhüten,« sagte der Baron. »Aber meine Verhältnisse sind trübe. Wie soll ich den Unterhalt für uns beide erringen?« und traurig schlug er die Blicke zu Boden.

»Und wenn nun jemand käme, Baron,« fuhr Waverley fort, indem er bescheiden einen Schritt zurücktrat, »der Miß Rosa zu einem Range erheben wollte, der ihr gebührt, für den sie geboren worden, würdet Ihr solchen Mann hindern, zum glücklichsten Manne der Erde zu werden?«

Der Baron drehte sich um und blickte Waverley mit tiefem Ernst an.

Da setzte Waverley kurz und bündig hinzu: »Jawohl, Baron! Ich reite mit Euch nach Duchran! und wenn Ihr mich nicht mitnehmen wolltet, dann müßte ich sagen, daß mein Schutzbrief für mich völlig wertlos sei.«

»Mein Sohn! mein Sohn!« rief der Baron schluchzend, »und hätte ich suchen müssen in der ganzen Welt, hier hätt ich meine Wahl getroffen.«

Eine Zeitlang standen beide tief ergriffen einander gegenüber. Da sagte Edward zagend: »Und Miß Bradwardine?"

»O, mein Mädel hat nie einen andern Willen gehabt als den ihres Vaters. Zudem seid Ihr doch ein schmucker Bursche, mit Verlaub, und von hoher Geburt. Ich hätt mir in meinen stolzesten Tagen für mein Mädel keinen bessern Bräutigam wünschen können. ... Aber nun eine Frage von meiner Seite, Waverley: habt Ihr Euch auch der Einwilligung Eurer Verwandten vergewissert, vor allem Eures Oheims, der doch in loco parentis steht.«

Edward versicherte dem Baron, daß Sir Everard sehr erfreut sein werde über die schmeichelhafte Aufnahme, die sein Antrag gefunden habe, und sich nicht minder geehrt fühlen werde wie er. Um ihm das zu bezeugen, überreichte er dem Baron den vom Obersten Talbot eingelaufenen Brief, den derselbe mit großem Eifer las.

»Deinem Oheim, mein, lieber Herzensjunge, hat Geburt und Abkunft immer höher gestanden als Reichtum und Besitz. Er hat ja auch niemals notwendig gehabt, der Diva Pecunia den Hof zu machen. Und doch wünschte ich, da dieser Malcolm solcher Mörder seines Geschlechts werden kann – ich kann ihn wahrhaftig nicht anders nennen, da er das alte Gut öffentlich unter den Hammer bringt, – und doch wünschte ich,« sagte der Baron tieftraurig, indem er einen Blick zu dem unter den Bäumen hervorschimmernden Dache hinaufwarf, »ich hätt meiner Rosa das alte Ding mit all seinen Ländereien geben können ...«

Sie waren in Klein-Beolan. Die Gans stand auf dem Tische, der Schösser schwang Messer und Gabel, um sie zu zerlegen. Es war eine gar herzliche Begrüßung vorhergegangen zwischen seinem alten Herrn und ihm. Und auch in der Küche wars munter und lebendig. Die alte Janet hatte wacker mit Hand angelegt, und David hatte den Bratspieß gedreht, daß es eine Lust gewesen war, es anzusehen. Ja sogar Bran und Buscar hatten heut ihren großen Tag, denn Macwheeble war heute so freigebig gelaunt, daß sie sich hatten »dudeldick« fressen dürfen, und schon eine ganze Weile hinterm Ofen lagen und schnarchten.

Und am folgenden Tage gings hinüber nach Duchran, wo der Baron mit offnen Armen empfangen wurde, denn die ganze Grafschaft war eingetreten für sein Gnadengesuch, und es wäre ihm wohl auch noch sein Stammgut gerettet worden, wäre es nicht dem habgierigen Malcolm in die Hände geraten. Der alte brave Mann bemerkte jedoch, daß er in solchem Maße sich der Wohlmeinung all seiner getreuen Freunde und Nachbarn zu erfreuen habe, sei ihm lieber als aller Besitz an Gut und Geld. ... Das Wiedersehen zwischen Vater und Tochter zu schildern, muß der Leser uns erlassen, dazu bedürfte es einer gefühlvollern Feder, als sie dem Chronisten zur Verfügung steht, der sich an die Schilderung dieser Ereignisse gewagt hat. Noch weniger getraut sich derselbe an die Schilderung des holden Errötens, mit dem Rosa die Werbung Waverleys um ihre Hand entgegennahm. Aber daß es dem glücklichen Paare hier nicht anders erging, wie überall anderswo, daß sie nämlich von alt und jung tüchtig gehänselt wurden, und daß es in solchem Falle als ein wirkliches Glück zu preisen war, daß der Baron seiner Vorliebe für Zitate in fremder Zunge getreu blieb, das wollen wir doch noch in aller Kürze erwähnen.

Nach Verlauf von sechs fidelen Tagen wurde Waverley nach Waverley-Würden abgeschickt, um die nötigen Aussprachen und Vorkehrungen zum Hochzeitsfeste zu treffen, dann nach London zu reisen, um dort seine Amnestie gerichtlich feststellen zu lassen, und dann sollte er so schnell wie möglich zurück nach Duchran kommen, um die Hand der verlobten Braut zu erhalten.

Aber eins lag Waverley noch besonders am Herzen, sich unterwegs in Carlisle aufzuhalten, um zu versuchen, ob er zur Milderung des Schicksals, das den Häuptling betroffen, nicht doch einiges ins Werk setzen könne. Wenn ihm nichts andres möglich sei zu erreichen, so wollte er wenigstens Flora ein Asyl bei Rosa anbieten. Waverley hatte versucht, den Obristen Talbot auch für Fergus zu interessieren, war aber rundweg abgewiesen worden mit dem Bescheide, daß solchem Aufwiegler gegenüber, der sogar die gegen den Vater von der Regierung bewiesene Nachsicht in den Wind geschlagen und aus Ehrsucht nach dem Besitz einer Grafenkrone all seine schönen Gaben nur benützt habe, um sein Vaterland und seine Mitmenschen in namenloses Unglück zu stürzen, Nachsicht und Milde ein Verbrechen an seinem eignen Leibe sei, dessen er sich unter keinen Umständen schuldig machen wolle und werde. ... Damit war das Schicksal des Häuptlings besiegelt, und dem Urteil des hohen Gerichtshofs der freie Lauf gelassen.


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