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Dreizehntes Kapitel

Nach mehrstündigem Schlafe wurden sie geweckt und zu dem Prinzen beordert. An der fernen Turmglocke des größten der drei Dörfer schlug es drei. Die beiden Freunde eilten zu dem Quartiere des Chevaliers, der schon im Kreise seiner ersten Offiziere und Clanshäuptlinge stand und Rat hielt. Ein Bund Stroh, das während der Nacht sein Pfühl abgegeben hatte, diente ihm jetzt als Sitz. Sobald Fergus herzutrat, wurde die Unterhaltung abgebrochen.

»Mut, liebe Freunde!« sprach der Chevalier, »begebe sich nun jeder zu seinem Kommando. Es hat sich ein Getreuer erhoben, der uns auf einem gangbaren, wenn auch schmalen Pfade rechts durchs das Moor führen will, so daß wir dem Feind in den Rücken gelangen können. Wir werden auf beiden Seiten zugleich angreifen. Das Weitere liegt in der Hand des allmächtigen Gottes und unsrer Schwerter.«

Allgemeine Freude brach aus ob dieser Kunde. Jeder Anführer eilte, so geräuschlos wie möglich seine Mannschaften in Ordnung zu bringen. Der Hauptteil des Heeres rückte nun nach rechts von den Lagerplätzen ab und gelangte bald zu dem Pfade, der durch den Morast führte. Sie vollführten ihren Marsch mit bewunderungswürdiger Stille und Eile. Der Nebel hatte die Höhen noch nicht erreicht, so daß sie eine Zeitlang noch den Vorteil des Sternenlichts für sich hatten. Indessen war es für die Hochländer noch immerhin gewohnte Arbeit, während es für die Engländer hingegen ein tollkühnes Wagestück gewesen wäre.

Als Mac-Ivor dem festen Boden nahe war und den vorausmarschierten Kommandos sich zu folgen anschickte, erschallte plötzlich ein Ruf.

»Wer da?« Sie konnten den Mann nicht erkennen, der den Ruf getan hatte. Aber Fergus rief leise seinen Mannen zu:

»Keiner gebe Antwort, wenn ihm sein Leben lieb ist ... aber hurtig weiter!«

Der Reiter schoß sein Pistol ab, dann hörte man den Galopp eines über das Feld dahinjagenden Rosses.

»Der Bursche wird Lärm schlagen!« sagte der Baron von Bradwardine. » Hylax in limine latrat. «

Fergus stand jetzt mit seinem Clan auf festem Boden. Die ganze Ebene unterbrach kein Baum, kein Busch. Schon folgte ihm die weitere Mannschaft. Da ertönte der Generalmarsch der feindlichen Trommler. Der Feind war also auf der Hut und bereit zu ihrem Empfange.

Die Hochländer formierten sich in zwei Kolonnen, die sich vom Sumpfe bis zum Meere hinzogen. Die erste Kolonne war zum Angriff bestimmt, die andre sollte als Reserve dienen. Die Kavallerie, die sich aber nur auf wenige Züge belief, führte der Prinz in Person an. Sie nahm Stellung zwischen beiden Treffen.

»Nieder mit den Plaids!« rief jetzt Fergus und warf das Plaid von sich. Alle Schotten folgten seinem Beispiele. »Auf, auf! jetzt holen wir Seide für unsre Tartans, noch ehe die Sonne über den See hin gezogen ist.«

Eine minutenlange Pause folgte. Dann nahmen die Schotten die Mützen ab und alle sprachen ein kurzes Gebet.

Da fing Waverley das Herz zu schlagen an mit solcher Macht, daß es ihm die Brust zu sprengen drohte. Es war halb Scheu, vor dem Kampfe, halb Begierde vor dem Kampfe, was ihn erfüllte ... ein Impuls, wie er ihn noch nie gefühlt hatte, der ihm die Brust bald zusammenzog und seinen Schmerz betäubte, bald wieder weitete und ihn anfeuerte zu wildem Kampfe, daß es ihm war, wie wenn sich Wahnsinn über ihn senkte. Das Getöse entflammte ihn, die Pfeifen schrillten, die Häuptlinge stürmten vorwärts inmitten ihrer Mannen, schneller und schneller, wilder und wilder, und ihre Stimmen setzten an zu einem dumpfen Gemurmel, das starker und, stärker schwoll, bis es zum rasenden Geschrei wurde.

In diesem Augenblick jagte die Sonne, über den Horizont heraustretend, den Nebel auseinander. Wie ein Vorhang stiegen die Dünste empor, und beide Heere erschienen nun hell auf dem Blachfelde, bereit zur blutigen Umarmung.

»Vorwärts, Ihr Söhne von Ivor!« rief da Fergus mit Donnerstimme, »oder die Kameronier werden die ersten sein, die das Blut zapfen!«

Der englischen Reitern war die Aufgabe zuerteilt, die Hochländer in der Flanke zu fassen. Aber ein paar Gewehrsalven brachten sie zum Weichen. Von einer Panik ergriffen, machte sie Kehrt und jagte über das Blachfeld davon. Die Artillerie, als sie sich von der Reiterei in Stich gelassen sah, geriet gleichfalls in Flucht. Die Hochländer gaben noch eine Salve ab, dann warfen sie die Flinten von sich und stürmten mit gezückten Schwertern mitten in die Infanterie hinein.

In diesem Augenblick sah Waverley einen englischen Offizier, offenbar von hohem Range, allein bei einem Feldgeschütz stehen, das die Bedienungsmannschaft im Stich gelassen hatte, und das er jetzt richtete und auf den hinter dem Clan-Ivor marschierenden Hochländerhaufen richtete. Waverley fiel die schlanke Gestalt des Mannes auf. Das Verlangen, ihn von unvermeidlichem Verderben zu retten, beseelte ihn mit Ungestüm, und er überrannte die flinksten seiner Mitstreiter, so daß er der erste neben ihm war und ihm zurief, sich zu ergeben. Die Antwort des Offiziers war ein Säbelhieb, den aber Waverley mit seinem Schilde auffing, an welchem die Klinge des Offiziers zersprang, Da hob der hinter Waverley stehende Dugald Mahony das Schwert, um dem Offizier den Schädel zu spalten. Aber auch diesen Schwertstreich fing Waverley auf. Der Offizier erkannte nun, daß Widerstand unmöglich sei, warf den Knauf seines Säbels weg und verlangte Pardon. Er wurde dem Dugald Mahony überantwortet, aber mit dem strengen Befehle von seiten des Häuptlings, ihm ehrenvolle Gefangenschaft zu teil werden zu lassen und ihn nicht zu berauben, wogegen volle Entschädigung für die Beute versprochen wurde.

Die Schlacht tobte unterdessen weiter. Die Infanterie, die in Flandern ihre Schule durchgemacht hatte, hielt wacker stand, aber ihre stark auseinander gezogne Linie wurde von den dichten Massen der schottischen Clane an mehreren Punkten zugleich durchbrochen, und in dem nun folgenden Handgemenge mußte den Hochländern der Sieg leicht werden, weil ihre Waffen bedeutend furchtbarer waren, als die ihrer Gegner, und weil sie ihnen auch an Körperkraft und Gewandtheit um vieles überlegen waren.

Da sprengte ein englischer Offizier über das Feld, und Waverley erkannte ihn auf den ersten Blick. Es war sein ehemaliger Oberst, der sich einem Infanteriehaufen an die Spitze warf, der, mit dem Rücken gegen eine Mauer gelehnt, sich mit Verzweiflung zur Wehr setzte. Waverley sah, daß der Oberst schon aus mehreren Wunden blutete, daß seine Uniform und sein Sattel von Blut trieften. Er wollte auch ihn vom Untergange retten und drang rücksichtslos bis in seine Nähe. Aber er kam doch zu spät und konnte nur noch mitansehen, wie er zu Boden sank, von einem Sensenhiebe getroffen. Waverley trat im selben Augenblick an seine Seite, als ein zweiter Sensenhieb auf ihn niedersauste. Aber der im Sterben liegende Offizier schien Waverley zu erkennen. Ein milder, doch strafender Blick, ein Blick, in welchem ein unendliches Maß von Liebe und Besorgnis zum Ausdruck gelangte, war die letzte Erinnerung, die Waverley Von jenem Manne mit hinwegnahm, zu dem er einst mit so hoher Achtung als zu seinem Vorgesetzten aufgeblickt hatte.

Lautes Siegesgeschrei schallte jetzt über das Blachfeld. Die Schlacht war gewonnen, und aller Troß, die gesamte Artillerie, mit aller Munition, fiel in die Hände des Siegers. Außer der Kavallerie entrann kaum ein Mann, und auch sie war zerstoben in wilder Flucht.

Unsre Erzählung legt uns bloß noch einen Umstand zu erwähnen auf, nämlich das Schicksal Balmawhapples. Er ritt ein Pferd, das nicht minder dickköpfig war als er, und verfolgte die fliehenden Dragoner ganze zwei Stunden über das Schlachtfeld hinaus. Da fiel es aber einigen, die noch nicht allen Mut eingebüßt hatten, ein, sich gegen ihn zu wenden, und wenn er auch noch zweien von ihnen den Schädel spaltete, so war er doch, weil sein dickköpfiger Gaul widerhaarig zu werden anfing, nicht mehr im stande, sich der drei Dragoner zu erwehren, die ihm aufs härteste zusetzten und nach langem Ringen dem Laird Falconer Balmawhapple das gleiche antaten, was er ihren Kameraden angetan hatte, nämlich ihn mit gespaltetem Schädel zu Boden schlugen.

»Ich habs dem Laird ja immer gesagt, daß mein Gaul keinen Sprungriemen leiden will. Hätt er ihm einen kleinen Beißring in die Kinntrense gelegt, so konnten Pferd und Laird noch heute leben!« sagte der Leutnant Jinker, der ihn auch auf dem Paraderitt um Schloß Stirling begleitet hatte. Und Dhu Maccombich, der Fähnrich Fergus Mac-Ivors, setzte hinzu:

»Es ist mehr auf dem Sheriffsmoor draufgegangen, als Laird Balmawhapple hätt wett machen können!«

Das waren die beide Totenklagen, mit denen Laird Balmawhapple in die Grube fuhr.


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