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Dreiundzwanzigstes Kapitel.

(Fortsetzung.)

Als Redgauntlet das Zimmer in Eile und Verwirrung verließ, so war der Erste, dem er auf der Treppe begegnete, und zwar so nahe bei der Thüre des Zimmers, daß Darsie glaubte, er müsse gehorcht haben, sein Diener Nixon.

»Was zum Teufel thust du hier?« fragte er schnell und finster.

»Ich warte auf Eure Befehle,« antwortete Nixon, »ich hoffe, Alles geht gut? – verzeiht meinem Eifer.«

»Alles geht schlecht, Sir; wo ist der seefahrende Bursche, – Ewart – heißt er nicht so?«

»Nanty Ewart, Sir; ich will ihm Eure Befehle überbringen,« sagte Nixon.

»Ich will sie ihm selbst geben, ruf' ihn her,« sagte Redgauntlet.

»Aber wollen Ew. Gnaden die Audienz verlassen?« sagte Nixon, noch immer zögernd.

»Zum Teufel, Sir, was schwatzt Ihr mir vor?« sagte Redgauntlet, und runzelte die Stirne. »Ich besorge meine Geschäfte selbst, Ihr handelt, wie ich höre, durch einen zerlumpten Abgesandten.«

Ohne fernere Antwort ging Nixon weg, ziemlich verlegen, wie es Darsie schien.

»Der Hund wird unverschämt und faul,« sagte Redgauntlet; »aber ich muß ihn schon eine Weile dulden.«

Einen Augenblick nachher kehrte Nixon mit Ewart zurück.

»Ist dieß der schmuggelnde Bursche?« fragte Redgauntlet.

Nixon nickte.

»Ist er jetzt nüchtern? – kaum vorhin fing er Zank und Streit an.«

»Nüchtern genug zum Geschäft,« sagte Nixon.

»Gut denn, hört, Ewart, bemannt Euer Boot mit Euren besten Leuten, und haltet es bereit bei dem Damme, – schickt Eure andern Leute an Bord der Brigg, – wenn Ihr eine Ladung habt, so werft sie über Bord, sie soll Euch fünffach bezahlt werden; haltet Euch fertig, nach Wales oder den Hebriden, oder vielleicht nach Schweden oder Norwegen abzufahren.«

Ewart erwiderte ziemlich verdrießlich: »Ja, ja, Sir.«

»Geh' mit ihm, Nixon,« sagte Redgauntlet, der sich zwang, mit einem Anschein von Herzlichkeit zu seinem Diener zu sprechen, auf den er ungehalten war; »siehe, ob er seine Pflicht thut.«

Verdrießlich verließ Ewart das Haus, und Nixon folgte ihm; der Seemann befand sich eben in der Art von trunkener Laune, die ihn heftig, leidenschaftlich und ungeduldig machte, ohne daß er etwas anderes, als eine zu große Reizbarkeit verrieth. Als er gegen die Bucht ging, murmelte er vor sich hin, aber so, daß sein Begleiter kein Wort verlor: »Schmuggler – Bursche, – ja, Schmuggler, und werft Eure Ladung in die See, und seid bereit nach den Hebriden unter Segel zu gehen, oder nach Schweden, oder zum Teufel, denke ich. – Gut, und wann ich nun geantwortet hätte, – Rebell, – Jakobit, Verräther; ich will Euch und Euer verfluchtes Gelichter auf's Brett schicken. – Ich habe bessere Leute den Gang thun sehen, – ein halbes Schock an einem Morgen, – als ich die Linie passirte.«

»Verdammt herbe Reden gab Euch doch der Redgauntlet, Bruder,« sagte Nixon.

»Was meint Ihr,« sagte Ewart auffahrend und sich besinnend. »Habe ich wieder einmal laut gedacht? nicht wahr?«

»Thut nichts,« antwortete Nixon. »Es hat Euch Niemand gehört, als ein Freund. Ihr könnt nicht vergessen haben, wie Euch Redgauntlet den Morgen entwaffnete.«

»Darum kann ich ihm nicht böse sein, – er ist nur so verdammt hochfahrend und trotzig,« sagte Ewart.

»Und dann kenne ich Euch, als einen ächten Protestanten,« sagte Nixon.

»Das bin ich, bei Gott,« sagte Ewart; »nein, die Spanier haben mir nie meine Religion entreißen können.«

»Und ein Freund des Königs Georg und der hannoverschen Succession,« sagte Nixon, immer sehr langsam gehend und sprechend.

»Ihr könnt darauf schwören, außer im Geschäftsweg, wie Turnpenny sagt: ich liebe König Georg, aber ich kann mich nicht bequemen, ihm Zoll zu bezahlen.«

»Ihr seid außer dem Gesetz erklärt, glaube ich,« sagte Nixon.

»Bin ich's? meiner Treu, ich glaube, ich bin's,« sagte Ewart. »Ich wünschte von ganzem Herzen, ich wäre in's Gesetz erklärt. Aber kommt, wir müssen schnell gehen, um Alles für unsern gestrengen Herrn in Bereitschaft zu setzen.«

»Ich will Euch einen bessern Streich lehren,« sagte Nixon; »das ist doch nur blutiges Rebellenpack dort.«

»Ja, das wissen wir Alle,« sagte der Schmuggler, »aber der Schneeball schmilzt, glaube ich.«

»Es ist einer unter ihnen, dessen Kopf – dreißig – tausend – Pfund – Sterling – baar Geld werth ist,« sagte Nixon, indem er zwischen jedem Wort eine kleine Pause machte, um die Größe der Summe noch mehr heraus zu heben.

»Und was weiter?« sagte Ewart rasch.

»Blos das: wenn Ihr, anstatt Euch an den Damm zu legen, mit Euren Leuten am Ruder, Euer Boot jetzt gleich wieder an Bord bringt, und auf kein Signal vom Ufer aus achtet, dann, beim Himmel, Nanty, mache ich einen Mann aus Euch für's ganze Leben.«

»Ho, ho, der Jakobineradel ist also nicht ganz so sicher, als er glaubt!« sagte Nanty.

»In einer Stunde oder zwei werden sie noch sicherer im Schloß zu Carlisle sich befinden,« erwiderte Nixon.

»Den Teufel werden sie!« sagte Ewart; »und Ihr seid wohl der Angeber gewesen?«

»Ja, ich bin schlecht bezahlt worden, für meine Dienste unter den Redgauntlets, – kaum Hundefutter habe ich bekommen, und bin schlechter behandelt worden, als ein Hund. Ich habe den alten Fuchs und seine Jungen nun in der Falle, und wir wollen nun sehen, wie eine gewisse junge Dame dazu sehen wird. Ihr seht, ich bin offen gegen Euch, Nanty.«

»Und ich will nicht weniger offen sein,« sagte der Schmuggler; »Ihr seid ein verfluchter, alter Verräther, – ein Verräther an dem Manne, dessen Brod Ihr gegessen habt! – Ich sollte arme Teufel betrügen helfen, der ich selbst so oft betrogen worden bin! – Nein, und wenn hundert Päpste, Teufel und Prätendenten da wären. Ich will zurück, und sie von der Gefahr benachrichtigen, – sie sind ein Theil der Ladung, – richtig bemerkt in der Faktura, – von den Schiffsherren mir anvertraut, – ich will zurück –.«

»Seid Ihr denn ganz toll?« sagte Nixon, der nun einsah, daß er sich verrechnet hatte, wenn er glaubte, Nanty's rohe Begriffe von Ehre und Rechtlichkeit können durch Kränkungen oder durch seinen protestantischen Eifer erschüttert werden. »Ihr sollt nicht zurückgehen, Alles ist ein Scherz.«

»Ich gehe zurück zu Redgauntlet, und will sehen, ob er über den Scherz lacht.«

»Mein Leben ist verloren, wenn Ihr es thut,« sagte Nixon; »nehmt Vernunft an.«

Sie waren jetzt in einem kleinen dichten Gebüsche angekommen, ohngefähr in der Hälfte des Weges zwischen dem Hause und dem Damm, aber nicht in gerader Linie, denn Nixon, dessen Absicht war, Zeit zu gewinnen, hatte Ewart unvermerklich davon abgezogen. Er sah jetzt die Nothwendigkeit ein, einen verzweifelten Entschluß zu fassen. »Nehmt Vernunft an,« sagte er; und als Nanty immer noch sich bemühte, an ihm vorüberzukommen: »oder wenigstens dieß.« Mit diesen Worten drückte er ein Taschenpistol auf den unglücklichen Mann ab.

Nanty wankte, aber erhielt sich auf den Füßen. »Das traf den Rückgrat,« sagte er, »Ihr habt mir den letzten Dienst geleistet, und ich will nicht undankbar sein.«

Nach diesen Worten sammelte er alle ihm noch übrige Kraft, stand einen Augenblick fest da, zog seinen Hirschfänger und führte mit beiden Händen einen Hieb auf Christal Nixon. Der Streich, mit aller Anstrengung eines verzweifelten und sterbenden Mannes geführt, zeigte eine Kraft, die man von Ewarts abgehagerter Gestalt nicht hätte erwarten sollen; er spaltete den Hut des Elenden, obgleich er durch eine Eisenplatte geschützt war, und drang tief in den Schädel ein, worin ein Stück der Waffe stecken blieb, welche bei dem wüthenden Streiche zerbrach.

Einer von der Mannschaft der Brigg, der umherstreifte, wurde durch den, obwohl nicht starken Knall der kleinen Pistole herbeigezogen, und fand die beiden unglücklichen Leute bereits völlig todt. Bestürzt über den Anblick, den er für die Folge eines unglücklichen Kampfs des gefallenen Befehlshabers der Brigg mit einem Zollaufseher hielt (denn zufälligerweise war ihm Nixon nicht persönlich bekannt), eilte der Matrose zurück zum Boot, um seinen Gefährten Nantys Schicksal zu verkünden, und ihnen den Rath zu geben, sich und das Schiff in Sicherheit zu bringen.

Unterdessen war Redgauntlet, nachdem er Nixon abgeschickt, um dem unglücklichen Carl im äußersten Fall den Rückzug zu sichern, in das Zimmer zurückgekehrt, wo er den Reisenden gelassen hatte. Er fand ihn allein.

»Sir Richard Glendale,« sagte der unglückliche Fürst, »ist mit seinem jungen Freunde weggegangen zur Berathung mit seinen hier befindlichen Freunden. Redgauntlet, mein Freund, ich will Euch nicht tadeln wegen der Lage, in der ich mich jetzt befinde, der Gefahr und Verachtung blos gestellt. Allein Ihr hättet mir doch stärker bezeichnen sollen, welches Gewicht diese Herren auf ihren übermüthigen Vorschlag legen. Ihr hättet mir sagen sollen, daß kein gegenseitiges Nachgeben stattfinden könne; daß sie keinen Fürsten wollten, der sie regierte, sondern Einen, über den sie bei jeder Gelegenheit Zwang ausüben könnten, von den höchsten Staatsangelegenheiten bis hinab in die geheimsten Verhältnisse seines Privatlebens, welche auch die niedrigsten Menschen geheim und von jeder fremden Einmischung frei zu halten wünschen.«

»Gott weiß,« sagte Redgauntlet in großer Bewegung; »ich handelte in der besten Absicht, als ich Ew. Majestät dringend bat, hieher zu kommen. – Ich dachte niemals daran, daß Ew. Majestät in einer solchen Krisis, wo ein Königreich zu gewinnen steht, Bedenken tragen könnten, eine Neigung aufzuopfern, welche – – –.«

»Stille, Sir!« sagte Carl, »es kommt Euch nicht zu, meine Gesinnungen über den Punkt zu beurtheilen.«

Hoch erröthend machte Redgauntlet eine tiefe Verbeugung. »Wenigstens hoffe ich,« fing er wieder an, »daß ein Mittelweg ausfindig gemacht werden könne, und es soll, – es muß! – komm mit mir, Neffe; wir wollen zu diesen Herren gehen, und ich glaube gewiß, ich werde erfreuende Zeitungen zurückbringen.«

»Ich will Alles thun, mich ihnen gefällig zu erzeigen, Redgauntlet. Es ist mir unangenehm, wiederum meinen Fuß auf brittisches Land gesetzt zu haben, und es zu verlassen, ohne einen Schwertstreich für mein Recht zu thun. Was sie aber verlangen, ist eine Erniedrigung, und Nachgiebigkeit unmöglich.«

Redgauntlet verließ mit seinem Neffen, der ein unfreiwilliger Zuschauer dieser außerordentlichen Scene war, noch einmal das Zimmer des abenteuerlichen Reisenden, und wurde oben an der Treppe von Jon Crackenthorp aufgehalten. – »Wo sind die andern Herren?« fragte er.

»Drüben im westlichen Theile des Hauses,« antwortete Jon; »aber Mr. Ingoldsby (dieß war der Name, unter dem Redgauntlet in Cumberland am bekanntesten war), ich wollte Euch nur sagen, daß ich all' das Volk drüben in ein Zimmer zusammenstecken mußte.«

»Welches Volk denn?« fragte Redgauntlet ungeduldig.

»Nun, die fremden Gefangenen, über die Nixon die Aufsicht übertragen ist. Der Herr sei Euch gnädig! das ist ein großes Haus, aber wir können nicht abgesonderte Quartiere genug haben für die Leute, wie in Newgate oder in Bedlam. Drüben ist ein toller Bettler, der ein großer Mann werden soll, wenn er seinen Prozeß gewinnt; Gott helfe ihm! Dort ist ein Quäker und ein Rechtsgelehrter, die wegen eines Aufstands beschuldigt sind, und bei Gott! ein Schlüssel und ein Riegel muß sie Alle halten; denn wir sind gepfropft voll, und Ihr habt den alten Nixon weggeschickt, der in dieser Verwirrung hätte helfen können. Ueberdieß nimmt Jeder ein Zimmer ein, und sie verlangen doch auf der Gottes Welt nichts, – ausgenommen der alte Mann, der bestellt genug, hat aber keinen Pfennig zum Bezahlen.«

»Mach mit ihnen, was du willst,« sagte Redgauntlet, der ungeduldig seinen Bericht angehört hatte; »hältst du sie nur, daß sie nicht herausgehen, und Lärmen in der Gegend umher machen, so kümmere ich mich nichts darum.«

»Ein Quäker und ein Rechtsgelehrter!« sagte Darsie. »Das muß Fairford und Geddes sein. – Oheim, ich muß von Euch verlangen – – –«

»Nein, Neffe, unterbrach ihn Redgauntlet; »dieß ist keine Zeit zum Fragen. Ihr selbst sollt im Laufe einer Stunde über ihr Schicksal entscheiden, – es soll ihnen kein Leid widerfahren.«

Mit diesen Worten eilte er vorwärts an den Ort, wo die jakobitischen Edelleute ihre Rathsversammlung hielten, und Darsie folgte ihm, in der Hoffnung, daß das Hinderniß, das sich gegen die Fortsetzung ihres verzweifelten Unternehmens erhoben hatte, unübersteiglich werden, und ihm die Notwendigkeit eines gefährlichen und gewaltsamen Bruchs mit seinem Oheim ersparen würde. Die Verhandlungen unter ihnen waren höchst lebhaft; der kühnere Theil der Verschworenen, der wenig mehr, als das Leben zu verlieren hatte, wollte auf jede Gefahr vorwärts, während die andern, welche nur ihr Ehrgefühl und der Widerwille, ihre langgehegten Grundsätze aufzugeben, zur Theilnahme bewogen hatte, vielleicht es nicht ungerne sahen, daß sie eine Entschuldigung fanden, um eine Unternehmung abzulehnen, worein sie mehr mit Widerstreben, als aus wahrem Eifer verwickelt worden waren.

Unterdessen bediente sich John Crackenthorp der ihm von Redgauntlet in der Eile ertheilten Erlaubniß, diejenigen in ein Zimmer zusammen zu bringen, deren sichere Verwahrung man für nöthig gehalten hatte, und wählte, ohne die Schicklichkeit sehr in Betracht zu ziehen, zum gemeinsamen Gefängniß das Zimmer, in welchem Lilias seit ihres Bruders Abgang sich allein befand. Thüre und Schloß waren sehr fest, und dieß hatte wohl seine Wahl geleitet.

Hierher führte John mit wenig Ceremonien und viel Geräusch den Quäker und Fairford, von denen der erste die Immoralität, der zweite die Illegalität des Verfahrens auseinandersetzte; John war aber für beide gleich taub. Zunächst dann stieß er fast köpflings den unglücklichen Prozeßkrämer hinein, der an der Thüre einigen Widerstand leistete, und deßhalb einen derben Stoß bekam, daß er wie ein Bock, wenn er stoßen will, vorwärts stürzte, und zwar mit einer Heftigkeit, daß er bis an's Ende des Zimmers gekommen, und mit dem Hute, der auf seiner spitzigen Flachsperücke saß, gegen Miß Redgauntlet angerannt wäre, wenn nicht der ehrliche Quäker seinen Lauf aufgehalten, ihn beim Kragen gefaßt, und zum Stehen gebracht hätte. »Freund,« sagte er, mit dem wahrhaft guten Tone, der so oft ohne Ceremoniel stattfindet; »du bist keine Gesellschaft für diese junge Dame; sie ist, wie du siehst, erschrocken, daß wir so plötzlich hereingestoßen worden, und obgleich dieß nicht unser Fehler ist, so ziemt es sich doch, daß wir uns höflich gegen sie benehmen. Komm daher mit mir an dieses Fenster, und ich will dir sagen, was dir zu wissen nöthig ist.«

»Und warum soll ich nicht mit der Lady sprechen, Freund?« sagte Peter, der jetzt halb betrunken war. »Ich habe sonst schon mit Damen gesprochen – warum sollte sie über mich erschrocken sein? – Ich bin keine Vogelscheuche, ich! Was macht Ihr denn an mir? Ihr werdet mir den Rock zerreißen; und ich kann mit gutem Grund eine Klage gegen Euch anstellen, um mich auf Eure Kosten sartum atque tectum zu machen.«

Trotz dieser Drohung hielt Mr. Geddes, dessen Muskeln so stark waren, als sein Urtheil gesund und sein Temperament ruhig, den armen Peter unter einem Zwange, gegen den er nicht ankämpfen konnte, in einer Ecke des Zimmers zurück, wo er ihn, er mochte wollen oder nicht, niedersetzte in einen Stuhl, und sich neben ihn, so daß wirklich die junge Dame von dem Vergnügen seiner Gesellschaft, das er ihr zugedacht hatte, befreit wurde.

Hätte Peter seinen gelehrten Advokaten sogleich erkannt, so hätten auch die wohlwollenden Anstrengungen des Quäkers ihn schwerlich zurückgehalten. Aber Fairford kehrte ihm den Rücken zu, und Peebles Sehorgane, ohnehin durch Bier und Branntwein etwas verdüstert, waren im Anschauen einer halben Krone eifrig beschäftigt, welche Josua zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, und zugleich sagte: »Freund, du bist arm und unversorgt. Dieß verschafft dir, wohl angewendet, deines Leibes Nahrung und Nothdurft auf mehr als einen Tag, und du sollst es bekommen, wenn du hier sitzen, und mir Gesellschaft leisten willst, denn weder du, noch ich, sind eine passende Gesellschaft für Damen.«

»Das mag von Euch gelten,« sagte Peter verächtlich; »ich war sonst wohl gelitten bei den Damen, und wenn ich im Laden war, bediente ich sie mit einem ganz andern Anstand, als Plainstanes, der verdammte Schurke! Es war auch einer von den Streitpunkten zwischen uns.«

»Gut, Freund,« sagte der Quäker, welcher bemerkte, daß die junge Dame sich immer noch vor Peters Zudringlichkeit fürchtete; »aber ich wünschte dich von deinem großen Prozesse sprechen zu hören, der so berühmt geworden ist.«

»Berühmt? – Ihr könnt darauf schwören,« sagte Peter, denn jetzt war die Saite angeschlagen, die in seiner verrückten Einbildungskraft forttönte. Der arme Mr. Geddes mußte nun eine lange Tirade vernehmen, die mit den trostreichen Worten schloß: »ich will Euch den genauen Stand der mancherlei vereinigten Prozesse sagen, um Euch zu beweisen, daß Alles auf's beste geht, da ich jetzt meine Hand an den Taugenichts von Advokaten, den Fairford, legen kann.«

Allan Fairford war gerade im Begriffe, die maskirte Dame anzureden (denn Miß Redgauntlet hatte ihre Reitmaske beibehalten), und wollte sie, als er ihre Aengstlichkeit bemerkte, seines vollen Schutzes versichern, als sein eigener Name, laut ausgesprochen, seine Aufmerksamkeit rege machte. Er blickte umher, sah Peter Peebles, und drehte schnell wieder den Kopf, um nicht erkannt zu werden, was ihm auch gelang, da Peter sich im tiefsten Gespräch mit dem ehrenwerthesten Zuhörer befand, dessen Aufmerksamkeit er je hatte gewinnen können. Und durch diese kleine Bewegung, so kurz sie war, gewann Allan einen unerwarteten Vortheil, denn während er herumblickte, nahm Miß Lilias, ich konnte nie klug werden, warum, den Augenblick wahr, ihre Maske zurecht zu schieben, und zwar auf eine so starke Weise, daß Allan, als er den Kopf wandte, so viel von ihren Zügen erkannte, daß er berechtigt war, sie als seine schöne Clientin anzureden, und die Anerbietungen des Schutzes und Beistandes mit der Kühnheit eines frühern Bekannten auszudrücken.

Lilias nahm die Maske ganz von ihrem hocherröthenden Gesicht. »Mr. Fairford,« sagte sie mit fast unhörbarer Stimme: »Ihr seid ein junger Mann von Verstand und Edelmuth, aber wir haben uns schon in einer Lage getroffen, die Euch sonderbar vorkommen mußte, und ich konnte nicht umhin, mich wegen meines vorschnellen Unternehmes den Mißdeutungen blos zu stellen, da es eine Angelegenheit betraf, an der die Gegenstände meiner theuersten Neigung Theil haben.«

»Ein Antheil an meinem geliebten Freund, Darsie Latimer,« sagte Fairford, ein wenig zurücktretend, und seine frühere Annäherung merklich beschränkend, »gibt mir ein doppeltes Recht, der – – –« Er hielt inne.

»Seiner Schwester nützlich zu werden, wolltet Ihr sagen,« erwiderte Lilias.

»Seine Schwester, Madame,« erwiderte Fairford im äußersten Erstaunen. – »Schwester?! vermuthlich nur seiner Neigung nach.«

»Nein, Sir; mein theurer Bruder Darsie und ich sind durch die Bande der engsten Verwandtschaft verbunden, und ich bin erfreut, dieß zuerst dem Freunde mitzutheilen, den er am meisten schätzt.«

Fairfords erster Gedanke war die heftige Leidenschaft, welche Darsie gegen die schöne Unbekannte verrathen hatte. »Guter Gott!« rief er aus, »wie hat er diese Entdeckung ertragen?«

»Mit Ergebung, wie ich hoffe,« sagte Lilias lächelnd: »eine vollkommenere Schwester hätte er wohl erhalten können, aber nicht leicht eine gefunden, die ihn mehr liebt.«

»Ich meinte, – ich meinte nur – –,« sagte der junge Advokat, der für den Augenblick die Fassung verloren hatte; – »ich wollte nur fragen, wo Darsie Latimer in diesem Augenblick ist?«

»In diesem Hause und unter der Aufsicht meines Oheims, den Ihr meines Wissens von eurem Besuche bei Eurem Vater her unter dem Namen Mr. Herries von Birrenswork kennt.«

»Laßt mich zu ihm eilen!« sagte Fairfort; »ich habe ihn durch Schwierigkeiten und Gefahren gesucht, – ich muß ihn augenblicklich sehen.«

»Ihr vergeßt, daß Ihr ein Gefangener seid,« sagte die junge Dame.

»Wahr, wahr, aber ich kann nicht lange gefangen gehalten werden, der angeführte Grund ist zu lächerlich.«

»Ach,« sagte Lilias, »unser Schicksal, – meines Bruders und das meinige hängt von den Berathungen vielleicht einer kleinen Stunde ab. Für Euch, Sir, fürchte ich nichts als einige Beschränkung Eurer Freiheit; mein Oheim ist weder grausam noch ungerecht, obgleich Wenige in der einmal ergriffenen Sache so weit gehen werden.«

»Und das ist die des Prätend – –« –

»Um Gottes Willen, sprecht leiser!« sagte Lilias, die Hand nach ihm ausstreckend, als wollte sie ihn zurückhalten. »Das Wort kann Euch das Leben kosten. Ihr kennt in der That die Schrecken unserer jetzigen Lage nicht, und Euch hat wohl nur die Freundschaft für meinen Bruder hereingeführt.«

»Ich kenne allerdings die einzelnen Umstände unserer Lage nicht,« sagte Fairford; »aber mag die Gefahr sein, welche sie will, ich werde den Antheil daran, den ich um meines Freundes willen nahm, mich nicht gereuen lassen, oder um der Schwester meines Freundes willen,« fügte er mit mehr Schüchternheit hinzu. »Laßt mich hoffen, meine theure Miß Latimer,« sagte er, »daß meine Gegenwart Euch von einigem Nutzen sein kann, und daß sie dieß sein könne, so laßt mich um einen Theil Eures Zutrauens bitten, das ich sonst, wie ich wohl weiß, zu verlangen kein Recht habe.«

Er führte sie mit diesen Worten nach der Vertiefung eines entlegenen Fensters, und indem er ihr sagte, daß er unglücklicherweise ganz besonders der Unterbrechung von dem tollen, alten Manne ausgesetzt sei, dessen Eintritt sie in Unruhe versetzt hatte, hängte er Darsie Latimers Reitkleid, welches in dem Zimmer zurückgelassen worden war, über die Lehne zweier Stühle, und bildete so eine Art von Schirm, hinter dem er sich mit dem Grün-Mantel versteckte; er fühlte zugleich, daß die Gefahr, in der er sich befand, fast aufgewogen wurde, durch das Einverständniß, das ihm gestattete, diejenigen Empfindungen wieder lebendig werden zu lassen, welche er um seines Freundes willen in der Geburt erstickt hatte.

Das Verhältniß des Rathenden und Berathenen, des Beschützers und des Schützlings ist so besonders geeignet für die gegenseitige Lage des Mannes und des Weibes, daß man oft in kurzer Zeit große Fortschritte in der Vertraulichkeit macht, denn die Umstände fordern Vertrauen von Seiten des Mannes, und verbieten Sprödigkeit bei den Damen, so daß die gewöhnlichen Hindernisse eines zwanglosen Verkehrs mit einem Male zusammenfallen.

So weit als möglich gegen Beobachtung gesichert, in leisem Gespräche in einer Ecke sitzend, kamen sie so nahe zusammen, daß ihre Gesichter sich fast berührten; Fairford hörte nun von Lilias Redgauntlet die Geschichte ihrer Familie, namentlich ihres Oheims, seine Absichten mit ihrem Bruder, und die Angst, die sie fühlte, Darsie möchte in diesem Augenblick in ein verzweifeltes Unternehmen verwickelt werden, das seinem Vermögen, vielleicht seinem Leben Gefahr brächte.

Allan Fairford's scharfer Verstand verband sogleich das, was er hörte, mit dem, wovon er in Fairladies Zeuge gewesen war. Sein erster Gedanke war, auf jede Gefahr augenblickliche Flucht zu versuchen, und sich hinreichenden Beistand zu verschaffen, und eine Verschwörung von so entschiedener Art in der Geburt zu ersticken. Dies betrachtete er nicht als schwierig, denn obgleich die Außenseite der Thüre bewacht war, so war doch das Fenster offen, und nicht über 10 Fuß vom Boden entfernt, der Platz, auf den dieses ging, ohne Umzäunung und reichlich mit Genst bedeckt. So, glaubte er, würde seine Befreiung leicht, und der Weg, den er dann zu nehmen hätte, gedeckt sein.

Lilias machte Einwendung gegen diesen Plan. Ihr Oheim, sagte sie, sei in leidenschaftlichen Augenblicken ein Mann, der weder Gewissensbisse noch Furcht kenne. Er wäre fähig, an Darsie die Beleidigung zu rächen, die er seiner Meinung nach von Fairford empfangen haben würde. Er sei auch ihr Anverwandter, und zwar kein liebloser, und sie müsse jede Unternehmung, wenn auch zu ihres Bruders Gunsten, verbieten, wenn dadurch sein Leben einer Gefahr ausgesetzt würde. Fairford selbst erinnerte sich an den Pater Buonaventura, und zweifelte gar nicht, daß er einer der Söhne des alten Ritters Sct. Georg sei; mit Gesinnungen, die freilich seiner Pflicht als Staatsbürger nicht entsprachen, aber schwerlich getadelt werden können, schreckte er vor dem Gedanken zurück, das Werkzeug zu sein, wodurch der letzte Sprößling einer langen Reihe schottischer Fürsten ausgerottet werden sollte. Dann dachte er daran, bei dieser dem Untergang geweihten Person wo möglich eine Audienz zu erhalten, und ihm die völlige Hoffnungslosigkeit seines Unternehmens auseinanderzusetzen, da wahrscheinlich der Eifer seiner Anhänger dieß vor ihm verborgen hatte. Er gab aber den Plan sogleich wieder auf, sobald er ihn gefaßt hatte, denn er war überzeugt, daß das Licht, das er auf den Zustand des Landes werfen könnte, zu spät kommen würde, um Demjenigen zu dienen, von dem man schon wußte, daß er einen bedeutenden Antheil von der erblichen Hartnäckigkeit habe, die seinen Vorfahren so theuer zu stehen gekommen war, und der, indem er das Schwert zog, die Scheide weggeworfen haben mußte.

Lilias dagegen gab ihm den Rath, der unter den vorliegenden Umständen der passendste schien, sie wollten sich ihrer jetzigen Lage fügen, aber sorgfältig darauf bedacht sein, mit Darsie eine Verbindung zu eröffnen, sobald er einen Grad von Freiheit erhalte, in welchem Falle dann ihre gemeinsame Flucht in's Werk gesetzt werden könne, ohne daß irgend Jemand dadurch in Gefahr käme.

Kaum hatten sie diesen Punkt in ihrer jugendlichen Berathung festgesetzt, als Fairford, der auf die leisen, süßen, lispelnden Töne von Lilias Redgauntlet horchte, die ein Anklang von fremdem Accent noch reizender machte, durch eine derbe Hand, welche mit vollem Gewicht auf seine Schultern fiel, aufgeschreckt wurde, während die mißtönende Stimme des Peter Peebles, der sich endlich von dem wohlmeinenden Quäker losgemacht hatte, seinem nachlässigen Advokaten in's Ohr schrie: – »Aha, Bursche, jetzt seid Ihr gefangen, – Ihr seid nun ein Kammeradvokat, wie ich sehe, nicht wahr? – Und Ihr macht Prozeßschriften mit Clienten in Schleiern und Hauben? – Aber wartet ein wenig, Bursche, und seht, wie ich mit Euch umgehe, wenn meine Bittschrift und Klage zur Verhandlung kommt, mit den schriftlichen Beweisen, Ihr mögt nun Euch verantworten oder nicht.«

Es hatte Fairford in seinem Leben nicht so viel Anstrengung gekostet, die erste Aufwallung zu unterdrücken, und kaum enthielt er sich, den alten Tölpel niederzuschlagen, der ihn in einem solchen Augenblick unterbrochen hatte. Aber Peters lange Anrede gab ihm, vielleicht zum Glück für Beide, Zeit, das völlig Unziemliche eines solchen Verfahrens zu überlegen. Er schwieg indeß trotz seiner innern Ungeduld, während Peter fortfuhr:

»Gut, mein artiger Herr, ich sehe, Ihr schämt Euch nun selbst, und das ist auch kein Wunder. Ihr müßt diese Königin aufgeben, das ist keine Gesellschaft für Euch. Ich habe den ehrlichen Mr. Pest sagen hören, das Advokatenkleid stimme schlecht mit dem Weiberrock zusammen. Aber kommt mit nach Hause zu Eurem armen Vater; ich will auf dem ganzen Wege für Euch sorgen, Euch Gesellschaft leisten, und von nichts wollen wir sprechen, als von dem großen Prozeß des armen Peebles gegen Plainstanes.«

»Wenn du es aushalten kannst, Freund,« sagte der Quäker, »so viel von dem Prozeß zu hören, als ich bereits aus reinem Mitleiden mit dir gehört habe, so denke ich, mußt du bald auf den Grund der Sache kommen, wenn sie nicht völlig grund- und bodenlos ist.«

Fairford schüttelte ziemlich unwillig die große, knöcherne Hand ab, welche Peebles auf seine Schultern gelegt hatte, und war im Begriff, sich etwas unsanft über die unverschämte Art der Unterbrechung zu äußern, als die Thüre sich öffnete und eine schwache Stimme zur Wache sagte: »Ich sage Euch, ich muß hinein, ich muß sehen, ob Mr. Nixon hier ist,« und der kleine Benjie streckte seinen schiefgedrückten Kopf und seine schwarzen Luchsaugen herein. Ehe er sich aber wieder zurückziehen konnte, sprang Peter Peebles an die Thüre, ergriff den Knaben beim Kragen und zog ihn herein in's Zimmer.

»Laß mich sehen,« sagte er, »du nichtsnutziger Satansbraten: – ich will dich lehren, deine Aufträge auszurichten. – Ich will gleich die erste und zweite Vorladung vollstrecken gegen dich, du Teufelsjunge!«

»Was willst du denn?« sagte der Quäker; »warum erschreckst du den Knaben so, Freund Peebles?«

»Ich habe dem Bastard einen Pfennig gegeben, mir Taback zu kaufen,« sagte der arme Tropf, »und er hat mir nicht Rechnung abgelegt von seinem Auftrage: ich will's ihm eintränken.«

Mit diesen Worten fing er auch an, gewaltsam die Taschen von Benjie's zerrissener Jacke auszuleeren, und brachte ein paar Vogelschlingen heraus, Spielkugeln, einen angebissenen Apfel, zwei gestohlene Eier, von denen Peter in der Eile des Suchens eines zerbrach, und verschiedene andere Kleinigkeiten, die nicht auf die rechtlichste Art hineingekommen zu sein schienen. Der kleine Schurke biß und schlug unter dieser Operation, wie ein junger Fuchs, ließ aber, wie solches Ungeziefer, weder Schrei noch Klage von sich hören, bis ein Papierchen, das Peter ihm aus dem Busen zog, bis zu Lilias hinflog, und zu ihren Füßen niederfiel. Es war an C. N. gerichtet.

»Das ist für den Schurken Nixon,« sagte sie zu Allan Fairford. »Oeffnet es ohne Bedenken, der Bube ist sein Helfershelfer, wir wollen doch sehen, was er im Schilde führt.«

Der kleine Benjie gab allen ferneren Widerstand auf, und ließ sich von Peter einen Schilling nehmen, von dem sich dieser, wie er sagte, wegen Kapital und Zinsen bezahlt machen wollte. Der Bube, dessen Aufmerksamkeit auf etwas ganz Anderes gerichtet schien, sagte nur: »Mr. Nixon wird mich umbringen.«

Allan Fairford trug kein Bedenken, den Zettel zu lesen, auf welchem die Worte standen:

»Alles ist vorbereitet; haltet sie nur hin, bis ich komme. Ihr könnt auf Eure Belohnung rechnen.

C. C.«

»Ach, mein Oheim, mein armer Oheim,« sagte Lilias; »das ist die Folge seines Vertrauens. Wir müssen ihm von der Verrätherei seines Vertrauten sogleich Nachricht geben. Das ist der beste Dienst, den wir Allen leisten können. Geben sie ihr Unternehmen auf, wie sie jetzt müssen, so ist Darsie frei.«

In einem Athem standen Beide an der halb offenen Thüre; eifrig Verlangte Fairford mit Pater Buonaventura zu sprechen, Lilias nicht minder heftig eine ganz kurze Unterredung mit ihrem Oheim. Während die Schildwache ungewiß war, was sie thun sollte, wurde ihre Aufmerksamkeit auf ein lautes Geräusch an der Thüre gezogen, wo eine große Menge Menschen sich versammelt hatte, in Folge des schreckbaren Geschreis, daß der Feind nahe sei. Einige Herumstreicher hatten endlich Nanty's und Nixon's Leichname aufgefunden, und dieß hatte den Auflauf veranlaßt.

In dieser Verwirrung gab die Schildwache nicht mehr Achtung; Lilias nahm Allan Fairford's Arm, und sie kamen unaufgehalten in das innere Zimmer, wo die Hauptpersonen des Unternehmens, deren Verhandlungen durch diesen beunruhigenden Vorfall gestört waren, in großer Bestürzung sich befanden; der Chevalier war nun gleichfalls zu ihnen gekommen.

»Bloß ein Aufstand unter diesem Schmugglergesindel,« sagte Redgauntlet.

» Bloß ein Aufstand, sagt Ihr,« erwiderte Sir Richard Glendale; »und der Lugger, die letzte Hoffnung des Entkommens für –« hier blickte er auf Carl, – – »schwebt dort mit vollen Segeln auf dem Meere!«

»Macht euch meinetwegen keine Sorge,« sagte der unglückliche Fürst; »ich war schon in schlimmern Lagen, wäre sie aber auch die schlimmste, ich fürchte sie nicht. Sorgt für euch selbst, meine Lords und Herren.«

»Nein, niemals,« sagte der junge Lord – –; »unsere einzige Hoffnung beruht jetzt auf einem ehrenvollen Widerstande.«

»So recht!« sagte Redgauntlet. »Laßt Verzweiflung die Einigkeit unter uns herstellen, die ein Zufall störte. Ich rathe nun, sogleich das königliche Banner aufzupflanzen, und – was ist denn das?« fragte er finster, als Lilias, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, ihn am Kleide zupfte, den Zettel in seine Hand gab, und hinzufügte, er sei für Nixon bestimmt gewesen.

Redgauntlet las, ließ es fallen, starrte auf die Stelle hin, wo es lag, und hob Hände und Augen gen Himmel. Sir Richard Glendale hob das unglückliche Papier auf, las es und sagte: »Nun ist Alles vorbei! er übergab es Maxwell, welcher laut ausrief: »Der schwarze Colin Campbell, so wahr Gott lebt! Ich hörte, er sei in der letzten Nacht mit Post von London gekommen.«

Gleichsam als Echo zu seinen Gedanken hörte man die Geige des alten Blinden, der mit vielem Ausdruck einen Clan-Marsch spielte.

»In der That, die Campbells rücken an,« sagte Mac Kellar; »sie kommen über uns mit dem ganzen Bataillon von Carlisle.«

Ein muthloses Schweigen herrschte, und zwei oder drei von der Gesellschaft begannen sich hinwegzuschleichen.

Mit dem edlen Geist eines jungen, englischen Edelmanns rief Lord –: »Wenn wir Narren gewesen sind, wollen wir wenigstens keine Feiglinge sein. Wir haben Einen unter uns, der mehr werth ist, als wir Alle, und auf unsere Bürgschaft hierherkam, – laßt uns ihn wenigstens retten.«

»Recht, ganz recht,« antwortete Sir Richard Glendale. »Laßt uns zuerst für den König sorgen.«

»Das soll mein Geschäft sein,« sagte Redgauntlet; »wenn wir nur Zeit haben, die Brigg zurückzubringen, so ist Alles gut; ich will sogleich Leute in einem Schifferboot abschicken.« Er gab Befehle an einige der Unternehmendsten in seinem Gefolge. – »Laßt ihn nur einmal an Bord sein,« sagte er, »unserer sind genug, mit den Waffen in der Hand Widerstand zu leisten, und seinen Rückzug zu decken.«

»Gut, gut!« sagte Sir Richards »und ich werde die Punkte aussuchen, die sich vertheidigen lassen; die alten Pulververschwörer sollen keinen verzweifeltern Widerstand geleistet haben, als wir. – Redgauntlet,« fuhr er fort, »ich sehe, einige unserer Freunde sind bleich, aber Euer Neffe scheint jetzt mehr Feuer in den Augen zu haben, als wo wir uns kalt besprachen, und die Gefahr noch ferne war.«

»Das ist die Art unseres Hauses,« antwortete Redgauntlet; »unser Muth flammt am höchsten, wenn Verlust droht. Ich fühle überdieß, daß ich die Katastrophe, die ich herbeigeführt habe, nicht überleben darf. Laßt mich nur erst,« hier wandte er sich an Carl, »Euer Majestät geheiligte Person so sicher wissen, als dieß jetzt möglich ist, dann – –«

»Spart euch alle Ueberlegung meinetwegen, ihr Herren,« sagte Carl abermals; »der Criffelberg dort wird eher fliehen, als ich.«

Die Meisten warfen sich mit Thränen und Flehen zu seinen Füßen; Einige schlichen sich in der Verwirrung aus dem Zimmer, und man hörte sie davonreiten. Unbemerkt bei diesem Auftritt hatten Darsie, seine Schwester und Redgauntlet einander bei den Händen gefaßt, wie Menschen, die bei der Gefahr eines Schiffbruchs entschlossen sind, miteinander zu leben oder zu sterben.

Mitten unter dieser verwirrten Scene war ein Mann in einfachem Reitkleide, eine schwarze Kokarde auf dem Hut, und nur mit einem Hirschfänger bewaffnet, ohne alle Umstände in's Zimmer getreten. Er war groß, hager und sein Aussehen, wie sein Benehmen, augenscheinlich militärisch. Er war unaufgehalten durch die Wachen hereingekommen, und stand nun fast unbewaffnet unter Bewaffneten, die nichts desto weniger auf ihn, wie auf den Engel der Zerstörung blickten.

»Ihr seht mich so kalt an, ihr Herren,« sagte er, »Sir Richard Glendale, – Mylord – –, wir sind ja sonst einander nicht so fremd. Ha, Pate – in – Peril, wie steht's mit Euch? Und auch Ihr, Ingoldsby – ich kann Euch bei keinem andern Namen nennen– warum empfangt ihr einen alten Freund so kalt? Aber ihr werdet meine Botschaft vermuthen.«

»Und sind darauf vorbereitet, General,« sagte Redgauntlet; »wir sind die Männer nicht, die sich gleich Schafen zur Schlachtbank schleppen lassen.«

»Pah! Ihr nehmt das viel zu ernsthaft, laßt mich nur ein Wort mit euch sprechen.«

»Keine Worte,« sagte Redgauntlet, »können unseren Vorsatz erschüttern, und stände auch Euer ganzes Commando um's Haus her, wie ich fast vermuthe.«

»Ich bin in der That nicht ohne Unterstützung,« sagte der General; »aber wenn ihr mich hören wollt –«

»Hört mich,« sagte der Reisende, und schritt vorwärts; »ich bin wahrscheinlich das Ziel, das Ihr im Auge habt; ich ergebe mich freiwillig, um die Herren aus der Gefahr zu retten, laßt Euch daran genügen zu ihrem Besten.«

Ein Ausruf: »Nimmer, nimmer!« erhob sich aus dem kleinen Kreis der Anhänger, die sich um den unglücklichen Fürsten drängten, und Campbell ergriffen oder niedergeschlagen hätten, wäre er nicht mit verschränkten Armen stehen geblieben, und hätte sein Blick nicht mehr Ungeduld, weil sie nicht auf ihn hören wollten, als die mindeste Furcht vor Gewaltthätigkeit von ihren Händen verrathen. Endlich wurde es einen Augenblick still.

»Ich kenne,« sagte er, »diesen Herren nicht (hier machte er gegen den unglücklichen Fürsten eine tiefe Verbeugung), ich wünsche auch nicht, ihn kennen zu lernen, die Bekanntschaft würde für Keinen von uns Beiden passen.«

»Unsere Vorfahren haben sich doch wohl gekannt,« sagte Carl, unfähig, selbst in diesem Augenblick der drohenden Gefahr die schmerzliche Erinnerung an die verlorene Königswürde zu unterdrücken.

»Mit einem Worte, General Campbell,« sagte Redgauntlet: »bringt Ihr Frieden oder Krieg? – Ihr seid ein Mann von Ehre, und wir können Euch trauen.«

»Ich danke Euch, Sir,« sagte der General; »die Antwort auf diese Frage steht bei euch, ihr Herren. Kommt, seid nicht thöricht; es war vielleicht nicht so schlimm mit eurer Versammlung in diesem unbekannten Winkel; eine Bärenhetze, ein Hahnengefecht oder sonst eine Belustigung möchtet ihr beabsichtigt haben, aber so wie ihr mit der Regierung steht, war es ein wenig unklug, und hat Besorgniß veranlaßt. Uebertriebene Nachrichten von eurem Unternehmen wurden der Regierung vorgelegt, durch einen Verräther in eurer eigenen Mitte, und ich wurde mit der Post abgesendet, um den Befehl über eine hinlängliche Truppenzahl zu übernehmen, falls diese Verleumdungen Grund haben sollten. Ich bin daher hier, hinreichend von Cavallerie und Infanterie unterstützt, um nach Befinden der Umstände zu handeln, aber mein Befehl ist – und das stimmt mit meiner Neigung sehr überein, keine Verhaftung, sogar keine weitere Nachforschungen vorzunehmen, wenn diese gute Versammlung ihr eigenes Bestes betrachten, ihr Vorhaben aufgeben und ruhig nach Hause gehen will.«

»Was! – Alle?« – rief Sir Richard Glendale, »Alle, ohne Ausnahme?«

»Alle, ohne eine einzige Ausnahme,« sagte der General, »so sind meine Befehle; nehmt ihr meine Bedingungen an, so erklärt euch und eilt; es möchten Dinge eintreten, die Sr. Majestät gütige Gesinnungen gegen euch Alle stören könnten.«

»Sr. Majestät gütige Gesinnungen!« sagte der Reisende. »Habe ich recht gehört, Sir?«

»Ich wiederholte des Königs eigene Worte,« erwiderte der General. »Ich will, sagten Se. Majestät, das Vertrauen meiner Unterthanen verdienen, indem ich meine Sicherheit auf die Treue der Millionen baue, die mein Recht anerkennen, – und auf den Verstand und die Klugheit der Wenigen, welche aus Irrthümern der Erziehung fortfahren, es zu läugnen.« Se. Majestät will sogar nicht glauben, daß die eifrigsten Jakobiten, die noch übrig sind, den Gedanken hegen, einen bürgerlichen Krieg zu nähren der ihnen und ihren Familien Unheil bringen muß, außerdem daß er Mord und Verheerung über ein friedliches Land verbreitet. Er kann auch von seinem Verwandten nicht glauben, daß er tapfere und edle, wenn auch gleich im Irrthum befindliche Männer zu einer Unternehmung auffordern werde, welche Alle zu Grunde richten muß, die den früheren Unfällen entgingen; und er ist überzeugt, daß derselbe, wenn auch Neugierde oder irgend ein anderer Beweggrund ihn in dieses Land führte, bald einsehen werde, daß es das Klügste sein würde, auf den Kontinent zurückzukehren, und Se. Majestät bedauert seine Lage allzusehr, um ihm darin ein Hinderniß in den Weg zu legen.«

»Ist dieß wirklich wahr?« sagte Redgauntlet. »Ist dieß wirklich Eure Absicht? – Habe ich, haben alle diese Herren, oder nur einige die Freiheit, sich ohne Störung einzuschiffen auf jener Brigg, welche, wie ich sehe, sich dem Ufer wieder nähert?«

»Ihr, Sir, sowie alle diese Herren hier,« sagte der General; »Alle, die das Schiff fassen kann, haben die Freiheit, sich ohne Störung von meiner Seite einzuschiffen; aber ich rathe Keinem fortzugehen, der nicht gewichtige Gründe hat, die mit dieser Zusammenkunft hier nicht in Verbindung stehen, denn dieser wird gegen Keinen weiter gedacht werden.«

»Nun, meine Herren,« sagte Redgauntlet, indem er die Hände zusammenschlug; »nun ist die Sache auf immer verloren.«

General Campbell wandte sich ans Fenster, als wolle er ihre Unterredung nicht hören. Ihre Berathung dauerte nur einen Augenblick, denn die Gelegenheit zur Flucht, die sich ihnen bot, war so unerwartet, als die Umstände dringend waren.

»Wir haben Euer Ehrenwort, daß wir nichts zu fürchten haben,« sagte Sir Richard Glendale, »wenn wir unsere Versammlung in Folge Eurer Befehle auflösen.«

»Ja, Sir Richard,« antwortete der General.

»Und ich habe Euer Versprechen,« sagte Redgauntlet, »daß ich an Bord jenes Schiffs dort gehen kann, mit einem Freund, den ich nach Gefallen zu meiner Begleitung wähle?«

»Nicht nur das, Mr. Ingoldsby, oder ich will Euch noch einmal Redgauntlet nennen; Ihr könnt sogar bis zu einer andern Fluth in der Bucht bleiben, bis eine Person zu Euch gekommen ist, die zu Fairladies sein mag. Nachher wird eine Kriegsfloog sich hier aufstellen, und Eure Lage könnte dann gefährlich werden.«

»Gefährlich nicht, General Campbell; oder gefährlicher für Andere, als für uns, wenn Andere dächten, wie ich in dieser verzweifelten Lage noch.«

»Ihr vergeßt Euch selbst, mein Freund,« sagte der unglückliche Abenteurer, »Ihr vergeßt, daß die Ankunft dieses Herrn nur den Schlußstein zu unserem längst gefaßten Entschlusse fügt, unser Stiergefecht (aufzugeben), oder wie man sonst unser unbesonnenes Unternehmen nennen will. Ich sage euch Lebewohl, ihr unfreundlichen Freunde, – ich sage Euch Lebewohl (sich gegen den General verbeugend), mein freundlicher Feind; ich verlasse dieß Ufer, wie ich es betrat, allein, und um nie wiederzukehren.«

»Nicht allein,« sagte Redgauntlet, »so lange noch ein Blutstropfen in meinen Adern fließt.«

»Nicht allein,« sagten die andern anwesenden Edelleute, von Gefühlen durchdrungen, welche fast die bessern Gründe überwältigten, nach denen sie gehandelt hatten. »Wir wollen unsere Grundsätze nicht aufgeben, noch Eure Person in Gefahr sehen.«

»Wenn es nur eure Absicht ist, den Herrn bis an die Bucht zu geleiten,« sagte General Campbell, »so gehe ich selbst mit euch. Meine Gegenwart unter euch, ohne alle Waffen und in eurer Gewalt, kann euch ein Pfand meiner freundlichen Absichten sein, und wird zugleich jeder Störung vorbeugen, die von Leuten im Dienst herrühren könnte.«

»Es sei so,« sagte der Abenteurer mit dem Tone des Fürsten gegen einen Unterthanen, nicht mit dem eines Menschen, der dem Verlangen eines übermächtigen Feindes nachgibt.

Sie verließen das Zimmer und das Haus; ein unbestimmter Schrecken hatte sich bereits unter den geringen Anhängern verbreitet, die kurz vorher sich um das Haus und den Eingang gedrängt hatten. Eine Nachricht, deren Ursprung sich nicht angeben ließ, hatte sich verbreitet, es zögen Truppen in bedeutender Zahl heran, und diejenigen Leute, welche aus irgend einem Grunde den Arm der Gewalt fürchteten, hatten sich in Ställe und Winkel verkrochen, oder waren ganz entflohen. Niemand war hier, außer die kleine Gesellschaft, die sich jetzt gegen den Steindamm in Marsch setzte, wo, den früheren Befehlen Redgauntlets zufolge, ein bemanntes Boot lag.

Der letzte Erbe der Stuarts stützte sich auf dem Gange zur Bucht auf Redgauntlets Arm, denn der Boden war uneben, und er besaß die körperliche und geistige Schnellkraft nicht mehr, welche ihn zwanzig Jahre früher über manchen Hügel im Hochland, leicht wie das flüchtige Reh, geführt hatte. Seine Anhänger folgten mit gesenkten Blicken, und ihre Gefühle kämpften mit den Aussprüchen der Vernunft.

General Campbell begleitete sie mit anscheinender Gleichgiltigkeit und Unbefangenheit, beobachtete jedoch, und zweifelsohne mit etwas Aengstlichkeit, die wechselnden Gesichtszüge derer, welche bei dieser außerordentlichen Scene handelten.

Darsie und seine Schwester folgten natürlicherweise ihrem Oheim, dessen Gewaltthätigkeit sie nicht mehr fürchteten, da sein Charakter ihnen Ehrfurcht einflößte, und Allan Fairford begleitete sie aus Interesse an ihrem Schicksal, ohne daß man ihn in dieser Gesellschaft bemerkte, wo Alle zu sehr mit ihren eigenen Gedanken und Gefühlen beschäftigt waren, so wie mit dem bevorstehenden Augenblicke der Entscheidung, als daß sie seine Gegenwart bemerkt hätten.

Auf dem halben Wege zwischen dem Hause und der Bucht sahen sie die Leichname Nanty Ewarts und Christal Nixons schwärzend in der Sonne.

»Das war Euer Berichterstatter?« fragte Redgauntlet, und sah auf General Campbell zurück, der ihm nur durch ein bejahendes Nicken antwortete.

»Nichtswürdiger Schurke!« sagte Redgauntlet, »und doch verdient der Narr, der sich durch dich verführen ließ, noch mehr diesen Namen.«

»Dieser kräftige Schwertstreich hat uns die Schande erspart, einen Verräther zu belohnen.«

Sie kamen am Orte der Einschiffung an; der Fürst stand einen Augenblick mit verschränkten Armen, und blickte in tiefem Schweigen um sich her. Ein Zettel wurde ihm in die Hand gesteckt, er blickte darauf hin und sagte: »Ich erfahre soeben, daß meine zwei in Fairladies zurückgelassenen Freunde meine Bestimmung kennen und sich zu Boworß einschiffen wollen. Ich hoffe, dieß wird kein Bruch der Bedingungen sein, nach denen Ihr gehandelt habt.«

»Gewiß nicht,« sagte General Campbell; »sie sollen volle Freiheit haben, sich mit Euch zu vereinigen.«

»Ich wünsche nun,« sagte Carl, daß mich noch Jemand begleite. – Redgauntlet, die Luft dieses Landes ist Euch so feindlich als mir. Diese Herren haben ihren Frieden geschlossen, oder vielmehr nichts gethan, ihn zu brechen. Ihr aber kommt und theilt meine Heimath, wo sie der Zufall mir anweist. Wir werden diese Küste nie wieder sehen, aber wir wollen von ihnen und unserem verunglückten Stiergefecht sprechen.«

»Ich folge Euch, Sir, durch's Leben,« sagte Redgauntlet, »wie ich Euch in den Tod gefolgt wäre. Erlaubt mir nur einen Augenblick.«

Der Fürst sah im Kreise umher, und als er die dem Boden zugewandten Gesichter seiner andern Anhänger erblickte, eilte er ihnen zu sagen: »Glaubt nicht, meine Herren, daß ich euch weniger verbunden bin, weil euer Eifer mit Vorsicht gemischt war, der ihr gewiß mehr meinetwegen und eurem Vaterlande zu Liebe Gehör gegeben habt, als aus selbstsüchtigen Befürchtungen.«

Er ging nun von Einem zum Andern, und unter Schluchzen und hervorbrechenden Thränen empfing er das Lebewohl der Letzten, die seine luftigen Ansprüche noch unterstützt hatten, und sprach mit jedem Einzelnen in zärtlichem und liebreichem Tone.

Während dieser Scene hielt sich der General ein wenig abseits, und gab Redgauntlet ein Zeichen, daß er mit ihm zu sprechen wünsche. »Es ist nun Alles vorüber,« sagte er, »und der Name eines Jakobiten wird nicht länger ein Parteiname sein. Wenn Ihr des Lebens in fremden Ländern müde seid und Euern Frieden zu machen wünscht, so laßt mich's wissen. Euer rastloser Eifer allein ist bisher Eurer Verzeihung im Wege gestanden.«

»Und nun bedarf ich derselben nicht mehr,« sagte Redgauntlet. – »Ich verlasse England für immer, allein es wäre mir nicht unangenehm, wenn Ihr den Abschied von den Meinigen mit anhörtet. – Neffe, komme zu mir. In Gegenwart des General Campbell sage ich dir, daß ich mich jetzt darüber freue, daß mein viele Jahre lang gehegter Wunsch, dich in meinen politischen Meinungen zu erziehen, nicht erfüllt wurde. Du trittst in den Dienst des regierenden Monarchen, ohne daß du nöthig hast, den Eid der Treue zu wechseln, – ein Wechsel,« setzte er hinzu, indem er im Kreise umherblickte, »welcher auch ehrenwerthen Männern leichter wird, als ich dachte; Einige aber tragen das Zeichen der Treue auf dem Rock, Andere im Herzen. Du wirst von nun an in den unbeschränkten Besitz aller der Güter treten, deren die Acht deinen Vater nicht berauben konnte, – alles dessen, was ihm gehörte, – ausgenommen dieses gute Schwert (seine Hand an die Waffe legend, die er trug), das nie für das Haus Hannover fechten soll; und da meine Hand nie ein Schwert mehr ziehen wird, so will ich es tief, tief in's Meer versenken. – Gott segne dich, junger Mann. Wenn ich hart mit dir verfahren bin, vergib mir. Ich hatte alle meine Wünsche auf diesen einzigen Punkt gerichtet, – Gott weiß, mit keinen eigennützigen Absichten; und ich bin durch den endlichen Ausgang meiner Pläne genug dafür gestraft, daß ich in der Wahl der Mittel zu wenig bedenklich war. – Lebe wohl auch du, liebe Nichte, und Gott segne dich!«

»Nein, Sir,« sagte Lilias, und ergriff lebhaft seine Hand. »Ihr seid bisher mein Beschützer gewesen, und seid jetzt im Kummer; laßt mich Euch in Eure Verbannung begleiten und trösten.«

»Ich danke dir, mein Mädchen, für deine unverdiente Liebe; aber es kann und darf nicht sein. Der Vorhang fällt zwischen uns nieder. Ich gehe in das Haus eines Andern. – Wenn ich es verlasse, ehe ich von der Erde scheide, geschieht es nur, um es mit dem Hause Gottes zu vertauschen. Noch einmal, lebt wohl Beide! – das unglückliche Schicksal,« sagte er mit einem wehmüthigen Lächeln, »wird doch nun von dem Hause Redgauntlet weichen, da sein jetziges Haupt auf der gewinnenden Seite steht. Ich bin überzeugt, er wird nicht wechseln, sollte sie auch die verlierende werden.«

Der unglückliche Carl Eduard hatte nun seinen gebeugten Anhängern das letzte Lebewohl gesagt. Er gab nun dem Redgauntlet ein Zeichen mit der Hand, und dieser kam herbei, um ihm in's Schiff zu helfen. General Campbell bot ebenfalls seine Dienste an, da die Andern von der Scene zu sehr ergriffen waren, um ihm zuvorzukommen.

»Ihr tragt kein Bedenken, General, mir diese letzte Artigkeit zu beweisen,« sagte der Chevalier, »und ich danke Euch dafür. Ihr habt mich den Grundsatz gelehrt, nach welchem Menschen auf dem Schaffot selbst gegen ihren Henker Vergebung und Liebe fühlen. – Lebt wohl!«

Sie setzten sich im Boote, welches augenblicklich vom Lande stieß. Der Oxforder Theologe brach in laute Segnungen aus, in Ausdrücken, welche zu tadeln oder ihrer später zu gedenken, General Campbell zu edelmüthig war; ja, so sehr er dem Namen eines Whigs und Campbells Ehre machte, soll er doch sich nicht haben enthalten können, in das allgemeine Amen, welches vom Ufer erschallte, mit einzustimmen.


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