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Sechszehntes Kapitel.

Allan Fairford's Erzählung.

(Fortsetzung.)

Als Fairford am nächsten Morgen nach einem nicht sehr erquickenden Schlummer erwachte, in welchem wilde Träume unter einander gemengt waren, von seinem Vater und Darsie Latimer, – von der jungen Dame im grünen Mantel und von den Vestalinnen von Fairladies, – von Dünnbier, das er mit Nanty Ewart trank, und vom Untersinken im Solway mit der springenden Jenny, – fand er sich nicht in der Lage, dem Befehl des Mr. Ambrosius zu widersprechen, daß er das Bett hüten solle, denn er hätte in der That nicht ohne Hülfe aufstehen können. Er bemerkte, daß seine Angst und seine unablässigen Anstrengungen während der letzten Tage für seine Gesundheit zu viel gewesen seien, und daß er vor Wiederherstellung seiner Kräfte sein Unternehmen nicht fortsetzen könne, wie groß auch seine Ungeduld sein mochte. Unterdessen konnte man für einen Invaliden kein besseres Quartier finden. Die Diener besprachen sich nur ganz leise, und gingen auf den Zehen – Alles geschah nur par ordonnance du médecin, – Aesculap herrschte unumschränkt in den Wohnungen zu Fairladies. Einmal des Tages kamen die Damen in großem Staat zu ihm, um ihm ihre Aufwartung zu machen, und ihn nach seiner Gesundheit zu fragen; dann hoben Allan seine natürliche Höflichkeit und der Dank, den er für ihre schleunige und milde Hülfe ausdrückte, sehr in ihrer Achtung. Am dritten Tag wurde er in ein besseres Zimmer gebracht, als dasjenige war, das man zuerst für ihn in Bereitschaft gesetzt hatte. Als ihm gestattet wurde, ein Glas Wein zu trinken, war dieser von vorzüglicher Qualität; eine von jenen sonderbaren, altväterischen, mit Spinngeweben überzogenen Flaschen wurde bei dieser Gelegenheit vorgebracht, welche nur noch in den Gewölben alter Landsitze zu finden sind, wo sie seit mehr als einem halben Jahrhundert in ungestörter Verborgenheit gelegen haben mögen.

So angenehm indessen der Aufenthalt zu Fairladies für einen Kranken sein mochte, so war er es doch, wie sein jetziger Inwohner bald bemerkte, nicht in eben dem Grade für einen Genesenden. Als er das erste Mal, so wie er nur aus dem Bette kriechen konnte, an das Fenster trat, so war dieses eng vergittert und gestattete keine Aussicht, als auf einen kleinen gepflasterten Hof. Dies war nichts Auffallendes, denn viele alte Häuser an der Gränze hatten ihre Fenster auf dieselbe Art geschützt. Dann aber bemerkte Fairford, daß Jeder, der in's Zimmer trat, oder es verließ, die Thüre mit großer Sorgfalt jedesmal verschloß; und einige Aeußerungen, die er machte, in der Gallerie oder auch im Garten umherzugehen, wurden von den Damen sowohl als von ihrem Premierminister, Mr. Ambrosius, so kalt aufgenommen, daß er wohl sah, eine solche Ausdehnung seiner Vorrechte als Gast würde ihm nicht gestattet werden. Voll Begierde, sich zu versichern, ob diese außerordentliche Gastfreundschaft ihm das Vorrecht, frei zu handeln, gestatten würde, kündigte er diesem wichtigen Beamten nebst herzlichem Danke für die Sorgfalt, womit er behandelt worden war, seinen Vorsatz an, am nächsten Morgen Fairladies zu verlassen, und verlangte nur als eine Fortsetzung der Gunstbezeugungen, womit er überschüttet worden war, ein Pferd bis in die nächste Stadt und versicherte Mr. Ambrosius (hier drückte er ihm drei Guineen in die Hand, um seinen Vorschlag zu unterstützen), daß er seine Dankbarkeit nicht auf eine solche Kleinigkeit beschränken werde. Die Finger des würdigen Dieners schlossen sich maschinenmäßig über dem honorarium, als ob ein Grad in der gelehrten Fakultät ihm ein Recht gegeben hätte, die Faust zuzumachen, seine Antwort rücksichtlich Allans vorgeschlagener Abreise war aber für's erste ausweichend, und als er gedrängt wurde, stieg sie zu der peremptorischen Versicherung, daß ihm morgen noch nicht gestattet werden könne, abzureisen; sein Leben habe in den Augen der Damen allzuviel Werth, und sie könnten es nicht zugeben.

»Ich weiß am besten, was mein eigenes Leben werth ist,« sagte Allan; »und ich schätze es nicht, in Vergleichung mit dem Geschäfte, das meine augenblickliche Thätigkeit erfordert.«

Da er von Mr. Ambrosius noch keine genügende Antwort erhielt, so hielt er es für das Beste, den Damen selbst seinen Entschluß in den gemäßigtsten, achtungsvollsten und dankendsten Ausdrücken zu eröffnen; doch aber in der Art, daß er seinen festen Entschluß ausdrückte, am Morgen, oder spätestens den nächsten Tag abzureisen. Nach einigen Versuchen, ihn durch Rücksicht auf seine Gesundheit zum Bleiben zu bewegen, Versuche, die so ausgedrückt waren, daß er überzeugt wurde, man wolle nur auf diese Weise seine Abreise aufhalten, erklärte ihnen Fairford geradezu, daß er Briefe von Wichtigkeit bei sich trage, an den Herrn, der unter dem Namen Herries, Redgauntlet und der Laird von den Seen bekannt sei; und daß es sich um Tod und Leben handle, sie frühzeitig abzuliefern.

»Ich wage es, zu sagen, Schwester Angelika,« sagte die ältere Miß Arthuret, »daß dieß ein ehrenwerther Mann ist; und ist er wirklich mit Vater Fairford verwandt, so können wir keine Gefahr laufen.«

»Jesus Maria!« rief die jüngere aus; »Pfui doch, Schwester Seraphina, pfui doch! vade retro, – begib dich hinter mich.«

»Gut, gut; aber Schwester – Schwester Angelika – ich möchte mit Euch sprechen in der Gallerie.«

Nun rauschten die Damen in ihren seidenen Kleidern und Silberstoffen hinaus, und es währte eine gute halbe Stunde, ehe sie wieder herein rauschten, mit dem Ausdrucke der Wichtigkeit und einer geheimen Furcht auf ihren Gesichtern.

»Um Euch die Wahrheit zu sagen, Mr. Fairford, die Ursache, warum wir Euern längern Aufenthalt wünschen, ist, – es ist wirklich ein Geistlicher in diesem Hause – –«

»Ein ganz ausgezeichneter Mann in der That, –« sagte die Schwester Angelika.

»Ein Gesalbter des Herrn!« stimmte Seraphina ein, »und wir würden uns unseres Gewissens wegen freuen, wenn Ihr vor Eurer Abreise ein wenig mit ihm sprechen möchtet.«

Aha! dachte Fairford, von Mord ist nicht die Rede, sondern auf eine Bekehrung ist es abgesehen! Ich darf die guten, alten Damen nicht vor den Kopf stoßen, aber den Priester werde ich bald abführen, denke ich. – Er antwortete sodann laut: »daß er mit großem Vergnügen mit jedem ihrer Freunde sich besprechen werde, – daß er in religiöser Hinsicht die größte Achtung vor jeder Form des Christenthums habe, ob er gleich sagen müsse, daß er bei dem Glauben bleiben werde, bei dem er erzogen worden sei; nichts desto weniger würde er dem Geistlichen, den sie empfahlen, wenn er ihn sehe, seine Ehrfurcht bezeigen – –«

»Es ist nicht gerade das,« sagte Schwester Seraphina, »obgleich ich versichert bin, daß der Tag zu kurz ist, um ihn – ich meine den Vater Buonaventura, über die Angelegenheiten unserer Seele sprechen zu hören; aber – –«

»Kommt, kommt, Schwester Seraphina,« sagte die jüngere, »es ist unnöthig, so viel darüber zu sprechen. Seine – Seine Eminenz – ich meine den Vater Bonaventura, wird ihm selbst erklären, was er wünscht, das dem jungen Mann bekannt werden soll.«

»Seine Eminenz!« sagte Fairford erstaunt; »steht denn dieser Mann so hoch in der katholischen Kirche? – Dieser Titel wird ja nur Cardinälen gegeben, glaube ich.«

»Er ist noch nicht Cardinal,« antwortete Seraphina; »aber ich versichere Euch, Mr. Fairford, er hat einen eben so hohen Rang, als er mit hohen Gaben gesegnet ist, und – –«

»Kommt hinweg,« sagte die Schwester Angelika. »Heilige Jungfrau! wie sprecht Ihr doch! Was hat Mr. Fairford mit Vater Buonaventura's Rang zu thun? – Nur daran, Sir, will ich Euch erinnern, daß der Vater stets gewohnt gewesen ist, mit der tiefsten Ehrfurcht behandelt zu werden. – In der That – –«

»Kommt hinweg, Schwester,« sagte Schwester Seraphina jetzt in ihrer Reihe; »wer spricht denn jetzt? Mr. Fairford wird wissen, wie er sich zu benehmen haben wird!«

»Und wir würden am besten thun, das Zimmer zu verlassen,« sagte die jüngere Dame, »denn hier kommt Seine Eminenz.«

Bei den letzten Worten sank ihre Stimme zu einem Geflüster herab; und als Fairford antworten und sie versichern wollte, daß jeder von ihren Freunden von ihm mit aller Achtung, die er erwarten könne, behandelt werden würde, legte sie ihm Stillschweigen auf, indem sie den Finger emporhob. Man hörte jetzt einen feierlichen und festen Schritt in der Gallerie, der nicht nur die Annäherung eines Bischofs oder Cardinals, sondern die des Papstes selbst hätte ankündigen können. Auch hätten die beiden Damen nicht ehrfurchtsvoller auf den Ton horchen können, hätte er auch verkündigt, daß sich das Haupt der Kirche in eigener Person nahe. Sie stellten sich, gleich Schildwachen, an beiden Seiten der Thüre, durch welche sich die lange Gallerie in Fairford's Zimmer endigte; hier standen sie unbeweglich, und ihre Gesichter drückten die tiefste Ehrfurcht aus. Die Annäherung Vater Buonaventura's geschah so langsam, daß Fairford Zeit genug hatte, Alles dieß zu bemerken, und sich im Stillen zu verwundern, wie ein schlauer, ehrgeiziger Priester es dahin gebracht habe, seine würdigen, aber etwas einfältigen Wirthinnen solchen abergläubischen Ceremonien zu unterwerfen. Vater Buonaventura's Eintritt und Erscheinen machte das jedoch einigermaßen begreiflich.

Es war ein Mann von mittlerem Alter, ungefähr vierzig oder darüber; aber Sorgen oder Anstrengungen, oder ein nachlässiges Wesen hatten ihm einen Anschein von frühzeitigem Alter und seinen Zügen einen gewissen Ernst, man möchte fast sagen, Traurigkeit gegeben. Edle Züge blieben aber noch immer, und obgleich seine Gesichtsfarbe etwas bleich war, und die seiner Stirne aufgedrückten Falten ihm einen melancholischen Anstrich gaben, so zeigte doch die hohe Stirne, das große wohlgeformte Auge und die schön gebildete Nase, wie schön der Mann in bessern Tagen gewesen sein müsse. Er war schlank, aber sein gebückter Gang entzog ihm den Vortheil seines hohen Wuchses, und der Stock, den er immer in der Hand trug, und gelegentlich gebrauchte, sowie sein langsamer, obgleich majestätischer Gang, schienen anzuzeigen, daß seine schöne Gestalt bereits etwas an Schwäche leide. Die Farbe seines Haars konnte man nicht entdecken, weil er, wie es Mode war, eine Perrücke trug. Seine weltliche Kleidung war schön, obwohl feierlich, und er hatte eine Kokarde auf seinem Hut, ein Umstand, der Fairford nicht in Erstaunen setzte, weil er wußte, daß Priester, deren Besuch oder Aufenthalt in England sie den gesetzlichen Strafen unterwarfen, oft sich einer militärischen Verkleidung bedienten. Als dieser stattliche Mann in's Zimmer trat, machten die beiden Damen, die einander das Gesicht zukehrten, wie Soldaten auf ihrem Posten, wenn sie einen Oberoffizier salutiren wollen, auf jeder Seite des Paters eine so tiefe Verbeugung, daß die Reifröcke der Damen ganz auf den Boden, ja durch denselben hindurch zu sinken schienen, als hätte sich eine Fallthüre geöffnet, um die Damen aufzunehmen, welche diese Verbeugung machten. Der Pater schien an solche Ehrenbezeugungen, so tief sie auch waren, gewöhnt, er wandte sich ein wenig zuerst gegen die eine, dann gegen die andere Schwester, während er mit einer zierlichen Neigung des Körpers, die gewiß nicht bis zur Verbeugung ging, ihre Artigkeit anerkannte. Er schritt aber vorwärts, ohne sie anzureden, und schien dadurch anzuzeigen, daß ihre Gegenwart im Zimmer nicht nothwendig sei.

Sie entfernten sich also, indem sie rücklings mit gefalteten Händen und emporgehobenen Augen hinaus gingen, als wollten sie den Segen des Himmels auf den von ihnen so hoch verehrten Diener der Religion herabflehen. Die Thüre des Zimmers wurde hinter ihnen geschlossen; doch hatte Fairford Zeit zu bemerken, daß in der Gallerie ein oder zwei Männer standen, und daß dießmal nicht, wie er früher bemerkt hatte, die Thüre, obgleich geschlossen, auch noch von Außen verriegelt wurde.

»Können die guten Seelen,« dachte Fairford, »von mir für den Gegenstand ihrer abgöttischen Verehrung Gefahr befürchten?« Aber er hatte nicht Zeit, fernere Bemerkungen zu machen, denn der Fremde war bereits bis in die Mitte des Zimmers vorgetreten.

Fairford erhob sich, ihn ehrfurchtsvoll zu empfangen, als er aber die Augen auf seinen Besuch richtete, glaubte er zu bemerken, daß der Pater seine Blicke vermied. Seine Gründe, unbekannt zu bleiben, waren auch dringend genug, um dieß erklärlich zu machen, und Fairford eilte, ihm den Zwang abzunehmen, indem er seine Blicke zu Boden schlug; als er sie aber wieder erhob, fand er das große, helle Auge des Fremden so fest auf sich gerichtet, daß er durch die Unveränderlichkeit des Blicks fast aus der Fassung gekommen wäre. Während dieser Zeit standen Beide.

»Setzt Euch nieder, Sir,« sagte der Pater, »Ihr seid krank gewesen.«

Er sprach dies mit dem Tone eines Mannes, der einen Niederen in seiner Gegenwart zum Sitzen nöthigt, und seine Stimme war voll und sonorisch.

Fairford war etwas erstaunt, daß er sich imponiren lasse durch das Ansehen von Superiorität, das doch eigentlich nur gegen solche ausgeübt werden konnte, über welche die Religion dem Sprechenden eine Gewalt verlieh; er setzte sich aber fast unwillkürlich nieder, und war in Verlegenheit, wie er den Fuß der Gleichheit erhalten sollte, auf welchem sie, wie er wohl fühlte, eigentlich stehen sollten. Der Fremde bediente sich des Vortheils, den er behalten hatte.

»Man hat mir gesagt, Euer Name sei Fairford,« sagte der Pater.

Allan antwortete durch eine Verbeugung.

»Ein schottischer Advokat,« fuhr Jener fort; »in den westlichen Gegenden, glaube ich, lebt eine Familie von Geburt und Rang, genannt Fairford von Fairford.«

Allan hielt dieß für eine sonderbare Bemerkung von einem fremden Geistlichen, denn dafür mußte er den Pater Buonaventura wegen seines Namens halten, er antwortete also nur, er glaube, es sei so eine Familie da.

»Seid Ihr verwandt mit ihnen?« fuhr der Frager fort.

»Ich darf auf diese Ehre keinen Anspruch machen,« sagte Fairford, »der Fleiß meines Vaters hat seine Familie aus ihren niedern und dunkeln Verhältnissen herausgehoben, ich habe keine erblichen Ansprüche auf Auszeichnung irgend einer Art. Darf ich mich nach den Ursachen dieser Fragen erkundigen?

»Ihr werdet es sogleich erfahren,« sagte Buonaventura, der bei des jungen Mannes Anerkennung seiner plebejischen Abkunft ein trockenes und unbefriedigtes Hem! hatte ertönen lassen. Er bedeutete ihm hierauf, sich zu beruhigen, und fuhr dann mit seinen Fragen fort.

»Wenn auch nicht von Stande, so seid Ihr doch Zweifels ohne durch Gesinnung und Erziehung ein Mann von Ehre?«

»Ich hoffe, Sir,« sagte Allan, vor Unwillen erröthend. »Ich bin nicht gewohnt, dieß in Zweifel gezogen zu sehen.«

»Geduld, junger Mann,« sagte der unerschütterliche Frager, »wir sind in einem ernsten Geschäft, und keine unnütze Ziererei muß uns hindern, ernsthaft darüber zu sprechen. Ihr wißt wahrscheinlich, daß Ihr mit einem durch die strengen und ungerechten Gesetze der jetzigen Regierung geächteten Manne sprecht.«

»Ich kenne das Statut vom Jahre 1700, welches Priester und papistische Handelsleute aus dem Königreiche verbannt, und im Betretungsfalle auf summarische Ueberführung hin zum Tode verdammt. Das englische Gesetz ist, glaube ich, eben so strenge. Aber ich kenne Euch keineswegs, und weiß nicht, ob Ihr eine von diesen Personen seid; und Eure eigne Klugheit wird Euch schon rathen, Euer Geheimniß nicht kund werden zu lassen.«

»Genug, Sir,« sagte der Priester; »ich befürchte keine unangenehmen Folgen, weil Ihr mich in diesem Hause gesehen habt.«

»Gewiß nicht,« sagte Allan; »ich betrachte mich selbst, als für mein Leben, den Damen von Fairladies verschuldet, und es wäre eine schlechte Vergeltung von meiner Seite, wenn ich das, was ich unter diesem gastfreundlichen Dache gesehen und gehört habe, näher zu erforschen suchen, oder bekannt machen wollte. Ja, wenn ich dem Prätendenten selbst in solcher Lage begegnete, er würde, wenn auch meine Loyalität etwas darunter litte, vor aller Gefahr durch eine Indiscretion von meiner Seite gesichert sein.«

»Der Prätendent,« sagte der Priester mit einem etwas zornigen Nachdruck, mäßigte aber bald seinen Ton, und setzte hinzu: »ohne Zweifel ist dieser Mann ein Prätendent, und einige Leute glauben, daß seine Ansprüche nicht übel begründet sind. Allein ehe wir uns in's Politische verlieren, erlaubt mir die Bemerkung, daß ich erstaunt bin, einen Mann von Euren Meinungen mit Mr. Maxwell von Summertrees und Mr. Redgauntlet in vertrauten Verhältnissen zu finden, und die Mittelsperson zwischen ihnen machen zu sehen.«

»Verzeiht mir, Sir,« erwiderte Allan Fairford, »ich strebe nicht nach der Ehre, ihr Vertrauter oder Mittelsmann zu sein. Mein Verhältniß mit diesen Leuten ist auf ein einziges Geschäft beschränkt, das mich sehr nahe angeht, weil es die Sicherheit, vielleicht das Leben meines theuersten Freundes betrifft.«

»Findet Ihr irgend Bedenken, mich mit der Ursache Eurer Reise bekannt zu machen?« sagte Pater Buonaventura. »Mein Rath könnte Euch nützlich sein, und mein Einfluß bei diesen beiden Herren ist bedeutend.«

Fairford schwankte einen Augenblick, erwog in der Eile die Umstände, und kam zu dem Schlusse, daß es ihm vielleicht Vortheil gewähren könnte, sich diese Person geneigt zu machen, während er auf der andern Seite nichts wagte, wenn er ihr den Gegenstand seiner Reise mittheilte. Nachdem er daher kürzlich die Hoffnung ausgesprochen hatte, Mr. Buonaventura würde das nämliche Vertrauen gegen ihn beweisen, das er von ihm verlange, gab er kurz Nachricht von Darsie Latimer, – von dem Geheimniß, das über seiner Geburt walte, – und von dem Unglück, das ihn betroffen hatte; endlich von seinem eigenen Entschluß, seinen Freund aufzusuchen und zu befreien, wenn auch mit Gefahr seines eigenen Lebens.

Der katholische Priester, dessen Sitte es zu sein schien, jede Unterredung zu verwickeln, zu der er nicht selbst den Anstoß gegeben hatte, machte keine Bemerkungen über das, was er hörte, sondern that nur ein paar abgerissene Fragen, wo Allans Erzählung ihm nicht recht klar schien; dann erhob er sich von seinem Sitze, ging zwei Mal im Zimmer auf und ab, und murmelte mit Nachdruck zwischen den Zähnen das Wort: »Tollkopf!« Augenscheinlich aber war er gewöhnt, alle heftigen Bewegungen zu beherrschen, denn er wandte sich im Augenblick mit der größten Unbefangenheit an Fairford.

»Wenn Ihr glaubt,« sagte er, »ohne Euer Wort zu brechen, so handeln zu können, so wünsche ich, Ihr möchtet die Güte haben, mir den Brief des Mr. Maxwell von Summertrees zu zeigen. Ich möchte besonders die Aufschrift sehen.«

Allan sah keine Ursache, warum er nicht sein Vertrauen auch so weit ausdehnen sollte, und gab ihm ohne weiteres den Brief in die Hand. Nachdem er den Brief, wie früher Nanty Ewart und der alte Trumbull herumgewendet, und, wie sie, die Adresse mit vieler Genauigkeit untersucht hatte, fragte er Allan, ob er diese Worte bemerkt hätte, und wies zugleich auf einige an der untern Seite des Briefs mit Bleistift gemachte Schriftzüge. Fairford antwortete verneinend, sah auf den Brief, und las mit Erstaunen: cave, ne litteras Bellerophontis adferres (hüte dich, Bellerophons Brief zu überbringen); diese Warnung traf mit der Ermahnung des Mr. Crosbie, er würde wohl thun, in den Brief hinein zu sehen, dessen Ueberbringer er sei, so genau zusammen, daß er im Begriff war, aufzuspringen, und einen Versuch zur Flucht zu machen, ohne zu wissen, wohin und weßwegen.

»Bleibt sitzen,« junger Mann,« sagte der Pater mit dem nämlichen Tone der Autorität, der in seinem ganzen Wesen herrschte, wenn er schon mit einer anständigen Höflichkeit gemischt war. »Ihr seid in keiner Gefahr, mein Charakter wird Euch für Eure Sicherheit bürgen. Von Wem glaubt Ihr, daß diese Worte beigeschrieben sein mögen?«

Fairford hätte antworten können: »von Nanty Ewart«, denn er erinnerte sich, daß dieser etwas mit Bleistift kritzelte, obgleich er wegen seines Uebelbefindens nicht genau darauf gemerkt hatte, wo und auf was. Da er aber nicht wußte, welchen Verdacht oder welche schlimmen Folgen der Antheil des Seemanns an seinen Angelegenheiten auf ihn bringen könnte, so hielt er für's beste, zu antworten, er kenne die Hand nicht.

Pater Bonaventura schwieg wieder einige Augenblicke, die er dazu anwandte, den Brief mit der strengsten Aufmerksamkeit zu betrachten; dann trat er an ein Fenster, gleichsam um die Aufschrift, und das, was auf dem Umschlage stand, bei stärkerem Lichte genau zu untersuchen, und Allan Fairford sah mit eben so viel Erstaunen als Mißvergnügen, wie er kalt und besonnen das Siegel erbrach, den Brief öffnete und las. »Halt, Sir, halt!« rief er aus, sobald ihm sein Erstaunen erlaubte, seinem Unwillen Worte zu geben; »mit welchem Rechte wagt Ihr es ...«

»Ruhig, junger Mann,« sagte der Pater und wies ihn mit einem Wink der Hand zurück; »seid versichert, daß ich nicht ohne Autorität handle; nichts kann zwischen Mr. Maxwell und Mr. Redgauntlet vorgehen, das ich nicht zu wissen vollkommen berechtigt wäre.«

»Das kann sein,« sagte Allan höchst aufgebracht; »obgleich Ihr aber dieser beiden Herren Beichtvater sein möget, so seid Ihr doch nicht der Meinige, und da Ihr das Siegel eines Briefes erbrecht, der meiner Sorge anvertraut wurde, so thut Ihr mir – –«

»Kein Unrecht, ich versichere Euch,« antwortete der unerschütterliche Priester; »im Gegentheil vielleicht einen Dienst.«

»Ich verlange keinen Vortheil um solchen Preis, oder der auf solche Weise erhalten wird,« antwortete Fairford, »gebt mir den Brief augenblicklich zurück, oder –«

»So lieb Euch Eure Sicherheit ist,« sagte der Priester, »so unterlasset alle beleidigenden Ausdrücke und alle drohenden Geberden, ich bin nicht der Mann, der sich ungestraft drohen oder beleidigen läßt, und es sind genug Leute da, um jede Beleidigung und Kränkung zu strafen, die mir angethan wird, im Fall ich es für unschicklich halten sollte, mich mit eigener Hand zu schützen oder zu rächen.«

Als er dieß sagte, nahm der Pater ein so furchtloses Wesen und ein so ruhiges Ansehen an, daß der junge Rechtsgelehrte überrascht und eingeschüchtert seinen Vorsatz vergaß, ihm den Brief aus der Hand zu reißen, und sich auf bittere Klagen über das Ungeeignete seines Benehmens beschränkte, in welchem Lichte er dem Redgauntlet erscheinen müsse, wenn er ihm einen Brief mit erbrochenem Siegel überreiche.

»Dafür,« sagte Pater Buonaventura, »soll hinreichend gesorgt werden. Ich will selbst an Redgauntlet schreiben, und Maxwells Brief einschließen, vorausgesetzt, daß Ihr noch Lust bezeugt, ihn zu überliefern, wenn Ihr seinen Inhalt kennt.«

Er gab sodann den Brief an Fairford zurück, und da er bemerkte, daß dieser zauderte, ihn zu lesen, sagte er mit Nachdruck: »Lest nur, denn es betrifft Euch.«

Diese Anmahnung, verbunden mit der früheren des Mr. Crosbie und der Warnung, welche zweifelsohne Nanty durch seine classische Anspielung beabsichtigte, entschied Fairford's Entschluß; wenn diese Correspondenten, dachte er, sich gegen mich verschwören, so habe ich ein Recht, ihnen entgegen zu arbeiten; Selbsterhaltung sowohl, als meines Freundes Sicherheit verlangen, daß ich nicht allzu gewissenhaft bin.

So dachte er und las den Brief, der folgendermaßen lautete:

»Theurer, Wilder und Gefährlicher!

Wollt Ihr nie aufhören, Euren alten Spitznamen zu verdienen? Ihr habt endlich Euer Wild aufgestöbert, höre ich, und was ist die Folge? Nichts anders, als daß man Euch jetzt mit Lärm und Geschrei verfolgt. Der Ueberbringer dieses ist ein junger, naseweiser Advokat, welcher eine förmliche Klage gegen Euch vorgebracht hat, zum Glück vor einem freundschaftlichen Gerichte. So günstig aber auch der Richter gestimmt sein mag, so konnten doch Cousine Jenny und ich ihn nur mit Mühe an Bord behalten. Er beginnt furchtsam, mißtrauisch und unbiegsam zu werden, und ich fürchte, Jenny wird bald ihre Stirne vergebens gegen ihn falten. Ich weiß mir keinen Rath, – der Junge, der dieß überbringt, ist ein guter Junge – thätig für seinen Freund, – und ich habe meine Ehre verpfändet, daß er keinen persönlichen Unannehmlichkeiten ausgesetzt sein solle, – meine Ehre verpfändet! merke Dir diese Worte, und erinnere Dich, daß ich auch wild und gefährlich sein kann, so gut als meine Nachbarn. Ich habe ihn aber nicht gegen eine kurze Gefangenschaft gesichert, und da er ein regsamer, thätiger Bursche ist, so sehe ich kein anderes Mittel, ihn so lange aus dem Wege zu schaffen, bis dieß Geschäft des guten Pater B...... glücklich vorüber ist; wollte Gott es wäre schon! – Immer der Deine, sollt ich auch noch einmal sein

Craig – in – Peril.«

»Was denkt Ihr, junger Mann, von der Gefahr, in die Ihr Euch so willig begeben wolltet?«

»Sie kommt mir so seltsam vor, als das ungewöhnliche Mittel, dessen Ihr Euch so eben bedient habt, Maxwells Vorhaben zu entdecken.«

»Kümmert Euch nicht um mein Benehmen,« sagte der Pater, »ich bin sicher bei Allem, was ich thue, und fürchte keine Verantwortlichkeit. Aber sagt mir, was ist Euer jetziges Vorhaben?«

»Ich sollte es Euch vielleicht nicht nennen, da es sich auch um Eure Sicherheit dabei handelt.«

»Ich verstehe Euch,« antwortete der Pater; »Ihr wollt an die bestehende Regierung Euch wenden? – Das kann auf keinen Fall gestattet werden. – Eher halten wir Euch mit Zwang zu Fairladies zurück.«

»Ihr werdet doch wahrscheinlich,« sagte Fairford, »zuerst das Gefährliche eines solchen Verfahrens in einem freien Lande erwägen.«

»Ich bin furchtbaren Gefahren entgegen getreten,« sagte der Priester lächelnd, »doch ich bin Willens, ein milderes Auskunftsmittel zu suchen. Kommt, laßt uns die Sache zu einem Vergleich bringen.«

Er nahm hierauf ein so artiges Wesen an, daß es Fairford in diesem Falle für gar zu nachgebend hielt; »ich nehme an, Ihr werdet es zufrieden sein, hier noch einen Tag oder zwei in Verwahrung zu bleiben, vorausgesetzt, daß ich Euch mein feierliches Wort gebe, Ihr sollt den Mann, den Ihr suchet, treffen, – ihn in völliger Sicherheit treffen, und hoffentlich auch ganz gesund, und nachher Beide frei nach Schottland zurückkehren, oder nach Eurem Gefallen über Euch selbst bestimmen.«

»Ich achte das Wort des Priesters, so weit man es vernünftiger Weise von einem Protestanten erwarten kann,« erwiderte Fairford; »aber mir scheint, Ihr könnt kaum von mir erwarten, daß ich auf das Wort eines mir unbekannten Menschen so viel Vertrauen setzen soll, als in der Bürgschaft liegt, die Ihr mir anbietet.«

»Ich bin nicht gewohnt, Sir,« sagte der Pater in einem sehr stolzen Tone, »meine Worte bezweifelt zu sehen.« Doch nach augenblicklichem Bedenken verflog die Röthe des Zorns von seinen Wangen, und er setzte hinzu: »Ihr kennt mich nicht, und müßt darum entschuldigt werden. Ich will mehr Vertrauen auf Eure Ehre setzen, als Ihr Willens scheint, zu der meinigen zu fassen; und da wir einmal so gestellt sind, daß einer sich auf das Wort des andern verlassen muß, so will ich Euch sogleich in Freiheit setzen, und mit den Mitteln versehen lassen, Euern Brief zu überliefern; vorausgesetzt, daß Ihr jetzt, da Ihr den Inhalt kennt, es noch mit Eurer Sicherheit verträglich haltet, den Auftrag auszurichten.«

Allan Fairford schwieg einen Augenblick. »Ich sehe nicht,« erwiderte er endlich, »wie ich in Bezug auf die Erreichung meines einzigen Vorhabens, nämlich der Befreiung meines Freundes verfahren soll, ohne mich an das Gesetz zu wenden und den Beistand eines Friedensrichters zu verlangen. Wenn ich diesen sonderbaren Brief des Mr. Maxwell, mit dessen Inhalt ich auf eine so unerwartete Weise bekannt wurde, überliefere, so theile ich nur seine Gefangenschaft.«

»Und wenn Ihr Euch an einen Friedensrichter wendet, junger Mann, so stürzt Ihr diese gastfreundlichen Damen in's Verderben, welchen Ihr, aller menschlichen Wahrscheinlichkeit nach, Euer Leben verdankt. Ihr könnt keinen Verhaftsbefehl zu Eurem Vorhaben erlangen, ohne eine genaue Angabe alles dessen, was Ihr in den letzten Tagen erlebt habt, zu machen. Ein Friedensrichter würde Euch verpflichten, eine vollständige Nachricht von Euch selbst zu geben, ehe er Euch mit seiner Autorität gegen einen Dritten bewaffnete; und wenn Ihr diese Nachrichten gebt, so ist die Sicherheit dieser Damen nothwendig gefährdet. Hundert Spione haben schon ihre Augen auf diesen Aufenthaltsort gerichtet, und richten sie noch, aber Gott wird die Seinen beschützen.« – Hier kreuzigte er sich andächtig, und fuhr dann fort – »Ihr könnt nun eine Stunde über den besten Plan nachdenken, den Ihr auszuführen gedenkt, und ich verpfände mein Wort, Euch so weit behülflich zu sein, ohne daß ich verlange, daß Ihr Euch auf mein Wort mehr verlaßt, als Eure Klugheit Euch räth. – Ihr sollt zu Redgauntlet gehen, – ich nenne ihn geradezu, um Euch mein Vertrauen zu zeigen, – und Ihr sollt ihm diesen Brief von Mr. Maxwell überliefern mit einem von mir, worin ich ihn ermahne, Euern Freund in Freiheit zu setzen, oder wenigstens Eure Person nicht anzutasten, weder durch Gefangenhaltung, noch auf eine andere Weise. Wenn Ihr mir so weit trauen könnt,« sagte er mit einem stolzen Nachdruck auf diesen Worten, »so will ich Euch von meiner Seite von hier abreisen sehen mit dem vollkommensten Zutrauen, daß Ihr nicht zurückkehren werdet mit obrigkeitlicher Gewalt bewaffnet, um die Bewohner dieses Hauses zum Verderben hinwegzuschleppen. Ihr seid jung und unerfahren, erzogen zu einem Gewerbe, das den Verdacht schärft, und falsche Ansichten von der menschlichen Natur erzeugt. Ich habe viel von der Welt gesehen, und besser, als die meisten Menschen, erkannt, wie sehr gegenseitiges Vertrauen in Behandlung wichtiger Gegenstände erforderlich ist.«

Er sprach dieß mit einem Ansehen von Ueberlegenheit, ja von Autorität, wodurch Fairford, trotz seines innern Gegenstrebens, so sehr zum Schweigen gebracht und eingeschüchtert wurde, daß er erst, als der Pater sich gewandt hatte, um das Zimmer zu verlassen, die Worte fand, ihn zu fragen, »was die Folge sein würde, wenn er es ablehnte, auf die vorgeschlagenen Bedingungen abzureisen.«

»Dann müßt Ihr zur Sicherheit aller Theile für einige Tage ein Einwohner von Fairladies bleiben, wo wir die Mittel haben, Euch zurückzuhalten, und die Selbsterhaltung wird uns in diesem Falle zwingen, Gebrauch davon zu machen. Eure Gefangenschaft wird kurz sein; die Sachen können nicht lange so bleiben, wie sie sind. – Die Wolke muß bald aufsteigen, oder sich für immer über uns niederlassen – benedicite

Bei diesen Worten verließ er das Zimmer. Nach seiner Entfernung fühlte sich Fairford sehr in Verlegenheit, was er nun thun solle. Seine Erziehung sowohl, als seines Vaters Grundsätze in Sachen der Kirche und des Staats, hatten ihm einen heiligen Schauder gelehrt vor Papisten, so wie einen festen Glauben an Alles, was ihm von der punischen Treue der Jesuiten und von dem Auskunftsmittel eines Vorbehalts in Gedanken gesagt worden war, wodurch die katholischen Priester, wie man allgemein glaubte, der Verpflichtung zu entgehen suchten, gegen Ketzer Treue und Glauben zu halten; doch war in dem Anstand und den Worten des Pater Buonaventura ein Anstrich von Majestät, wenn gleich niedergedrückt, und wie von einer Wolke überschattet, doch immer noch groß und imponirend; es war schwer für ihn, dieß mit seinen vorgefaßten Meinungen zu vereinigen, die seinem Orden und seiner Religionspartei List und Falschheit Schuld gaben. Vor allem aber sah Allan ein, wenn er nicht seine Freiheit nach den ihm angebotenen Bedingungen annehme, so werde er wahrscheinlich mit Gewalt zurückbehalten werden; in jeder Hinsicht gewann er also durch Annahme derselben. Eine Beängstigung durchflog ihn indeß, wenn er als Rechtsgelehrter bedachte, daß dieser Pater wahrscheinlich in den Augen des Gesetzes ein Verräther sei, und daß es nach dem Criminalgesetzbuche ein schändliches Verbrechen sei, einen Hochverräther nicht anzugeben. Auf der andern Seite, was er auch denken oder argwohnen mochte, so konnte er es doch nicht auf sich nehmen, zu sagen, der Mann sei ein Priester, denn er hatte ihn nie in seinem Amtskleide und nie Messe halten sehen, so daß er wohl daran zweifeln konnte, da er keinen gesetzlichen Beweis besaß. Er kam also zu dem Schluß, daß er seine Freiheit annehme, und unter des Pater Buonaventura Gewährleistung zu Redgauntlet gehen wolle, denn diese würde ihn, wie er kaum zweifelte, gegen persönliche Unannehmlichkeiten schützen. Sollte er einmal dazu kommen, diesen Edelmann zu sprechen, so fühlte er noch das nämliche Zutrauen zu sich, wie früher, daß er ihn von der Unbedachtsamkeit seines Benehmens würde überzeugen können, wenn er auch Darsie Latimers Freiheit nicht erwirkte. Auf alle Fälle würde er erfahren, wo sich sein Freund befinde, und unter welchen Umständen.

Da Allan nun entschlossen war, so wartete er mit Begierde, bis die Stunde zu Ende sei, die ihm zur Ueberlegung gestattet worden war. Er wurde keinen Augenblick länger auf die Folter der Ungeduld gespannt, als bis die bestimmte Zeit verflossen war, denn so wie die Glocke schlug, erschien Ambrosius an der Thüre der Gallerie und machte ein Zeichen, daß Allan ihm folgen solle. Er that es und trat, nachdem er, wie es in so alten Häusern gewöhnlich ist, mehrere verwickelte Gänge durchwandelt hatte, in ein kleines Zimmer, das bequem eingerichtet war, und worin er den Pater Buonaventura auf einem Ruhebette liegend fand, in der Stellung eines von Krankheit und Anstrengung erschöpften Menschen. Auf einem kleinen Tische neben ihm war ein katholisches Gebetbuch, ein Fläschchen mit Arznei und eine kleine Theetasse von chinesischem Porzellan. Ambrosius trat nicht in's Zimmer, sondern verbeugte sich nur tief und verschloß die Thüre so leise wie möglich, sobald Fairford eingetreten war.

»Setzt Euch nieder, junger Mann,« sagte der Pater mit demselben Tone der Herablassung, der Fairford schon vorher in Verwunderung gesetzt, ja beleidigt hatte. »Ihr seid krank gewesen, und ich weiß nur zu gut an mir selbst, daß Unpäßlichkeit Nachsicht verlangt. – Habt Ihr,« fuhr er fort, sobald er sah, daß sich Allan niedergesetzt hatte, »habt Ihr Euch entschlossen zu bleiben oder abzureisen?«

»Abzureisen,« sagte Allan, »wenn Ihr mir Bürgschaft leisten wollt für meine Sicherheit bei dem sonderbaren Menschen, der sich auf eine so ungesetzliche Weise gegen meinen Freund Darsie Latimer benommen hat.«

»Urtheilt nicht so rasch, junger Mann,« erwiderte der Pater. »Redgauntlet hat in Beziehung auf den jungen Mann die Ansprüche eines Vormunds über seinen Mündel und ein Recht, über seinen Aufenthaltsort zu verfügen, obgleich er in der Wahl der Mittel, wodurch er seine Autorität geltend zu machen gedenkt, unbesonnen gewesen sein mag.«

»Seine Lage als Geächteter vernichtet diese Rechte,« sagte Fairford hastig.

»Sicherlich,« erwiderte der Priester, lächelnd über die Raschheit des jungen Rechtsgelehrten; »in den Augen derer, welche die Rechtmäßigkeit der Aechtung anerkennen, aber das thue ich nicht. Indessen, Sir, hier ist meine Bürgschaft, leset den Inhalt, und nehmt nicht wieder einen Uriasbrief mit Euch.«

Fairford las folgende Worte:

»Guter Freund!

Wir senden Euch hier einen jungen Mann, der die Lage Eures Mündels kennen zu lernen wünscht, seit er unter Eure väterliche Autorität kam, und mit Euch unterhandeln will, um Eueren Verwandten in Freiheit zu setzen. Dieß empfehlen wir Eurer Klugheit, und mißbilligen zu gleicher Zeit höchlich jede Gewalt oder Zwang, wenn solches vermieden werden kann, und wir wünschen daher, daß diese Unterhandlung einen guten Ausgang haben möge. Auf alle Fälle indessen hat der Ueberbringer unser verpfändetes Wort für seine Sicherheit und Freiheit, was Ihr daher strenge beobachten sollt, so lieb Euch unsere und Eure eigene Ehre ist. Ferner wünschen wir, uns mit Euch zu besprechen, sobald als möglich, da wir Euch Gegenstände von der höchsten Wichtigkeit mitzutheilen haben. Wir wünschen daher, daß Ihr Euch in aller Eile hieher begebet, und sagen Euch hiemit ein herzliches Lebewohl!

P. B.«

»Ihr werdet einsehen, Sir,« sagte der Pater, als er sah, daß Allan den Brief gelesen hatte, »daß Ihr bei Uebernahme dieser Botschaft Euch verbindlich macht, erst die Wirkung davon zu versuchen, ehe Ihr zur Befreiung Eures Freundes zu einem gesetzlichen Mittel, wie Ihr es nennt, Eure Zuflucht nehmet.«

»Es sind noch einige Chiffern dem Brief beigefügt,« sagte Fairford, als er den Brief aufmerksam gelesen hatte, »darf ich fragen, was sie bedeuten?«

»Sie betreffen meine eigenen Angelegenheiten,« antwortete der Pater kurz, »und haben gar keine Beziehung auf die Eurigen.«

»Mir scheint indessen die Vermuthung natürlich, – –« erwiderte Allan.

»Nichts darf vermuthet werden, was mit meiner Ehre unverträglich ist,« erwiderte der Priester ihn unterbrechend; »wenn Männer, wie ich, Gunstbezeugungen erweisen, so erwarten wir, daß sie mit Dankbarkeit angenommen, oder mit dankbarer Achtung abgelehnt, nicht lange untersucht und bekrittelt werden.«

»Ich nehme Euern Brief also an,« sagte Fairford nach minutenlangem Ueberlegen, »und der Dank, den Ihr erwartet, soll Euch auf's Reichlichste gezollt werden, wenn der Erfolg dem entspricht, wozu Ihr mir Hoffnung gemacht habt.«

»Gott allein gebietet über den Ausgang,« sagte Pater Buonaventura. »Der Mensch gebraucht die Mittel. – Ihr sehet ein, daß Ihr durch Uebernahme dieses Auftrags Eure Ehre verpfändet, die Wirkung meines Briefs auf Mr. Redgauntlet zu versuchen, ehe Ihr die Sache bei Gericht anbringt, oder einen gesetzlichen Verhaftsbefehl auswirkt?«

»Ich halte mich für verbunden, so zu handeln, als ein Mann von Wort und Ehre,« sagte Fairford.

»Gut, ich traue Euch,« sagte der Pater. »Ich will Euch jetzt noch sagen, daß ein Expresser, den ich die letzte Nacht abfertigte, Redgauntlet wahrscheinlich um viele Meilen diesem Orte näher gebracht hat, wo er es nicht sicher finden wird, irgend eine Gewaltthat gegen Eueren Freund zu versuchen, sollte er auch unbesonnen genug sein, den Rath des Mr. Maxwell von Summertrees eher zu befolgen, als meine Befehle. Wir verstehen jetzt einander.«

Er streckte seine Hand gegen Allan aus, welcher eben im Begriff war, sie zum Unterpfand seiner Treue auf die gewöhnliche Weise zu fassen, als sie der Pater schnell zurück zog. Ehe Allan Zeit hatte, über diese Weigerung nachzudenken, öffnete sich eine kleine Seitenthüre, die mit einer Tapete verdeckt war, die Vorhänge wurden bei Seite gezogen, und eine Dame trat, wie eine plötzliche Erscheinung, leise in's Gemach. Es war keine von den Miß Arthuret's, sondern eine Frau in der Blüthe des Lebens und der völlig entfalteten weiblichen Schönheit; artig, schlank und von imponirendem Ansehen. Ihre goldenen Locken fielen über die Stirne, die nebst dem herrlichen Glanze der großen, offenen blauen Augen eine Juno selbst geziert haben würde; ihr Nacken und Busen waren wunderschön geformt und von blendender Weiße. Sie war ein wenig zur Fülle geneigt, doch nicht mehr, als ihrem Alter paßte, das ungefähr dreißig Jahre betragen mochte. Ihr Gang war der einer Königin, aber nicht einer Königin Esther, sondern der einer Vasthi, einer kühnen und befehlenden, nicht einer schüchternen Schönheit.

Pater Buonaventura erhob sich unwillig von seinem Lager, als ob ihm das rasche Eintreten mißfalle. »Nun, Madame,« sagte er mit einiger Strenge, »warum haben wir jetzt die Ehre Eurer Gesellschaft?«

»Weil es mir so beliebt,« erwiderte die Dame ganz ruhig.

»Beliebt? Madame!« wiederholte er in dem nämlichen unwilligen Tone.

»Ja, beliebt, Sir,« fuhr sie fort, »und dieß mein Belieben hält immer genauen Schritt mit meiner Pflicht. Ich hatte gehört, Ihr wäret unwohl, laßt mich hoffen, daß es nur ein Geschäft ist, welches diese Absonderung veranlaßt.«

»Ich bin wohl,« erwiderte er, »vollkommen wohl, und ich danke Euch für Eure Sorgfalt, aber wir sind nicht allein, und dieser junge Mann – –«

»Dieser junge Mann,« sagte sie und heftete ihr großes, ernstes Auge auf Allan Fairford, als ob sie jetzt erst seine Gegenwart bemerkt hätte, – »darf ich fragen, wer es ist?«

»Ein andermal, Madame, Ihr sollt seine Geschichte erfahren, wenn er weg ist. Seine Gegenwart macht es mir unmöglich, mich weiter zu erklären.«

»Wenn er gegangen ist, mag es wohl zu spät sein,« sagte die Dame, »und was ist seine Gegenwart für mich, wenn Eure Sicherheit auf dem Spiele steht? Es ist der ketzerische Advokat, den die einfältigen Narren, die Arthuret's, in's Haus eingelassen haben, zu einer Zeit, wo sie ihren eigenen Vater hätten vergebens an die Thüre klopfen lassen sollen. Ihr werdet ihn doch sicher nicht von Euch lassen?«

»Eure eigene Ungeduld kann allein diesen Schritt gefährlich machen,« sagte der Pater, »ich habe mich entschlossen, ihn zu thun, – laßt nicht Euren unbescheidenen Eifer, so gut auch seine Quelle sein mag, die Sache unnöthiger Weise gefährlich machen.«

»Ist's möglich?« sagte die Dame im Tone des Vorwurfs, mit dem sich jedoch Achtung und Besorglichkeit verband. »Und so wollt Ihr immer vorwärts gehen, wie ein Hirsch in die Schlingen des Jägers, mit ungemessenem Vertrauen, jetzt noch, nach allem Dem, was vorgefallen ist?«

»Stille, Madame,« sagte der Pater Buonaventura aufstehend; »schweigt oder verlaßt das Zimmer; meine Pläne vertragen keine weibliche Kritik.«

Die Dame schien im Begriff, auf diesen bestimmt ausgesprochenen Befehl eine scharfe Antwort zu geben; doch sie bezwang sich, preßte ihre Lippen fest zusammen, als wollte sie die Worte, die sich schon auf der Zunge gebildet hatten, verhindern, herauszubrechen; sie machte eine tiefe Verbeugung, die zum Theil wie ein Vorwurf, zum Theil wie eine Achtungsbezeugung aussah, und verließ das Zimmer so schnell, als sie eingetreten war.

Der Pater schien beunruhigt durch diesen Vorfall, denn er schien zu fühlen, daß derselbe Fairford's Einbildungskraft mit neuem, weitgreifendem Verdacht erfüllen müsse; er biß die Lippen zusammen, und murmelte einiges vor sich hin, wie er durch's Zimmer ging; dann wandte er sich plötzlich zu Allan mit einem so angenehmen Lächeln, und mit einer Haltung, in welcher jeder rauhere Ausdruck dem der Artigkeit und Freundlichkeit gewichen war.

»Der Besuch, mit dem wir so eben beehrt wurden, mein junger Freund,« sagte er, »gibt Euch noch mehr Geheimnisse zu bewahren, als ich Euch aufbürden wollte. Die Lady ist eine Dame von Rang und Vermögen; dennoch aber sind die Umstände von der Art, daß das bloße Bekanntwerden ihrer Anwesenheit im Lande viele unangenehmen Folgen haben würde. Ich wünschte, daß Ihr diesen Umstand geheim haltet, auch gegen Redgauntlet und Maxwell, obgleich ich in allen meinen Angelegenheiten ihnen durchaus vertraue.«

»Ich kann keine Veranlassung haben,« erwiderte Fairford, »irgend eine Unterredung mit diesen Herren oder mit andern über den Umstand zu haben, wovon ich so eben Zeuge gewesen bin, – es könnte einzig durch Zufall der Gegenstand meines Gesprächs werden, und ich werde jetzt darauf bedacht sein, diese Sache gänzlich zu vermeiden.«

»Ihr werdet wohl thun, Sir, und ich danke Euch,« sagte der Pater, und legte viel Würde in diesen Ausdruck seiner Verbindlichkeit. »Die Zeit möchte wohl einmal kommen, wo Ihr erfahren werdet, was es heißt, einen Mann, wie mich, zu verbinden. Was die Dame betrifft, so ist sie eine höchst würdige Person, und man kann durchaus nichts sagen, das nicht ihr Lob verkündigte. Nichts desto weniger – kurz, Sir, wir wandern in diesem Augenblick in einem Morgennebel – die Sonne wird, wie ich hoffe, bald steigen, und ihn zerstreuen, wo dann Alles, was jetzt geheimnißvoll scheint, völlig entschleiert werden wird; – oder er wird sich in Regen auflösen,« setzte er in einem feierlichen Tone hinzu, »und dann ist jede Aufklärung von geringer Bedeutung. – Adieu, Sir, ich wünsche Euch alles Gute!« –

Er machte eine artige Verbeugung und verschwand durch dieselbe Seitenthüre, durch welche die Dame eingetreten war, und Allan glaubte Stimmen in heftigem Streit aus dem anstoßenden Zimmer zu hören.

Im Augenblick darauf trat Ambrosius ein und sagte, »ein Pferd und ein Führer warteten auf ihn unten an der Terrasse.«

»Der gute Pater Buonaventura,« setzte der Kellermeister hinzu, »ist so gnädig, Eure Lage zu berücksichtigen, und hat mich ersucht, Euch zu fragen, ob Ihr für irgend einen Fall Geld nöthig hättet.«

»Bezeugt Sr. Ehrwürden meine Achtung,« erwiderte Fairford, »und versichert ihn, daß ich damit hinlänglich versehen bin. Ich bitte Euch gleichfalls, den Miß Arthuret's meine Dankbarkeit zu bezeugen, und sie zu versichern, daß ich ihrer gütigen Gastfreundschaft, der ich vermuthlich mein Leben danke, so lange ich lebe, mit Dankbarkeit eingedenk sein werde. Auch Euch, Mr. Ambrosius, danke ich verbindlichst, daß Ihr mir Eure Geschicklichkeit und Aufmerksamkeit gewidmet habt.«

Unter diesen Aeußerungen der Dankbarkeit verließen sie das Haus, stiegen die Terrasse hinab, und gelangten an den Ort, wo der Gärtner, Fairfords alter Bekannter, auf ihn wartete, sitzend auf dem einen Pferde, und das andere an der Hand führend.

Unser junger Rechtsgelehrter sagte dem Mr. Ambrosius Lebewohl, bestieg das Pferd und ritt den Gang hinab, indem er oft nach dem melancholischen und vernachlässigten Gebäude zurücksah, in welchem er Zeuge von so sonderbaren Scenen gewesen war; er dachte noch über den Charakter seiner geheimnißvollen Bewohner, besonders des edlen und fast königlich aussehenden Priesters, und der schönen, aber launenhaften Dame nach, welche, wenn sie wirklich Pater Buonaventura's Beichtkind war, gegen die Autorität der Kirche weit ungelehriger war, als nach Allans Meinung die katholische Kirchenzucht gestattete. Er konnte nicht umhin, zu bemerken, daß das ganze Benehmen dieser Personen sehr gegen seine vorgefaßten Begriffe von einem Priester und seinem Beichtkind abstach. Pater Buonaventura besonders hatte mehr natürliche Würde und weniger Kunst und Affektation in seinem Wesen, als sich mit der Idee vertrug, welche die Calvinisten von dem listigen und schrecklichen Charakter eines jesuitischen Missionärs zu hegen pflegten.

Während er über diese Dinge nachdachte, schaute er so oft nach dem Hause zurück, daß Dick Gardener, ein vorlauter, geschwätziger Mensch, den das Schweigen zu langweilen begann, endlich zu ihm sagte: »Nun, ich denke, Ihr werdet Fairladies kennen, wenn Ihr es wieder sehet, Sir.«

»Das wage ich zu behaupten,« sagte Fairford in guter Laune. »Ich wünschte, ich wüßte eben so gut, wo es zunächst hingeht; doch das könnt Ihr mir vielleicht sagen, Richard.«

»Euer Gnaden sollten es besser wissen, als ich,« sagte Dick Gardener; »nichts desto weniger, denke ich mir, Ihr werdet dahin gehen, wohin alle Schotten geschickt werden sollten, sie mögen nun wollen oder nicht.«

»Zum Teufel doch nicht, hoffe ich, guter Dick,« sagte Fairford.

»Warum nicht? Das ist ein Weg, den Ihr als Ketzer macht; aber als Schotten möchte ich Euch nur drei Viertheile des Weges schicken, das heißt, nach Schottland zurück, – Euer Gnaden müssen mir dieß aber verzeihen.«

»Geht unser Weg dahin?« fragte Fairford.

»So weit als es an der Wasserseite fortgeht,« sagte Richard. »Ich soll Euch zu dem alten Vater Crackenthorp führen, und dann seid Ihr nur noch einen Sprung weit von Schottland. Vielleicht aber bedenkt Ihr Euch erst zweimal, Alt-England ist doch ein fetter Weidegrund für das Vieh aus dem Norden.«


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