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Siebentes Kapitel.

Fortsetzung des Tagebuchs Darsie Latimers.

Zweites Blatt.

Bis auf die kürzlich verflossenen, kummervollen Tage habe ich in meinem Leben, auch nicht während eines einzigen Augenblicks, wirkliche Sorgen zu tragen gehabt. Was ich so nannte, war, wie ich jetzt wohl weiß, bloß ein Geistesüberdruß, der, weil er in demselben Augenblick keinen Grund zur Klage hatte, ängstlich in die Vergangenheit und in die Zukunft schaut. Diese Perioden stehen mit dem eigentlichen Leben des Menschen aber so wenig in Verbindung, daß die heilige Schrift selbst sagt: »ein jeder Tag hat seine eigene Plage.«

Wenn ich also manches Mal meine glückliche Lage verkannte, wenn ich gegen meine unbekannte Geburt, gegen meinen ungewissen Rang in der menschlichen Gesellschaft zuweilen murrte, so will ich es damit gut machen, daß ich mein jetziges, wirkliches Unglück mit Geduld und Muth und, ist es mir möglich, selbst mit Heiterkeit ertrage. Was können, was dürfen sie mir thun! – Ich bin überzeugt, daß Foxley ein wirklicher Friedensrichter und Landgutsbesitzer ist, obgleich er nebenbei (wunderbar ist es zu sagen) dennoch ein Esel zu sein scheint; auch sein Gehülfe mit dem tuchenen Mantel muß wohl die Folgen einsehen, in die eine Raub- oder Mordthat ihn verwickeln würde. Solche Zeugen ladet man sich nicht zu Thaten der Finsterniß ein. Auch hege ich – Allan, ich habe Ursache Hoffnungen zu hegen, die auf die Familie meines Unterdrückers selbst gebaut sind. Ich bin zu dem Glauben berechtigt, daß G. M. wieder auf dem Schauplatz erscheinen wird. Mehr darf ich hier nicht sagen, auch wage ich es nicht, einen Wink fallen zu lassen, den ein anderes Auge als das Deinige bemerken und deuten könnte. Genug, ich fühle mich leichter als vorher; und obgleich Furcht und Wunder mich umgeben, so können sie doch meinen Horizont nicht ganz mit Wolken überziehen.

Selbst als ich die Gespenstergestalt der alten Vogelscheuche der Parlamentshalle in das Zimmer stürmen sah, wo ich eine so sonderbare Untersuchung ausgehalten hatte, fiel mir deine Bekanntschaft mit ihm ein, und fast hätte ich den Lear so parodiren mögen:

»O Hölle! – nichts kann die Natur ernied'ren
Zu solcher Schmach, als ein gelehrter AnwaltBei Shakespeare heißt es (im 3. Act des Königs Lear S. III.)

Lear: Tod! O Verräther nichts kann die Natur ernied'ren
Zu solcher Schmach, als liebelose Töchter. Anm. des Uebers.

Er war noch eben so, wie wir ihn vor Zeiten sahen, Allan, als ich, mehr um dir Gesellschaft zu leisten, als meiner eigenen Neigung folgend, häufig die Gerichtshallen besuchte. Der einzige Zuwachs seiner Kleidungsstücke bestand (in seinem Charakter als Reisender) in ein paar Courierstiefeln, welche aussahen, als hätten sie das Schlachtfeld von Sheriffmoor gesehen; so breit, so schwer, daß, obgleich sie mit breiten, vielfarbigen, wollenen Bändern an seinen ermüdeten Schenkeln festgebunden waren, sie doch das Ansehen hatten, als wären sie einer Wette wegen, oder zur Buße angelegt worden.

Ohne alle Rücksicht auf die staunenden Blicke der Gesellschaft, in die er sich eindrängte, tölpelte Peter mitten in das Zimmer; den Kopf vorgebeugt wie ein stoßender Widder, grüßte er folgendermaßen:

»Guten Tag, ihr Leute, guten Tag, Ew. Gnaden. – Verkauft man hier Steckbriefe?«

Ich bemerkte, daß sich mein Freund (oder mein Feind) bei seinem Eintritt zurückzog, und sich so stellte, als wünsche er der Aufmerksamkeit des Ankommenden zu entgehen. So weit ich es vermochte, that ich dasselbe, denn ich vermuthete, daß Mr. Peebles mich erkennen würde, da ich mich nur zu oft unter dem Haufen der jungen Rechtsbeflissenen befand, welche sich damit zu unterhalten pflegten, dem Peter Rechtsfälle zur Entscheidung vorzulegen, oder ihm böse Streiche zu spielen. Doch war ich im Zweifel, ob es mir nützlich sein würde, seine Bekanntschaft zu benützen, um wo möglich ein gerichtliches Zeugniß von ihm zu erlangen, oder ob es besser wäre, ihm einen Brief anzuvertrauen, der mir sicherer zu meiner Freiheit verhelfen konnte. Ich beschloß daher, mich nach den Umständen zu richten, und sorgfältig darauf zu achten, daß mir nichts entgehen würde. Ich zog mich also so weit als möglich zurück, ja ich recognoscirte sogar die Thüre und den Gang, um zu sehen, ob eine Flucht durchaus unmöglich wäre. Aber da stolzirte Christal Nixon, dessen kleine, schwarze Basilisken-Augen augenblicklich mein Vorhaben in den meinigen zu lesen schienen.

Ich ließ mich also so weit wie möglich von allen Parteien entfernt nieder, und horchte auf das Gespräch, das viel anziehender war, als ich erwartete, und in welchem Peter Peebles eine Hauptrolle spielte.

»Ist es hier, wo man Verhaftsbefehle verkauft? – Steckbriefe, meine ich, ihr versteht mich schon,« sagte Peter.

»Heh – eh – was!« sagte der Richter Foxley; »was meint der Kerl? – Wofür verlangt Ihr einen Verhaftsbefehl?«

»Um einen jungen Advokaten festsetzen zu lassen, der meditatione fugae ist; denn er hat meine Klage angenommen, und hat meine Sache vertheidigt; dabei habe ich ihm noch wacker Sporteln bezahlt, und noch obendrein so viel Branntwein, als er an jenem Tage in dem Hause seines Vaters trinken konnte – denn für ein so junges Geschöpf liebt er den Branntwein unmäßig.«

»Und was hat Euch denn der betrunkene Advokat zu Leide gethan, daß Ihr zu mir kommt – heh – ha? Hat er euch beraubt? Nichts Unwahrscheinliches, wenn er ein Jurist ist. Heh – Nick – ha?« sagte der Richter Foxley.

»Er hat mich meiner selbst beraubt, Sir,« antwortete Peter; »nämlich seiner Hülfe, seines Trostes, seiner Unterstützung, seiner Vertheidigung und seines Beistandes, die er als Advokat dem Clienten, ratione officii zu leisten schuldig – seht, das ist die ganze Sache. Er hat meine Sporteln in den Sack geschoben, hat einige Maß Branntwein getrunken, und nun macht er sich auf und davon, und läßt meine Sache halb gewonnen, halb verloren zurück. Nun haben mir einige scharfsinnige Bursche, mit denen ich zuweilen in der Parlamentshalle von juristischen Dingen plaudere, gerathen, nur in Gottes Namen ein Herz zu fassen, und ihm nachzusetzen; also habe ich mit meinen Beinen die Post genommen, wobei ich freilich hier und da einmal auch auf einem Leiterwagen oder sonst einem Fuhrwerk aufstieg. In Dumfries bekam ich Wind von ihm, und nun bin ich ihm auf die englische Seite hinüber nachgesetzt, und möchte einen Verhaftsbefehl gegen ihn.«

Mein theuerster Allan, wie hoch schlug mir das Herz bei dieser Nachricht! Du bist mir nahe, und ich weiß wohl in welcher gütigen Absicht; du hast Alles verlassen, um mir zu Hülfe zu eilen; da ich deine Freundschaft, deine Treue, deine gesunde Vernunft, deine ausdauernde Unermüdlichkeit kenne, so ist es kein Wunder mehr, wenn »meines Busens Herr nun leichten Sinnes auf dem Throne sitzt,« daß die Fröhlichkeit wieder unwillkürlich meine Feder belebt, daß mein Herz dem deinigen entgegenschlägt, wie das eines Feldherrn dem Trompetenschalle seines herannahenden Verbündeten, ohne dessen Hülfe die Schlacht verloren gehen müßte.

Ich ließ mich von dieser freudigen Ueberraschung nicht außer Fassung bringen, sondern fuhr fort, mit der größten Aufmerksamkeit auf Alles das zu hören, was bei dieser sonderbaren Sache gesagt wurde. Daß der arme Peter Peebles von einem seiner jungen Rathgeber in der Parlamentshalle zu dieser wilden Gänsejagd gereizt worden war, hatte er selbst zu verstehen gegeben; aber er sprach mit so viel Zuversicht, daß der Richter in seinem Herzen wohl befürchten mochte, einen Fehlgriff in der Sache zu thun. Und da bei den Behörden an den englischen Gränzen sehr oft die Furcht obwaltet, der größere Scharfsinn ihrer Nachbarn im Norden möchte ihre eigene Einfachheit überlisten, so wandte sich Mr. Foxley mit sorglichen Blicken zu seinem Schreiber.

»Eh – oh – Nick, hol dich der – kannst du denn nicht sprechen? Da handelt es sich mehr um schottische Gesetze und um Schottländer. (Hier warf er dem Eigenthümer des Hauses einen Blick zu, und winkte seinem Schreiber.) Oh, ich wollte die Solway wäre so tief, wie sie breit ist, dann könnten wir doch hoffen, daß sie uns in Ruhe lassen würden.«

Nikolas sprach einige Augenblicke mit dem Bittsteller allein, und stattete dann Bericht ab: »der Mann verlangt einen Gränz-Verhafts-Befehl, wie es scheint, die stellt man aber nur gegen Schuldner aus, er aber braucht einen, um einen Advokaten festnehmen zu lassen.«

»Und warum dafür nicht?« fiel ihm Peter Peebles frech in die Rede; »warum nicht? das möcht' ich doch gern wissen. Weigert sich ein Taglöhner, seine Arbeit zu vollenden, gleich zwingt Ihr ihn dazu, – läuft eine liederliche Dirne aus dem Dienst, geschwind schickt Ihr sie wieder heim, – macht sich ein Kohlenbrenner oder ein Salzhändler bei Mondschein aus dem Staube, im Augenblick packt Ihr ihn wieder an den Hinterpfoten; und doch beträgt der Schaden nicht mehr als ein paar Kohlen oder ein paar Metzen Salz. Hier aber läuft mir ein Bursche mir nichts dir nichts weg, bricht seine Verbindlichkeiten, und bringt mir einen Schaden von ungefähr 6000 Pfund Sterling, nämlich 3000, die ich gewinnen würde und 3000, die ich wohl verlieren werde, und Ihr, die Ihr Euch nach der Gerechtigkeit nennt, könnt einem armen Mann nicht helfen, einen Ausreißer zu fangen. Eine schöne Gerechtigkeit finde ich da bei Euch!«

»Der Kerl muß betrunken sein,« sagte der Schreiber.

»Nüchtern von allem, außer der Sünde,« erwiderte der Supplikant; »seitdem ich das diesseitige Ufer betrat, habe ich nicht mehr als einen Schluck kalt Wasser zu mir genommen, und Gott weiß, ob einer von euch zu mir sagen wird: Hund, willst du trinken?«

Der Richter schien von diesen Worten gerührt. »Hem – stille, Freund,« erwiderte er; »du sprichst, als stündest du vor einem deiner Bettelrichter – geh' hinunter – laß dir etwas zu essen geben, Freund (mit der Erlaubniß meines Freundes, seiner Gastfreundschaft zuvorzukommen), auch einen Schluck zu trinken, und ich gebe dir mein Wort, dann findest du so viel Gerechtigkeit bei uns, wie du wünschest.«

»Ich will Euer nachbarliches Anerbieten nicht ausschlagen,« sagte der arme Peter Peebles, indem er sich verbeugte; »wünsche Euer Gnaden viel Glück und Weisheit, um Euch in einem so außerordentlichen Fall richtig zu leiten.«

Als Peter Peebles eben das Zimmer verlassen wollte, so wollte ich doch einen Zeugen, der mich dem Richter günstig darstellen konnte, nicht so weggehen lassen. Ich trat also vor, grüßte ihn, und frug ihn, ob er sich meiner nicht mehr erinnere?

Er starrte mich an, betrachtete mich von allen Seiten, nahm einige Prisen Tabak, dann schien es plötzlich, als lebe eine alte Rückerinnerung in ihm auf. »Ob ich mich Euerer erinnere?« sagte er, »meiner Treu, ich will's wohl glauben. – Ergreift ihn, Gentlemen – Constabler, haltet ihn fest – wo der liederliche Galgenvogel ist, da ist gewiß Allan Fairford nicht weit. – Haltet ihn nur fest, Meister Constabel; ich trage es Euch auf, denn ich müßte mich sehr irren, oder er ist Schuld an der ganzen Weglauf-Geschichte. Der ist's ja, der den Narren Allan mit Wagen und Pferden und all' dem Teufelszeug, nach Roßlin und Prestonpans und nach allen nichtsnutzigen Orten, die er auffinden konnte, mitschleppte. Er ist ein weggelaufener Student, er ist's.«

»Mr. Peebles,« sagte ich, »thut mir nicht Unrecht. Ich bin überzeugt, daß Ihr mir mit Recht nichts Böses nachsagen könnt, sondern, wenn Ihr wollt, diesen Herren beweisen könnt, daß ich ein Student der Rechte in Edinburgh bin – Darsie Latimer mit Namen.«

»Ich beweisen! Wie kann ich es diesen Herren beweisen,« antwortete Peter, »da ich selbst noch lange nicht überwiesen bin? Ich weiß nichts von Euerem Namen, und kann bloß bezeugen, nihil novit in causa

»Einen schönen Zeugen habt Ihr da zu Euren Gunsten producirt,« sagte Mr. Foxley. »Aber – ha – ei – ich will ihm doch eine oder zwei Fragen vorlegen. – Hört, Freund, wollt Ihr einen Eid darauf ablegen, daß dieser Jüngling ein weggelaufener Student ist?«

»Sir,« sagte Peter, »ich will auf alles Vernünftige schwören; »ein Prozeß, der zum Eidablegen kommt, ist ein gewonnener Prozeß; aber ich bin sehr begierig, Ew. Gnaden Mittagstafel zu versuchen;« denn seit der Peter etwas vom Mittagessen gehört hat, war sein Betragen gegen den Richter viel ehrfurchtsvoller geworden.

»Ihr sollt – eh – hum – den Bauch gestopft bekommen, wenn's möglich ist, ihn zu füllen. Sagt mir aber doch erst, ob dieser junge Mann wirklich das ist, wofür er sich ausgibt. – Nick, nimms zu Protokoll.«

»Oh, er ist so ein junger Springinsfeld, der nie ernstlich an sein Studium dachte – rappelig, Herr, ganz rappelig

»Rappelig?« sagte der Richter, »was meint Ihr damit – heh?«

»Nun, eben verdreht,« erwiderte Peter, »rapiat, – hat einen Sparren zu viel oder zu wenig; es ist aber was ganz Gewöhnliches – die halbe Welt hält die andere Hälfte für rappelig. Ich habe hin und wieder Menschen gefunden, die mich selbst für rappelig hielten; und ich, ich halte wieder das Obertribunal für rappelig, weil es seit zwanzig Jahren über den großen Rechtsstreit des Peebles contra Plainstanes deliberirt, und doch immer noch nicht recht auf den Grund der Sache gekommen ist.«

»Ich kann von dem verfluchten Kauderwelsch kein Wort verstehen,« sagte der Cumberländische Richter, »versteht Ihr's, Nachbar, heh? was versteht er unter dem rappelig

»Er meint verrückt,« sagte der Angeredete, der aus Ungeduld über die verlängerte Sitzung seine bisherige Vorsicht vergaß.

»Ihr habts, Ihr habts,« sagte Peter, »das eben meine ich; nicht gerade wahnsinnig, aber doch –«

Hier hielt er inne und betrachtete die Person, welche er anredete, mit einer Miene des freudigen Wiedererkennen«: »Ei, ei, Mr. Herries von Birrenswork, seid Ihr es selbst in Fleisch und Blut? Ich habe wahrhaftig gemeint, Ihr hättet schon längst auf der Gemeindewiese zu Kennington oder zu Harriebie oder sonst irgendwo baumeln müssen, nach dem sauberen Complot, das Ihr Anno 45 angezettelt habt.«

»Ich glaube, Ihr irrt Euch, Freund,« sagte Herries (dessen Name und Stand ich so unerwartet erfuhr) mit Ernst.

»Den Teufel auch,« erwiderte der unerschrockene Peter Peebles, »ich kenne Euch recht wohl, denn Ihr habt ja in dem großen Jahre 1745 in meinem Hause gewohnt, wahrhaftig ein wichtiges Jahr war es; die große Rebellion brach aus, und auch meine Sache – die große Sache – Peebles contra Plainstanes et per contra sollte beim Anfang der Wintersitzung vorgetragen werden, als wegen Eures Plaids, Eurer Pfeifen und Eures Unsinnes die Session verschoben worden.«

»Ich sage dir, Kerl,« entgegnete Herries noch heftiger, du verwechselst mich mit einem Anderen aus deiner schmutzigen Klasse.«

»Sprecht doch wie ein Gentleman, Sir,« war Peebles Antwort; »das sind ja gar keine Ausdrücke, die sich vor einem Richter ziemen, Mr. Herries von Birrenswork. Sprecht in Form Rechtens, oder ich wende Euch den Rücken zu, Sir. Ich habe keine Freude daran, mit stolzen Leuten zu sprechen, obgleich ich vor Gericht Alles bestätigen will. Wollt Ihr Euch daher mit alten Geschichten erfreuen, und mit den tollen Streichen, die Ihr und der Kapitän Redgauntlet in meinem Hause ausgebrütet habt, prahlen, oder mit den mächtigen Bechern mit Branntwein, die Ihr trankt, ohne an das Zahlen zu denken (zwar achtete ich es damals nicht viel, obschon ich unterdessen selbst Mangel daran litt), in Gottes Namen, so bin ich zu jeder Zeit ein Stündchen zu Euren Diensten. – Aber wo ist denn jetzt der Kapitän Redgauntlet? Das war ein toller Kauz, grad' wie Ihr, Birrenswork. Ich hoffe, Ihr habt Verzeihung erhalten, obgleich sie seit einigen Jahren Euch armen Teufeln nicht mehr so nachspüren; das Köpfen und Hängen ist nun ziemlich vorbei – eine böse Geschichte – eine bitter böse Geschichte –«

Meine Aufmerksamkeit ward durch diesen außerordentlichen, unerwarteten Vorfall im höchsten Grade gespannt. Mit so vieler Aufmerksamkeit, als nur meine eigene Gemüthsunruhe zu meinen Geboten stehen ließ, beobachtete ich den Eindruck, den er auf die betheiligten Personen zu machen schien. Augenblicklich hatte unser Freund Peter Peebles, ohne es zu wollen, eine Entdeckung veranlaßt, welche die Gefühle des Ritters Foxley und seines Schreibers gegen den Mr. Herries sehr veränderten, mit dem sie, ehe ihnen sein Name bekannt war, so vertraut zu sein schienen. Sie flüsterten heimlich zusammen, schauten in ein Papier, das der Schreiber aus einem großen schwarzen Taschentuche hervorzog, und schienen, von Furcht und Zweifel bewegt, schwankend über das, was zu thun seie.

Herries war eine andere, interessantere Figur. Wie wenig auch Peter Peebles dem Engel Ithuriel gleichen mochte, so war doch die ausdrucksvolle, gereizte Haltung des Herries, der ärgerlich über die Entdeckung, aber furchtlos vor den Folgen, den flüsternden Friedensrichter und seinen Schreiber mit einem Blicke betrachtete, in welchem die Verachtung sich deutlicher spiegelte, als Zorn und Angst, kurz

»– Der Haltung Majestät,
Das bleiche Bild der früh'ren Größe.«

das sie in der Stellung des Edelmannes ausdrückte, gleich der Erscheinung des entdeckten Herrschers der Geister der Lüfte.

Mit hochmüthiger Gleichgültigkeit um sich schauend, begegnete sein Auge dem meinigen, und da schien es mir, als schlüge er es nieder. Aber im Augenblick schon kehrte das ihm inwohnende Feuer zurück, und er schleuderte mir einen furchtbaren Blick zu, bei welchem er die Furchen seiner Stirne seltsam zusammenzog. Erschreckt, aber zugleich mich meiner eigenen Furchtsamkeit schämend, beantwortete ich seinen Blick mit einem ähnlichen: ein breiter, alter Spiegel ließ mich meine eigenen Züge sehen, – ich fuhr zurück, denn in diesem Augenblicke glaubte ich die täuschendste Aehnlichkeit zwischen mir und meinem Gegner zu entdecken. Sei es nun wirklich so, oder täuschte mich meine Einbildungskraft, genug, das ist gewiß, in irgend einer Beziehung muß mein Schicksal durch seltsame Fäden mit jenem fremden, geheinmißvollen Manne in Verbindung stehen. Jetzt aber konnte ich darüber nicht weiter nachgrübeln, denn die darauf folgende Unterredung nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.

Nach einer allgemeinen Pause von ungefähr fünf Minuten, in welcher Keiner von Allen wußte, was da zu thun sei, redete endlich der Richter den Mr. Herries an. Er sprach mit sichtlicher Verlegenheit, und seine zitternde Stimme, und die langen Zwischenräume, die seine Reden spalteten, zeigten Furcht vor dem Angeredeten.

»Herr Nachbar,« sagte er, »das hätte ich nicht gedacht; oder wenn ich auch – hum – es wirklich dachte – so geschah es nur im Winkel meines eigenen Herzens – wo ich vermuthete, daß Ihr – was wollt ich doch sagen; daß Ihr unglücklicherweise in die – he, hum – Geschichte von anno fünfundvierzig verwickelt wäret – doch wollte ich es selbst gern vergessen.«

»Nun, ist es denn so etwas Seltsames, daß ein Mann im Jahre fünfundvierzig auszog?« sagte Herries mit verächtlicher Miene; – »ich meine doch, Euer Vater, Mr. Foxley, zog doch auch mit Derwentwater im Jahr fünfzehn aus.«

»Und verlor die Hälfte seines Vermögens,« antwortete Foxley mit ungewöhnlicher Schnelligkeit; »und war nahe daran – hem – gehängt zu werden, obendrein. Aber, Herr – das ist ein ganz Anderes – denn – eh – fünfzehn ist doch nicht fünfundvierzig; auch hatte mein Vater Verzeihung erhalten, Ihr aber, wie ich glaube, habt sie noch nicht erlangt.«

»Vielleicht habe ich sie,« versetzte Herries gleichgültig, »vielleicht auch nicht. Habe ich sie nicht, nun so bin ich in demselben Fall mit einem halben Dutzend anderer Leute, die die Regierung der Mühe nicht werth hält, sie jetzt noch zu verfolgen, wenn sie nur Niemanden Aergerniß und Anstoß geben und keine Unruhen stiften.«

»Aber, Sir, Sie haben sowohl das Eine als das Andere gethan,« sagte der Schreiber, Nikolas Faggot, der, da er einige Aussichten auf Beförderung hatte, den eifrigen Anhänger der Regierung spielte; »und Sie können von keinem Richter verlangen, daß er Sie frei ziehen lasse, da nun Ihr Vor- und Zuname deutlich ausgesprochen wurde. Es sind Verhaftsbefehle, vom Bureau des Staatssekretärs ausgestellt, gegen Sie vorhanden.«

»Eine sonderbare Behauptung, Herr Staatsanwalt, daß nach Verlauf so vieler Jahre der Staatssekretär sich um die unglücklichen Ueberbleibsel einer vollkommen zu Grunde gerichteten Sache bemühen sollte,« antwortete Mr. Herries.

»Wenn dem aber doch so ist,« war die Antwort des Schreibers, der durch die Ruhe des Beschuldigten Muth zu gewinnen schien; »wenn das Betragen des Edelmannes selbst Anlaß dazu gab, der, wie man behauptet, die alte Geschichte wieder aufgerührt und sie mit neuen, mißfälligen Gegenständen paarte. – Ich sage, wenn dem so ist, so würde ich jenem Edelmanne rathen, sich wohlweislich selbst dem gesetzmäßigen Gewahrsam des nächsten Friedensrichters zu übergeben (allenfalls dem Mr. Foxley), wo und durch welchen die Sache gehörig eingeleitet würde. Ich setze nur einmal den Fall voraus,« fügte er hinzu, indem er furchtsam die Wirkung abwartete, die wohl seine Worte auf den, an den sie gerichtet waren, hervorbringen würden.

»Sollte z. B. der Rath mir gelten,« sagte Herries mit eben so ungestörter Ruhe. »Ich setze nur den Fall voraus, wie Sie zu sagen belieben, Mr. Faggot – so wünschte ich doch den Verhaftsbefehl zu sehen, der ein so empörendes Verfahren berechtigt.«

Statt der Antwort händigte ihm Nikolas ein Papier ein, und schien ängstlich die daraus entstehenden Folgen zu beobachten. Eben so gleichmüthig, als vorher, las es Mr. Herries durch, und fuhr dann also fort: »Würde mir ein solcher Wisch in meinem eigenen Hause vorgezeigt, so würde ich ihn so in's Feuer schleudern und Reisholz Faggot, der Name des Schreibers, heißt zu deutsch: ein Bündel Reisholz. Anmerk. des Uebers. obendrauf.«

Wie gesagt, so gethan; denn indem er mit der einen Hand den Verhaftsbefehl in's Feuer warf, faßte er mit der anderen den Anwalt so mächtiglich an der Brust, daß dieser, der sich weder in körperlicher Stärke noch in Geistesfestigkeit mit ihm messen konnte, zitterte wie ein Vögelein in den Klauen eines Raubvogels. Doch kam er für dieses Mal mit dem bloßen Schrecken davon; denn Herries, der ihn wahrscheinlich die volle Kraft seiner Faust hatte fühlen lassen, ließ ihn mit einem höhnischen Gelächter wieder los.

»Gewalt – Raub – Mord – zu Hülfe!« schrie Peter Peebles, den die Beleidigung, die das Gesetz in der Person des Nikolas Faggot erduldete, auf's Höchste empörte. Aber sein gellendes Geschrei ward von der donnernden Stimme des Herries übertäubt, der dem Christal Nixon befahl, den heulenden Narren die Treppe hinabzuwerfen, ihm den Bauch zu füllen, eine Guinee zu geben und ihn dann zum Haus hinaus zu werfen. Bei so bewandten Umständen ließ sich Peter gerne von hinnen treiben.

»Dann wandte sich Herries zu dem Richter, dessen Gesicht die purpurne Röthe gänzlich verloren hatte, die noch vor Kurzem darauf strahlte, und der nun die bleiche Livree seines Schreibers angenommen hatte. »Mein alter Freund und Bekannter,« sagte er, »Ihr kamt auf mein Bitten, mir zu Gefallen hierher, um diesen flatterhaften, jungen Mann von dem Recht zu überzeugen, das ich für jetzt über seine Person ausüben darf. Ich denke, Ihr werdet die Absicht wohl nicht hegen, einen Besuch vorzuschützen, um mich mit anderen Dingen zu belästigen? Jedermann weiß, daß ich Monate und Jahre lang öffentlich in den nördlichen Grafschaften lebte, und daß man meiner zu jeder Zeit hätte habhaft werden können, wenn die Sicherheit des Staates oder mein eigenes Betragen es erheischt hätte. Aber kein englischer Richter war so ungroßmüthig, einen Edelmann politischer Meinungen und Streitigkeiten wegen zu beunruhigen, die sich schon längst vollkommen zu Gunsten der herrschenden Dynastie geendigt haben. Ich hoffe also auch, daß Ihr, mein Freund, Euch nicht der Gefahr aussetzen werdet, über diesen Punkt andere Ansichten anzunehmen, als die, welche Ihr seit dem Anfang unserer Bekanntschaft an den Tag gelegt habt.«

Schneller und geistreicher, als gewöhnlich, erwiderte der Richter: »Nachbar Ingoldsby – was Ihr da sagt, ist – eh – ist gewissermaßen wahr; und wenn Ihr zu einem Pferderennen, zu einem Hahnenkampf, zur Messe, zur Jagd oder zu dergleichen Dingen kamt, – war es – eh – weder mein Geschäft noch mein Wunsch, einzugreifen, – ich meine – die Geheimnisse, die um Eure Angelegenheiten schwebten, zu untersuchen und aufzuklären; denn als Ihr nur hier und da ein guter Jagd- und Trinkgefährte gewesen seid, – hielt ich es – eh – nicht eben für nöthig, mich in Eure Angelegenheiten zu mischen. Und wenn ich schon dachte, Ihr wäret – a hem – in früheren Unternehmungen, Wagstücken und Verbindungen so unglücklich gewesen, daß Ihr Euch nun gezwungen sähet, unstät und eingezogen zu leben, so konnte ich doch – eh – wenig Vergnügen daran finden, – Eure Sache durch Aufdringlichkeit zu erschweren, oder Euch Red' und Antwort abzufordern, die man leichter gibt, als erlangt. Aber wenn namentliche Verhaftsbefehle und Zeugnisse vorliegen – und dieser Name, Tauf- und Familienname – einer – eh – gegenwärtigen Person angehört, welche, wie ich hoffe, fälschlich – beschuldigt wird – a hem – die Gemüther zu abermaligen Reibungen und Unruhen zu entflammen, um die eben erst erloschene Flamme des Bürgerkriegs wieder anzufachen, dann, Herr, ist es eine ganz andere Sache, und ich bin genöthigt, – hum – meine Pflicht zu thun.«

Als der Richter seine Rede schloß, stand er auf und sah so kühn, als ihm möglich war, um sich. Ich hielt den Augenblick für meine Befreiung günstig, drängte mich nahe an den Richter und seinen Schreiber, und theilte ihnen meinen Entschluß mit, ihnen beizustehen. Aber Herries lachte nur über die drohende Stellung, die wir einnahmen. »Guter Nachbar,« sagte er, »Ihr sprecht von Zeugen, – aber ist denn jener lumpige Bettler – wohl ein genügender Zeuge in einer Sache dieser Art?«

»Aber Ihr läugnet es ja nicht, daß Ihr der Mr. Herries von Birrenswork seid, den der Verhaftsbefehl des Ministers bezeichnet?«

»Wie kann ich etwas darüber läugnen oder eingestehen?« sagte Herries mit spöttischem Lächeln. »Es besteht ja kein solcher Verhaftsbefehl mehr; seine Asche ist nun, wie er es dem armen Verräther drohte, nach allen vier Winden zerstreut. Es existirt kein Verhaftsbefehl mehr.«

»Ihr werdet aber doch nicht läugnen,« sagte der Friedensrichter, »daß Ihr die darin benannte Person seid, und daß (er hustet) Ihr ihn selbst zerstört habt?«

»Ich verläugne weder meinen Namen noch meine Handlungen, Herr Friedensrichter,« erwiderte Mr. Herries, »wenn eine kompetente Obrigkeit mich auffordert, sie zu gestehen oder zu vertheidigen. Aber ich werde mich allen unverschämten Versuchen, sich in meine Privatverhältnisse einzumischen, oder mich zu beaufsichtigen, widersetzen. Darauf bin ich auch recht wohl vorbereitet, und ich hege daher das Vertrauen, daß Ihr, mein guter Nachbar und Jagdgenosse, nach Eurem Auffahren, und mein Freund, Herr Nikolas Faggot hier, nach seinem unterthänigen Rath und Bitte, mich selbst auszuliefern, nun der Meinung sein werdet, Euch Eurer Pflicht gegen König Georg und die Regierung in vollem Maße entledigt zu haben.

Der kalte und ironische Ton, womit diese Erklärung abgegeben wurde, der Blick und die Stellung, worin das volle Vertrauen auf die überlegene Kraft und Energie auf eine recht noble Weise ausgedrückt war, schien die Unentschlossenheit zu vollenden, die sich schon bei denen gezeigt hatte, an die sie gerichtet war.

Der Friedensrichter blickte auf den Schreiber, der Schreiber auf den Friedensrichter, der fortfuhr, sein He! Hum! ertönen zu lassen, ohne eine artikulirte Sylbe hervorzubringen; der Schreiber aber sagte endlich: »Da der Verhaftsbefehl vernichtet ist, Herr Friedensrichter, so werdet Ihr wohl nicht gemeint sein, die Verhaftung dennoch vorzunehmen?«

»Hum! – ei! warum nicht? – aber – Nikolas – es würde doch nicht ganz räthlich sein, und da die Geschichte von 1745 schon ziemlich alt ist, und (er hustet) da mein Freund hier hoffentlich seinen Irrthum einsehen, das heißt, ihn schon eingesehen haben, – und dem Pabst, dem Teufel und dem Prätendenten entsagen wird, – ich meine es nicht bös, Nachbar, – so denke ich mir, – da wir das posse, oder die Constabler oder dergleichen nicht haben, wir lassen uns die Pferde bringen, – und betrachten mit einem Wort die Sache als abgethan.«

»Kluger Entschluß,« sagte der Mann, den die Entscheidung betraf, »doch bevor Ihr geht, wollen wir eins auf unsere Freundschaft trinken.«

»Ja,« sagte der Friedensrichter, sich die Stirne reibend, »bei unserer Arbeit (er hustet) hat man wohl können durstig werden.«

»Christal Nixon,« sagte Mr. Herries, »bring' uns sogleich eine recht frische Kanne, groß genug, den Durst der ganzen Commission zu stillen.«

Während Christal wegen des ermunternden Auftrags abwesend war, entstand eine Pause, die ich zu benützen suchte, um das Gespräch wieder auf meine eigenen Angelegenheiten zu bringen. »Sir,« sagte ich zu dem Friedensrichter Foxley, »mich geht Eure letzte Verhandlung mit Mr. Herries eigentlich nichts an, aber Ihr laßt mich, einen loyalen Unterthanen des Königs Georg, als einen unfreiwilligen Gefangenen in den Händen eines Mannes, an dessen Ergebenheit für die Sache des Königs Ihr zu zweifeln Ursache habt. Ich gebe Euch demnach mit gebührender Bescheidenheit zu bemerken, daß dieß Euren Pflichten als Friedensrichter widerspricht, und daß Ihr Mr. Herries auf die Ungesetzlichkeit seines Benehmens aufmerksam machen, und für meine Befreiung Schritte thun solltet, entweder auf der Stelle oder doch sobald Ihr diese Sache ...«

»Junger Mann,« sagte der Herr Friedensrichter Foxley, »Ihr solltet Euch erinnern, daß Ihr unter der Gewalt, der gesetzlichen Gewalt (er hustet) Eures Vormundes seid.«

»Er nennt sich freilich so,« erwiderte ich, »aber er hat keinen Beweis beigebracht, um einen so widersinnigen Anspruch zu begründen, und wenn auch, so würde der Umstand, daß er als ein überwiesener Verräther von der Amnestie ausgeschlossen ist, ein solches Recht vernichten, wenn es je bestanden hätte. Ich begehre daher von Euch, Herr Friedensrichter, und Euch, seinem Schreiber, meine Lage in Betracht zu ziehen, und mit Eurer eigenen Gefahr mir beizustehen.«

»Das ist mir ein junger Bursche,« sagte der Friedensrichter mit ziemlich verlegenen Blicken, »der glaubt, ich führte das ganze statutarische Recht Englands im Kopfe bei mir, und ein Grafschaftsaufgebot in der Tasche, um es in Vollzug zu setzen. Was könnte Euch dann meine Vermittelung nützen; aber (er hustet) ich will mit Eurem Vormund zu Euren Gunsten sprechen.«

Er nahm Herrn Herries auf die Seite, und schien in der That wegen irgend etwas mit großem Ernst in ihn zu dringen, und vielleicht war eine solche Art von Verwendung Alles, was ich unter den vorliegenden Umständen von ihm zu erwarten berechtigt war.

Sie blickten bei ihrem Gespräche oft auf mich hin, und als Christal Nixon mit einer mächtigen Kanne hereintrat, die den befohlenen Trank enthielt, wandte Herries sich ein wenig ungeduldig von Herrn Foxley ab, und sagte mit Nachdruck: »Ich gebe Euch mein Ehrenwort, daß Ihr in dieser Hinsicht nicht das Geringste zu befürchten habt.« Er nahm dann die Kanne und sagte laut auf gälisch: »Heil dem König!« Er nippte sodann ein wenig und reichte Herrn Foxley die Kanne, der, um nicht vielleicht auf des Prätendenten Gesundheit Bescheid zu thun, auf des Herrn Herries eigene mit großer Feierlichkeit trank, aber nicht blos nippte.

Der Schreiber folgte dem Beispiel seines Herrn und Meisters, und willig that ich ein Gleiches, denn Angst und Furcht machen wenigstens eben so durstig, als der Kummer machen soll. Mit einem Wort, wir leerten die Mischung von Bier, Sekt, Limonensaft, Muskat und anderen guten Sachen, die auf dem silbernen Boden des Gefäßes strandeten, und machten Dr. Byrons berühmte Zeilen lesbar, die darauf eingegraben waren:

Den König segne Gott! er segne des Glaubens Beschützer!
Gott segne – ist's Unrecht denn – den Prätendenten auch!
Wer Prätendent sein mag, wer König, dieß zu bestimmen,
Ist ganz ein ander Ding – Gott segn' uns Alle zugleich!

Ich hatte Zeit genug, diesen Erguß der jakobitischen Muse zu studiren, während der Friedensrichter mit einem ziemlich langweiligen Ceremoniel Abschied nahm. Der von Herrn Faggot war weniger ceremoniös, aber ich vermuthe, es ging außer den leeren Complimenten noch etwas Anderes zwischen ihm und Herrn Herries vor; denn ich bemerkte, daß der Letztere ein Stück Papier in die Hand des Erstern schlüpfen ließ, was vielleicht eine kleine Genugthuung für die Unbedachtsamkeit war, mit der er den Verhaftsbefehl verbrannt, und seine Hand ziemlich unsanft an den achtungswerthen Günstling des Gesetzes gelegt hatte, der ihn vorzeigte; auch entging mir nicht, daß er diese Besänftigung auf eine Weise vornahm, daß sie vor dem Herrn des würdigen Schreibers verborgen bleiben mußte. Als dieß in Ordnung war, nahm man gegenseitig von einander Abschied, mit vieler Förmlichkeit von Seiten des Herrn Foxley, unter dessen Abschiedsphrasen mir folgende besonders merkwürdig war: »Ich vermuthe, Ihr werdet Euch nicht lange mehr in diesen Gegenden aufhalten?«

»Für jetzt nicht, Herr Friedensrichter, seid dessen versichert, ich habe gute Gründe für das Gegentheil. Doch hoffe ich, meine Angelegenheiten in der Art in Ordnung zu bringen, daß wir uns bald wieder auf der Jagd treffen werden.«

Er begleitete hierauf den Richter bis in den Hof, und befahl Christal Nixon, unterdessen darauf Acht zu haben, daß ich in mein Zimmer zurückkäme. Ueberzeugt von der Zwecklosigkeit eines Widerstandes oder einer Unterhandlung mit diesem hartnäckigen Beamten, gehorchte ich schweigend, und war nun abermals Gefangener in meiner früheren Wohnung.


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