Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Kapitel.

 

Dort in der Mitte hell erglänzt der Tisch,
Des edlen Weines Gold sich in dem Becher spiegelt;
Jetzt setzt man sich zum Fest, ein Jeder mischt den Wein,
Vertheilt die Speis und Allen wird gereicht;
Und als nun Durst und Hunger sind gestillt,
Naht dem erhab'nen Wirth der kluge Gast.

Odyssee.

 

Der gastfreundschaftliche Ueberfluß an Magnus Troils Tische, die Anzahl der Gäste, welche in dem Saale speisten, die viel größere der Begleiter, Anhänger, demüthigen Freunde und Diener aller Art, welche sich außerhalb gütlich thaten, mit der Menge der ärmeren und weniger geehrten Theilnehmer, welche aus allen Dörfern und Gebieten zwanzig Meilen in der Runde zusammenströmten, an der Güte des freigebigen Udallars Theil zu nehmen, war so groß, daß Triptolemus Yellowley darüber vor Erstaunen gar nicht zu sich kommen konnte und innerlich zu zweifeln anfing, ob es klug gethan sein würde, gerade in diesem Augenblicke und in dem vollen Ergusse der Gastfreiheit, dem Wirthe, welcher ein so glänzendes Gastmahl gab, eine gänzliche Veränderung in allen Sitten und Gebräuchen seines Landes vorzuschlagen.

Freilich fühlte der scharfsinnige Triptolemus, daß er in seiner eigenen Person mehr Weisheit vereinige, als alle die anwesenden Gäste zusammen, nichts von dem Wirthe zu sagen, gegen dessen Klugheit, nach Yellowley's Ansicht, die Ausdehnung seiner Gastfreiheit schon den stärksten Beweis gab. Aber der Amphitryon, bei dem man speist, übt wenigstens für den Augenblick eine gewisse Herrschaft über die Gemüther seiner ausgezeichnetsten Gäste, und ist das Essen gut angeordnet und der Wein von guter Sorte, so ist es wirklich demüthigend, zu sehen, wie weder Weisheit noch Kunst, ja kaum äußerer Rang ihre gewohnte und natürliche Oberherrschaft über den Spender dieser guten Sachen ausüben können, ehe der Kaffee hereingebracht ist. Triptolemus fühlte das volle Gewicht dieser zeitigen Obergewalt; indessen lag ihm doch daran, Etwas zu thun, um das in Erfüllung zu bringen, womit er sich gegen seine Schwester und seinen Reisegefährten so gebrüstet hatte, die er daher von Zeit zu Zeit verstohlen anblickte, um zu entdecken, ob er nicht in ihrer Achtung verlöre, weil er seine verheißene Vorlesung über die auf Shetland noch bestehenden Greuel bis jetzt noch verschoben hatte.

Aber Mrs. Barbara war eifrig mit der genauen Beobachtung und Bemerkung alles Dessen beschäftigt, was bei einem Mahle vergeudet wurde, wie sie es wahrscheinlich noch nie gesehen hatte, indem sie dabei gleichwohl die Gleichgültigkeit des Wirths, so wie die gänzliche Nichtachtung der Gäste in Hinsicht der Regeln der Höflichkeit, unter denen ihre Jugend verfloß, bewundern mußte. Die Gäste verlangten etwas von einer unangerührten Schüssel, welche noch sehr gut für das Abendessen hätte aufbewahrt werden können, mit eben so viel Freiheit, als ob schon ein halbes Dutzend Gäste darüber her gewesen wären, und Niemand – der Wirth am wenigsten – schien sich darum zu bekümmern, ob nur die Schüsseln völlig geleert würden, die nach ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit nicht wieder auf dem Tische erscheinen konnten, oder ob man selbst die kernigen Stücke Rindfleisch, Pasteten u. s. w. nicht verschonte, welche nach den Regeln des guten Haushaltes zwei Angriffe hätten aushalten müssen, und deßwegen, nach den Ansichten der Mrs. Barbara, von den Gästen nicht bei dem ersten Anlaufe hätten vernichtet, sondern noch aufgespart werden müssen, wie in der Höhle des Polyphem, um zuletzt verzehrt zu werden. Verloren in solche Betrachtungen, – denen diese Eingriffe in die gesellschaftliche Zucht und Sitte Anlaß gaben, so wie in die Ausmalung des Bildes einer geträumten Vorrathskammer, welche sie aus den Trümmern von Gesottenem, Gebratenem, Gebackenem hätte füllen können, und welche ihren Tisch wenigstens auf ein Jahr versorgt hätte – kümmerte sich Mrs. Barbara nicht darum, ob ihr Bruder den Charakter, den er anzunehmen beabsichtigte, in seiner ganzen Ausdehnung durchführe oder nicht.

Auch Mordaunt Mertoun war mit ganz andern Gedanken beschäftigt, als die, welche den anmaßlichen Vertilger der shetländischen Greuel betrafen. Er saß zwischen zwei schönen Mädchen von Thule, welche, ohne Groll darüber, daß er zu anderer Zeit die Töchter des Udallars vorzog, sich des Zufalls freuten, welcher ihnen die Aufmerksamkeit eines so ausgezeichneten Verehrers erwarb, der, da er beim Mahle ihren Ritter machte, höchst wahrscheinlich auch bei dem darauf folgenden Tanze ihr Theilnehmer werden mußte. Während Mordaunt indessen seinen schönen Nachbarinnen alle die Aufmerksamkeit erwies, welche die Pflichten der Gesellschaft erheischten, behielt er unvermerkt, aber sehr scharf, seine abtrünnigen Freundinnen, Minna und Brenda, im Auge. Auch der Udallar wurde von ihm beobachtet, allein er konnte an ihm nichts bemerken, als den gewöhnlichen Ton der herzlichen und etwas lärmenden Gastfreiheit, mit dem er die Tafel bei solchen Gelegenheiten allgemeiner Lustbarkeit stets zu beleben pflegte. Aber in den Gesichtszügen der beiden Schwestern war weit mehr zu lesen, das zu peinlichen Betrachtungen führte.

Capitain Cleveland saß zwischen den Schwestern, war unverdrossen in seiner Aufmerksamkeit gegen Beide, und Mordaunt saß gerade so, daß er Alles bemerken und einen großen Theil von dem hören konnte, was zwischen ihnen vorging. Aber Clevelands Bemühungen schienen der ältern Schwester ganz besonders zu gelten. Dieß bemerkte die Jüngere vielleicht, deren Auge mehr als einmal zu Mordaunt herüberstreifte, und zwar allem Anscheine nach mit einem Ausdrucke, worin sich Bedauern über die Unterbrechung ihres Verhältnisses und eine wehmüthige Erinnerung an frühere und freundlichere Zeiten mischte, während Minna von den Aufmerksamkeiten ihres Nachbars ganz eingenommen wurde; und daß dieß so war, erfüllte Mordaunt mit Erstaunen und Unwillen.

Minna, die Ernste, Besonnene, die Verschlossene, deren Gesicht und Benehmen so viel Charaktergröße andeuteten; Minna, die Freundin der Einsamkeit und der Pfade des Wissens, auf denen der Mensch am sichersten allein wandelt; die Feindin der leichten Fröhlichkeit, die Freundin des schwärmerischen Nachdenkens, die häufige Besucherin der Bergquellen und pfadlosen Thäler – sie, deren Charakter, um es kurz zu fassen, gerade das Gegentheil von einem solchen zu sein schien, dem die kecke, rauhe und unternehmende Bewerbungsweise eines Mannes, wie dieser Capitain Cleveland, zusagen konnte, lieh ihm nichts desto weniger ihr Auge und Ohr, während er neben ihr bei Tische saß, und that dieß mit einem Antheil und einer so schmeichelhaften Aufmerksamkeit, daß Mordaunt, der nach ihrem Benehmen wohl auf ihre Gefühle zu schließen wußte, vermuthen durfte, der Fremde stehe bei ihr in hoher Gunst. Er sah dieß, und sein Herz schwoll sowohl aus Grimm gegen den Günstling, durch den er so verdrängt worden war, als über Minna's unbedachtsame Verläugnung ihres eigenen Charakters.

»Was hat denn dieser Mann mehr für sich,« sagte er zu sich selbst, »als die dreiste und kecke Anmaßung der Wichtigkeit, die aus seinem Erfolge in kleinlichen Unternehmungen und der Ausübung eines kleinlichen Despotismus über seine Schiffsmannschaft entspringt? Selbst seine Sprache ist handwerksmäßiger, als gewöhnlich bei den Offizieren der brittischen Seemacht; und der Witz, der so manches Lächeln bei Minna erregte, scheint mir von einer Art zu sein, wie sie ihn früher keinen Augenblick angehört haben würde. Selbst Brenda scheint an seiner Galanterie weniger Geschmack zu finden, als Minna, der sie eigentlich gar nicht gefallen sollte.«

Mordaunt irrte bei diesen seinen zornigen Betrachtungen doppelt. Zuerst urtheilte er mit dem Auge des Nebenbuhlers zu strenge über die Sitten und das Betragen des Capitain Cleveland. Sie waren ungehobelt, aber dieß hatte in einem Lande, von so einfachen, schlichten Leuten, wie der Schlag der alten Shetländer, bewohnt, wenig zu bedeuten. Auf der andern Seite lag eine freie, seemännische Offenheit in Clevelands Betragen, viel natürlicher Scharfsinn, eine gewisse eigenthümliche Laune, ein blindes Vertrauen auf sich selbst, und das Unternehmende, das ohne irgend eine andere empfehlungswerthe Eigenschaft sehr oft bei dem schönen Geschlechte Glück macht. Aber Mordaunt irrte sich noch weit mehr in der Vermuthung, daß Cleveland Minna Troil wegen dem Widersprechenden in Beider Charakter zuwider sein mußte. Hätte er etwas mehr Weltkenntniß besessen, so würde er gewußt haben, daß, während so oft Verbindungen zwischen Leuten geschlossen werden, welche an Gesichtsfarbe und Gestalt von einander ganz verschieden sind, dieß noch weit öfter zwischen Personen geschieht, welche ganz abweichende Ansichten, Geschmack, Beschäftigungen und Verstand haben, und wir glauben nicht zu viel zu sagen, wenn wir behaupten, daß zwei Dritttheile der Heirathen in unserer Umgebung zwischen Personen geschlossen wurden, welche, a priori zu urtheilen, durchaus nichts Anziehendes für einander gehabt haben konnten.

Eine moralische und ursprüngliche Ursache für diese scheinbaren Widersprüche ist wohl in der weisen Anordnung der Vorsehung zu suchen, daß das Gleichgewicht des Geistes, der Weisheit und der liebenswürdigen Eigenschaften aller Art im Allgemeinen in der menschlichen Gesellschaft aufrecht erhalten werden soll. Denn was für eine Welt wäre das, wenn die Weisen sich nur mit den Weisen vermischten, die Gelehrten mit den Gelehrten, die Liebenswürdigen mit den Liebenswürdigen, und sogar die Hübschen mit den Hübschen? Und ist es nicht offenbar, daß die erniedrigten Kasten der Dummen, der Unwissenden, der Rohen, und der Mißgestalteten (welche, beiläufig gesagt, den weit größeren Theil des Menschengeschlechtes umfassen), wenn sie zu dem ausschließlichen Verkehr unter einander bestimmt wären, allmählig so tief an Körper und Geist herabsinken müßten, wie die Orang-Utangs? Wenn wir dafür »das Zarte mit dem Rohen« gepaart sehen, mögen wir das Schicksal des leidenden Theiles beklagen, aber wir dürfen deßhalb nicht minder die geheimnißvollen Anordnungen der weisen Vorsehung bewundern, welche so zwischen dem moralischen Guten und Bösen des Lebens das Gleichgewicht herstellt, welche einer Familie, unglücklich in den Neigungen eines der Eltern, durch den andern einen Theil besseren und süßeren Blutes verleiht, und den Sprößlingen wenigstens die Sorge und den Schutz Eines von Denen sichert, die ihm von Natur dazu verpflichtet sind. Ohne das häufige Vorkommen solcher Bündnisse und Vereinigungen – so unpassend sie auch auf den ersten Anblick sein mögen – könnte die Welt nicht das sein, wozu die ewige Weisheit sie bestimmt hat, – ein Ort mit einem Gemisch von Guten und Bösen, – dabei ein Ort der Prüfung und des Leidens, wo selbst die größten Uebel durch Etwas gemildert werden, was sie für geduldige und demüthige Gemüther erträglich macht, und wo die größten Segnungen eine bittere Beimischung mit sich führen.

Wenn wir in der That die Ursachen der unerwarteten und unpassenden Verbindungen näher prüfen, so müssen wir gestehen, daß die Mittel, durch welche sie hervorgebracht werden, nicht ganz die Verschiedenheit oder Unzulässigkeit zeigen, welche sich erwarten lassen, wenn man das Resultat allein in Erwägung zieht. Die weisen Zwecke, welche die Vorsehung vor Augen gehabt zu haben scheint, indem sie eine solche Vermischung der Gemüther, Charaktere, Kenntnisse und Fähigkeiten durch den Stand der Ehe gestattete, werden nicht durch einen geheimnißvollen Impuls bewirkt, durch welchen, im Widerspruch zu den gewöhnlichen Gesetzen der Natur, Männer oder Frauen zu einer Verbindung mit denen getrieben werden, welche die Welt als für sie nicht passend betrachtet. Die Freiheit des Willens ist uns bei unserer moralischen Aufführung in den gewöhnlichen Ereignissen des Lebens gestattet, und in den erstern wie in den letztern Fällen häufig die Ursache für die Irreleitung derer, welche sie besitzen. So geschieht es gewöhnlich, und namentlich bei den Enthusiastischen und Phantasiereichen, daß sie sich ein eignes Bild der Bewunderung entwerfen, und sich dann nur zu oft durch eine schwache Aehnlichkeit täuschen, die sie an einem existirenden Wesen entdecken, welches ihre Einbildungskraft eben so bereitwillig als freiwillig mit alle den Attributen bekleidet, welche nöthig sind, ihr schönes Ideal geistiger Vollkommenheit zu vollenden. Vielleicht Keiner, selbst nicht in der glücklichsten Ehe, entdeckte an dem geliebten Gegenstande durch Erfahrung alle die Eigenschaften, welche er bei demselben zu finden glaubte; aber bei weitem in den meisten Fällen findet er, daß er sich in einem hohen Grade geistiger Täuschung befand, und daß er ein Luftschloß des Glückes auf irgend einem Regenbogen aufführte, der seine Existenz nur dem besondern Zustande der Atmosphäre verdankte.

Wäre Mordaunt also mit dem Leben und dem Gange der menschlichen Dinge besser bekannt gewesen, so würde er nicht gestaunt haben, daß ein Mann, wie Cleveland – hübsch, entschlossen, lebhaft, der offenbar schon häufig in Gefahr gewesen war, und davon wie von einem Spaße sprach – in den Augen eines Mädchens von Minna's schwärmerischem Charakter eine Menge der Eigenschaften besaß, welche ihrer lebendigen Einbildungskraft nach zu dem Charakter eines Helden gehören. Wenn die gerade Derbheit seines Betragens auch von Höflichkeit weit entfernt war, zeigte sie doch eben so wenig von Betrug, und wenn Cleveland auch keine Bildung zu besitzen schien, so hatte er doch genug natürlichen Verstand und natürliche Lebensart, um die Täuschung zu erhalten, die er erregt hatte, wenigstens so weit das Aeußere dabei in das Spiel kam. Es ist wohl kaum nöthig, hinzuzufügen, daß diese Bemerkungen sich hauptsächlich auf das beziehen, was man Heirathen aus Liebe nennt, denn wenn beide Theile ihre Neigung auf die soliden Annehmlichkeiten eines Capitalien-Verzeichnisses oder eines Leibgedinges richten, so können sie sich bei der gegenseitigen Vereinigung nicht täuschen, obwohl dieß durch Ueberschätzung des Glückes, das sie erwarteten, geschehen kann, oder durch den zu geringen Anschlag der Nachtheile, mit denen sie verknüpft sind.

Da wir eine besondere Vorliebe für die dunkle Schönheit haben, welche wir beschrieben, erlaubten wir uns diese Abschweifung, um ein Benehmen zu erklären, welches, wie wir gestehen, in einer Erzählung wie die gegenwärtige durchaus unnatürlich scheinen kann, obgleich sie das allergewöhnlichste Ereigniß des menschlichen Lebens ist; namentlich in sofern Minna scheinbar den Geschmack, das Talent und Gewandtheit eines jungen Mannes überschätzte, der ihr seine ganze Zeit und Aufmerksamkeit widmete, und dessen Huldigungen sie zu einem Gegenstande des Neides für fast alle die andern jungen Mädchen der zahlreichen Gesellschaft machte. Wollen unsere schönen Leserinnen sich die Mühe nehmen, ihren eigenen Busen zu Rathe zu ziehen, so werden sie geneigt sein, zu gestehen, daß der ausgezeichnet gute Geschmack, den irgend ein Individuum beweist, dessen Aufmerksamkeiten einem ganzen Zirkel von Nebenbuhlerinnen angenehm wären, das aber einen Gegenstand erwählt, bei diesem, auf die Bedingung der Gegenseitigkeit, wenn auch keine andere, einen großen Theil der Gunst zu fordern berechtigt ist, wo nicht einen gleichen. Jedenfalls trifft es nicht uns, wenn man den Charakter unbeständig oder unnatürlich finden sollte, denn wir erzählen die Thatsachen, wie wir sie finden, und machen keinen Anspruch auf das Vorrecht, die Ereignisse, welche von der Natur abzuweichen scheinen, derselben näher zu bringen; – oder die unbeständigste aller menschlichen Schöpfungen – das Herz eines reizenden und angebeteten Mädchens – beständiger zu machen.

Die Nothwendigkeit, welche alle freien Künste lehrt, kann uns auch in der Verstellungskunst geschickt machen, und obgleich Mordaunt nur ein Neuling darin war, säumte er doch nicht, in ihrer Schule etwas zu profitiren. Es war offenbar, daß er, um das Betragen derjenigen, auf welche sich seine Aufmerksamkeit richtete, schärfer beobachten zu können, sich selbst Gewalt anthun und mit den Damen, zwischen denen er saß, wenigstens so beschäftigt scheinen mußte, daß Minna und Brenda glauben konnten, er gäbe auf das, was um ihn her vorgehe, nicht Acht. Die ungezwungene Fröhlichkeit der Maddy und Clara Groatsettar – welche man auf der Insel für sehr reiche Partien hielt, und die in diesem Augenblicke nur zu glücklich waren, der Wachsamkeits-Sphäre ihrer Tante, der guten alten Lady Glowrowrum, entrückt zu sein – kamen den Bestrebungen Mordaunts, lebhaft und unterhaltend zu sein, entgegen und erwiderten sie, und so waren sie denn bald in einer sehr lebendigen Unterhaltung, zu welcher der Herr, wie gewöhnlich, seinen Witz, oder wenigstens das, was dafür galt, beisteuerte, die Damen aber beifälliges Lachen und freigebigen Beifall. Ungeachtet aller dieser scheinbaren Fröhlichkeit versäumte indeß Mordaunt nicht, so versteckt er konnte, das Benehmen der zwei Töchter des Mr. Magnus zu beobachten, und immer noch schien es ihm, als ob die ältere, ganz in die Unterhaltung mit Cleveland versunken, für die übrige Gesellschaft durchaus verloren sei, Brenda aber (da sie seine Aufmerksamkeit von sich abgezogen glaubte) mit einem Ausdrucke der Aengstlichkeit und Trauer auf die Gruppe blickte, von der er einen Bestandtheil bildete. Das Mißtrauen und die Verwirrung, welche sich in ihren Blicken zu malen schienen, rührten ihn, und er entschloß sich in der Stille, sich von ihr noch an diesem Abend eine deutlichere Erklärung zu verschaffen. Er erinnerte sich dabei, daß Norna gesagt hatte, die liebenswürdigen beiden jungen Mädchen wären in Gefahr; über die Art der Gefahr hatte sie zwar keine bestimmte Erklärung gegeben, aber er glaubte, sie läge in dem zu günstigen Begriffe, den sie sich von dem Charakter des unternehmenden und sich Alles anmaßenden Fremden machten, und er beschloß bei sich, wo möglich die Ursache zu sein, daß Cleveland entlarvt und seine Jugendfreundinnen gerettet würden.

Während ihn diese Gedanken beschäftigten, nahm seine Aufmerksamkeit für die Miß Groatsettar allmählig ab, und vielleicht hätte er die Nothwendigkeit ganz vergessen, als theilnahmloser Zuschauer alles Vorgehenden zu erscheinen, wäre nicht in diesem Augenblicke für die Damen das Zeichen gegeben worden, vom Tische aufzustehen. Minna verbeugte sich mit angeborener Anmuth und etwas Förmlichkeit gegen die Gesellschaft, aber mit wohlwollenderem und eigenthümlicherem Ausdrucke, als ihr Auge auf Cleveland traf. Brenda eilte, mit dem Erröthen, welches ihre geringste persönliche Bewegung begleitete, wenn sie von Andern beobachtet wurde, die Gesellschaft zum Abschied zu begrüßen, und that dieß mit einer Verlegenheit, welche an Unbeholfenheit gränzte, durch ihre Jugend und Schüchternheit aber sehr natürlich und anziehend erschien. Mordaunt glaubte abermals zu bemerken, daß ihr Auge ihn in der zahlreichen Gesellschaft auszeichne. Zum ersten Male wagte er es, den Blick auszuhalten und zu erwidern, und das Bewußtsein, daß er dieß gethan, verdoppelte die Röthe auf Brenda's Gesicht, während sich in ihre Bewegung Etwas mischte, was dem Mißvergnügen glich.

Als die Frauen sich entfernt hatten, gingen die Männer an das ernstliche und tüchtige Trinken, welches, der Sitte jener Zeit nach, dem Tanze voranging. Der alte Magnus selbst ging ihnen mit gutem Beispiel voran und ermahnte sie dabei, die Zeit wohl zu nützen, da die Frauen sie bald würden auffordern lassen, ihre Füße in Bewegung zu setzen. Zu gleicher Zeit gab er einem alten, grauköpfigen Diener, der in der Kleidung eines Danziger Schiffers hinter ihm stand, und mit manchen andern Aemtern auch das eines Haushofmeisters versah, das Zeichen, indem er sagte: »Erik Scambester, hat das gute Schiff, der lustige Seemann von Canton, seine Ladung an Bord?«

»Es ist bis an den Rand geladen,« antwortete der Ganymed von Burgh-Westra; »mit gutem Nantz, Jamaika-Zucker und portugiesischen Citronen; ohne Muskatennüsse, geröstetes Weißbrod und Wasser, an der Shellicoatquelle eingenommen, zu erwähnen.«

Laut und lange lachten die Gäste bei diesem stehenden und regelmäßigen Scherze zwischen dem Udallar und seinem Kellermeister, welcher jedes Mal als Vorrede und Einleitung einer Punsch-Bowle von ungewöhnlicher Größe diente, eines Geschenkes von dem Capitain eines der Schiffe der ostindischen Compagnie, der von China nach Hause segelte, und durch den widrigen Wind nach Norden und in die Bay von Lerwick verschlagen worden war, wo er einen Theil der Ladung verkauft hatte, ohne die Abgaben gerade zu gewissenhaft zu bezahlen. Magnus Troil, der ein guter Kunde gewesen war, auch dem Capitain Coclie noch andere Gefälligkeiten erwiesen hatte, war bei der Abfahrt des Schiffes mit diesem großen Geselligkeits-Gefäße beschenkt worden, bei dessen Anblick, und da der alte Erik Scambester beinahe unter seiner Schwere erlag, ein Gemurmel des Beifalls durch die ganze Versammlung lief. Die guten alten Gesundheiten auf das Gedeihen Shetlands wurden jetzt mit tüchtigen Humpen geehrt. »Tod dem Haupte, das nie ein Haar trug!« war ein Toast auf das Gelingen des Fischfanges, den die laute und kräftige Stimme des Udallars ausbrachte. Claud Halcro brachte unter allgemeinem Beifall aus: »Die Gesundheit ihres würdigen Wirthes und der süßen Schwestern-Mitwirthinnen; Gesundheit den Menschen, Tod den Fischen und Wachsthum den Früchten des Landes.« – Eben diesen Wunsch, nur in bestimmteren Worten, sprach ein weißhaariger Gefährte Magnus Troils: »Gott öffne der Forelle den Mund und halte seine Hand über das Korn!«

Allen wurde volle Gelegenheit gegeben, diesen Trinksprüchen Ehre anzuthun. Die, welche dem weiten Punsch-Mittelmeere am nächsten saßen, wurden von dem alten Udallar selbst mit gastfreier Hand bedient, und erhielten ihren Antheil in ungeheuren Römern, während die, welche weiter entfernt saßen, ihre Becher aus einer schweren silbernen Kanne füllten, die scherzweise die Pinnasse genannt wurde; gelegentlich aus der Bowle gefüllt, trug sie deren flüssigen Reichthum bis zu den entferntesten Theilen des Tisches und gab zu manchen Scherzen über ihre häufigen Reisen Veranlassung. Der Verkehr der Shetländer mit fremden Schiffen und rückkehrenden Westindienfahrern hatte schon früh zu dem allgemeinen Gebrauche des edlen Getränkes Veranlassung gegeben, mit dem der lustige Seemann von Canton beladen war, und es gab in dem ganzen Inselmeere von Thule Niemand, der es besser verstanden hätte, dessen kräftige Bestandtheile zu mischen, als den alten Erik Scambester, der deßhalb auf den Inseln weit und breit unter dem Namen des Punschmachers bekannt war, nach der Sitte der alten Norweger, welche Rollo dem Wanderer und anderen Helden ihrer Lieder Beinamen gaben, die auf die Stärke oder auf die Behendigkeit anspielten, durch die sie alle andere Menschen übertrafen.

Das edle Getränk war nicht träge darin, seine gewöhnliche Wirkung zu thun und die ganze Gesellschaft zu erheitern; und als die Lustbarkeit wuchs, wurden von den Gästen auch einige alte norwegische Trinkgesänge mit großer Wirkung gesungen, aus denen man sehen konnte, daß die kriegerischen Tugenden der Ahnen, wenn Mangel an Uebung sie bei den Shetländern nicht hervortreten ließ, diese doch noch einen sehr thätigen und lebendigen Antheil an den Freuden Walhalla's nehmen konnten, welche darin bestanden, Meere von Meth und braunem Bier hinabzugießen, und die Odin denen verheißen, die mit ihm sein skandinavisches Paradies bewohnen.

Auch die Zaghaften wurden endlich durch Becherklang und Gesang dreist, und die Bescheidenen gesprächig. Alle wollten sprechen, Niemand hören; Jeder bestieg sein Steckenpferd und rief seine Nachbarn zu Zeugen seiner Behendigkeit auf. Unter Anderen legte auch der kleine Barde, welcher sich jetzt dicht an unsern Freund Mordaunt Mertoun gedrängt hatte, den entschiedenen Willen an den Tag, die Geschichte der Entstehung seiner Bekanntschaft mit dem herrlichen John Dryden in ihrer ganzen Länge und Breite zu beginnen und zu vollenden; und Triptolemus Yellowley begann, als sein Muth zu wachsen anfing, und er das Gefühl unwillkürlicher Scheu besiegt hatte, welches ihm der Reichthum einflößte, den Alles bewies, was er rings umher sah, so wie die Ehrerbietung, welche die versammelten Gäste dem Magnus Troil bezeigten – dem erstaunten und etwas beleidigten Udallar einige von seinen Entwürfen zur Verbesserung der Inseln mitzutheilen, womit er sich gegen seine Reisegefährten bei der Reise dieses Morgens gebrüstet hatte.

Aber die Neuerungen, die er vorschlug, und die Aufnahme, die ihnen von Magnus Troil zu Theil wurde, müssen in dem nächsten Kapitel erzählt werden.


 


 << zurück