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Erstes Kapitel.

 

Vorbei ist die tosende Sturmes-Zeit,
Es klatscht die Woge in heiseren Schlägen;
Doch wer ist's, der an Thule's Küste schreit:
»Verbrannt' meine Harfe ich deinetwegen?«

Macniel.

 

Die lange, schmale und unregelmäßige Insel, welche gewöhnlich das Festland von Shetland genannt wird, weil sie bei weitem die größte in dem ganzen Inselmeer ist, endigt sich, wie den Seeleuten, welche die stürmischen Meere durchschiffen, die das Thule der Alten umgeben, wohl bekannt ist, in eine Klippe von furchtbarer Höhe, Sumburgh-Head genannt, welche ihren kahlen Scheitel und ihre nackten Seiten dem Ungestüm einer furchtbaren Brandung preisgibt, und gegen Süd-Osten die äußerste Spitze der Insel bildet. Dieses hohe Vorgebirge ist beständig der Strömung einer starken und wüthenden Brandung ausgesetzt, welche zwischen den Orkney- und Shetland-Inseln tobt, an Gewalt nur mit der des Frith von Pentland verglichen werden kann, und, nach der oben erwähnten Landspitze benannt, Roost von Sumburgh heißt; Roost nennt man auf diesen Inseln alle Strömungen der Art.

Auf der Landseite ist das Vorgebirge mit kurzem Grase bedeckt, und läuft steil in eine kleine Landzunge aus, in welche die See kleine Buchten gespühlt hat, welche sich allmählig, von beiden Seiten der Insel immer tiefer eindringend, einander nähern, so daß es scheint, als ob sie sich in Kurzem mit einander vereinigen, und Sumburgh-Head dann allein dastehen, und so aus einem Vorgebirge zu einer einzelnen Felsinsel würde, von dem Festlande, dessen äußerstes Ende es jetzt bildet, ganz getrennt.

Dieß hatten indeß die Menschen in früheren Zeiten für ein noch weit entferntes oder unwahrscheinliches Ereigniß gehalten, denn ein norwegischer Häuptling in alter Zeit, oder, nach andern Nachrichten, und wie der Name Jarlshof beinahe schließen läßt, ein alter Graf von den Orkney-Inseln, hatte diese Landzunge gewählt, einen Wohnsitz darauf zu erbauen. Dieser ist schon seit langer Zeit ganz verlassen, und nur mit Mühe kann man jetzt noch die Spuren davon entdecken, denn der lockere Sand, welchen die Winde in diesen stürmischen Gegenden aufhäufen, hat die Trümmer der Gebäude bedeckt und halb begraben: zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts war indessen ein Theil des Grafen-Schlosses noch vorhanden, und sogar in bewohnbarem Zustande. Es war ein rohes Gebäude von unbehauenen Steinen, das für das Auge nichts Anziehendes hatte, und der Einbildungskraft keine Nahrung gewährte. Ein großes, altväterisches Haus, mit einem hohen, mit Platten von grauem Sandsteine gedeckten Dache, würde vielleicht dem Leser der neuern Zeit den besten Begriff davon geben. Der Fenster waren wenige, sehr klein und am Gebäude aufwärts und abwärts ohne die geringste Regelmäßigkeit angebracht. An das Hauptgebäude stießen in früheren Zeiten mehrere kleinere Theile des Schlosses, zum wirthschaftlichen Gebrauche bestimmt, oder gewöhnliche Zimmer für das Gefolge und die Dienerschaft des Grafen enthaltend. Diese waren aber verfallen, man hatte die Balken herabgenommen, und sie zu Brennholz oder zu anderem Behufe gebraucht; die Mauern waren an manchen Stellen eingestürzt, und um die Zerstörung vollständig zu machen, hatte sich der Sand schon zwischen den Trümmern angehäuft, und die Gemächer, welche diese einst enthielten, bis zu einer Höhe von zwei oder drei Fuß angefüllt.

Mitten unter diesen Zerstörungen hatten die Bewohner von Jarlshof, durch anhaltende Arbeit und Pflege, einige wenige Ruthen Landes in Ordnung erhalten, die, als Garten eingehegt, und durch die Mauern des Hauses vor dem zerstörenden Seewinde geschützt, die Gartengewächse lieferten, welche unter diesem Klima gedeihen, oder vielmehr, die der Sturm fortkommen läßt. Denn wenn diese Inseln auch weniger von der Kälte leiden, als das schottische Festland, so kann man doch, ohne den Schutz einer Mauer oder dergleichen, nicht einmal die gewöhnlichsten Küchengewächse ziehen; an Gesträuche und Bäume ist aber gar nicht zu denken, so gewaltig ist die Wirkung des allzerstörenden Seewindes.

In einer kleinen Entfernung von dem Schlosse und nahe an dem Meeresufer, gerade da, wo die Bucht eine Art von unvollkommenem Hafen bildet, in welchem drei oder vier Fischerboote lagen, standen einige elende Hütten, von den Bewohnern und Pachtbauern des Gebietes von Jarlshof bewohnt, die den ganzen Bezirk von dem Gutsherrn unter solchen Bedingungen in Pacht hatten, als man Leuten ihrer Art damals gewöhnlich machte, und die natürlich drückend genug waren. Der Grundherr selbst bewohnte ein Gut, welches er in einer angenehmern Gegend, in einem andern Theile der Insel, besaß, und besuchte seine Besitzung auf Sumburgh-Head nur selten. Er war ein ehrlicher, gerader, shetländischer Edelmann, etwas leidenschaftlich, die nothwendige Folge davon, daß er beständig Untergebene um sich hatte; den Freuden der Geselligkeit etwas übermäßig ergeben, was vielleicht daher rührte, daß er zu viel Zeit zu seiner Verfügung hatte; aber dabei frei und offen, großmüthig gegen seine Unterthanen und wohlwollend gegen Fremde. Er stammte von einer alten und edlen norwegischen Familie ab, ein Umstand, welcher ihn bei den niedern Klassen um so beliebter machte, da sie meistens eben diesen Ursprung haben, während die andern Lairds oder Grundeigenthümer gewöhnlich schottischen Ursprungs sind, und damals noch als Fremde und unrechtmäßige Besitzer angesehen wurden. Magnus Troil, der jetzige Grundbesitzer, der seine Abstammung von dem Grafen herleitete, welcher als Gründer von Jarlshof angesehen wurde, war ganz besonders dieser Meinung.

Die jetzigen Bewohner von Jarlshof hatten bei verschiedenen Gelegenheiten Beweise des Wohlwollens und der Zuneigung des Grundbesitzers empfangen. Als Mr. Mertoun, so hieß der jetzige Bewohner des alten Schlosses, zuerst in Shetland ankam, einige Jahre vor dem Anfange dieser Geschichte, wurde er in dem Hause des Mr. Troil mit der warmen und herzlichen Gastfreundschaft empfangen, wegen welcher diese Inseln in hohem Rufe stehen. Niemand fragte ihn, woher er käme, wohin er ginge, warum er einen so entlegenen Winkel des Reiches besuche, oder wie lange er wahrscheinlich bleiben würde. Er kam als ein gänzlich Fremder hier an, gleichwohl aber drängte sogleich eine Einladung die andere; jedes Haus, das er besuchte, war, so lange er darin bleiben wollte, wie sein eigen; er lebte darin wie ein Mitglied der Familie, unbeachtet und unbeachtend, und dieß so lange, bis er es für gut hielt, ein anderes Haus zu seinem Aufenthalte zu wählen. Diese anscheinende Gleichgültigkeit gegen Rang, Stand und Eigenschaften des Gastes entsprang bei seinen wohlwollenden Wirthen keineswegs aus Theilnahmlosigkeit, denn die Inselbewohner hatten ebenfalls ihr Theil natürlicher Neugier, aber ihr Zartsinn hielt es für einen Eingriff in die Rechte der Gastfreundschaft, Fragen zu thun, deren Beantwortung ihrem Gaste vielleicht schwer oder unangenehm wäre, und statt, wie es in andern Ländern wohl zu geschehen pflegt, Mr. Mertoun Etwas herauszulocken, was er gern verschwiegen hätte, begnügten sich die besonnenen Shetländer damit, das, was ihm im Laufe der Unterhaltung etwa entschlüpfte, begierig aufzufassen.

Aber der Felsen in einer arabischen Wüste spendet nicht spärlicher Wasser, als Mr. Basil Mertoun selbst nur zufällige Aeußerungen hören ließ, und die Höflichkeit der Leute von Thule wurde gewiß nie auf eine härtere Probe gestellt, als hier, wo sie fühlten, daß die gute Lebensart es ihnen verböte, die nähern Verhältnisse eines so geheimnißvollen Mannes auszukundschaften.

Was wirklich von ihm bekannt war, ließ sich kurz zusammenfassen. Mr. Mertoun war nach Lerwick, was damals eben zu steigen anfing, aber noch nicht als die Hauptstadt der Insel anerkannt war, auf einem holländischen Schiffe gekommen, nur von seinem Sohne, einem hübschen Knaben von ungefähr vierzehn Jahren, begleitet. Er selbst mochte etwas über vierzig Jahre alt sein; der holländische Schiffer hatte ihn bei einigen seiner Freunde eingeführt, von denen er gewöhnlich gegen Wachholderbranntwein und Gewürzkuchen kleine shetländische Ochsen, geräucherte Gänse und Strümpfe von Lammswolle einhandelte, und obgleich Mynheer nur sagen konnte: »Dat Mynheer Mertoun syne Passagie wie een Gentleman betalt heft, en heft einen Kruitz-Dollar außerdem aan het Schepsvolk gegeven,« so reichte dieß doch schon hin, des Holländers Passagier in einen Kreis achtbarer Familien einzuführen, welcher sich bald erweiterte, als man sich überzeugte, daß der Fremde ein Mann von bedeutenden Kenntnissen sei.

Diese Entdeckung wurde aber gleichsam par force gemacht, denn Mertoun ließ sich über allgemeine Gegenstände eben so wenig aus, wie über seine eigenen Angelegenheiten. Er wurde indeß zuweilen zu Erörterungen veranlaßt, aus denen, wie gegen seinen Willen, hervorging, daß man es mit einem Manne von Bildung und Welt zu thun habe; zu andern Zeiten schien er sich auch wohl, gleichsam zur Vergeltung der Gastfreundlichkeit, mit der man ihn hier aufgenommen hatte, selbst gegen seine angenommene Natur, zu zwingen, die Unterhaltung seiner Umgebung zu theilen, besonders wenn sie den ernsten, schwermüthigen oder satyrischen Ton annahm, der zu seiner eignen Gemüthsstimmung am besten paßte. Bei solchen Gelegenheiten waren die Shetländer einstimmig der Meinung, daß er eine vortreffliche Erziehung erhalten haben müßte, und daß diese nur in einer Hinsicht auffallend vernachlässigt worden sei, nämlich darin, daß Mr. Mertoun kaum den Vordertheil eines Schiffes von dem Hintertheile zu unterscheiden wußte, und eine Kuh ein Boot besser zu regieren verstand, als er. Man konnte nicht begreifen, wie man bei so großen Talenten in anderer Hinsicht, eine so grobe Unwissenheit in der allernothwendigsten Kunst (wenigstens für die shetländischen Inseln) verrathen könne: aber so verhielt es sich in der That.

Wenn Basil Mertoun nicht auf die eben erwähnte Art angeregt wurde, sah man ihn gewöhnlich in sich gekehrt und düster. Laute Fröhlichkeit verscheuchte ihn sogleich, und selbst die bescheidene Munterkeit eines freundschaftlichen Kreises hatte jedes Mal die Wirkung auf ihn, daß er noch in tiefern Trübsinn versank, als man sonst an ihm bemerkte.

Frauenzimmer haben gewöhnlich eine besondere Sucht, Geheimnisse zu ergründen und Kummer zu mildern, vorzüglich wenn diese beiden Umstände einen Mann betreffen, der gut aussieht, und in seinen besten Jahren steht. Es ist daher wohl möglich, daß dieser geheimnißvolle und träumerische Fremdling unter den blondlockigen und blauäugigen Töchtern von Thule Eine gefunden hätte, die es über sich genommen haben würde, ihn zu trösten, hätte er auf irgend eine Weise zu verstehen gegeben, daß er nicht abgeneigt sei, dergleichen Liebesdienste anzunehmen; allein weit entfernt davon, schien er selbst die Nähe des Geschlechtes zu fliehen, dessen Mitleid und Trost wir sonst in jeder Bedrängniß, sie sei geistig, oder körperlich, in Anspruch zu nehmen pflegen.

Außer diesen Eigenheiten hatte Mr. Mertoun noch eine andere, welche seinem Wirthe und Hauptgönner vorzüglich unangenehm war. Dieser shetländische Magnat, welcher, wie schon erwähnt, von väterlicher Seite aus einer alten norwegischen Familie stammte, indem sich sein Stammvater mit einer dänischen Dame verheirathete, war der unmaßgeblichen Meinung, ein Glas Genever oder Nantz sei ein Specificum gegen Sorgen und Trübsal aller Art. Das war indeß ein Mittel, zu welchem Mr. Mertoun nie seine Zuflucht nahm; sein Getränk war Wasser, und Wasser allein, und weder Bitten noch Ueberredung konnte ihn dazu vermögen, irgend ein stärkeres Getränk, als das reine Quellwasser, zu kosten. Das war zu viel für Magnus Troil: er sah es als ein Verbrechen gegen die alten nordischen Geselligkeits-Gesetze an, die er für seinen Theil immer so pünktlich beobachtet hatte, daß, wenn er auch, wie er behauptete, noch nie betrunken zu Bette gegangen war (d. h. was er unter betrunken verstand), man doch schwerlich würde haben beweisen können, er hätte sich den Armen des Schlafes je in einem Zustande wirklicher und unbestreitbarer Nüchternheit überlassen. Man könnte daher wohl fragen, was denn dieser Fremde an sich gehabt, um in Gesellschaft für das Mißvergnügen zu entschädigen, das seine strengen Sitten und seine Enthaltsamkeit verursachten? – Er hatte erstlich ganz das Betragen und die Wichtigkeit, welche einen Mann von einiger Bedeutung bezeichnen, und obgleich man muthmaßen konnte, daß er nicht reich war, so durfte man doch nach seinen Ausgaben schließen, daß er nicht ganz arm sei. Er besaß überdieß die Gabe der Unterhaltung, sobald er sie, wie wir schon bemerkt haben, geltend machen wollte, und sein Menschenhaß, oder seine Abneigung gegen die Geschäfte und den Verkehr des gewöhnlichen Lebens sprachen sich oft auch in Gegensätzen aus, welche für Witz galten, wenn eben kein besserer zu haben war. Vor Allem aber schien des Mr. Mertoun Geheimniß undurchdringlich, und seine Erscheinung hatte daher das Anziehende eines Räthsels, das man gern mehrere Male liest, weil man es nicht zu lösen vermag.

Aller dieser empfehlenden Eigenschaften ungeachtet war aber dennoch Mr. Mertouns Charakter so sehr von dem seines Wirthes verschieden, daß Magnus Troil, nachdem Jener eine Zeitlang auf seiner Hauptbesitzung gewohnt hatte, sehr angenehm überrascht wurde, als eines Abends, nachdem sie zwei Stunden, ohne ein Wort zu sprechen, bei einander gesessen, und Branntwein und Wasser getrunken hatten – d. h. Magnus den Geist und Mertoun das reine Element, – der Gast seinen Wirth um die Erlaubniß bat, den verlassenen Jarlshof, der am Ende des Bezirks von Dunroßnes, gerade unter Sumburgh-Head liege, als sein Pächter beziehen zu dürfen. – »Ich werde ihn so auf gute Art los,« dachte Magnus bei sich selbst; »und sein freudetödtendes Gesicht wird der kreisenden Flasche nicht mehr im Wege sein. Indeß wird mich seine Entfernung schweres Geld kosten, denn ich muß nun Citronen kaufen, während vorher ein Blick von ihm hinreichte, ein ganzes Meer von Punsch hinreichend sauer zu machen.«

Der wohlwollende Shetländer stellte indeß, eben so großmüthig als uneigennützig, Herrn Mertoun vor, daß er sich in seinem neuen Aufenthalte sehr einsam und unbehaglich fühlen würde. In dem alten Hause, sagte er, wären kaum die allernothwendigsten Meubles, – keine lebende Seele mehrere Meilen weit – und was die Lebensmittel beträfe, so würde er sich als Hauptnahrung mit sauren Kohlfischen begnügen müssen, und seine einzige Gesellschaft würden Möven und Solandgänse sein.

»Mein werther Freund,« antwortete Mertoun, »Ihr hättet mir zur Empfehlung meines neuen Aufenthalts nichts Besseres sagen können, als daß in dessen Nähe weder Wohlleben noch menschliche Gesellschaft zu finden sind: ein Obdach gegen das Wetter für mich selbst und den Knaben da, ist Alles, was ich suche, und so bestimmt denn den Pacht, Mr. Troil, und macht mich zu Eurem Pächter von Jarlshof.«

»Pacht?« entgegnete der Shetländer, »wahrhaftig, der kann für ein altes Haus, das seit meiner Mutter, Gott hab' sie selig, Niemand bewohnt hat, so groß nicht sein, und was das Obdach betrifft, so sind die Mauern dick genug, und halten wohl noch manches Unwetter aus. Aber der Himmel behüt' Euch, Mr. Mertoun; bedenkt, was Ihr vorhabt. Selbst für unser Einen wäre es schon ein sonderbarer Entschluß, in Jarlshof zu wohnen; aber nun gar für Euch, der Ihr aus einem ganz andern Lande seid, ich weiß nicht woher, ob aus England, Schottland oder Irland.«

»Das thut auch nichts zur Sache,« sagte Mertoun etwas kurz.

»Nein, natürlich nicht, nicht eine Häringsschuppe,« antwortete der Laird; »nur das will ich Euch sagen, daß ich Euch desto lieber habe, weil Ihr kein Schotte seid, – was ich einmal nicht glaube. – Da kommen sie hierher wie die Brentgänse; jeder große Herr bringt einen Schwarm seines Namens und aus seinem Neste mit, und da bleiben sie dann hier wohnen, weil Keiner nach seinen eigenen dürren Hochlanden oder Unterlanden wieder zurück mag, wenn er einmal unser shetländisches Rindfleisch gekostet und unsere schönen Buchten und See'n gesehen hat. Nein, Sir,« fuhr Magnus mit großer Wärme fort, indem er von Zeit zu Zeit einen Schluck des halbverdünnten Geistes zu sich nahm, der seinen Zorn gegen die fremden Eindringlinge noch zu vermehren und ihm die nöthige Stärke zu geben schien, die kränkenden Betrachtungen, welche sich ihm jetzt darboten, ruhig anzustellen; »nein, Sir, die alten Tage und die ächten Sitten dieser Inseln sind vorüber, und nicht mehr zu finden, denn unsere alten Grundbesitzer – die Patersons, Feas, Schlagbrenners, Thorbions, haben den Giffords, Scotts, Mouats weichen müssen, deren Namen schon andeuten, daß sie, oder ihre Vorältern, Fremdlinge auf diesem Boden waren, welchen wir Troils lange vor der Zeit des Turf-Einar bewohnten, der zuerst auf diesen Inseln die Kunst lehrte, Torf statt Holz zu brennen, und dessen Name die dankbare Nachwelt mit der Entdeckung selbst verknüpft hat.«

Dieß war ein Gegenstand, über welchen der Beherrscher von Jarlshof sich gewöhnlich sehr weitläufig ausließ, und Mertoun sah ihn mit Vergnügen darauf eingehen, weil er voraus wußte, daß er nun keinen Beitrag zur Unterhaltung zu geben brauchen würde, und seinen eigenen düstern Gedanken nachhängen könnte, indeß der norwegische Shetländer über die Veränderungen der Zeit und der Einwohner sprach. In dem Augenblicke aber, wo Magnus zu seinem trübseligen Schlusse gekommen war: »wie sehr wahrscheinlich es sei, daß im nächsten Jahrhunderte kaum ein Merk – ja kaum eine Ure von Land mehr im Besitze der norwegischen Einwohner, der wahren Udallers von Shetland Die Udallers sind die Allodial-Besitzer von Shetland, welche ihre Besitzungen noch nach dem alten norwegischen Rechte inne haben, statt nach dem Lehnsrechte, welches von Schottland aus bei ihnen eingeführt wurde., sein würde,« gedachte er der Verhältnisse seines Gastes, und hielt plötzlich inne. »Ich sagte dieß Alles nicht,« fügte er, sich selbst unterbrechend, hinzu, »als ob ich Etwas dawider hätte, daß Ihr auf meinem Gute Euch niederlassen wollt, Mr. Mertoun, – aber was Jarlshof betrifft – der Ort ist sehr unwohnlich; Ihr mögt nun gekommen sein, woher Ihr wollt, so bin ich überzeugt, Ihr werdet, wie andere Reisende, sagen, Ihr wäret aus einem besseren Klima, als unseres, gekommen, denn so sprecht ihr Alle. Und doch wollt Ihr Euch an einen Ort zurückziehen, wo selbst die Eingeborenen nicht bleiben mögen! – Wollt Ihr Euer Glas nicht nehmen? (dieß kam so mitten inne) – Nun, Eure Gesundheit!«

»Mein guter Sir,« antwortete Mertoun, »ich mache mir nichts aus dem Klima; ist nur Luft genug da, um meine Lungen anzufüllen, so kümmere ich mich wenig darum, ob ich die von Arabien oder von Lappland athme.«

»Luft könnt Ihr genug haben,« entgegnete Magnus, »daran fehlt es nicht – sie ist zwar etwas feucht, wie Fremde behaupten wollen, aber wir wissen, was dagegen hilft – Eure Gesundheit, Mr. Mertoun! – Das müßt Ihr schon lernen, und eine Pfeife zu rauchen, und dann werdet Ihr, wie Ihr sagt, die Luft von Shetland eben so gut wie die von Arabien finden. Habt Ihr denn aber Jarlshof gesehen?«

Der Fremde sagte, das hätte er nicht.

»Nun,« sagte Magnus, »dann habt Ihr auch keinen Begriff von dem, was Ihr unternehmt. Wenn Ihr glaubt, daß es eine bequeme Rhede sei, wie diese, wo das Haus am Ufer eines See's von Salzwasser liegt, wo die Häringe bis zu Eurer Thüre kommen, so irrt Ihr Euch, mein Herr. In Jarlshof seht Ihr nichts als die wilden Wellen, welche über die kahlen Felsen stürzen, und die Strömung von Sumburgh, welche in einer Stunde fünfzehn Knoten zurücklegt.«

»So werde ich doch nichts von dem Strome der menschlichen Leidenschaften sehen,« sagte Mertoun.

»Ihr werdet nichts als das Gekrächz und Geschrei der Kormorans, Puffins und Seemöven hören, von Tagesanbruch bis zu Sonnenuntergang.«

»Das lasse ich mir gefallen, mein Freund,« erwiderte der Fremde; »wenn ich nur nicht das Geschwätz der Weiberzungen hören muß.«

»Aha,« sagte der Normann, »das kommt daher, weil Ihr in diesem Augenblicke meine kleine Minna und Brenda mit Eurem Mordaunt im Garten singen hört. Nun, ich horche doch lieber auf ihre kleinen Stimmen, als auf die der Feldlerche, die ich einst in Caithneß hörte, oder die der Nachtigall, von der ich gelesen habe. – Was werden aber die Mädchen beginnen, wenn ihr Spielgefährte Mordaunt nicht mehr da ist?«

»Sie müssen sich behelfen,« antwortete Mertoun, »jünger oder älter, werden sie immer Spielgefährten oder Hintergangene finden; doch die Frage ist, Mr. Troil, wollt Ihr mir das alte Schloß Jarlshof als Eurem Pächter überlassen?«

»Sehr gern, – da Ihr Euch doch einmal entschieden habt, an einem so einsamen Orte zu leben.«

»Und der Pacht?« fuhr Mertoun fort.

»Der Pacht!« erwiderte Magnus, »hm – ja, Ihr müßt nun noch das Fleckchen haben, das einst ein Garten hieß, und einen Antheil an Seathold und einen Sixpenny Mark Landes, damit die Bauern für Euch fischen können; – sollten acht Ließpfund Butter und acht Schillinge Sterling jährlich wohl zu viel sein?«

Mr. Mertoun ging so billige Bedingungen sogleich ein, wohnte von nun an hauptsächlich auf dem einsamen Schlosse, welches wir zu Anfange dieses Kapitels beschrieben haben, und ließ sich nicht allein ohne Klage, sondern, wie es schien, mit einem schmerzlichen Wohlbehagen alle die Entbehrungen gefallen, welche eine so wüste und verlassene Gegend ihrem Bewohner nothwendig auferlegte.


 


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