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Sechstes Kapitel.

 

– – – – – Hast du durch deine Kunst
Das wilde Wasser so empört, bring's wieder auch zur Ruh'.

Der Sturm.

 

Der Sturm hatte sich kurz vor Norna's Eintritt etwas gelegt, sonst dürfte sie es wohl unmöglich gefunden haben, während seiner Heftigkeit ihre Reise fortzusetzen. Kaum hatte sie indeß so unerwartet die Gesellschaft vermehrt, welche der Zufall in Triptolemus Wohnung versammelt hatte, als auch der Sturm wieder mit seiner vorigen Heftigkeit zu wüthen begann und das Gebäude so furchtbar umtobte, daß die Bewohner fürchteten, es jeden Augenblick über ihren Häuptern zusammenstürzen zu sehen.

Mrs. Baby machte ihrer Furcht durch laute Ausrufungen Luft: »Gott schütze uns – das ist gewiß der jüngste Tag – was für ein Land ist das, wo es nichts als Zauberer und Hexen gibt! – Und du, du Dummkopf,« fügte sie hinzu, indem sie sich zu ihrem Bruder wendete, denn alle ihre Leidenschaften hatten immer einen Anschmack von Säure – »die schönen Mearns zu verlassen, um hierher zu kommen, wo man im Hause nichts hat, als unverschämte Bettler und Hausirer, und draußen des Himmels Zorn!«

»Ich sage dir, Schwester Baby,« antwortete der beleidigte Landwirth, »daß Alles anders und besser werden soll; ausgenommen,« – fügte er halblaut hinzu – »die üble Laune eines bösen Weibes, das selbst im Sturm sein Gezänk nicht zurückhalten kann.«

Die alte Magd und der Hausirer erschöpften sich unterdessen in Bitten gegen Norna, von denen der Hausherr nichts verstand, da sie in norwegischer Sprache erfolgten.

Sie hörte diese mit einer stolzen und unerweichten Miene an, und antwortete ziemlich laut auf Englisch: »Ich will nicht. Und wenn dieß Haus vor morgen in seinen Trümmern daläge, was würde die Welt an dem verwirrten Planmacher, an den knauserigen Filzen verlieren, die es jetzt bewohnen? Sind sie hergekommen, unsere shetländischen Sitten neu zu gestalten, so mögen sie auch versuchen, was ein shetländischer Sturm ist. – Wer nicht mit untergehen will, verlasse dieß Haus.«

Der Hausirer ergriff sein kleines Bündel und warf es hastig auf den Rücken, die alte Magd nahm ihren Mantel um die Schultern, und Beide schienen im Begriff, das Haus zu verlassen.

Triptolemus Yellowley, auf den diese Anstalten einigen Eindruck zu machen schienen, fragte Mordaunt mit einer vor Furcht zitternden Stimme: ob er glaube, daß wirklich einige, das heißt so viele Gefahr vorhanden sei?

»Ich weiß es nicht,« antwortete der Jüngling, »allein ich habe nie einen solchen Sturm erlebt. Norna kann uns am besten sagen, wann er sich legen wird, denn Niemand versteht sich auf diesen Inseln besser auf das Wetter, als sie.«

»Und glaubst du, daß das Alles sei, was Norna zu thun vermag?« antwortete die Sybille; »wisse, daß ihre Macht nicht auf einen so engen Kreis beschränkt ist! Höre mich, Mordaunt, Jüngling aus fremdem Lande, aber von wohlwollendem Herzen – wirst du diese dem Verderben geweihte Stätte mit denen verlassen, welche sich jetzt dazu anschicken, oder nicht?«

»Nein – ich werde es nicht thun, Norna,« entgegnete Mordaunt; »ich kenne die Beweggründe nicht, welche dich vermögen, mich dazu zu veranlassen, und ich werde auf diese dunklen Drohungen hin nicht aus einem Hause gehen, in dem man mich bei einem Sturme, wie dieser, gastfreundlich aufgenommen hat. Wenn die Eigenthümer an unseren Gebrauch unbeschränkter Gastfreiheit nicht gewöhnt sind, so bin ich ihnen um so mehr verpflichtet, daß sie ihren Sitten untreu geworden sind, und mir ihre Thüre geöffnet haben.«

»Er ist doch ein braver Bursch« – sagte Baby, deren abergläubische Gedanken durch die Drohungen der vermeintlichen Zauberin aufgeregt worden waren, und welche, bei aller ihrer habsüchtigen, engherzigen und neidischen Gemüthsart, doch noch einige Funken eines höheren Gefühles in sich trug, das die erhabenen Gesinnungen Anderer zu würdigen vermochte, obgleich sie es für zu theuer hielt, dieselben auf ihre alleinigen Kosten zu hegen. – »Er ist ein braver Bursch,« wiederholte sie, »und werth, daß ich zehn Gänse für ihn kochte oder briete, wenn ich sie hätte. Ich stehe dafür, er ist aus edlem Geschlecht und hat kein Bauernblut in seinen Adern.«

»Höre mich, junger Mordaunt,« sagte Norna, »und geh' aus diesem Hause. Das Schicksal hat hohe Absichten mit dir. Du sollst nicht in dieser Hütte bleiben, um unter ihren elenden Trümmern, bei den Ueberbleibseln ihrer noch elenderen Bewohner begraben zu werden, deren Leben so wenig werth ist, als der Hauslauch, welcher jetzt auf ihrem Dach wächst, und welcher bald zwischen ihren verstümmelten Gliedern zerquetscht daliegen wird.«

»Ich – ich – ich werde weggehen,« sagte Yellowley, der, ungeachtet er sich bisher wie ein gelehrter und weiser Mann geberdet hatte, jetzt dennoch für den Ausgang dieses Abenteuers besorgt zu werden anfing; denn das Haus war alt und die Wände krachten bei den Stößen des Windes furchtbar.

»Und warum?« sagte seine Schwester. »Ich hoffe, der Fürst der Finsterniß hat noch nicht so viel Macht über die, welche nach Gottes Ebenbild geschaffen sind, daß ein gutes Haus über ihren Häuptern zusammenstürzen sollte, weil ein Bettelweib, wie diese (hier warf sie einen furchtbaren Blick auf Norna) uns mit ihren hohen Worten gebieten zu können glaubt, als ob wir Hunde wären, die zu ihren Füßen kröchen.«

»Ich wollte,« sagte Triptolemus, der sich seiner Furcht schämte, »nur nach der Gerste sehen, die sich bei diesem Sturme sehr gelegt haben muß; aber wenn diese ehrliche Frau bei uns bleiben will, so würde es wohl das Beste sein, daß wir uns Alle zusammen ruhig niedersetzten, bis es wieder Wetter zur Arbeit geworden ist.«

»Ehrliche Frau!« wiederholte Baby. »Schändliche, diebische Zauberin! – Hebe dich weg, Abscheuliche!« fügte sie hinzu, indem sie sich gerade gegen Norna wendete. »Fort aus einem ehrlichen Hause, oder möge Schande mich treffen, wenn ich nicht den Hammer nach dir werfe!«

Norna warf ihr einen Blick der tiefsten Verachtung zu, schritt dann zum Fenster und schien in tiefe Betrachtungen des Himmels versunken, während die alte Magd Tronda sich ihrer Gebieterin näherte und diese um Alles, was einem Manne oder einer Frau theuer sei, beschwur, Norna von Fitful-Head nicht aufzubringen. »Es gibt keine solche Frau auf dem Festlande von Shetland, – sie kann auf einer der Wolken dort eben so gut reiten, wie ein Mann auf einem Pferde.«

»Ich hoffe es noch zu erleben, sie auf einer fetten Theertonne reiten zu sehen,« sagte Mistreß Baby, »und das wird das beste Roß für sie sein.«

Noch einmal betrachtete Norna die wüthende Mrs. Baby Yellowley mit einem Blicke jenes unaussprechlichen Hohnes, den ihre stolze Miene so wohl auszudrücken wußte, und indem sie sich dem Fenster näherte, das gegen Nordwesten ging, von woher der Wind jetzt zu kommen schien, stand sie einige Zeit lang mit übereinandergeschlagenen Armen da, zu dem bleifarbigen Himmel hinaufblickend, der von dem dicken Gestöber verfinstert war, das in einzelnen Schauern herabfiel und von Zeit zu Zeit zwischen dem schweigenden und sich wieder erhebenden Winde Augenblicken banger Erwartung Platz machte.

Norna sah diesem Kampfe der Elemente zu, wie Jemand, der damit vertraut ist, allein die ernste Ruhe ihrer Gesichtszüge hatte eine Beimischung von Beklommenheit und dabei von Gebietendem, wie der Kabalist auf den Geist blickt, den er zwar selbst hervorgerufen hat und von dem er weiß, daß er seinem Worte gehorchen muß, der aber für einen Sterblichen dennoch etwas Furchterregendes behält. Die Anwesenden standen in verschiedenen Stellungen, welche die Gefühle eines Jeden andeuteten, um sie her. Mordaunt, obwohl nicht gleichgültig gegen die Gefahr, in der er sich befand, war mehr erwartungsvoll als ängstlich. Er hatte von Norna's vorgeblicher Gewalt über die Elemente gehört, und erwartete nun eine Gelegenheit zu erhalten, um ein eigenes Urtheil über die Wahrheit des Gerüchtes fällen zu können. Triptolemus Yellowley war ganz erstaunt über das, was die Gränzen seiner Philosophie so weit überschritt, und eigentlich mehr erschrocken als neugierig. Seine Schwester verspürte nicht die geringste Neugier, aber es war schwer zu entscheiden, ob aus ihren durchdringenden Blicken und dünnen zusammengepreßten Lippen mehr Zorn oder Furcht sprach. Der Hausirer und die alte Tronda hielten sich, in dem festen Vertrauen, daß das Haus nie einstürzen würde, so lange die gefürchtete Norna noch unter seinem Dache weile, bereit, in dem Augenblicke aufzubrechen, wo sie es verlassen würde.

Nachdem Norna eine Zeitlang unbeweglich und im tiefsten Stillschweigen den Himmel betrachtet hatte, streckte sie auf einmal, mit einer langsamen und majestätischen Geberde, ihren Stab von schwarzem Eichenholz gegen die Gegend des Himmels aus, von welcher der Wind am heftigsten wehte, und stimmte, mitten in seiner Wuth, eine norwegische Beschwörung an, welche sich noch jetzt auf der Insel Nist unter dem Namen des Gesanges der Reim-Kennar erhalten hat, wiewohl sie Einige auch das Lied des Sturmes nennen. Das Folgende ist eine freie Uebersetzung, da es unmöglich sein würde, mehrere von den elliptischen und metaphorischen Ausdrücken wörtlich wiederzugeben, welche der alten nordischen Dichtkunst so eigenthümlich sind.

Kühner Aar aus fernem Nordwest,
Der in der Kralle führe den Donnerkeil,
Du, deß rauschende Flügel zur Wuth den Ocean treiben,
Du, Vernichter der Heerden, Zerstörer der Schiffe, –
Gleicht dein Gekreisch auch dem Schrei erliegenden Volkes,
Deiner Flügel Rauschen dem Getös von zehntausend Wogen,
Dennoch höre in deinem Zorn, deiner Hast,
Höre die Stimme der Reim-Kennar.
Du trafst die Fichten von Drontheim;
Gebrochen liegen die grünen Häupter neben den Stämmen. –
Du trafest den Wand'rer auf dem Ocean,
Die schlanke, starke Barke des furchtlosen Ruderers,
Und gestrichen hat sie ihr Segel vor dir,
Das vor keiner Königsflotte sie hatte geneigt; –
Du trafst den Thurm, der in die Wolken streckt sein Haupt
Den starken, festen Thurm der Carle aus der Vorzeit,
Und der Schlußstein des Thurms
Liegst auf dem gastlichen Herd! –
Doch auch du sollst innehalten, stolzer Bezwinger der Wolken,
Wenn du hörest die Stimme der Reim-Kennar.

Es gibt Stimmen, die halten den Hirsch in dem Wald,
Selbst wenn der Hund auf seiner Fährte jagt! –
Es gibt Stimmen, die hemmen des wilden Geiers Flug,
Gleich dem Falken, der Kappe und Riemen trägt
Und die gelle Pfeife des Falkners kennt.
Du, der verspottet den Schrei des sinkenden Seemanns,
Das Krachen des Waldes, den du verheerst,
Das Stöhnen der angstbeklommenen Menge,
Wenn die Kirche zusammenstürzt über den Betern; –
Es gibt Töne, denen auch du gehorchen mußt.
Wenn sie singt die Stimme der Reim-Kennar.

Genug des Weh's hast auf dem Ocean du gestiftet. –
Die Wittwe ringt die Hände an der Bucht; –
Genug des Weh's hast dem Land' du gebracht, und
Verzweifelnd kreuzt der Landmann seine Arme; –
Ende das schlagen deiner Flügel,
Laß den Ocean ruh'n in seiner finstern Kraft;
Ende das Blitzen deiner Augen,
Laß den Donnerkeil still in der Rüstkammer Odins.
Sei still auf mein Geheiß, Renner nordwestlichen Himmels,
Schlafe auf Norna's Stimme, der Reim-Kennar.

Wir haben oft gesagt, daß Mordaunt von Natur ein Freund romantischer Dichtkunst und romantischer Begebenheiten war; man wird es daher nicht überraschend finden, daß er mit großem Antheil auf die wilde Anrede hörte, welche so in dem Tone der höchsten Begeisterung an den wildesten Wind der Windrose gehalten wurde. Aber obgleich er in dem Lande, wo er so lange gewohnt, so viel von den runischen Reimen und den nordischen Zaubersprüchen gehört hatte, war er doch in diesem Augenblicke keineswegs so leichtgläubig, daß er wirklich gemeint hätte, der Sturm, welcher vor Kurzem noch so gewüthet hatte und der jetzt abnahm, werde wirklich vor den Zauberversen Norna's schweigen. Gewiß war es, daß der Wind sich zu legen schien und die befürchtete Gefahr schon vorüber war; allein es war keineswegs unwahrscheinlich, daß dieser Ausgang schon vor einiger Zeit von der Pythia vorausgesehen worden war, welche ihn aus Zeichen erkannt hatte, die denen, welche noch nicht lange in dem Lande lebten, oder auf dergleichen Erscheinungen keine große Aufmerksamkeit richteten, leicht entgehen konnten. An Norna's Erfahrung zweifelte er nicht im geringsten, und diese reichte schon weit genug, um das Alles zu erklären, was in ihrem Betragen übernatürlich schien.

Die übrigen Anwesenden waren weniger schwer zu überführen. Tronda und der Hausirer hatten schon lange an die volle Gewalt Norna's über die Elemente geglaubt. Triptolemus und seine Schwester aber starrten einander mit verwunderten und schreckensvollen Blicken an, besonders als der Wind sich merklich zu legen begann, was man während der Zwischenräume der Strophen von Norna's Beschwörung sehr deutlich bemerken konnte. Dem letzten Verse folgte ein langes Stillschweigen, bis Norna ihren Gesang wieder anfing, jedoch mit veränderter und sanfterer Modulation der Stimme und der Melodie.

Aar der fernen nordwestlichen Gewässer,
Du hörtest die Stimme der Reim-Kennar.
Auf ihr Gebot zogst dein weites Segel du ein,
Es friedlich faltend an deinen Seiten.
Mein Segen ruh' auf deinem schwindenden Pfade!
Wenn du aufsteigest aus deinem Horste,
Sei sanft dein Schlummer in des unbekannten Oceans Höhle!
Ruhe, bis das Geschick wieder dich erweckt, –
Aar des Nordwest, du hörtest die Stimme der Reim-Kennar.

»Das würde ein schönes Lied sein, das Korn zu bewahren,« flüsterte der Landwirth seiner Schwester zu; »wir müssen ihr zureden, Baby – vielleicht lehrt sie uns das Geheimniß für hundert Pfund Schottisch.«

»Für ein Hundert Dummköpfe,« erwiderte Baby; »biete ihr fünf Mark klingendes Geld! Alle Hexen, die ich in meinem Leben gekannt habe, waren so arm, wie Hiob.«

Norna wandte sich zu ihnen, als ob sie ihre Gedanken errathen hätte, und vielleicht war dieß auch der Fall. Sie sah an ihnen mit einem Blicke tiefer Verachtung vorüber, ging dann zu dem Tische, auf welchem die Vorbereitungen zu Baby's mäßigem Mahle bereits getroffen waren, füllte aus einem irdenen Kruge mit Bland eine kleine hölzerne Schale, brach von einem Gerstenkuchen ein einziges Stück ab und wandte sich, nachdem sie gegessen und getrunken hatte, zu ihren unfreundlichen Wirthen: »Ich danke euch nicht für die Erfrischung, die ich eben genossen habe,« sagte sie, »denn ihr habt mich nicht dazu geladen, und der Dank, den man einem Geizhals abstattet, ist wie der Thau des Himmels auf den Klippen von Foulah, der nichts dort findet, was er erfrischen könnte. Ich danke euch nicht,« wiederholte sie, fügte aber, indem sie aus der Tasche einen ledernen Beutel zog, der sehr groß und schwer zu sein schien, hinzu: »ich bezahle euch mit dem, was euch mehr sein wird, als die Dankbarkeit sämmtlicher Einwohner von Hialtland. Ihr sollt nicht sagen können, daß Norna von Fitful-Head von eurem Brode gegessen und aus eurem Becher getrunken, und euch dann, bekümmert um die Ausgabe, die sie eurem Hause verursachte, zurückgelassen habe.« Indem sie so sagte, legte sie auf den Tisch eine kleine alte Münze, auf der das rohe und halb verwischte Bildniß irgend eines alten nordischen Königs zu sehen war.

Triptolemus und seine Schwester eiferten mit großer Heftigkeit gegen diese Freigebigkeit; der Erstere sagte, »er hätte kein Wirthshaus,« und die Andere rief aus: »Ist das Weib toll? Hat man je gehört, daß Einer aus dem Hause Clinkscale Speise für Geld gegeben hätte?«

»Oder um Gotteswillen« – brummte ihr Bruder für sich – »bleib dabei, Schwester!«

»Was schwatzest du da wieder, Tropf?« – sagte die freundliche Schwester, welche sogleich schloß, was er gesagt haben konnte, »gib der Frau ihr Ding wieder und sei froh, daß du so los kommst; morgen ist es ein Schieferstück, oder gar etwas Aergeres.«

Der ehrliche Verwalter nahm das Geldstück vom Tische auf, um es zurückzugeben, konnte sich aber des Erstaunens nicht erwehren, als er das Gepräge sah, und seine Hand zitterte, indem er es seiner Schwester hinreichte.

»Ja,« sagte die Seherin abermals, als ob sie die Gedanken des erstaunten Paares auf ihren Gesichtern lesen könnte: »Ihr habt diese Münze schon früher gesehen – gebt wohl Acht, wie Ihr sie braucht! – Sie bringt den Geizigen und Kleinlichgesinnten keinen Vortheil. Sie wurde in ehrenvoller Gefahr gewonnen, und muß mit ehrenvoller Freigebigkeit gespendet werden. Der Schatz, welcher unter dem kalten Herde liegt, wird eines Tages, wie das vergrabene Talent, gegen seine habsüchtigen Besitzer zeugen.«

Diese letzte dunkle Anspielung schien die Unruhe und die Verwunderung der Mrs. Baby und ihres Bruders auf das Höchste zu treiben. Der Erstere stammelte etwas hervor, das einer Einladung an Norna glich, die Nacht über bei ihnen zu bleiben, oder wenigstens Theil an dem »Mittagsessen« zu nehmen, wie sie es anfänglich nannte; als sie aber auf die Gesellschaft sah und sich des kargen Inhaltes des Topfes erinnerte, verbesserte sie den Ausdruck und hoffte nun, sie würde mit einem Theile des »Imbisses« vorlieb nehmen, der auf dem Tische stehen solle, ehe ein Mann den Pflug anspannen könne.

»Ich esse hier nicht, ich schlafe hier nicht,« erwiderte Norna; »ja, ich enthebe euch nicht allein meiner Gegenwart, sondern ich werde euch auch von euren unwillkommenen Gästen befreien. – Mordaunt,« fügte sie hinzu, indem sie sich an den jungen Mertoun wendete, »die schwarze Stunde ist vorüber und dein Vater erwartet dich diesen Abend.«

»Führt dich dein Weg in jene Gegend?« sagte Mordaunt; »ich will nur einen Bissen essen und dich dann auf dem Wege unterstützen, gute Mutter. Die Bäche müssen ausgetreten und die Reise sehr gefährlich sein.«

»Unsere Wege liegen nach verschiedener Richtung,« antwortete die Sybille, »und Norna bedarf auf ihrem Wege keines sterblichen Armes zu ihrer Unterstützung. Ich bin weit nach Osten hin berufen, vor die, welche meine Bahn zu ebnen wissen. Du aber, Bryce Snailsfoot,« fuhr sie zu dem Hausirer fort, »eile nach Sumburgh; der Rust wird dir eine reichliche Ernte bereitet haben, des Einbringens wohl werth. Viele gute Waare wird jetzt auf einen neuen Eigenthümer warten, und der einst sorgsame Schiffer schläft ruhig im tiefen Meer und kümmert sich nicht darum, daß Ballen und Kisten gegen das Ufer treiben.«

»Nun, nun, gute Frau,« antwortete Snailsfoot, »ich wünsche meines eignen Vortheils willen Niemanden den Tod und bin dankbar, wenn die Vorsehung meinem kleinen Gewerbe einiges Gedeihen schenkt. Aber freilich ist des Einen Verlust des Andern Gewinn, und da diese Stürme Alles am Lande zerstören, so ist es ganz billig, daß sie uns zur See Etwas wieder zukommen lassen. So will ich denn auch, wie Ihr, Mutter, mir die Freiheit nehmen, ein Stück Gerstenbrod zu essen und einen Schluck Bland zu trinken, auch diesem guten Herrn und der Frau guten Tag sagen und danken, und mich sogleich nach Eurem Rathe auf den Weg nach Jarlshof machen.«

»Ja,« erwiderte die Seherin, »wo ein Aas ist, sammeln sich die Adler, und wo ein Wrack am Ufer liegt, ist der Hausirer geschäftig, zu laufen, wie der Hayfisch auf die Todten lauert.«

Dieser Vorwurf, wenn es anders wirklich als ein solcher gemeint war, schien die Fassungskraft des reisenden Händlers zu übersteigen, der, seine ganze Aufmerksamkeit auf den zu erwartenden Gewinn gerichtet, den Quersack und die Elle ergriff, und Mordaunt mit der, in einem wilden Lande erlaubten Vertraulichkeit fragte, ob er ihn nicht begleiten wollte.

»Ich will noch mit Mr. Yellowley und Mrs. Barbara zu Mittag essen, und werde erst in einer halben Stunde aufbrechen.«

»So will ich denn mein Theil in die Hand nehmen,« sagte der Hausirer. Mit diesen Worten murmelte er einen kurzen Segen, nahm, wie es Baby's scharfe Augen schätzten, ungefähr zwei Drittel des Brodes, that einen langen Zug aus dem Kruge mit Bland, packte eine Handvoll der kleinen Fische, die man Sillochs nennt, und welche die Magd so eben auf den Tisch gesetzt hatte, zusammen, und verließ dann ohne Weiteres das Zimmer.

»Wahrhaftig,« sagte die so geplünderte Mrs. Baby, »das ist Handelmanns Hunger und Durst, wie die Leute sagen. Wenn nur die Gesetze gegen Landstreicher gehörig gehandhabt würden – es versteht sich, daß ich meine Thür vor anständigen Leuten nicht verschließen würde,« sagte sie, indem sie auf Mordaunt sah, »vorzüglich bei einem Wetter, wie am jüngsten Tage. Aber ich sehe, das arme Thier, die Gans, steht auf dem Tische.«

Diese Worte sprach sie mit einem gewissen Tone des Antheils an der geräucherten Gans, die, wenn sie gleich seit langer Zeit eine leblose Bewohnerin ihrer Esse gewesen war, doch der Mrs. Baby in diesem Zustande weit mehr nahe ging, als jemals, da sie ihr Geschrei noch in den Wolken ertönen ließ. Mordaunt lachte, nahm einen Sessel und wandte sich dann um, nach Norna zu sehen; allein diese war mit dem Hausirer verschwunden.

»Ich bin froh, daß sie fort ist, das böse Weib,« sagte Baby; »ob sie gleich uns zur ewigen Schande das Geldstück hier gelassen hat.«

»Still, um's Himmelswillen,« sagte Tronda Dronsdaughter, »wer weiß, wo sie in diesem Augenblicke sein mag; – wir sind nicht sicher, daß sie uns hört, wenn wir sie auch nicht sehen.«

Mrs. Baby sah sich erschrocken um, sammelte sich aber sogleich wieder (denn sie war von Natur eben so beherzt als heftig) und sagte: »Ich hieß sie vorher sich entfernen und ich heiße sie es noch, sie mag mich hören oder sehen, oder schon über Block und Stein weit weg sein. – Und du, du einfältiger Tropf,« sagte sie zu dem armen Yellowley, »was stehst du da und glotzest mich an? – Du willst ein Student von St. Andrew's sein! Du hast Gelehrsamkeit und lateinische Humanität studirt, wie du es nennst, und fürchtest dich vor dem Gewäsch eines alten Bettelweibes? Sprich dein bestes Dankgebet aus dem Collegium, Mensch, und mag sie nun eine Hexe sein oder nicht, so wollen wir unser Mittagessen ihr zum Trotze verzehren, und was ihr Geldstück betrifft, so soll man nie sagen können, daß ich ihr Geld in die Tasche gesteckt hätte. Ich will es irgend einem Armen geben, das heißt, ich will es nach meinem Tode vermachen, und es bis zu dem Tage als Heckepfennig behalten; das heißt doch nicht, es wie gewöhnliches Geld brauchen. Sag' also dein bestes Tischgebet her, Mensch, und laß uns essen und trinken.«

»Weit besser wär' es, Ihr sagtet ein oremus an St. Ronald und würfet einen Sixpence über Eure linke Schulter, Herr,« sagte Tronda.

»Damit du ihn aufnehmen könntest, Weibsbild,« versetzte die unversöhnliche Mrs. Baby; »es wird lange dauern, bis du auf eine andere Weise so viel verdienst. – Setze dich, Triptolemus, und höre auf die Worte des albernen Weibes nicht.«

»Albern oder klug,« antwortete Yellowley sehr betreten: »sie weiß mehr, als mir lieb ist. Es bleibt doch immer furchtbar, einen solchen Wind auf die Stimme von Fleisch und Blut, wie wir selbst, sich legen zu sehen, – und das, was sie über den Herd sagte; – ich kann nicht umhin, zu denken.« –

»Wenn du nicht umhin kannst, zu denken,« sagte Mrs. Baby sehr spitzig, »so wirst du wenigstens das Maul halten können.«

Der Landwirth erwiderte hierauf nichts, sondern setzte sich zu dem kärglichen Mahle, und benahm sich als Wirth mit ungewöhnlicher Herzlichkeit gegen seinen Gast, den ersten Ungebetenen und den letzten, der sie verließ. Die Sillochs verschwanden sehr schnell vom Tische, und die geräucherte Gans mit ihrem Zubehör flog so ganz davon, daß Tronda, welcher die Knochen zum Abschälen bestimmt waren, wenig oder nichts mehr zu thun fand. Nach Tische brachte der Wirth seine Branntweinflasche zum Vorschein, allein Mordaunt, der überhaupt beinahe so mäßig war, wie sein Vater, machte von diesem ungewöhnlichen Aufwande wenig Gebrauch.

Während der Mahlzeit erfuhren jene Beiden so viel über den jungen Mertoun und seinen Vater, daß selbst Baby es nicht zugeben wollte, ihn seine nassen Kleider wieder anlegen zu lassen und (auf die Gefahr, die Ausgaben dieses Tages noch durch ein kostbares Abendessen vermehrt zu sehen) in ihn drang, bis zum nächsten Morgen bei ihnen zu bleiben. Allein was Norna sagte, hatte das Verlangen des Jünglings, nach Hause zu kommen, doppelt heftig erregt; auch bot das Haus (wie weit selbst die Gastfreundlichkeit von Stourburgh seinetwegen ausgedehnt worden war) keine besondere Anregung, ihn zum längeren Verweilen zu bestimmen. Er nahm also das Anerbieten des Verwalters an, dessen Kleider anzubehalten, versprach, sie zurückzusenden und die seinigen holen zu lassen, und nahm nun freundlichen Abschied von seinem Wirthe und Mrs. Baby, welche sich, so sehr sie auch den Verlust ihrer Gans bedauerte – da der Aufwand doch einmal gemacht werden mußte – damit tröstete, daß er eines so hübschen und freundlichen Jünglings wegen gemacht worden sei.


 


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